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Bundesverfassungsschutz zu AfDKeine Partei wie jede andere

Der Bundesverfassungsschutz stuft die AfD auf Bundesebene als gesichert rechtsextremistisch ein. Kommt nun das Verbot der Partei?

Sitzung des Bundestags Ende Januar zum Zustrombegrenzungsgesetz: Ändert sich jetzt der Umgang mit der größten Opposi­tionspartei? Foto: Nadja Wohlleben/reuters

Berlin taz | Was Be­ob­ach­te­r*in­nen der AfD längst wussten, ist nun amtlich: Am Freitag erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), es stufe die Partei ab sofort „aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein“.

Nach taz-Informationen legte das Bundesamt für Verfassungsschutz das Gutachten, rund 1.100 Seiten stark, am Montag final dem Bundesinnenministerium von Nancy Faeser vor. Die Sozialdemokratin soll danach keinerlei Änderungen vorgenommen haben – auch um keinen Eindruck einer politischen Einflussnahme zu erwecken. Bei ihrem CSU-Vorgänger Horst Seehofer war das noch anders: Er hatte den ersten Entwurf des Gutachtens zur damaligen Einstufung der AfD als Verdachtsfall abschwächen lassen. CSU-nahe Äußerungen ließ er entfernen, etwa, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.

Für Faeser ist die Hochstufung die wohl letzte Amtshandlung, bevor Neu-Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) übernimmt. Nach taz-Informationen soll die Sozialdemokratin den CSU-Mann vorab über ihren Schritt informiert haben, ebenso wie Kanzler in spe Friedrich Merz und Noch-Kanzler Olaf Scholz. Faeser nimmt Merz und Dobrindt damit einerseits die Entscheidung über die AfD-Einstufung aus der Hand. Andererseits übernimmt sie nun noch die rechtliche Verantwortung für die Einstufung. Denn dass die AfD klagen wird, ist klar – sie tat es bisher bei fast jedem Schritt des Verfassungsschutz.

Das Gutachten enthält nach taz-Informationen noch alle AfD-Aktivitäten bis hin zur Konstituierung der neuen Bundestagsfraktion, in der sich erneut etliche Parteiradikale wie Maximilian Krah oder Matthias Helferich befinden. Berücksichtigt sind auch noch die Wahlkämpfe der Partei für den Bundestag und die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Das Gutachten führt vor allem völkische, rassistische und muslimfeindliche Aussagen der Partei an, die bis hoch in der Parteispitze vertreten werden.

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Zahlreiche Beispiele als Belege

Zitiert wird etwa AfD-Chefin Alice Weidel, die Migranten pauschal „Messerkriminalität“ vorwarf und von „Menschen aus kulturfremden Kontext, aus gewaltbereiten Kulturen“ sprach. Die Partei spreche von „Umvolkung“ und einer „Deutschlandzerstörung“, indem das „Wahlvolk ausgetauscht“ werde – ein rechtsextremer Mythos. Das Gutachten wirft der AfD vor, immer wieder „Fremdenfeindlichkeit“ anzuheizen. So veröffentlichte die Partei eine „Karte des Schreckens“, wie „überfremdet“ Deutschland angeblich bereits sei.

Der Bundesvorstand schrieb, „halb Afrika darf widerstandslos über die deutsche Grenze spazieren und sich unser Land als Beute nehmen“. Angeführt werden auch die Forderungen nach einer „Remigration“ und „umfassenden Abschiebekultur“ aus den jüngsten Wahlkämpfen sowie muslimfeindliche Stimmen in der Partei, die etwa vor einem drohenden „Kalifat Deutschland“ warnen.

Allen voran Weidel sprach martialisch von einem „Dschihad“, es werde ein „Glaubenskrieg gegen die deutsche Bevölkerung bereits geführt“. Als Aussagen gegen das Demokratieprinzip wertet der Verfassungsschutz AfD-Attacken gegen die „Altparteien“, welche als die wahren „Verfassungsfeinde“ deklariert würden. Oder Aussprüche von AfD-Chef Tino Chrupalla, der CDU- und Grü­nen­po­li­ti­ke­r*in­nen als „Vasallen Amerikas“ schmähte und erklärte, Deutschland sei „nicht souverän“.

