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Auflösung der Ampel-RegierungDrängel-Merz

Friedrich Merz will den Kanzler unter Druck setzen. Er fordert eine sofortige Vertrauensfrage und Neuwahlen bereits in der zweiten Januarhälfte.

Oppositionsführer Friedrich Merz am Donnerstag auf dem Weg ins Schloss Bellevue Foto: Ebrahim Noroozi/ap

BERLIN taz | CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Donnerstag zwei wichtige Gesprächstermine. Am Mittag war der Oppositionsführer, der möglichst schnell selbst Kanzler werden will, für eine knappe halbe Stunde bei Olaf Scholz im Kanzleramt, am Nachmittag dann traf er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. „Es gibt überhaupt keinen Grund, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen“, hatte Merz bereits am Morgen nach einer Sondersitzung der Unionsfraktion gesagt. Und schon da betont, dass er dies Scholz am Mittag auch so vortragen werde.

Merz Forderung: Scholz müsse die Vertrauensfrage sofort, also spätestens Anfang kommender Woche stellen. Neuwahlen wären dann bereits in zweiten Januarhälfte möglich – und damit etwa zwei Monate früher als nach den Plänen von Scholz.

Nun kann man darüber streiten, ob das einen so großen Unterschied macht und ob die Union die Zeit für die Wahlkampfvorbereitung nicht auch selbst gut gebrauchen kann, aber CDU und CSU stehen in Umfragen derzeit im Gegensatz zu SPD und Grünen gut da – und für Merz ist es ein Hebel, den Kanzler weiter unter Druck zu setzen. „Wir können es uns einfach nicht leisten, jetzt über mehrere Monate eine Regierung ohne Mehrheit in Deutschland zu haben und anschließend über weitere Monate einen Wahlkampf zu führen und dann möglicherweise mehrere Wochen Koalitionsverhandlungen“, sagte der CDU-Chef zur Begründung.

Der Bundespräsident, so Merz weiter, könne nach einer gescheiterten Vertrauensfrage in einer Frist von 21 Tagen den Bundestag auflösen und in diesen 21 Tagen sei genügend Zeit um herauszufinden, ob es Themen gebe, über die vor der Auflösung des Bundestags noch entschieden werden müsse. „Wir sind selbstverständlich bereit, Gespräche zu führen und Verantwortung für unser Land zu übernehmen, wenn es solche Entscheidungsnotwendigkeiten gibt.“ Die Bedingung dafür aber sei die sofortige Vertrauensfrage.

Scholz scheint das nicht besonders beeindruckt zu haben. Wie die taz aus der Unionsfraktion erfuhr, endete das Gespräch mit dem Kanzler ohne Ergebnis. Dieser will an seinem Zeitplan festhalten. Er hatte am Mittwochabend, nachdem er den FDP-Finanzminister Christian Lindner aus dem Kabinett geschmissen und damit das Ende der Ampel eingeleitet hatte, angekündigt, die Vertrauensfrage erst Anfang Januar stellen zu wollen.

Für die Wirtschaft und die Verteidigung geht noch was

Bis dahin will er mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiter regieren und auf die Union zugehen, um einige wichtige Dinge im Bundestag noch auf den Weg zu bringen, die Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung etwa. Für die Union könnte das ein Dilemma werden: Einerseits muss sie als Fraktion dastehen, die ihrer staatspolitischen Verantwortung nachkommt. Andererseits will sie nicht zur Mehrheitsbeschafferin für die Restampel werden.

Am Nachmittag dann war Merz beim Bundespräsidenten, der auf dem Weg zu Neuwahlen eine wichtige Rolle spielt. Steinmeier hatte sich bereits am Morgen zu Beginn einer Veranstaltung im Schloss Bellevue zum Aus der Ampel geäußert – und sich grundsätzlich offen für den Weg zu Neuwahlen über eine Vertrauensfrage gezeigt. Das Grundgesetz sehe klare Vorgaben für das weitere Verfahren vor.

Wenn der Bundeskanzler wie angekündigt die Vertrauensfrage stelle und der Bundestag dem Kanzler das Vertrauen entziehe, müsse der Bundespräsident über die Auflösung des Bundestages entscheiden. „Zu dieser Entscheidung stehe ich bereit“, sagte Steinmeier. Das Land brauche eine stabile Regierung; das werde sein Prüfungsmaßstab sein. Steinmeier mahnte zudem: „Es ist nicht die Zeit für Taktik und Scharmützel. Ich erwarte von allen Verantwortung.“ Über das Vier-Augen-Gespräch mit Merz ist nichts bekannt. Man kann allerdings davon ausgehen, dass er diesen bei seiner Ermahnung durchaus mitgemeint hat.

