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Friedenspreis für Anne ApplebaumFür den Frieden, aber nicht bedingungslos

Die US-amerikanisch-polnische Publizistin Anne Applebaum hält in Frankfurt eine scharfzüngige Rede wider Appeasementpolitik mit Russland.

Ausgezeichnet: Anne Applebaum bei ihrer Dankesrede zum Friedenspreis in der Frankfurter Paulskirche Foto: Martin Meissner/ap

Frankfurt taz | „Lassen Sie nicht zu, dass Skepsis zu Nihilismus wird. Der Rest der demokratischen Welt braucht sie“, sagte Anne Applebaum in ihrer Dankesrede für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, festlich übergeben in der Frankfurter Paulskirche zum Abschluss der herbstlichen Buchmessen. Die amerikanisch-polnische Essayistin, Historikerin und Sachbuchautorin – „Der Gulag“ 2003, und aktuell: „Die Achse der Autokraten“ hat diesen Preis zuerkannt bekommen, weil sie früher als die meisten anderen Analysten die Gefahr beschrieb, die etwa vom postsowjetischen Imperialismus ausgeht.

Die Ukraine, als Teil der Sowjetunion Opfer eines Holodomor, einer gezielt bewirkten Hungerkatastrophe, und seit 2022 Opfer eines russischen Krieges, hatte sie schon 2014 als freiheitserkämpfendes Land beschrieben: Da hatte Russland gerade deren Halbinsel Krim annektiert und Teile der Ostukraine dazu. Das war zu einer Zeit, als das bundesdeutsche Politikestablishment (die Union, besonders aber die SPD) Russland als „Nachbarland“ imaginierte und von den kleineren Ländern zwischen dem rohstoffreichen Imperium und ihrem „Modell Deutschland“ nur das Nötigste wissen wollte

Applebaum erinnerte in ihrer Rede auch an Manès Sperber, Friedenspreisträger 1983, der zu den Hochzeiten der bundesdeutschen Friedensbewegung vor einem antipolitischen Pazifismus warnte – und sich definitiv, wie im Übrigen Applebaum nun auch, keine Freunde auf der politischen Linken machte: Diese ja noch ihren Melancholien in puncto Weltrevolution anhängend, der Feind hatte für sie die USA zu bleiben.

So führte Applebaum aus: „Es ist auch ein guter Moment, um zu betonen, dass die Lektion der deutschen Geschichte nicht sein kann, dass die Deutschen Pazifisten sein müssen. Im Gegenteil. Seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Appeasement und Hinnahme dieser Diktatur.“

Sie ist, das betont sie seit Jahren, für den Frieden, aber nicht bedingungslosen, insofern könne sie sich nicht als Pazifistin verstehen. Ein demokratisches Land wie Deutschland könne sich nicht herausreden, wonach militärische Enthaltsamkeit zum Frieden beitrage, im Gegenteil. Mit Bezug auf Thomas Mann, der in den 40er Jahren in zahlreichen Radioansprachen versuchte, NS-Deutschland rhetorisch zu besiegen, sagte Applebaum, ein „Nie wieder!“ könne nicht politische Enthaltsamkeit bedeuten. Die Ukraine seit jetzt in Gefahr, Putin und sein Regime ließen daran nicht den geringsten Zweifel. George Orwell, Antistalinist sondergleichen, so zitierte ihn die Amerikanerin und seit langem auch in Polen lebende Applebaum, verheiratet mit dem polnischen Außenminister Radosław Sikorski, dieser noble Autor sagte: „Der Krieg ist ein Übel, aber manchmal das Kleinere.“

Beifall in der Paulskirche, in der nur zwei Regierungsmitglieder zugegen waren, Kulturstaatssekretärin Claudia Roth von den Grünen und Bettina Stark-Watzinger, Bildungsministerin von der FDP. Auch SPD-Mitchefin Saskia Esken war zugegen, aber eben kein Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, den die Kritik Applebaums gewiss hätte beeindrucken können.

Optimistisch gesinnte Kämpferin

Es ließ sich nicht klären, ob der Beifall aus dem Auditorium Höflichkeit im bürgerlichen Sinne meinte – oder sogar und obendrein von Herzen kam: Applebaum weiß, wie es alle wussten in der Paulskirche, dass die US-Präsidentschaftswahlen am 5. November mit einem Votum für Donald Trump ausgehen könnten. Was dieser fordert und was seine Mitbewerberin Kamala Harris von den Demokraten letztlich auch fordert: dass das reiche Europa, zu dem auch Deutschland gehört, sich militärisch, bei der Abwehr autokratischer Regime, nicht mehr hinter den USA verstecken dürfe. Applebaum wirkte gut gelaunt: eine optimistisch, keineswegs nihilistisch gesinnte Kämpferin für die offene Gesellschaft.

Was offen blieb, ist freilich der Umstand der Konkretion. Applebaum hielt, so auch der seufzende Hinweis der Zeit-Politikanalystin und früheren taz-Redakteurin Mariam Lau auf Twitter, quasi eine Rede vor Eingeweihten, eine Predigt zu den ohnehin Wissenden oder Bekehrten. Die Sozialdemokraten, die den „Wandel-durch-Handel“-Schlamassel (Nord-Stream-Gaspipelines etc.) bewirkten oder ihn mehr oder weniger offenen Auges geschehen ließen, etwa der amtierende Bundespräsident, hängen im Geiste vielleicht nach wie vor wesentlich am Sentiment, dass Russland doch vielleicht Gründe habe … Und die Union hat immer schon gern das Geschäftliche, zumal Öl und Gas, im Blick gehabt, die Ex-Kanzlerin Angela Merkel inklusive. Wer in der Paulskirche mehr oder weniger respektvoll-ergriffen zuhörte, hatte seine (bzw. ihre) Lektion gelernt.

Wie soll das gehen: Demokratie verteidigen, die offene Gesellschaft, wie erwehrt sich diese gegen autoritäre Versuchungen?

Nur, und diese Hinweise ersparte sich Anne Applebaum, wie soll das gehen: Demokratie verteidigen, die offene Gesellschaft, wie wehrt sich diese gegen autoritäre Versuchungen? Wie war das konkret in Polen, wie ist das aktuell in den USA, wie in Ostdeutschland, mit einer AfD als stärkster Fraktion in Thüringen und dem russlandfreundlichen Bündnis Sahra Wagenknecht, ohne die sowohl in Thüringen als auch in Sachsen keine Koalition mehr zu machen ist?