Es sei eine „äußerst sorgfältige gutachterliche Prüfung“ erfolgt, erklärten die Verfassungsschutz-Vizepräsident*innen Sinan Selen und Silke Willems am Freitag. Maßgeblich sei dabei das „die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt“.

„Keinerlei politischen Einfluss auf das Gutachten“

Das neue Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD hätte eigentlich schon Ende letzten Jahres fertig werden sollen. Doch trotz voranschreitender Radikalisierung der AfD und obwohl viele Ex­per­t*in­nen die Hochstufung vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremen Bestrebung erwarteten, ließ diese auf sich warten. Ein Grund war die vorgezogene Bundestagswahl. Dazu kam, dass der Posten des Verfassungsschutzchefs vakant ist, weil der bisherige Behördenleiter Thomas Haldenwang für die CDU in den Bundestag wollte.

Die neue Bewertung der AfD als gesichert rechtsextrem sei „klar und eindeutig“, erklärte Innenministerin Faeser am Freitag. Die Partei verfolge „erwiesenermaßen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“. Es habe „keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben“. Sie gehe davon aus, dass die Einstufung so wie zuvor schon die zum rechtsextremen Verdachtsfall juristisch überprüft werde.

Die AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla erklärten am Mittag dann auch, die Einstufung sei „ein schwerer Schlag für die bundesdeutsche Demokratie“ und man werde sich „juristisch zur Wehr setzen“. Brandenburgs AfD-Chef René Springer sprach von einem „beispiellosen Missbrauch staatlicher Macht“ und einer „politisch beeinflussten Entscheidung“. Allerdings haben zahlreiche Gerichte die Einstufungen des Verfassungsschutzes zur AfD bisher getragen – vor allem in den Ländern, wo die AfD schon als gesichert rechtsextrem eingestuft ist.

Der EU-Parlamentarier und wegen mutmaßlicher Zahlungen aus Russland unter Korruptionsverdacht stehende Petr Bystron übte sich in Verschwörungsideologie: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat damit bestätigt, dass Deutschland ein Deep State ist.“

„Keine Ausreden mehr“

Währenddessen forderten zahlreiche Po­li­ti­ke­r*in­nen von Grünen, Linkspartei und SPD einen neuen Anlauf für ein AfD-Verbotsverfahren. Dieses hatte zuletzt keine Mehrheit im Bundestag gefunden, auch, weil viele Abgeordnete zuerst die Bewertung des Bundesamts für Verfassungsschutz abwarten wollten.

„Das entscheidende Gutachten liegt endlich vor“, sagte der taz die Integrations-Staatsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD). „Wir dürfen diese Partei nicht normalisieren, denn sie ist eine Gefahr für unser friedliches Zusammenleben und unsere Demokratie“. Es gebe „keine Ausreden mehr“, sondern brauche entschlossenes Handeln „mit aller Härte des Rechtsstaats und allen zur Verfügung stehenden Mitteln“. Nun müsse die „ernsthafte und gründliche Vorbereitung“ eines Parteiverbotsverfahrens eingeleitet werden. „Die Beweislage ist mehr als erdrückend“, sagte Alabali-Radovan.

Der Grüne Till Steffen sagte der taz, es gebe „Grund zur Sorge um unsere Demokratie. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, etwas zu tun“. Steffen hatte schon in der vergangenen Legislatur den Verbotsantrag mit eingebracht. Auch die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann schrieb auf Bluesky, Parlament und Bundesregierung müssten sich nun erneut der „Frage eines Verbotsverfahrens stellen“.

Ähnlich äußerten sich die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek und Parteichef Jan van Aken: „Keine Demokratin und kein Demokrat im Bundestag kann es akzeptieren, dass eine gesichert rechtsextremistische Partei unsere Demokratie von innen bekämpft und zerstört.“ Ebenso forderte die Kampagne „AfD-Verbot jetzt“ mit run 60 Unterstützer-Organisationen, das Verbotsverfahren „unverzüglich“ einzuleiten.

