piwik no script img

Ausgang der BundestagswahlEs war keine Personenwahl

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Es gab kein Klima für den Wandel: Viele WählerInnen haben Scholz ihre Stimme gegeben, weil er eine Klimapolitik ohne Zumutungen versprochen hat.

Gespannt warten die Grünen in Berlin auf die ersten Prognosen Foto: Kay Nietfeld/dpa

W as für eine Wahl. Die Ära Merkel mündet in eine lange nicht gesehene Mobilisierung, die sich auch in erfreuliche Wahlbeteiligung umgesetzt hat: eine kleine demokratische Explosion. Wie sich die auseinanderfliegenden Teile des politischen Systems jetzt neu zusammenfügen, wer sie am Ende zu einer Koalition schmieden wird, das lässt sich so schnell nach Schließung der Wahllokale nicht ausmachen.

So viel aber ist klar: Die Grünen haben ihr Ziel verfehlt, das Kanzlerinnenamt wieder in die Hände einer Frau zu geben. Die Hoffnung, dass Annalena Baerbock wenigstens einen Teil des Vertrauens erben würde, das die WählerInnenschaft im Laufe von 16 Jahren in eine Kanzlerin entwickelt hat, trog.

Je deutlicher sich in den vergangenen Wochen ein Zweikampf zwischen den beiden Männern Olaf Scholz und Armin Laschet abzeichnete, desto mehr fiel Baerbock zurück. Das Grünen-Ergebnis muss enttäuschen. Es lässt für keine der denkbaren Koalitionen, um die es nun gehen wird, viel Gutes für die Klimapolitik erwarten.

Doch war diese Bundestagswahl eben nicht die „reine Personenwahl“, zu der sie vielfach ausgerufen wurde. Die teils zweitbesten KandidatInnen haben die Ergebnisse ihrer Parteien nicht im Alleingang versemmelt. Nur ist es den SpitzenkandidatInnen in ganz unterschiedlichem Maße gelungen, die Schwächen und Angriffsflächen ihrer Parteien zu kaschieren.

Hinter dem Spektakel ums Personal haben die WählerInnen offenbar durchaus erkannt, von welchen Strukturfragen die Parteienlandschaft durchpflügt ist. So war die Klimakrise als Thema durchaus präsent, hat aber erkennbar keine Mehrheit ausreichend bewegt. Viele mögen dank der medialen Aufklärung sogar endlich begriffen haben, welche Veränderungen uns noch abverlangt werden dürften – und eben darum das Kreuz bei einem Kandidaten gemacht haben, der Schonung der Konsumgewohnheiten versprach.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch Armin Laschet hat die die enormen Verluste für die Union nicht allein zu verantworten. Nur ist er eben nicht der „Brückenbauer“, der die großen Klüfte in CDU/CSU zu überspielen vermochte. Inhaltlich abgewirtschaftet hatte die Union schon vor seiner Kandidatur. Das Regierungsprinzip von Angela Merkel hieß Aufschub: Probleme wurden nicht ursächlich gelöst, doch gelang es meistens, für ihre Bearbeitung Zeit zu gewinnen. Auch ihrer eigenen Partei hat die Problembewältigungsmaschine Merkel 16 Jahre lang solchen Aufschub verschafft. Das ist jetzt vorbei.

Wer auch immer dann bald regiert – die schmerzhaftesten Kämpfe stehen ab sofort der Union bevor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Nach all dem Mist, den die sogenannten Volksparteien angestellt haben (Korruption, Inkompetenz, an Kriminalität grenzende - oder klar kriminelle - Handlungen, mangelnde Sensibilität für Probleme des Großteils der Bevölkerung, ....) ist es ein Hohn von verantwortungsbewußten, informierten und vernünftig entscheidungsfähigen Wählern zu sprechen, wenn so viele Stimmen wieder an Parteien gegeben werden, die eindeutig mehrfach (jahrelang!) BEWIESEN haben dass sie eine Politik entgegen der Interessen des Großteils der Wähler betrieben haben (und weiter betreiben werden).