Und überhaupt: Österreich, Ungarn, die Slowakei? Es hätte womöglich für eine gewisse Unruhe im Auditorium gesorgt, wäre die US-amerikanische Polin Applebaum zu den eigenen Fehlern vorgedrungen, etwa zum Fantasma, per Krieg, beispielsweise in Irak und Afghanistan, Demokratie implantieren zu können. Applebaum plädierte einmal sehr für den Irakkrieg, brillante Neocon-Fellow – und sie irrte sich. Da hätte das Publikum vielleicht erfahren: Wie lernt es sich, als Anti-Totalitäre, aus Fehlern?

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78 Kommentare

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  • Um zu zeigen, wie illusionär die Weltsicht von Frau Applebaum ist:



    1. Wer denkt, das 21. Jahrhundert mit Atommächten sei mit dem 2. Weltkrieg zu vergleichen, der hat Atomwaffen nicht verstanden.



    2. Applebaums Weltbild zeigt sich ja gerade in Afghanistan, Irak und eben auch in der Ukraine, die ja immer schon ein Neocon-Projektziel war. Sie macht sich Illusionen.



    3. Applebaum glaubt, dass Diktaturen oder autoritäre Herrscher grundsätzlich eine feindliche Phalanx bilden. Dies ist aber eher eine selbst erfüllende Prophezeiung.

  • Spätestens mit der Meldung, dass Nordkorea sich mit eigenen Truppen am Ukraine Krieg beteiligt, sollte eigentlich jedem verständlich sein, wovon Applebaum die ganze Zeit redet.

    Dabei ist übrigens egal, aus welchen Motiven Nordkorea handelt.



    Das Ergebnis ist dasselbe.

  • Ich weiss nicht, wie sie heute dazu steht, offenbar gibt's leider auch Drängerenderes, kann man jedenfalls meinen. Aber ihr ein Irrtum einfach rückblickend zu unterstellen, hier sogar zweifach, und sich dann zu wundern, warum sie nicht hellsieht und drauf einging, ist doch etwas kurios. Weder uns noch gar den Ukrainern ist damit geholfen, wenn wir uns jetzt wieder mit Einsätzen um die (noch) fetten Jahre um die Jahrtausendwende bespiegeln, und dem Luxus (!) der damaligen Optionen. Wobei Afghanistan und Irak doch auch sonst kaum noch wen interessieren. Davon abgesehen, auch ich unterstützte (bereits) beide Einsätze, und vermisse weder Saddam noch gar Bin Laden. Dafür muss ich mich nicht entschuldigen. Anders wär insb. im Fall Afghanistans interessant zu erfahren, wie denn der Autor sich eine Reaktion, eine Verteidigung nach 9/11 vorstellte. Schon eher eine Leerstelle. Dass Kabul schliesslich unvollendeter Taten im Stich gelassen wurde, ist nicht mehr "Neocons" anzulasten und war so auch nie vorgesehen. Aber in der Tat denk ich dass Applebaums Weltbild bis heute nicht exakt Feddersens entspricht, muss es das? Auf dem Spiel steht Grundsätzliches, darauf sollten wir uns einigen können.

    • @Tanz in den Mai:

      Einerlei, dass sie Saddam Hussein nicht vermissen. Ich vermisse Sie ja auch nicht. Dennoch würde ich nicht begrüßen, wenn man Sie umbringt.



      Die Invasion im Irak hatte Null Komma nichts mit der Abwehr totalitärer Systeme zutun, war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg mit hunderttausenden zivilen Opfern. Und grandiosen Lügen vor der UN (Massenvernichtungswaffen).



      Wer so glatt hinwegbügelt ("ich vermiss den nicht..") über solche Verbrechen, dem ist sicher die Verteidigung unserer liberalen Demokratien nicht gut anzuvertrauen. Geht dann wohl einfach nur noch ums wir gegen die.

  • Es ist wirklich einfach in Kriegszeiten gegen den Pazifismus zu wettern. Aber Kriege beginnen nicht aus dem Nichts, sie kommen aus einer allgemeinen aggressiven imperialistischen Politik - auf allen Seiten. Und die Ideen von einer Seite, die anderen militärisch zu eliminieren ist wahrlich nichts Neues. Friedenspolitik muss sich aber genau gegen das richten.

    • @Kaffka:

      Imperialismus ist ein schönes Schlagwort. Nur ist halt die Frage, was ein Zeichen von aggressivem Imperialismus ist.



      Wenn junge Leute die Nase voll haben von der Unterdrückung in Putins "Hinterhof" ist das IMO keiner. Selbst dann nicht, wenn NGOs, die vor Ort agieren, vom Westen finanziert werden.



      Ebenfalls ist es kein Imperialismus, wenn Länder in Kenntnis der Natur des russischen Imperialismus Schutz vor eben diesem in der NATO suchen.



      Insofern geht es eben gerade NICHT um den Imperialismus auf allen Seiten. Denn Freiheit ist ein universaler Wert. Und der "gehört" nicht nur dem Westen. Und das ist im Kern die Bedrohung, die alle Diktatoren und Autokraten empfinden.

    • @Kaffka:

      Genau so ist es!

    • @Kaffka:

      Wo genau war der Überfall Russlands - der ja mittlerweile als Krieg gesehen wird - beidseitig?



      Deshalb ist es wie so oft schwierig komplexe Inhalte pauschal zu beurteilen.



      Es gibt genug autoritäre Staaten (jeder einzelne ist zu viel) die eine sogenannte aggressive imperialistische Politik verfolgen und damit auf kurz oder lang ihre Nachbarn bedrohen oder gar angreifen welche selber nichts möchten als zu existieren.



      Es gibt diese auch im sogenannten Westen, nur dass diese kein Machtmonopol haben.



      Diesen muss entschlossen begegnet werden sonst ist "Frieden" nichts weiter als Greenwashing.



      Dafür muss man Risiken eingehen und sich auf diese einstellen.



      Und Ja, um einen dauerhaften Frieden zu gewährleisten müssen solche zurückgebliebenen Herrschaften aus dem Vekehr gezogen werden.