Koalition muss sich abstimmen

Auch Teile der Union sind für ein Verbotsverfahren. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte im Spiegel ebenfalls, der Bund müsse ein solches „jetzt zügig“ einleiten, „um unsere Demokratie zu schützen“. Der Arbeitnehmerflügel der CDU spricht sich ebenfalls für ein „sofortiges Verbotsverfahren“ aus. So sagte der geschäftsführende CDA-Bundesvorstand dem Magazin Stern, die Einschätzung des Verfassungsschutzes liefere dafür jetzt „die notwendige Grundlage“.

CSU-Chef Markus Söder nannte das Gutachten auf X einen „finalen Weckruf“ und bekräftigte, für „Feinde der Demokratie“ könne es „null Toleranz und null Zusammenarbeit“ geben. Zur Frage eines Parteiverbots äußerte er sich nicht. Still blieb es bis Redaktionsschluss von Seiten des designierten Bundeskanzlers und CDU-Chefs Friedrich Merz.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, erklärte hingegen, notwendig sei eine „klare, gemeinsame Antwort des Rechtsstaats“. Man werde sich mit den Koalitionspartnern zum weiteren Umgang mit der AfD abstimmen.

Dazu gehören dürfte auch die Frage, ob die Abgeordneten Ver­tre­te­r*in­nen der AfD in Ausschussvorsitze wählen werden. Der CDU-Politiker und womöglich künftige Fraktionsvorsitzende Jens Spahn hatte Mitte April für Empörung gesorgt, als er sagte, man solle mit der AfD umgehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“.

Kri­ti­ke­r*in­nen dieser Aussage hat das Gutachten des Verfassungsschutzes nun den Rücken gestärkt – auch in den eigenen Reihen. Die AfD sei „keine Partei wie jede andere und sollte auch nicht so behandelt werden“, schrieb am Freitag die CSU-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz auf Twitter. „Eine Wahl ihrer Vertreter in repräsentative Funktionen ist kaum mehr denkbar.“

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42 Kommentare

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  • Es heißt im taz-Kommentar: "Für Fäser ist die Hochstufung [vom Verdachtsfall zum gesicherten Fall] die letzte Amtshandlung [...]". Ist das nicht eine missverständliche Formulierung (so als habe sie selbst diese 'Hochstufung' vorgenommen)? Bestand ihre 'letzte Amtshandlung' nicht vielmehr darin, den Abschluss der vom Verfassungsschutz zu erarbeitenden Expertise offiziell bekanntzugeben und das Ergebnis publik zu machen?

  • Da muss sich Merz mit seiner Koalition mit der Afd aber beeilen, bevor sie womöglich noch verboten wird.



    Ich glaube aber, die Afd ist unantastbar, egal was der Verfassungsschutz einstuft.

  • Die Reaktion der US Minister ist erschreckend!



    Hier wird nochmals augenfällig, wie weit rechts die derzeitige Regierung der USA mittlerweile steht.



    Nadelstiche gegenüber der "afd" finde ich gut: nicht zu Ausschussvorsitzenden wählen, staatliche Finanzierung prüfen.



    Selbstverständlich bin ich auch für ein Verbot. Das bedarf allerdings guter juristischer Vorbereitung um letztlich erfolgreich zu sein. Der Verfassungsschutzbericht kann hier ein bedeutender Baustein sein.



    Ein Mißerfolg eines Parteiverbotsverfahrens wäre eine Katastrophe.



    Das Verfahren anzustreben halte ich für richtig, auch, um der amerikanischen Regierung zu zeigen, wie Gewaltenteilung funktioniert.



    Die Amerikaner haben uns vor 80 Jahren beigebracht, wie Demokratie funktioniert, nun können wir uns für diese gute Tat revanchieren.

    • @Philippo1000:

      Den US-A... ist zu antworten: "That's the difference between rule of law and rule of cons, jackass!" Der Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Staat, der von einem rechtsautoritären verurteilten Straftäter geführt wird, erklärt alle Unterschiede zwischen den Staaten und Deutschland heute. Fraglich nur, ob Deutschland ein Rechtsstaat bleibt ...

