Debatte zum Asylrecht in der CDU: Geistiger Spagat

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Frei bekräftigt den Vorstoß zur Abschaffung des individuellen Asylrechts. Ein Praktiker sieht in der Idee nichts Gutes.

Merz sitz neben Frei

Thorsten Frei und Friedrich Merz Foto: Florian Gaertner/imago

BERLIN taz | Die CDU demonstriert derzeit eindrücklich, wie sie bei Migrationsfragen den Diskurs verschieben will. „Ich habe in ein Wespennest gestochen, und diese Debatte muss dringend geführt werden“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktionen, Thorsten Frei, am Donnerstag mit Blick auf seinen Debattenbeitrag zur Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl.

Bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Andechs hatte CDU-Chef Friedrich Merz demgegenüber betont, ein Positionspapier, mit dem sich die Unionsfraktionen zum Grundrecht auf Asyl bekennen, gelte weiterhin.

Der geistige Spagat, den die Unionsspitze in der Frage nach der Asylgesetzgebung demonstriert, scheint dabei durchaus so gewollt. Frei erklärte gegenüber der taz, auch er stehe „selbstverständlich“ hinter dem Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion aus diesem Frühjahr. In dem Dokument mit dem Titel „Für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik“ heißt es, „die CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht zum Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte und zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention“. Parteichef Merz hatte am Mittwoch gesagt, diese Haltung sei in der Union „unverändert gültig“.

Frei will in seinem Debattenbeitrag, den er am Dienstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) veröffentlicht hatte, keinen Widerspruch zum Positionspapier der Unionsfraktionen sehen. Darin hatte Frei eine Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl gefordert. Laut seinem Vorschlag sollte die EU stattdessen ein Kontingent von jährlich bis zu 400.000 Geflüchteten direkt aus dem Ausland aufnehmen und in den Mitgliedsstaaten verteilen. „Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen.“

„Verballhornung des Asylgesetzes“

Frei sagte der taz, das Fraktionspapier setze sich mit „eher kurz- und mittelfristig wirkenden Maßnahmen“ im bestehenden Rechtsrahmen auseinander. „Ein perspektivischer Debattenbeitrag sollte dagegen zu einer grundlegenden und langfristigen Reform des europäischen Asylsystems führen.“ Frei bekannte sich erneut zur Genfer Flüchtlingskonvention und verwies darauf, dass sich daraus kein individueller Anspruch auf Asyl ergebe. „Eine Kontingentlösung ist damit vereinbar.“

Für Seenotretter Axel Steier von der Organisation Mission Lifeline ist die Stoßrichtung von Freis Vorschlag klar. „Indem man eine Zahl in den Raum wirft, tut man so, als würde man etwas Gutes damit wollen. Kontingente werden aber sowieso nie umgesetzt“, sagte er der taz. Das sehe man heute bereits an der fehlenden Bereitschaft, Menschen aufzunehmen, die im Mittelmeer gerettet würden und die auf die EU-Staaten verteilt werden sollen. Für Steier ist Freis Vorstoß eine „Verballhornung des Asylgesetzes“. „Die CDU versucht, das Recht weiter auszuhöhlen, damit weniger Menschen kommen, aber damit hilft man ja nicht den Menschen auf der Flucht.“

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