Bezahlkarten für Geflüchtete in Hamburg: Die Freiheit nehmen wir euch
Als erstes Bundesland hat Hamburg eine Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt. Damit kann man nur 50 Euro im Monat in bar abheben.
Hamburg ist das erste Bundesland, das diese Art Geldkarte flächendeckend einführt, die nach außen neutral aussieht und im Einzelhandel überall dort benutzbar sein soll, wo Kartenlesegeräte verfügbar sind. Es gilt daher als Testlauf für die von den Ländern beschlossene bundesweite Einführung der Karte, die voraussichtlich 2025 kommen soll.
Bisher hatten nur einzelne Kommunen Bezahlkarten eingeführt, darunter Hannover, das mit demselben Dienstleister zusammenarbeitet wie Hamburg, der Publk GmbH im niedersächsischen Bersenbrück. Die Stadt habe von den Nutzer:innen positive Rückmeldungen bekommen, teilte eine Sprecherin der taz mit.
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied: Hamburg schränkt die Verfügung über Bargeld mit der Karte drastisch ein. Die Nutzer:innen können damit nur 50 Euro pro Monat in bar abheben. Pro minderjährigem Kind kommen zehn Euro dazu.
Gegenmodell Hannover
Hannover schränkt die Bargeldverfügung nicht ein. Die Länder hatten sich darauf geeinigt, dass jedes Bundesland selbst darüber entscheiden kann, ob es die Bezahlkarten mit solchen Beschränkungen versieht. Für Schleswig-Holstein etwa teilte eine Sprecherin auf taz-Anfrage mit, dem Sozialministerium, das auch Integrationsministerium ist, sei eine „praktikable und diskriminierungsfreie Lösung“ wichtig. Dazu gehöre auch, „dass die Bargeldabhebung in Höhe des bisherigen Taschengeldes nach wie vor möglich ist“.
Niedersachsen hingegen verfolgt das Ziel, „Bargeldauszahlungen an Leistungsberechtigte einzuschränken“, wie das Innenministerium mitteilt. Damit sei „das Interesse verbunden, migrationsbezogene Fehlanreize zu vermeiden“. Letztlich würden darüber aber die Städte und Landkreise entscheiden. Hannover könnte demnach bei seinem jetzigen Modell bleiben.
In der Hamburger rot-grünen Koalition herrscht offener Dissens über die neue Bezahlkarte. Die SPD-geführten Behörden für Soziales und Inneres haben das „Pilotprojekt“ ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner durchgeführt.
Mareike Engels, migrationspolitische Sprecherin in der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, schrieb auf Facebook: „Es gibt viele Stellen, wo eine Kartenzahlung nicht möglich ist – gerade in Sozialkaufhäusern, bei der Tafel oder auch die Waschmarken bei Fördern und Wohnen – 50 Euro sind dann schnell weg“. Fördern und Wohnen betreibt die meisten Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg.
Mareike Engels, Grüne
Tage vor der Einführung der Karte hatte Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg gewarnt: „Einschränkungen für Geflüchtete oder andere Leistungsbeziehende, die diskriminierend und stigmatisierend wirken“ seien nicht der richtige Weg, sagte sie der Deutschen Presseagentur.
Sie kritisierte insbesondere Bargeldbeschränkungen. Diese würden keine Schutzsuchenden davon abhalten, nach Deutschland zu kommen, sagte sie weiter. Und: „Verschiedene europäische Studien belegen, dass es keinen Zusammenhang von Leistungsbeschränkungen und Fluchtbewegungen gibt.“
Auch Carola Ensslen, Linken-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft, kritisiert die Social Card als „ein Instrument für Leistungseinschränkungen und Kontrollen – als reine Abschreckung“. Die Beschränkung auf 50 Euro Bargeld im Monat sei „ziemlich krass“. Man müsse nur mal an Schulkinder denken: „Da werden leicht hier mal zehn Euro eingesammelt und da mal zehn Euro.“
Annkathrin Kammeyer, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dagegen freute sich, „dass der Senat mit der Einführung der Social Card vorangeht“. Die Erprobung sei „ein sinnvoller Schritt zu einem einfacheren Umgang mit staatlichen Geldleistungen“. Die mögliche Bargeldauszahlung von maximal 50 Euro ermögliche das Einkaufen auch dort, wo das Zahlen per Karte nicht möglich ist.
Uneins ist die Koalition auch an einem weiteren Punkt: Wie die Sozialbehörde der taz bestätigte, bleibt der Einsatz der Social Card nicht aufs „Taschengeld“ während des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung beschränkt. Wer einmal die Social Card hat, soll Asylbewerberleistungen nur noch darauf erhalten, selbst wenn er längst nicht mehr in einer Sammelunterkunft lebt oder später ein eigenes Konto eröffnet, weil er beispielsweise in einem Minijob Geld dazuverdient.
Mareike Engels von den Grünen lehnt das ab: „Menschen müssen Leistungen, die ihnen zustehen, prioritär auf ihr eigenes Konto bekommen“, sagte sie der taz.
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