  • taz: *Keine Partei wie jede andere*

    Ob das der Mann ganz rechts auf dem obigen taz-Foto auch so sieht?

    ***"Ein schwarzer Tag für unsere Demokratie" - Tagesschau, 30.01.2025*** www.tagesschau.de/...eaktionen-100.html

    • @Ricky-13:

      Der sicher. Aber sehen Sie das auch so wie er?

  • Der Verfassungsschutz untersteht dem Innenministerium, ist also weisungsgebunden was zu prüfen ist und mit welchem Ziel. Dass die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wird war wohl zu erwarten. Ein Verbotsverfahren wäre sinnvoll, dann würde das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung fällen die von allen zu akzeptieren ist, egal wie diese ausfällt.

    • @Filou:

      Dieses Ergebnis war sicher für alle zu erwarten. Nur unsere Regiegung trifft es selbstverständlich völlig unvorbereitet. Man hielt es nicht für nötig, sich dieses Szenario vor Augen zuführen, um sofort angemessen schnell agieren zu können.

  • Der VS hat mal seine Arbeit gemacht, nun die Konsequenz. Wir sehen uns auf den nächsten Demos.

  • Verbot jetzt! Lasst Scholz und Faeser ignorierend weiter zaudern. Verbot jetzt!

    • @Ulrich Haussmann:

      Mehr als eine populistische Forderung ist das nicht.



      Ein Verbotsantrag kann gestellt werden.



      Es sollte allerdings so gut vorbereitet sein, dass er auch erfolgreich ist.



      Das Verfahren würde lange, wohl Jahre, dauern.



      Viel realistischer ist, dass die ParlamentarierInnen erstmal keine "afd" Mitglieder zu Ausschluss Vorsitzenden wählen.



      Außerdem wäre zu prüfen, ob die staatliche Finanzierung einer staatsfeindlichen Partei einzuschränken oder abzuschaffen ist.



      Das sind Möglichkeiten, die viel mehr am von Ihnen geforderten " Jetzt" liegen.

  • In der Opferrolle suhlen wie die Schweine



    Es nervt einfach nur, wie die AfD sich in der Opferrolle suhlt wie die Schweine im Dreck. Die AfD ist nicht Opfer, die AfD ist Täter.

  • Ich habe einen Traum - von einer Bundesrepublik ohne AfD-Fanboys und andere Rechtsextremisten.

  • Die zentrale Frage, an die weder hier noch irgendwer vorhin im Radiotalk, einen Gedanken verschwendet: Was wurde falsch gemacht in der Politik, dass so eine Truppe an die 30 % Zustimmung an der Wahlurne erhält bzw. derzeit erhalten würde?

    • @Tom Farmer:

      Ich versuche es mal: Neben echten Rassisten, Klerikalen und unbelehrbar Rückwärtsgewandten (monarchische Strömung rund um den dt. Adel), ist die AfD ein Sammelbecken für: Unzufriedenheit und Angst. Diese letztgenannten Leute sind mAn der Zulauf, der über 5-6% hinaus geht. Diese Angst und Unzufriedenheit ließe sich lindern, indem kapitalistische Zumutungen unserer Gesellschaft zurück gedrängt würden - der Staat müsste mehr individuelle "Sicherheit" bieten (Renditeinteressen müssten nachrangiger sein). Ich kenne Leute, die sind 40+, die hatten in ihrem Leben noch nie einen unbefristeten Vertrag (vor 30-40 Jahren undenkbar, wenn jemand willens war zu arbeiten!). Die Mieten müssten eingefangen werden - es gebiert viel Angst, wenn Sie ein ganzes Leben 30-40% (und manchmal mehr) ihres Eink. nur fürs Wohnen ausgeben müssen. Die Probleme, die durch Migration entstehen müssten angegangen werden (z.B.: Sprache, Schulen, Bildung v. Parallelgesellschaften). Es müssten materiell linke Belange vor kulturell linken Belangen behandelt werden und auf int. Ebene sollte sich mehr für Entspannung eingesetzt werden. Nichts davon wird unter einer Merz Regierung passieren - von daher: Mir schwant Übles!