      Wenn man etwas (erreichen) will muss man darum kämpfen, andauernd.



      Einen dauerhaften Status Quo gab und wird es nicht geben. Man kann und sollte es solchen Menschen einfach so schwer wie möglich machen - und zwar nicht nur auf dem Papier.

      • @Das B:

        Aggressiv war zB. die schon vor 2014 an die Ukraine gerichtete Forderung, sich zwischen einer wirtschaftlichen und politischen Annäherung an den Westen einerseits und guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen andererseits zu entscheiden. Dabei hätte gerade die Ukraine eine Brücke zwischen West und Ost sein können.

        • @Francesco:

          Seit wann ist eine Forderung pauschal aggressiv?



          Es gab keine militärische Drohung und das Entsagen von Unterstützung wäre kein Druckmittel wenn der Nachbar Russland nicht schon immer eine Diktatur gewesen wäre die ihrerseits aggressiv gegen kontroverse Meinungen vorgeht.



          Und zu so einen Staat wollen sie Brücken bauen?



          Die Ukraine hat und hatte, wie jeder andere Staat, das Recht frei zu entscheiden.



          Dafür stehen wir als Demokratie ein.



          Diese Entscheidung kann nicht als Rechtfertigung dienen diesen Staat (oder Teile davon) zu annektieren oder eine solche Annektion zu relativieren.

  • Sie sagte in Frankfurt



    Quelle derstandard.de



    "...sagte Applebaum. "Wenn wir die Möglichkeit haben, mit einem militärischen Sieg diesen schrecklichen Gewaltkult in Russland zu beenden, so wie ein militärischer Sieg den Gewaltkult in Deutschland beendet hat, dann sollten wir sie nutzen."



    Es stellt sich dennoch die Frage: Um welchen Preis? Wessen Risiken werden dadurch minimiert und wessen Risiken maximiert.



    Ist die historische Lage überhaupt ohne weiteres vergleichbar?



    Historische Forschung an ihrer Mutteruniversität hatte auch schon Vorhersagen mit kurzer Halbwertszeit hervorgebracht zum "Ende der Geschichte". Gegenmeinungen im veröffentlichten Spektrum sind rar, aber auffindbar, auch mit starker Polarisierung zur Position der Preisträgerin.

    • @Martin Rees:

      Wessen Risiken werden denn minimiert und maximiert, wenn die Ukraine am Ende aufgeben muss?

    • @Martin Rees:

      „Ist die historische Lage überhaupt ohne weiteres vergleichbar?" Ich glaube nein.



      Außerdem haben wir längst einen anderen Eroberungs- und Ausbeutungs-Krieg: Kapitalismus aller Formen („westlich-demokratisch", „global-autokratisch") gegen die Natur. Die Natur verliert - und mit ihr Mensch und Tier.



      Die heißen militärischen Kriege sind eine wunderbar-schreckliche Ablenkung. Deren Auswirkungen auf Klima und Natur werden einfach verdrängt.

      • @starsheep:

        Der Mensch hat die Natur immer ausgebeutet. Es wird jetzt nur mehr Leuten bewusst.



        Grundsätzlich sind für Klima und Umwelt Kriege egal.



        Durch Kriege geht es Menschen schlecht, die wirklich signifikanten Schäden richten aber die Menschen an denen es gut geht. Das hat auch mit den Kapitalismus weniger zu tun als mit den allgemeinen Lebensstandard.



        Von den Thema muss man die Menschen nicht ablenken. Das tun die selber tagtäglich von ganz allein. Auch, weltweit gesehen besonders, sie und ich.

        • @Das B:

          Da hatte ich mich unklar ausgedrückt. Ich bezeichne die Art und Weise, wie der reiche Teil der Menschheit seinen heutigen Lenbensstandard erreicht (hat und erhält), als Krieg gegen die Natur - und damit auch als Krieg gegen Tier und Mensch.



          Zu den direkten Auswirkungen der (aktuellen) heißen Kriege hat @MARTIN REES dankenswerterweise im Folgenden ja bereits geschrieben.

          • @starsheep:

            Sie können Worte natürlich uminterpetieren wie sie möchten. Nur erwarten Sie dann bitte nicht dass jemand da noch durchblickt.



            Ausbeutung ist etwas anderes als Krieg.



            Die Definitionen googeln sie bitte selbst.



            Menschen beuten die Natur immer aus (unabhängig von Reichtum - es kommt sogar oft vor das man aufgrund fehlender Finanzen nicht nachhaltiger handeln kann).



            Es ist richtig das zu benennen und wichtig dies zu reduzieren soweit es geht.



            Aber das hat mit den Thema des Artikels nichts zu tun.

        • @Das B:

          „Der Mensch hat die Natur immer ausgebeutet."



          Es soll Menschen, Menschengruppen, Völker geben/gegeben haben, die von und mit der Natur leb(t)en.



          (So einfach können Sie mich nicht ablenken.)

          • @starsheep:

            Unsinn.



            Kein Mensch ist in der Lage durch seine reine Existenz in Summe für die Natur positiv zu wirken.



            So ist das eben wenn man sich aus den natürlichen Kreislauf hinaus entwickelt.



            Bestenfalls schaffen sie es der Natur nicht mehr Schaden als nötig zuzufügen.



            Wovon soll ich sie ablenken? Jeder hat das Recht zu träumen was und wieviel er will.



            Im Artikel geht es nicht um ihr Thema und dass dieses nichts damit zu tun hat habe ich ihnen, aus meiner Sicht, dargelegt.



            Was sie daraus machen ist ihre Sache.

        • @Das B:

          "Grundsätzlich sind für Klima und Umwelt Kriege egal."



          Das ist nicht unumstritten, im Gegenteil:



          www.ippnw.de/fried...im-fadenkreuz.html



          Es ist auch nicht plausibel, denn...



          www.spektrum.de/ne...das-wetter/1116189



          "Weltkriegsbomber beeinflussten das Wetter



          (...)



          Damit bestätigen die Befunde der Meteorologen frühere Untersuchungen, die nach dem 11. September 2001 unter umgekehrten Bedingungen durchgeführt worden waren. Nach den Terroranschlägen in New York und Washington mussten alle zivilen Flugzeuge in den USA am Boden bleiben, und Forscher bemerkten deutlich variablere Temperaturen im Tagesverlauf"



          Die Emissionen des Militärs sind nicht banal und schon gar nicht in des Skat zu drücken.



