Aufhebung des Compact-Verbotes: Faesers Zitterpartie
Die vorläufige Aufhebung des Compact-Verbotes ist eine Schlappe für die Innenministerin. Der Fall wird über das Bild ihrer Amtszeit entscheiden.
E s gibt eine eherne Regel im Innenministerium von Nancy Faeser: Ein verhängtes Verbot muss vor Gericht Bestand haben. Bitter, dass diese ausgerechnet am rechtsextremen Compact-Magazin gebrochen werden könnte. Noch ist es nicht so weit, aber allein dass das Bundesverwaltungsgericht den Vollzug des Compact-Verbots vorläufig aussetzte und die Rechtsextremen um Herausgeber Jürgen Elsässer feiern, ist unbestreitbar eine Schlappe für Faeser.
Auch mit anderen Projekten rennt die Innenministerin gerade gegen die Wand. Heimliches Durchsuchen der Polizei von Wohnungen? Ein „absoluter Tabubruch“, wird es nicht geben, so Justizminister Buschmann. Einsatz von Gesichtserkennungssoftware? Die Grünen haben „verfassungsrechtlich tiefgreifende Fragen“. Verschärfung des Waffenrechts für Messer? „Symbolpolitik“, so die FDP.
Man fragt sich, welche Linie Faeser da verfolgt – und mit wem sie in der Koalition eigentlich spricht. Jedenfalls steht keiner der Vorstöße für den angekündigten Aufbruch in eine „grundrechtsorientierte“ Sicherheitspolitik. Und so wird vieles Ankündigung bleiben bei Faeser, mal wieder.
Der Fall Compact aber liegt anders, hier war Handeln geboten. Den Kampf gegen Rechtsextremismus hatte Faeser, völlig zu Recht, zum zentralen Anliegen erklärt. Aber auf vorgelegte Pläne folgte lange wenig. Umso mehr scheint dies Faeser nun mit Verboten wettmachen zu wollen: Hammerskins, Artgemeinschaft, Compact. Bei keinem trifft es die Falschen.
Faeser muss sich fragen: Hätten mildere Mittel gereicht?
Auch Compact ist weit mehr als ein Magazin: Es vernetzt die rechtsextreme Szene, pusht die AfD, Putin oder Remigrationsprediger Martin Sellner, organisiert Proteste. Das Blatt fordert Widerstand gegen die „Asylbombe“, „Gender-Terror“ oder das „Finanzjudentum“, will „Passdeutschen“ Rechte verweigern, Elsässer will „das Regime stürzen“. Das ist kein Journalismus, sondern aufwieglerischer Aktivismus. Die Behörden und eine Innenministerin können hier unmöglich nur zuschauen.
Und ein Verbot via Vereinsrecht beanstandete das Bundesverwaltungsgericht ebenso wenig wie die Verfassungsschutzeinstufung von Compact als rechtsextrem. Faeser muss sich allerdings schon fragen lassen, ob es nicht tatsächlich – wie es das Gericht aufzeigt – auch vorerst mildere Mittel gegeben hätte, um der Pressefreiheit Rechnung zu tragen: das Vorgehen gegen einzelne Texte, Ausgaben oder Veranstaltungen.
Mittel wohlgemerkt, die das Triumph-heulende Compact weiter fürchten muss. Nun aber muss das Innenministerium sein Material nachbessern und auch Faeser zittern bis zum finalen Urteil – falls sie überhaupt solange im Amt ist, denn das Verfahren könnte Jahre dauern. Sicher ist schon jetzt: Es wird ganz zentral über das Bild von Faesers Amtszeit entscheiden.
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