    • @Tom Farmer:

      Darüber diskutieren wir seit zehn Jahren ohne Ergebnis: Rechts der Mitte wird behauptet, dass linke Politik schuld sei und man mehr Law and Order etc. brauche, halt mehr wie die Rechtsextremen, nur ohne selbst rechtsextrem zu sein. Und links der Mitte wird gesagt, dass die Normalisierung der rechtsextremen politischen Inhalte und Aussagen schuld sei und man klare Ansagen brauche, wo denn die Grenze zwischen verfassungskonformer, aber vielleicht erzkonservativer oder sogar reaktionärer Politik einerseits und scheinbar sozialer, konservativer, aber eben nicht mehr verfassungskonformer Politik andererseits ist.



      An beiden Punkten ist wohl etwas dran und es ist verständlich, dass beide Seiten nicht bei sich selbst anfangen wollen. Aber: Es ist inzwischen fünf nach zwölf. Daher muss Karlsruhe helfen und klarstellen, wo die Grenzen des verfassungsmäßig Zulässigen verlaufen. Die politische Rechte schafft es alleine nicht, das klarzustellen. Sie schafft es auch nicht, ordentliche Politik zu machen, ohne in jede populistische Falle zu tappen, die ihr die Rechtsextremen stellen. Und auch wenn mir als Progressivem das Herz blutet: Danach könnte echte erzkonservative Politik Mehrheiten haben.

      • @Zangler:

        Ich hatte das schon mal geschrieben: War das 1933 auch so? Die etablierten Parteien zermatschen sich gegeneinander und die Rechten sind ganz üble Antidemokraten. Und das wars dann inhaltlich? Und alle gucken sich dumm an, wenn die dann die Macht haben; und keiner ists gewesen? Keiner konnte was dafür oder was ändern?



        Ist das auch unser Weg? KA solls richten? Inhalte und Unzufriedenheit nicht diskutieren? Echt jetzt??

        • @Tom Farmer:

          Wofür sonst ist denn KA da ?



          Um zu richten selbstverständlich.



          Unsere Verantwortungsübernehmer müssen jetzt eine einstweilige Verfügung bei Gericht stellen, aufgrund der als rechtsextremistischen Einstufung dieser Organisation der AfD.

        • @Tom Farmer:

          Inhalte und Unzufriedenheit? Welche Inhalte? Unzufriedenheit womit?



          Das einzige, was ich da sehen kann: Steigende Lebenshaltungskosten. Und als Antwort darauf: Weniger Immigration. Was anderes wird weltweit nicht ernsthaft besprochen.



          Außer in den völlig linksgrün versifften Kreisen, in denen von den Reicheren über Steuern genommen und in leistbare Infrastruktur investiert werden soll: D-Ticket z.B., Klimageld etc. Aber das alles wird von rechts bekämpft und auf die Migrant:innen als Sündenbock abgewälzt. Das sind Inhalte, das ist Diskussion über Unzufriedenheit, und die Parteien von der Mitte bis nach rechts schaffen es nicht, sich hier von den Nationalradikalen abzusetzen. Die linksgrün versifften Gutmenschen schaffen es umgekehrt nicht, klar zu sagen, wie sich mit besserer Infrastruktur für über 90% das Leben verbessern würde, weil in allen Medien der rechtslastige Migrationsdiskurs die Aufmerksamkeit für sich beansprucht. Und dann wird es eben nicht anders.

          • @Zangler:

            ..." links-grün versiffte "



            was haben Sie denn für ein Vokabular ?



            Hier lesen auch Heranwachsende !

    • @Tom Farmer:

      Gute Frage. Habe ich auch noch nie eine glaubwürdige Antwort darauf erhalten.

  • Die Entscheidung ist eine gute Nachricht!



    Die Präsentation durch Nancy Faser ist der Abschluss Ihrer klaren Arbeit gegen Rechtsextremismus in Deutschland.



    Das war bei Horst Seehofer noch ganz anders.



    Spahns persönliche Einschätzung zum Thema "afd" ist somit widerlegt.



    Die ParlamentarierInnen werden, in einem ersten Schritt, keine afd Vertreter zu Ausschluss Vorsitzenden wählen.



    Das ist auch richtig so.