          Viele historische Beispiele, auch die Veränderungen im Nordatlantik und drei harte Kriegswinter hintereinander stellten im WK II schon deutsche Meteorologen vor ein Problem.

          • @Martin Rees:

            Jetzt setzen sie das mal in Relation zum Einfluss der "ganz normalen" Zivilisation.



            Im Promille Bereich kann man von egal reden.



            Wo genau haben wir aktuell einen Weltkrieg?



            Also bitte nur auf aktuelle Ereignisse beziehen oder wenigstens auf solche die in Relation stehen.

  • Aus 2022, auch m. Beziehung z. vormals vorhergesagten Ende der Geschichte* u. zum Thema Identitätspolitik: Wir sollten unsere eigenen Systeme auf Resilienz prüfen u. die Grundlagen d. Finanzierung v. Demokratiefeindlichkeit bald erkennen.



    /



    "Die US amerikanische Journalistin Anne Applebaum hat in einem jüngst erschienen Artikel mit dem Titel „The Autocrats are winning“ (Die Autokraten gewinnen) darauf hingewiesen, dass die Bildung solcher politischer und finanzieller Vernetzungen ein System schaffen soll, dass die Macht des Führers stabilisiert. Denn mit dem Sturz des „Chefs“ würden viele weitere Abhängige fallen. Und die werden daher mit aller Kraft das „System“ und damit dessen Chef verteidigen."



    Quelle idem:



    www.iipvienna.com/...mokratie-verloren-



    *"Francis Fukuyama, ein prominenter Politikwissenschaftler hat das „Ende der Geschichte“ vorausgesagt: das kapitalistische System in Verbindung mit der liberalen Demokratie wird sich überall durchsetzen. In einem berühmt gewordenen Aufsatz meinte er, dass die liberale Demokratie den „Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit“ und die „endgültige menschliche Regierungsform” darstellen könnte."

  • Westliche Kurzsichtigkeit, Relativismus und Opportunismus verhinderten, dass Putin fühzeitig vom Westen gestoppt werden konnte, betonte Irina Scherbakowa in Ihrer bemerkenswerten Laudatio auf Applebaum, die sie folgendermaßen zitiert.

    "Ich bin besorgt über das Wiederaufleben eines militanten russischen Staates, der in erstaunlichem Tempo von Leuten geführt wird, die vom Sowjetstaat ausgebildet und vorbereitet wurden und die daher bereit sind, eine vertraute Mischung aus Terror, Täuschung und militärischer Gewalt einzusetzen, um an der Macht zu bleiben. Natürlich könnte man argumentieren, dass diese Leute nie wirklich verschwunden sind. Aber ihr Aggressionsniveau nimmt zu, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem unsere einst so beeindruckende Fähigkeit, ihnen Paroli zu bieten, völlig verschwunden zu sein scheint.«

    Dass Bundespräsident Steinmeier nicht zur Preisverleihung kam, ist nicht verwunderlich, denn Steinmeier hat seine Blindheit gegenüber Russland bis heute nicht ausreichend erklärt.

    Rede Scherbakowa

    www.friedenspreis-...029/anne-applebaum

    • @Lindenberg:

      Wer in den Nuller- und Zehnerjahren die Eindämmung Putins, also z. B. die (Wieder-)Aufrüstung der europäischen Streitkräfte, die Reduzierung wirtschaftlicher Verflechtungen mit Russland und die schnelle Aufnahme der Ukraine in westliche Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen als eine Priorität gegenüber all den anderen Problemen dieser Zeit erkannt hat, werfe den ersten Stein! Ich wage zu behaupten, dass es solche Auguren gab, aber sicher nicht in der zeitweiligen "Mehrheit links der Mitte" (oder auch sonst in demokratisch relevanter Zahl). Die Wahrheit ist doch, dass weder Schröder noch Merkel einen derartigen Kurswechsel politisch überlebt hätten. Von daher KANN man aus den Erfahrungen lernen, aber Blamegame finde ich fehl am Platz.

      • @Normalo:

        Blamegame ist fehl am Platze, aber bemerkenswert ist, wie groß die Ignoranz gegenüber dem Abwürgen demokratischer Bestrebungen in Russland im Westen und dem Hinwenden Putins zu einer eigenen rückwärtsgewandten Ideologie war.

        Scherbarkowa

        Vor dem großen Krieg gegen die Ukraine mussten wir Politikern im Westen – immer wieder und leider ziemlich erfolglos – erklären, was Putins Politik bedeutet, nämlich dass eine verstärkte Repression im Inneren des Landes unweigerlich zu einer Aggression nach außen führen wird. Auch Anne Applebaum – so wie wir all die Jahre bei Memorial – versucht in ihren Publikationen und Reden zu erklären, warum für die Erforschung des Putinismus als Ideologie die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit notwendig ist: weil er unaufhörlich in die Vergangenheit blickt. Somit unterscheidet sich der Putinismus von anderen ideologischen und kulturellen Phänomenen durch das völlige Fehlen eines zukunftsorientierten Vektors. Es ist ein Kampf um die Vergangenheit – gegen die Zukunft.

      • @Normalo:

        Was die Nuller-Jahre angeht, gebe ich Ihnen recht, aber spätestens ab 2014 konnte man wissen, wohin der Hase läuft. Auch da gab es natürlich noch die Appeasment-Fraktion, wenn ich etwa an die Reaktion auf Gaucks Westerplatte-Rede denke.

        Eine differenzierte Sicht, die die politischen Zwänge einerseits, die offenkundigen Versäumnisse andererseits darlegt, bietet dieses Interview mit dem Historiker Bastian Matteo Scianna www.t-online.de/na...ocket-newtab-de-de

  • Wer sich näher mit Anne Applebaums Ansichten beschäftigen möchte, dem empfehle ich folgende Analyse ihres aktuellen Buchs "Autocracy, Inc.":

    jacobin.com/2024/0...ocracy-book-review

    Ein zentrales Zitat aus dem Buch lautet:

    "That enemy [for modern autocrats] is us. To be more precise, that enemy is the democratic world, “the West,” NATO, the European Union, their own, internal democratic opponents, and, more important, the liberal ideas that inspire all of them."

