Bundesweite Coronaregeln: Dauerbremse statt Notbremse
Endlich kommen bundesweite Corona-Regeln. Allerdings sind die Details zur Ausgangssperre komplett vermurkst – und die Wirtschaft wird weiter geschont.

D ie gute Nachricht zuerst: Der Bundestag hat neue, landesweit geltende Coronaregeln auf den Weg gebracht. Und auch noch so fanatische Proteste ohne Ab- und Anstand werden sie nicht aufhalten. Das ist ein Wert an sich, weil klare Regeln für alle übersichtlicher sind als die ständig wechselnden Vorschriften in verschiedenen Bundesländern.
Doch nun zur schlechten Nachricht: Leider wurde die Hoffnung enttäuscht, dass die oft wirren Beschlüsse der MinisterpräsidentInnenkonferenzen durch schlüssige Bundesregeln abgelöst werden. Diese Hoffnung war naiv. Auch das neue Regelwerk ist ein mühsam zusammengezimmerter Kompromiss, diesmal nicht zwischen Bund und Ländern, sondern zwischen dem „Team Vorsicht“ aus dem Kanzleramt und zahlreichen InteressenvertreterInnen aus den Regierungsfraktionen.
Das Ergebnis ist keine Notbremse der steigenden Infektionszahlen, sondern eine eher sachte Dauerbremse des öffentlichen Lebens. Auch das neue Regelwerk wird die Zahlen nicht schnell und drastisch senken. Das hätte wohl nur mit einem kurzen, aber harten Lockdown des Privat- und Arbeitslebens funktioniert.
Vor ernsthaften Einschränkungen der Wirtschaft schreckt aber auch die viel gepriesene Coronabekämpferin Angela Merkel weiterhin zurück. Es gibt nicht einmal eine Testpflicht in Betrieben; auch die neuen Beschränkungen betreffen vor allem das Privatleben. Sie sind nicht kurzfristig brutal, aber dafür dauerhaft ärgerlich und demotivierend.
Ob eine Ausgangssperre überhaupt wirksam und angemessen ist, lässt sich bezweifeln. Nun erscheint sie komplett sinnlos. Man darf abends nicht als Paar, aber einzeln spazieren gehen. Was dann wiederum jeder behaupten kann, der auf dem Weg zu einem Freund angesprochen wird. Treffen in Innenräumen werden so nicht unwahrscheinlicher.
Wirklich verhindert werden hingegen Treffen im Freien, die viel weniger gefährlich sind. Die Ausgangssperre könnte auch von Gerichten verworfen werden. Spätestens dann werden sich viele nach den MinisterpräsidentInnenkonferenzen zurücksehnen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!