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15 Kommentare

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  • Ich höre Herrn Merz fast täglich irgendwelche Forderungen formulieren, ohne dass er jemals wirklich konkret wird. Ich weiß nicht, was genau mit ihm für mich persönlich besser werden soll. Ich brauche keine Steuersenkung, keine Verringerung der Abgabenlast und gehe in Rente, wann es mir passt, egal, was irgendwer zum Thema Renteneintrittsalter in Zukunft sagt. Wenn Herr Merz Lust hat, Kanzler zu werden und den Terminplan dafür selbst zu bestimmen, soll er sich gefälligst eine Mehrheit für ein konstruktives Misstrauensvotum zusammensuchen. So aber, wie er jetzt über seine potentiellen zukünftigen Koalitionspartner redet, wird er es auch nach der Wahl sehr schwer haben, seine Ziele - welche auch immer das sind - zu erreichen.

  • "Friedrich Merz will den Kanzler unter Druck setzen. Er fordert eine sofortige Vertrauensfrage und Neuwahlen bereits in der zweiten Januarhälfte. "



    Klar. Es ist zwar extrem unwahrscheinlich, dass die Beliebtheitswerte für Scholz bis März noch großartig steigen werden, um ein Risiko für Merz zu bedeuten. Aber warum ein Risiko eingehen?

  • Man kann von Herrn Merz halten, was man will. Aber mich beschleicht das komische Gefühl, daß die Ukraine erheblich besser bedient wäre, wenn der baldmöglichst im Bundeskanzleramt säße und nicht erst irgendwann im Sommer nächsten Jahres, nachdem man sich nach einer möglichen Wahl Ende März / Anfang April denn irgendwann mal auf eine neue Regierung geeinigt haben wird.

    Andererseits kann die CDU/CSU natürlich zusammen mit der übrigen Opposition in ihrer neuen Größe sämtliche Regierungsvorlagen durchfallen lassen und stattdessen bessere einbringen und beschließen. Damit würde sie ihrer Verantwortung auch gerecht, aber eben anders, als sich Herr Scholz das vorstellt. Ob sie das in den bis zu 21 Tagen hinbekommt (einer Frist, die der Bundespräsident ja wohl nicht verpflichtet ist, bis zur letzten Minute auszureizen), ist die Frage.

  • Herr Scholz erklärt, dass der Grund für die erst im neuen Jahr geplante Vertrauensfrage in seiner Verantwortung für die Nation liegt.



    Die wahren Gründe für dieses Hinauszögern sind aber mehr als offensichtlich. Allen voran geht es Herrn Scholz darum den SPD Wahlkampf vorzubereiten. Ihm ist deutlich bewusst, dass andere Parteien darauf besser vorbereitet sind als die SPD.

    Trotzdem sollte Herr Merz bezüglich dieses Termins Kompromissbereitschaft zeigen.



    Statt einer umgehenden Vertrauesfrage am kommenden Montag sollte er sich offen für Alternativen zeigen.



    So könnte er bspw. einem Modus zustimmen bei dem bis zur Vertrauensfrage für jedes neu beschlossene und durch die CDU unterstützte Gesetz im Gegenzug aktuell schon eines der bisher beschlossenen Ampelgesetze rückabgewickelt wird. Damit könnte ein Teil der eh in der nächsten Legislaturperiode notwendigen Schritte vorgezogen werden.

  • Im Januar kommt Trump ins Amt. Dann sollte Deutschland eine handlungsfähige Regierung haben.



    Dieses Warten auf Wahlen im März dient nur dazu, Scholz' Eitelkeit zu befriedigen.

  • Scholz muss bis März durchalten. Das ist auch eine soziale Frage. Es geht hier um die Altersversorgung der Mitglieder der Bundesregierung. Bei drei vollen Regierungsjahren gibt es für die mehr Geld.

  • Wer jetzt Neuwahlen fordert, mit dem Argument, die Entscheidung über eine neue Regierung müsse in die Hände der WählerInnen gegeben werden, erzählt den konventionellen Unsinn und hat den Boden des Grundgesetzes schon verlassen.