    Übersetzung:

    "Dieser Feind [für moderne Autokraten] sind wir. Um genauer zu sein, dieser Feind ist die demokratische Welt, „der Westen“, die NATO, die Europäische Union, ihre eigenen, inneren demokratischen Gegner und, was noch wichtiger ist, die liberalen Ideen, die sie alle inspirieren."

    Also hier der Westen, dort der Nichtwesten. Eine sehr simple 1/0-Denkweise, im Grunde eine Kolonialideologie: hier die Zivilisation, dort die unzivilisierten Wilden, denen man notfalls mit Gewalt Manieren beibringen muss.

    Oder anders gesagt: Wenn eine Seite Angriffskriege - für freedom & democracy - führen darf, dann "der Westen".

    Und für diesen Neokolonialismus einen Friedenspreis?

    • @Uns Uwe:

      Wow, da haben Sie den zitierten Text ja gereadezu trumpesk auf den Kopf gestellt! Der ist weder irgendwen (außer eben NICHT-Demokratien) exkludierend noch irgendwelche Angriffskriege rechtfertigend geschrieben. Er listet nur auf, was sich einem waschechten Autokraten - wie z. B. Jenem, der gerade jetzt einen lupenrein imperialistischen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland führt, und allen seinen autokratischen Fans und Steigbügelhaltern - als natürliches Feindbild aufdrängt. Von irgendeiner moralischen Kompetenz anderer Mächte, das zu dürfen, was besagter Autokrat sich herausnimmt, steht da keine Silbe. Das haben Sie schlicht erdichtet.

      • @Normalo:

        „Von irgendeiner moralischen Kompetenz anderer Mächte, das zu dürfen, was besagter Autokrat sich herausnimmt, steht da keine Silbe. Das haben Sie schlicht erdichtet." Ja. Erdichtet.



        Jan Feddersen, der hat berichtet



        von „Fantasma, per Krieg, beispielsweise in Irak und Afghanistan, Demokratie implantieren zu können."



        Vermutlich versuchen aber alle nur, Märkte zu erschließen.



        [/sarkasmus ]

        • @starsheep:

          Was soll dieser Einwurf mitteilen? Ist das einfach nur der blanke antiamerikanische Beißreflex, oder ist Ihre Welt wirklich so schwarz-weiß, dass Sie denken, wer westliche Demokratie gut findet, muss automatisch Alles richtig finden, was eine solche tut oder getan hat?

          Zum Mitschreiben. Der Irakkrieg war natürlich NICHT moralisch gerechtfertigt sondern ein Fehler - die Umsetzung der fixen Ideen einer Clique von machtbesoffenen Rechtsauslegern und von deren Regime-Übernahme bis zur propagandistischen Vorbereitung des Angriffs eher von autokratischen Zügen geprägt. Dass sowas einer Demokratie passieren kann, sollte eine Lehre sein, aber man sollte auch nicht ignorieren, dass es in Autokratien überhaupt keine gewaltfreien Mittel gibt, es zu verhindern.

          Afghanistan war eine andere Geschichte. Da wird die demokratische Vergewohltätigung völlig irrig als Zweck (und vermeintliche Rechtfertigung) des Einsatzes gehypt. Wesentlich war NUR, die dortige Infrastruktur des internationalen Terrorismus zu zerschlagen und möglichst lange am Wiederaufbau zu hindern. Wo man einmal da war, hat man auch(!) versucht, Strukturen zu schaffen, die die zweite Aufgabe vielleicht mal selbstständig erfüllen.

      • @Normalo:

        In dem zitierten Review wird erläutert, wie Applebaum die Autokratien als Gesamtkategorie definiert - trotz deren Unterschiede, ja Gegensätze. Und das tut sie, indem sie allen Autokraten ein gemeinsames Merkmal zuschreibt, nämlich alle sind antiwestlich. Applebaum redet von der "Achse der Autokraten", analog zur "Achse des Bösen" oder dem "Reich des Bösen".

        Zweitens erhebt sie natürlich die westliche = nichtautokratische Achse zum Reich der Zivilisation und leitet aus dieser Hierarchie - und nicht von der Frage Angriffskrieg ja/nein - die Entscheidung ab, welche Seite die Bedingungen eines Friedens stellen darf. Es ist aus Applebaums Sicht die "höhere Kultur", der Westen.

        Drittens denunziert Applebaum in diesem Zusammenhang alle Friedensverhandlungen auf Augenhöhe und plädiert für eine Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg. Die Begründung dafür leitet sie gar nicht aus dem Völkerrechtsbruch ab, sondern aus der beschriebenen Hierarchie zwischen westlicher und autokratischer Sphäre.

        Aus dem Völkerrechtsbruch könnte sie ihre Sichtweise auch nicht ableiten, weil die westlichen Angriffskriege (gegen Irak, Lybien, Serbien, etc) auch immer zu den Bedingungen des Westens beendet wurden.

        • @Uns Uwe:

          Diese moralische Hierarchie sehe ich zumindest in dem von Ihnen zitierten Textstück nicht. Das stellt nur eine Analyse dar, welchen Antagonismus Autokratie und Demokratie aus autokratischer Sicht darstellen. Die finde ich auch schlüssig - einschließlich der Darstellung, dass eher Autokraten ein wirklich substanzielles Problem mit der Existenz von Demokratie anderswo haben als umgekehrt. Denn ja - für einen Putin ist es tendenziell ein auf Dauer auch innenpolitisches Problem, wenn seine Untertanen den ehemaligen Vasallen zuschauen müssen, wie die sich demokratisch entwickeln, emanzipieren und am Ende noch wirtschaftlich Davon ziehen. Umgekehrt hält sich, glaube ich, hierzulande (selbst im aktuell autokratisch lehnenden Teil des politischen Spektrums) der Neid auf die Bürger der Russischen Föderation äußerst in Grenzen.

          • @Normalo:

            Doch die Hierarchie ist bei Anne Applebaum das Wesentliche.

