Asylrecht des Einzelnen infrage gestellt: CDU dreht frei

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, kritisiert das Individualrecht auf Asyl. Aus seiner Partei kommt viel Zuspruch.

Thorsten Frei

Rückt die CDU-Position zum Asylrecht mit seinem Debattenbeitrag nach rechts: Thorsten Frei Foto: dts/imago

BERLIN taz | Es ist ein Debattenbeitrag, mit dem die CDU ihr Profil in Migrationsfragen scharf nach rechts rückt: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktionen im Bundestag, Thorsten Frei, hat am Dienstag ein Ende des Rechts des Einzelnen auf Asyl in den Ländern der Europäischen Union gefordert. „Aus dem Individualrecht auf Asyl muss eine Institutsgarantie werden. Eine Antragstellung auf europä­ischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen“, schrieb der Politiker in einem Debattenbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Frei erhielt von Kolleginnen und Kollegen aus seiner Partei Zuspruch, aus den anderen Lagern wurde er scharf kritisiert.

Frei meinte, das europäische Asylrecht und damit auch die deutsche Asylpraxis gründeten auf einer „Lüge“. „Wir gestalten unser Asylrecht als Individualrecht aus und sind zugleich nicht bereit, den Anspruch in unbegrenztem Umfang einzulösen, der daraus resultiert.“ Der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg schlug vor, dass die Europäische Union stattdessen jährlich ein Kontingent von 300.000 oder 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen und in den teilnehmenden Staaten verteilen solle.

Die Organisation Pro Asyl kritisierte, Frei lege mit seinem Vorstoß „die Axt an den internationalen Flüchtlings- und Menschenrechtsschutz“. Die Pläne bedeuteten „den Ausstieg aus der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der EU-Grundrechtecharta“, sagte Pro-Asyl-Sprecher Karl Kopp. „Es ist bitter, dass die Union damit die Positionen der Rechtsextremen übernimmt.“

Aus der CDU erhielt der Parlamentarische Geschäftsführer viel Zuspruch. Die gesellschaftlich liberal gesinnte Kultusministerin aus Schleswig-Holstein, Karin Prien (CDU), bezeichnete den Beitrag Freis bei Twitter als „diskussionswürdig“. Sie sprach sich dort zwar für ein „Recht auf politisches Asyl“ aus, bezeichnete aber die gegenwärtige Rechtskonstruktion im Grundgesetz als „in der Praxis dysfunktional“. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn stimmte bei Twitter mit der Diskussionslogik Freis überein.

Die Bundesregierung kritisiert den Vorstoß

Doch Frei erntete auch harten Widerspruch aus den eigenen Reihen. „Unser Asylrecht gründet nicht, wie Thorsten Frei meint, auf einer Lüge, sondern auf dem christlichen Menschenbild und der Genfer Flüchtlingskonvention“, sagte Christian Bäumler, stellvertretender Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) der taz.

Die Umwandlung des Asylrechts ginge nur über eine Abschaffung der europäischen Grundrechte-Charta. „Die Politik sollte nicht den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen“, so Bäumler. „Die Abschaffung des Asylrechts würde zudem keinen einzigen Menschen davon abhalten, nach Europa zu flüchten.“

Auch aus allen drei Regierungsparteien und der Linkspartei kam Kritik an Freis Vorstoß. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bezeichnete den Vorschlag als „realitätsfremd“, da er illegale Migration nicht stoppen werde. „Warum es unmenschlich sein soll, dass jemand erst mal vorträgt, warum er Schutz braucht, das geht mir nicht in den Kopf“, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verwies gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf die Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems. „Es wäre gut, wenn die CDU mit Ernsthaftigkeit diese Bemühungen unterstützen würde.“

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