    Vielleicht braucht es wirklich sowas wie einen Wahlführerschein, mit dem abgeklärt wird, ob die Wähler überhaupt wissen, was die Parteien in den letzten Jahren so getrieben haben und laut Programm in Zukunft machen wollen, bevor sie wählen dürfen.



    Auch ein Wahlrecht für alle, inklusive Kinder (wahrgenommen durch die Eltern) wäre ein spannender neuer Aspekt und würde wohl auch feminine Positionen und Ansichten stärken.

  • Ich sach's mal so: Personen werden mit der Erststimme gewählt, Parteien mit der Zweitstimme - oder so ähnlich. Am Wahlsystem liegt's jedenfalls nicht. Das ist in diesem Punkt hier ja sowas von eindeutig und klar. Mein lieber Scholli!

  • Erstaunlich, dass ausgerechnet Links und Grün so sehr auf das Geschlecht des Kandidaten fixiert sind. Das war auch der entscheidende Grund für die Grünen, den falschen Kandidaten auszuwählen. Sexismus, anders herum.

  • Für das 1,5°-Ziel reicht keiner der Wahlprogramme aus. Auch nicht das Programm der Grünen. Beim Programm der SPD hat sich in Sachen Klima und Umwelt viel getan, auch dank der intensiven Mobilisierung der Umweltorganisationen wie Greenpeace, BUND, FFF, Campact, WWF, AVAAZ usw usw.



    Mit SPD und Grüne in eine Koalition ohne CDU stehen die Chancen gut, dass die Politik in Sachen Klima und Umweltschutz im kritischen Dialog mit den Umweltaktivist:innen - auch wegen der ökologischen Notwendigkeit - kontinuerlich nachgebessert wird.



    Das Klientelpartei CDU für reiche Eliten, mit ihrem ungeklärten Verhältnis zum rechten Rand und zur identitären Themensetzung, sollte am besten erstmal 10 Jahre ohne Regierungsbeteiligung in sich gehen.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Leider geht es in diesem Fall aber nicht ohne die FDP und die ist in keinem der genannten Punkte besser als die CDU. Verdient diese Macht anhand ihres Stimmenanteils aber noch viel weniger.

      • @Fezi:

        Ja, das ist schade.



        CDU ist einfach zurech abgewählt worden.



        FDP ist halt auch zahlenmäßig das Kleinere

  • Wenn beim Wahlkampf jemand sagt "Ich will die Krisen der Welt lösen" oder auch sonst häufig das Wort "ich" benutzt, ist das natürlich ein Personenwahlkampf. Wo ich mich gewundert habe ist, dass es die Grünen zugelassen haben, dass Baerbock bei ihren Reden oftmals weit von der wirklichen Welt entfernt war (z.B. obiges Zitat).

  • Natürlich war es eine Personenwahl - die Wahl wird ja von allen Seiten auch so inszeniert. Damit wird unser Wahlsystem ad absurdum geführt. Das ist unbarmherzig wenig demokratisch.

    • @t-mos:

      Unbarmherzig? Echt jetzt? Bei einer Wahl? Sollte das Ihrer Meinung nach doch eher eine Benefizveranstaltung sein?

    • @t-mos:

      Damit unterstellen sie dem Wähler Unmündigkeit, indem sie behaupten dass diese nur der Person wegen wählen und nicht der Parteiinhalte. Das mag für einen kleinen Teil der Wähler zutreffen, der größte Teil informiert sich und wählt die Partei und nicht den Kandidat.

  • BITTE WAS?

    Man lag in den Umfragen vorne, 1. Platz und klar kommen dann Angriffe aus der Presse und aus den sozialen Medie, aber man muss auch nicht ohne Deckung in jeden Schlag reinlaufen.