            Applebaum hat z.B. den Angriffskrieg gegen den Irak 2003 ausdrücklich unterstützt und zwar mit den selben "Argumenten", wie sie jetzt die Fortsetzung des Krieges zwischen Ukraine und Russland mithilfe westlicher Waffen unterstützt. Damals gehörte Saddam Hussein ihrer Ansicht nach zur "Achse des Bösen", heute Putin zur "Achse der Autokraten".

            Mit anderen Worten: Das, was sie als "Westen" ansieht, hat einfach immer Recht, ganz egal ob Angriffskrieg oder Verteidigungskrieg.

            Ich verlinke mal einen Artikel aus der SPD-Zeitung "Vorwärts", in dem der Autor Michael Bröning das auch noch mal auf den Punkt bringt:

            "Buch „Die Achse der Autokraten“: Wie Demokratiefeinde besiegt werden können"

            vorwaerts.de/kultu...egt-werden-koennen

    • @Uns Uwe:

      Danke für das Zitat aus Applebaums Buch. Sie versetzt sich demnach in die Perspektive "moderner Autokraten", deren Feindbild "die demokratische Welt" (hier verkürzt) sei. Verstehe aber Ihre schlussfolgernde Unterstellung nicht, wonach "der Westen" bzw. Applebaum daraus das Recht herleite, quasi neokoloniale Angriffskriege gegen Autokratien zu führen. Wo denn aktuell?



      Im Gegenteil: Die putinsche Autokratie führt doch ihren erobernden und vernichtenden Angriffskrieg mit gerade der perversen Argumentation, einer angeblich drohenden "westlichen" Agression vorzubeugen, die es gar nie gegeben hat. Fallen Sie auch schon auf diese perverse, unterstellende Umkehrpropaganda von Putins Regime herein?

      • @Lichtenhofer:

        Danke für Ihre Fragen.

        Diese werden auch in meinem Beitrag an "Normalo" beantwortet, den ich soeben abgeschickt habe.

        • @Uns Uwe:

          Eigentlich beantworten Sie die Fragen eher nicht.

          Ich habe den Eindruck, Sie konstruieren Vorwürfe aus Nebensatzkonstruktionen aber ignorieren das Große Ganze.

          Und DAS wäre, das für Autokraten und solche die es noch werden wollen - wie Viktor Orban - funktionierende Demokratien grundsätzlich ein gefährliches Gegenmodell darstellen.



          Und das Autokraten begonnen haben, sich gezielt im Kampf gegen Demokratien zu unterstützen.



          Die Liste aktiver Unterstützer Russlands enthält z. B. (fast?) nur solche Länder.

          Über den Rest können wir reden, wenn dieser Punkt geklärt ist.

  • Das wichtigere George-Orwell-Zitat, das sie in ihrer Rede brachte stammt von 1942: „Pazifismus ist objektiv pro-faschistisch“.



    Das gilt auch heute: ein Niederlegen der Waffen würde bedeuten, dass das aggressive Putin-Imperium seine Ziele, die es unmissverständlich klargemacht hat, ungehindert durchsetzen kann. Mit grauenhaften Folgen für ganz Europa.

    • @dites-mois:

      Würden Sie selbst, oder ihre Kinder, in den Krieg ziehen und das eigene Leben opfern für diese "Ideale"?

      Falls nein, verbietet sich die Forderung an andere zu stellen!

      Zitat von einem aktuellen deutschen Musiker:



      "Ich sauf' mich tot anstatt in irgendeinem Krieg zu sterben"

      • @Thomas Müller:

        "diese Ideale"?



        Sehr zynisch abstrahiert.



        Sie meinen das Bedürfnis der Menschen in der Ukraine, am Leben bleiben zu wollen bzw sich nicht von einem blutrünstigen Despoten unterjochen lassen zu wollen?



        Natürlich will niemand von uns (wahrscheinlich so wie ich überwiegend ehemaligen Kriegsdienstverweigerern) gern jemals eine Waffe in die Hand nehmen, genau deswegen können wir so unendlich "froh" (naja) sein, dass es im Moment noch andere sind, die sich opfern, um die Putinsche Kriegsmaschinerie aufzuhalten. Wie sind gerade deswegen verpflichtet, sie mit allem zu unterstützen, was geht.

      • @Thomas Müller:

        Es wäre mir neu, dass irgendwer hier von irgendwem "fordert", sich für irgendwelche Ideale zu opfern. Namentlich im Fall der Ukraine fordern die "Pazifisten" eher umgekehrt, den Opferbereiten diese Möglichkeit zu nehmen, indem man ihren Nachschub abdreht.

        • @Normalo:

          Nachschub heißt "Menschen" versteht sich.

          Wer die Entmenschlichung schon verinnert hat, wird kaum begreifen, das JEDES zarte menschliche Leben wichtiger ist als die Großmachtsfantasien egal welcher Couluer oder Nation.

          Dann ist es mir mein Leben doch lieber in einem anderen Land zu Leben aus für ein anderes zu sterben. Das Leben geht immer weiter, und birgt erstaunliche Wendungen, wenn man es nicht vorzeitig wegwirft.

          • @Thomas Müller:

            Ihre Interpretation ist falsch und passt auch nicht zu dem, was ich geschrieben habe.

            "Nachschub" heißt Nachschub - Waffen, Munition Ausrüstung etc.. Die selbsterklärten Friedenstauben hierzulande verlangen ja in Bezug auf die Ukraine, dass man die nicht zur Verfügung stelle - egal was das für die Menschen bedeutet, die dort gerade für Freiheit und Souveränität ihres Landes bereitwillig ihr Leben riskieren.

  • Nicht, dass ich Frau Applebaum den Preis nicht gönne, aber kritische Fragen stellen sich trotzdem. Die ich hier mal als These in den Ring werfen möchte:



    Wer Autokraten eine dichotomische Sichtweise vorwirft sowie die Absicht, liberale, demokratische Systeme zerstören zu wollen - eine Absicht, die ja kaum von der Hand zu weisen ist - , muss aufpassen, nicht wiederum selbst einer dichotomischen Weltsicht zu verfallen. Fatal wäre das im Hinblick auf eine mögliche Abschottung/Immunisierung gegenüber Fehlern und Widersprüchen im eigenen System.