    Die WählerInnen entscheiden nicht über die Regierung. Sie wählen die, die dann als Abgeordnete unabhängig vom WählerInnenwillen unter sich bestimmen, wer die neue Regierung bildet. Die WählerInnen stimmen mit ihrer Wahl vor allem diesem Verfahren und dem folgenden Regiert-werden als legitim zu. So sind es dann auch die Abgeordneten (und nicht die WählerInnen), die mit einem Misstrauensvotum eine Regierung vorzeitig und ganz legitim beenden können. Dass dafür der Kanzler erst die Vertrauensfrage stellen muss, ist nur ein weiterer Baustein in der Brandmauer der Stabilität gegen direkte demokratische Mitbestimmung.

  • Mit dieser Regierung bedeutet jeder weiterer Tag Stillstand. Es gibt keinen Grund, das Ganze auf die lange Bank zu schieben, vor allem, da noch kein Haushalt steht.

    Zwei weitere Monate dienen doch allenfalls der Profilbildung eines Kanzlers, der in den vergangenen drei Jahren jede Form der Führung vermissen ließ. Statt Wahlgeschachere zu Weihnachten hätte ich lieber die Wahlunterlagen unterm Weihnachtsbaum.

  • 2-3 Monate Wahlkampf und dann nochmal so lang Koalitionsverhandlungen?! Wie wäre es, wenn die CDU jetzt in die Regierung eintritt mit der SPD und in der Not Verantwortung übernimmt? Der Bundestag ist auf vier Jahre gewählt!

  • Ich habe keine Lust, schon im Januar wählen zu gehen, also ist es mir durchaus recht, wenn sich Herr Scholz mit der Vertrauensfrage Zeit lässt. Herr Merz kann in der Zwischenzeit ja versuchen, ein konstruktives Misstrauensvotum auf die Beine zu stellen, wenn er unbedingt Kanzler werden will.

    Niemand sollte jedoch glauben, mit einem Kanzler Merz gehe alles von einem Tag auf den anderen wesentlich besser. Das wird es für die meisten Mitbürger nicht tun. Die Mieten werden weiterhin steigen, die Löhne stagnieren. Es werden hauptsächlich diejenigen mit einem mindestens 6-stelligen Jahres-Brutto von Merz profitieren.

  • Merz kann doch einen konstruktiven Mißtrauensantrag stellen, dafür braucht er Scholz gar nicht...

  • Januar ist Stichtag zur Berechnung von Rentenansprüchen für Bundesminister. Wer es also bis ins neue Jahr schafft, verlängert unter Umständen den Rentenanspruch, vor allem wenn dadurch eine höhere Betragsstufe erreicht wird.

  • „Es gibt überhaupt keinen Grund, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen“,

    Das ist richtig. Es gibt keinen Grund, der für Deutschland relevant ist. Für die SPD, Gründe und vermutlich auch die FDP gibt es möglicherweise wahltaktische Gründe. Aber was sollen zwei Monate ohne handlungsfähige Regierung bringen? Merz hat ja Scholz zugesagt, dass er mit ihm zusammenarbeitet, wenn er die Vertrauensfrage gleich stellt - für wichtige Vorhaben. Solange also Scholz nicht begründet, wofür das Land zwei Monate auf eine Wahl zuwarten muss, kann ich Merz verstehen. Da Scholz aber seit drei Jahren im Dämmerschlaf ist, wird er sich von einem Ampel-Aus auch nicht wecken lassen.

    • @Strolch:

      Ich bin überzeugt, fest überzeugt, unser aller Kanzler befindet sich nicht im dämmerschlaf: folgender Plan- vertrauensfrage 21 Tage Auflösung des bundestag neuwahlen Ende März (Frist beachten), am 2.märz findet die bürgerschaftswahl in Hamburg-faktisch keine cdu-statt ich wähle die GRÜNEN!😎

      • @dizzy:

        Da kann die Ukraine, Europa, die deutsche Wirtschaft und wer sonst noch alles Gesetzgebung und Regierungsentscheidungen aus Berlin erwartet, aber froh sein, daß schon Anfang März in Hamburg gewählt wird.

        Wobei sich aber doch die Frage stellt, ob das von Herrn Merz vorgeschlagene Timing nicht im Hinblick auf die nötig werdende Weiterbeschäftigung Olafs des Zögerlichen als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt sinnvoller wäre.