    Die Union hat sich katastrophal präsentiert, schwacher Kandidat, kein Amtsbonus, interne Kämpfe, was die CSU da teilweise veranstaltet hat grenzte an Sabotage, Korruptiobsaffären (Masken, Azerbaijan etc.), kein Konzept für Digitalisierung, Wohnen,Wandel im Verkehr, selbst die WELT stellte fest, dass die Union nicht erklären kann, warum sie weiterregieren sollte.

    Die SPD stellte jemanden auf, der in der größten krimininellen Insolvenz und im wahrscheinlich größten Raubzug gegen den Steuerzahler eine, sagen wir mal, stark verbesserungswürdige Vorstellung gegeben hat und hat den großen restlichen Teil seines Personals praktisch im Keller eingesperrt, weil man ihn für wahlschädlich hielt.

    Wie viel besser müssen denn die Voraussetzungen für uns noch werden?

    Das "window of oppurtunity" mit voller Wucht zugeworfen und hinterher nocht entglast und ja es war natürlich nicht nur Annalena.

    Aber seien wir doch mal ehrlich, Bettina Jarasch kannten in Berlin nicht alzu viele Berliner und die hatte einen mindestens genauso schweren Wahlkampf und mit ihr überspringen die Grünen locker die 20%...

    • 3G
      32533 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      Da würde ich mal kühn behaupten: Berlin ist etwas Anderes als dieses Land in seiner Gesamtheit.

      Ich schimpfe gerne über Berliner - und esse auch keine.

      Heute würde ich mich über Berliner Verhältnisse im Bund fast schon freuen.

      Wie sagte schon mein alter Gesinnungsfreund Nietzsche: "Vor dem Wechsel graut der Liebe mehr als vor der Vernichtung." (Wie man wird, was man ist. S.151) Wohl wahr. Nicht nur der Liebe, lieber Frederic.

      Deutsch sein ist etwas sehr Spezielles. Für Masochisten und Sysiphos-Kopien vermutlich das Allergrößte.

    • @Sven Günther:

      In Berlin 20% als Grüne ist doch kein schwerer Wahlkampf. Hab gerade das erste Ergebnis meines Wahlkreises gesehen und hier haben die Grünen 2,9% geholt.

      • @Šarru-kīnu:

        Die Grünen haben noch nie 20% in Berlin geholt und die Hochrechnungen von gestern haben sich leider nicht bestätigt und es sind wohl doch "nur" 18,9% geworden, das ist aber immer noch das beste Ergebnis aller Zeiten.

        Natürlich ist Berlin nicht der Erzgebirgekreis I was die Schwierigkeit angeht, aber es gibt ja auch Kreise, wie zum Beispiel meinen, Frankfurt II, wo Omid Nouripour das Direktmandat für die Grünen geholt hat und die Grünen stärkste Fraktion mit 29% sind. Es wäre definitiv viel mehr möglich gewesen.

    • @Sven Günther:

      Nun, das stimmt. Als Klimaschützer war ich entsetzt, dass die Grünen Baerbock nominiert haben. Wenn schon eine Frau, dann eine mit Erfahrung. Gab es denn keine Landesministerin, die das machen konnte? Oder eine frühere Bundesministerin wie Frau Künast?

      • @Kartöfellchen:

        Kein Kandidat kann ohne ein effektives gutes unterstützendes Team, das Fehler zuvor erkennt, einen guten Wahlkampf führen. Das fehlte offensichtlich.

  • Diese Wahl ist ein Muster ohne Wert. Baerbock war eine zu schwache Kandidatin um die möglichen Wähler der Grünen wirklich anzuziehen. Da half es auch nicht, dass Scholz und Laschet auch schwache Kandidaten waren. Die haben mit ihrer Schwäche sogar noch den Blick auf die programmatische Armut ihrer Parteien verstellt und darüber hinweggetäuscht. Die Grünen hingegen hätten an die 25 % holen können und auch müssen um einen wirklichen Politikwechsel zu bewirken. Jetzt sind sie wenigstens immerhin der Königsmacher.