    Beispiel: wer einen möglichen Wahlsieg Trumps in den Staaten ausschließlich auf Desinformationskampagnen und Cyber-Krieg aus dem Kreml zurückführen möchte, erliegt hier möglicherweise einer schweren Fehleinschätzung. Denn er/sie verkennt den Faktor der systemimmanten Probleme einer westlichen, liberalen Gesellschaft als da beispielsweise wären: extreme soziale Verwerfungen, Schwächen des jeweiligen Wahlsystems (speziell in den USA) und noch einige andere Faktoren.



    Überspitzt formuliert könnte die These lauten: in der Bekämpfung des Autoritarismus werden westliche Demokratien ihren Gegnern immer ähnlicher.

    • @Abdurchdiemitte:

      Man kann aber auch umgekehrt wirklich JEDE Diskussion so uminterpretieren und zurechtbiegen, dass man einmal mehr auf die "systemimmanten Probleme einer westlichen, liberalen Gesellschaft" zu sprechen kommen kann...

      Thema hier ist "Krieg und Frieden", Genosse. Ersteren führt gerade Jemand, dem sein Nachbarland zu geneigt schien, diese systemimmantenen Probleme in Kauf zu nehmen, um sich dafür vom Joch seines autokratischen und eben NICHT "westlich liberal" getünchten Hegemonialanspruchs zu befreien.

      Ansonsten haben Sie natürlich Recht, dass die liberale Demokratie kein Selbstläufer ist. Sie muss aktiv verteidigt werden, und zwar zuvorderst vom Souverän. Das sind WIR - nicht irgendwelche Ideologen oder Machtpolitiker, die sich täglich mühen, uns den Rücken zu waschen, ohne uns nass zu machen (oder merken zu lassen, dass das Quatsch ist).

    • @Abdurchdiemitte:

      Die These ist m. E. nicht überspitzt, sondern falsch, weil sie zentrale Unterschiede außer Acht lässt. Ich verstehe ja, worauf Sie hinauswollen, aber mal abgesehen davon, dass keine Demokratie heute noch Kriege im Stile der Kolonialkriege des 19. Jhs. führt: Demokratien haben als Korrektiv eine Öffentlichkeit; Anne Applebaum spricht zunächst mal nur für sich, und das muss man halt ebenso ertragen, wie das unsägliche Geschwätz einer Frau Wagenknecht auf der anderen Seite. Applebaums Positionen (so sehr ich sie teile) sind aber keine Staatsdoktrin, während Putin und Konsorten die öffentliche Meinung ganz in ihrem Sinne lenken und manipulieren können.

      Applebaum mag pointiert formulieren und verbindet die historische Analyse mit politischen Forderungen. Das mag sensible Gemüter irritieren. In der Sache ist sie aber nahe bei einem Karl Schlögel, Andreas Kappeler oder Timothy Schneider, um nur ein paar herausragende Osteuropahistoriker zu nennen.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Denn er/sie verkennt den Faktor der systemimmanten Probleme einer westlichen, liberalen Gesellschaft ..."

      Nehmen wir doch anstatt den USA mal Norwegen, Irland, Spanien oder Finnland als Beispiele.

      Welche systemimmanenten Probleme der westlichen, liberalen Gesellschaften dieser Länder sehen Sie ?

  • Im letzten Abschnitt wird es interessant. Bezeichnend, wenn sie kein Wort über den US-amerikanischen Imperialismus des 20./21. Jahrhunderts verloren hat (der viele noch heiße Konflikte erst mitprovoziert hat). So bleibt ihre Sicht der Dinge (und daraus resultierende Konsequenzen) verkürzt und für mich nicht wirklich brauchbar.

    • @KommissarBlind:

      Der Handlungsbedarf liegt halt aktuell woanders. Wo weht denn heute eine US-Flagge auf völkerrechtswidrig und kriegerisch erobertem Boden?

      Wenn George W. Bush gerade im Irak einmarschiert und man trotzdem nur von russischer Aggression gegen die Ukraine plaudert, dann ließe ich Ihren Vorwurf gelten. Aber vor dem aktuellen geopolitischen Hintergrund wirkt er dann doch eher wie ein Ablenkmanöver.

      • @Normalo:

        Historisch gesehen? Fast die gesamte USA wurde kriegerisch von den Indianern erobert. Der Südwesten durch einen Krieg gegen Mexiko, Hawaii durch einen Staatsstreich an sich gebracht.

        • @Francesco:

          Historisch gesehen war das aber kein Verstoß gegen Völkerrecht, weil dessen heutige Maßstäbe seinerzeit nicht galten und sich Jeder nehmen "durfte", was er kriegen konnte. Genau deshalb hat man es ja eingeführt. Historisch gesehen ist die Feststellung daher auch wenig hilfreich, da sie auf die allermeisten Staaten und jedes politische System der Erde zutreffen dürfte.

          • @Normalo:

            Man hat sich das Recht halt so hingebogen.

            • @Francesco:

              Nein, es GAB schlicht solches Recht nicht. Das grundsätzliche Gewaltverbot unter den Staaten ist noch keine 100 Jahre alt, und auch das allgemeine Verbot von Annexionen wurde erst 1919 erstmals codifiziert. Bis dahin galt das Recht des Stärkeren ("uti possidetis").

  • Wie gerne würde man Anne Applebaum mal in einem Streitgespräch mit Sahra Wagenknecht sehen. Sahra würde pulverisiert.

    • @Suryo:

      Erstens tun sich die beiden nicht viel, jedenfalls was die Einseitigkeit und Voreingenommenheit betrifft. Sarah Wagenknecht ist auch nicht der Maßstab.

      Gerade Applebaums Versuch, die (gerade für das Überleben der Ukraine) absolut notwendige Exitstrategie aus dem Kriegsmodus dadurch zu diskreditieren, dass sie die Befürworter und Mahner mit Leuten wie Wagenknecht gleichsetzt und als russlandfreundlich abstempelt, ist ja der Trick, um den Zuhörern das ideologische und menschenverachtende Konzept vom Krieg bis zum Sieg einzuschärfen (und das bei der Verleihung eines Friedenspreises!).

      Dass es diesen Sieg nicht geben kann und die unter Ukrainefreunden so beliebten Parallelen zum Sieg über den Hitlerismus zwischen 1942-1945 angesichts der im Vergleich zu damals vollkommen unterschiedlichen Weltlage historisch abwegig sind, blendet Applebaum aus (obwohl sie es als Historikerin wissen müsste).