    Wer gegen unsere demokratische Grundordnung agiert, hat in repräsentativen Ämtern unseres Landes nichts verloren.



    Ein Verbotsantrag wird folgen. Der sollte allerdings gut vorbereitet sein, da ein Scheitern kontraproduktiv wäre.



    Für DemokratInnen ist das ein guter Tag.



    Darüber hinaus wird sich der Eine oder die Andere "afd" WählerIn vielleicht fragen, ob er/sie einen Fehler gemacht hat.

    • @Philippo1000:

      Stand nicht schon vorher fest, keine afd Vertreter zu Ausschluss Vorsitzenden zu wählen? Mir greift das alles zu kurz. Wenn sich an den Ursachen für den Erfolg der Partei nichts ändert, hilft kein noch so gut begründetes Verbot. Eher kann die afd argumentieren, dass damit einfach nur unliebsame Konkurrenz ausgeschaltet werden soll. Funktioniert das oder eine andere Strategie, ist gar nichts gewonnen und wenn sie erstmal über die 50 Prozent Hürde gehüpf ist, ist es zu spät.

  • Das ist nicht nur ein - längst überfälliger - Schlag gegen die AfD, sondern auch gegen die CDU mit ihrer Normalisierungsmythologie. Was nicht normal ist, wird nicht dadurch normal, dass Herr Spahn es sich so wünscht. Das hat das BVG nun bewiesen. Unsere Demokratie ist noch wehrhaft.

    • @Cornelia Bade:

      Genau so sehe ich es auch 👍👍

  • Hmm, eine der Regierung weisungsgebundene Behörde erstellt ein 1000seitiges Gutachten, das ein "gesichert rechtsextrem" als Resultat hat, das Gutachten selbst bleibt aber unter Verschluss.

    Ist schon etwas "fishy", oder?

    • @Expat:

      Sie werden doch die politische Unabhängigkeit des Verfassungsschutzes nicht in Frage stellen wollen ;-)

  • ... 1948 wollten die Frauen und Väter des Grundgesetzes so Situation — Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, besser bekannt als „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 — in Zukunft verhindern. Dazu wurde der Art. 21 Abs. 2 ins Gesetz aufgenommen:

    Nach Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG) sind Parteien verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Sie können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.

    Für ein Parteiverbot genügt es also nicht, dass oberste Verfassungswerte in der politischen Meinungsäußerung in Zweifel gezogen, nicht anerkannt, abgelehnt oder ihnen andere entgegengesetzt werden. Die Partei muss vielmehr planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen. Dies setzt voraus, dass konkrete, gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann.

    Die Hürden sind extrem hoch und werden es auch bleiben.

    Gruß Fritz

  • Faser zeigt wieder mal dass sie keine gute Politikerin ist. Die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" einstufen aber das Gutachten geheim zu halten - das klingt doch auf jeden Fall ziemlich "fishy", wie der Engländer sagen würde. Hier wäre größtmögliche Transparenz angesagt gewesen um den Eindruck zu vermeiden dass man hier auf den letzten Drücker noch etwas machen will das der neue Amtsinhaber vielleicht vermieden hätte. Oder mit dem irgendwas nicht stimmt.

    Die Einstufung hat ausserdem den wirklich praktischen Vorteil für die SPD dass die CDU jetzt wohl auf keinen Fall mehr die Koalition mit der SPD platzen lassen kann um eine Minderheitsregierung (mit AfD Duldung) zu bilden. Damit hat sie die CDU faktisch an die SPD gekettet und letztere kann noch mehr auftrumpfen. Ob derlei durchschaubare Manöver ihrem Anliegen helfen weiss ich nicht.

  • Armer Jens Spahn, das war‘s nun mit der Kanzlerschaft.

    • @Suryo:

      Spahn wird es verkraften, besonders wenn er sieht, dass Merz sich das Kanzleramt anders vorgestellt hat.

  • Bin skeptisch, dass man die einfach so wegverbieten kann? Zumal die Merz-CDU schon sehr viel von ihrer fremdenfeindlichen



    Ideologie normalisiert hat.