  • Wichtig fürs psychische Gleichgewicht wäre schon, dass die unfair verschmähte SPD vorne steht und die Linkspartei nicht rausfliegt (wir Linken gehen ja immer viel schneller miteinander ins Gericht als es die konservativen Parteien CDU und FDP tun, zumindest in der Öffentlichkeit, denn die wollen ja nur den Status Quo erhalten).



    Gerade Frauen haben nach ersten Analysen die SPD gerade wegen Olaf Scholz gewählt, soll doch kein Scholzomat sein, sein Appell zu größerer Gelassenheit und Toleranz im Umgang traf den richtigen Ton, hoffentlich kaschiert er nicht Opportunismus.



    Dies fand ich gerade im Netz: "Frauen sind deutlich sprachbegabter als Männer. Sie haben einen größeren Wortschatz und sprechen nicht nur mehr, sondern auch differenzierter, das heißt mit mehr Variationen und Komplexitäten in Vokabular, Grammatik, Syntax, Sprechmelodie etc." (www.evidero.de - kenne ich nicht, war aber schön gesagt).



    Wenn Frauen also in der Regel über größere Fähigkeiten in der Interpretation charakterliche Signale verfügen als (viele) Männer, dann haben sie eine interessante Wahl getroffen. Oder war es doch das stille Hoffen darauf, weiter mit Vollkonsum und Rücksichtslosigkeit zur generellen Erhitzung beizutragen (hinter uns das Ahrtal, nach uns die Sintflut)?



    Jedenfalls ist das Ergebnis für die Grünen absolut ernüchternd, gerade angesichts der Dringlichkeit des Klimathemas. Man kann nicht übersehen, dass ihre Kampagne in Stil und Inhalt daneben lag, denn ein besseres Timing wird es in Zukunft für sie nicht geben (Stichpunkte: Personalisierung, Bündnis 90 kaum sichtbar, "Freiheit - und Wohlstands"-Floskeln, keinem wehtun, Zumutungen nett verpacken, zur Mitte tendieren statt alten Erfahrungsschatz und Resilienz zu honorieren, neoliberales Image statt demokratischen Sozialismus).



    PS. In bin bei der Frauenfrage befangen, möchte mich deshalb an dieser Stelle als genderneutralen homo sapiens beschreiben, obwohl ich in letzter Zeit das Bedürfnis verspüre, mich von dem zu distanzieren.

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Kein Grund zum Jubeln. Für fast Keinen. Auch das muss man erst einmal hinbekommen.

    Danke Deutsche. Danke für nichts.

  • Die Gewinner der Wahl sind eindeutig die Grünen.



    Sie haben den höchsten Zuwachs gegenüber der letzten Wahl geschafft, trotz massivem Gegenwind der Medien. Leider reicht das Ergebnis nicht für eine bessere Zukunft unseres Landes und für unsere Kinder.



    Abzusehen ist aber jetzt schon eine Koalition aus Schwarz-Rot-Grün. Es wird harte und lange Verhandlungen geben.



    Das werden dann wohl weitere vier verlorene Jahre für das Klima, für Europa und den abgehängten Teil unserer Gesellschaft; Kinder und Arme.

    • @Sonnenhaus:

      Wieso Schwarz-Rot-Grün? Rot-Schwarz hätte eine ausreichende Mehrheit. Wieso sollten die sich einen zusätzlichen Koalitionspartner ans Bein binden?

      • @Trollator:

        Weil die Roten ihre Wähler vergrätzen würden, wenn es wieder eine schwarze Koalition geben würde.

        Damit würden sich beide Seiten keinen Gefallen tun.

  • Die Linke hat Wagenknecht als Zugpferd abgesattelt. Nun hat sie die Quittung dafür erhalten und muss um die 5% bangen.

    • @Rudi Hamm:

      Hätte Frau Wagenknecht verdecken können wer oder was die Linkspartei ist?

      Die Linke (also nicht DIE LINKE) hat übrigens beachtliche Zuwächse eingestrichen, wie man gerade landauf, landab berrichtet.

    • RS
      Ria Sauter
      @Rudi Hamm:

      Sehe ich auch so.