    • @jan ü.:

      Und genau deshalb ist es so wichtig, dass sich eine gewichtige politische Mehrheit klar dazu bekennt, dass die Verfolgung einer fremdenfeindlichen Ideologie schlicht verfassungswidrig ist!

    • @jan ü.:

      Der Maßstab ist das Grundgesetz und nicht inwieweit andere Parteien Inhalte der AfD übernehmen und so zur Normalisierung beitragen.

      • @Andreas J:

        Naja, das ist ja alles Auslegungssache. Das Problem ist doch, dass die bisher veröffentlichte Begründung, nur die rassistischen Aussagen der AfD zitiert. Diese sind aber spätestens im Wahlkampf auch von Merz und Co weitgehend übernommen worden. Im Sinne von "Flüchtlinge bedrohen Deutschland", "Messerstecher und Vergewaltiger stoppen" etc., bis hin zur Abschiebeandrohung von "Passdeutschen" (Rücknahme der Staatsbürgerschaft), wenn diese straffällig werden sollten.

    • @jan ü.:

      Stimme zu und ja, es ist härter geworden, den Kampf mit der AFD aufzunehmen, der in der Konsequenz zu einem Verbot führen muss. Aber ausgerechnet nach dieser VS-Einstufung den Kopf in den Sand zu stecken, wäre doch fatal. Es wäre ungefähr so, als würde man noch auf dem letzten Meter eines Langstreckenlaufs aus dem Rennen aussteigen.



      Was das parlamentarische Verbotsverfahren betrifft: wichtig wäre es, dass SPD, Grüne und Linke für dieses Vorgehen einmal nur ihre gegenseitigen Animositäten zurückstellen und ihre Reihen schließen würden - schon das ist schwierig genug.



      Dann gilt es, die Union im Bundestag zu stellen und Druck auszuüben. Angesichts nicht weniger AfD-Normalisierer in deren Reihen kann aber auf die Bredouille, in die ein Kanzler Merz dann möglicherweise gerät, keine Rücksicht genommen werden.



      Die Alternativen stehen klar vor Augen und eine Entscheidung kann auch konservativen Zauderern nicht abgenommen werden.

      • @Abdurchdiemitte:

        wichtig wäre es, dass SPD, Grüne und Linke für dieses Vorgehen einmal nur ihre gegenseitigen Animositäten zurückstellen und ihre Reihen schließen würden - schon das ist schwierig genug. Wie wahr. Ich bin überzeugt, dass dieses Problem nicht bestünde, wenn die Ampel an einem Strang gezogen hätte.

    • @jan ü.:

      Deshalb ist es eben gerade wichtig, dass die AfD frühestmöglich verboten wird. Aber jetzt schon sind die Feststellungen durch das BfV eine Grätsche für die Politik. Visiert die Union noch weiter Spahn zu ihrem Fraktionsvorsitzenden an? Paktiert Merz noch auf irgendeine Art mit der AfD. Die Gründe für ein Verbot der AfD prassen jetzt nur so nieder auf die Abgeordneten und sogar wohl auch auf die jetzige, noch kommissarische Bundesregierung mit Kanzler Scholz.

  • "Kommt nun das Verbot der Partei?"



    Diese Aussage suggeriert das es in der Entscheidungsgewalt des Bundestags oder zumindest der Politik läge die AfD zu verbieten, tatsächlich liegt das aber einzig in der Hand des Bundesverfassungsgerichts.

    • @Farang:

      Ein Antrag auf ein Parteiverbotsverfahren kann von der Regierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat gestellt werden.



      Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wird aber nicht von sich heraus tätig.

  • Grüne und Linke alleine könnten jetzt im Bundestag einen Verbotsantrag stellen. Man muß nicht immer auf andere verweisen.

    Neben Hern Scholz hat auch auch Herr Stegner Bedenken. Beides sind hochrangige SPD Politiker

    • @Martin Sauer:

      Ja, den Antrag stellen könnten Grüne und / oder Linke - aber der Bundestag müsste dem mit Mehrheit zustimmen, um das Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht in Gang zu bekommen. Alternativ könnte auch der Bundesrat oder die Bundesregierung einen solchen Antrag beim BVerfG stellen.