      • @Günter Picart:

        Der Ausdruck "Exitstrategie" suggeriert doch etwas, was de facto gar nicht existiert und was - und das ist meine Zentralkritik an jenen, die immer Verhandlungen fordern - bislang nicht einmal ansatzweise erläutern wird. Einen "Exit" gibt es eben nur, wenn die andere Seite mitspielt, und das tut sie erklärtermaßen nur zu inakzeptablen Bedingungen (das "menschenverachtende Konzept vom Krieg bis zum Sieg" praktiziert hier nämlich nur einer). Auch die von Ihnen als "Befürworter und Mahner" Titulierten zeichnen sich in aller Regel dadurch aus, dass ihnen zu diesem Punkt nichts einfällt. Wenn sie dann auch noch zugleich ein Ende der Waffenlieferung an die Ukraine fordern, dann ist deutliche Kritik mehr als angebracht.



        Dass der Verweis auf "Parallelen zum Sieg über den Hitlerismus zwischen 1942-1945" "historisch abwegig" sei, ist zunächst mal nur eine apodiktische Behauptung. Putins imperiale Konzeptionen, seine Bereitschaft, Gewalt als zweckdienliches Mittel der Politik einzusetzen, und auf der anderen Seite die irrige Hoffnung, den Aggressor durch Nachgeben zu besänftigen, legen Parallelen sehr wohl nahe. Dass historische Parallelen aber nicht 1:1 übereinstimmen müssen, ist ein Binse.

      • @Günter Picart:

        "um den Zuhörern das ideologische und menschenverachtende Konzept vom Krieg bis zum Sieg einzuschärfen"

        Meinen Sie das menschenverachtende Konzept der Ukraine, sich nicht dem diktatorischen Angreifer zu unterwerfen?

      • @Günter Picart:

        Ab wann würden Sie denn Widerstand leisten? Wie weit darf Russland Ihrer Ansicht nach gehen? Welches Maß an russischem Faschismus ist den von Russland angegriffenen Menschen und Staaten zumutbar?

      • @Günter Picart:

        Wer Applebaum Voreingenommenheit vorwirft, ist schon Opfer russischer Desinformation geworden.

        Erst recht, wer leugnet, dass Russland heute das ist, was damals Hitlerdeutschland war. Widerstand ist zwingend notwendig, denn Russland wird nun mal nicht aufhören mit seinem Versuch, die Grenzen seines faschistischen, menschenverachtenden Systems immer weiter auszudehnen.

        • @Suryo:

          Ich sehe eher Parallelen zum ersten als zum zweiten Weltkrieg.

        • @Suryo:

          Sie merken, wie Sie Applebaum mit dem ersten Satz gegen Kritik immunisieren: Sie erklären nicht, warum der Vorwurf, ihre Analysen würden von ihren politischen Überzeugungen gelenkt, sachlich falsch ist, sondern Sie erklären denjenigen, der so argumentiert, zum Propaganda-Opfer. Sie bemerken den Denkfehler vielleicht selbst.



          Und mit Verlaub: wenn Sie die Russische Föderation mit dem NS-Regime gleichsetzen, dann ist das nicht nur historisch haarsträubend falsch, sondern grenzt an eine Relativierung des Nationalsozialismus. Sogar Schulwissen sollte ausreichen, um die Unterschiede zwischen beiden Systemen zu erkennen. Es sollte - auch in Forendiskussionen - einen Mindestanstand geben.

          • @O.F.:

            Tut mir leid, aber mit jemandem, der immer auf Seiten Russlands steht, für ihn unangenehme Fakten konsequent ignoriert und sich aus der Diskussion verabschiedet, sobald er mit seinen Widersprüchen konfrontiert wird, möchte ich nicht groß diskutieren. Da könnte man ja gleich versuchen, eine sinnvolle Debatte mit Wagenknecht zu führen.

            • @Suryo:

              Von der Unterstellung einmal abgesehen (ich stehe nicht auf Seiten Russlands, wenn ich mit allzu simple Erklärungsmuster verbitte), bin nicht ich derjenige, der sich einer Diskussion verweigert. Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass Ihr Vergleich historisch nicht haltbar ist und den NS relativiert (gerade als Deutscher sollte man sich mit solchen Projektionen zurückhalten) - darauf allein mit einer Diffamierung zu reagieren, ist schwach.

              • @O.F.:

                Ich unterstelle gar nichts. Jeder hier kennt Ihre Kommentare zu Russland oder China.

                Und das mit der Relativierung ist natürlich auch nur ein Versuch, meine Haltung als unmoralisch darzustellen. Sehen Sie, ich halte es für extrem unmoralisch, immer wieder und wieder Ausflüchte und Rechtfertigungen für Russland zu finden und das dann als „Differenzierung“ zu bezeichnen. Die russische Spielart des Faschismus differenziert nicht. Sie tötet, foltert, vergewaltigt und unterdrückt ausnahmslos.

                • @Suryo:

                  Stimmt, jeder kennt meine Kommentare zu China und Russland - in denen es nicht um Parteinahme, sondern um Differenzierung geht. Dass der Unterschied nicht immer verstanden wird, sagt wenig über mich, aber viel über das gegenwärtige geistige Klima aus: wenn man nur in Dichotomien denken kann oder will, scheitert man an Nuancen - und an einer nuancenreichen Wirklichkeit. Und ja, ich halte den NS-Vergleich nicht nur für historischen Unfug, sondern auch für unmoralisch, gerade wenn er von Deutschen vorgebracht wird - weil er Selbstkritik in Feindbildproduktion umkehrt.

  • Die Rede wurde life im WDR5 übertragen und simultan übersetzt. Hab das zufällig gehört und empfand es als schlimmes Ärgernis, besonders der rauschende Beifall an den falschen Stellen (pauschale Rants gegen das, was sie unscharf als "Pazifismus" charakterisiert und als eine Art inneren Feind an die Wand malt, und die gruselige Vereinnahmung Carl von Ossietzkis für ihre Agenda, die hier oben gar nicht vorkommt).

    So richtig und wichtig ihre Charakterisierung des Putin-Regimes als friedensunfähig und gefährlich auch ist, sind die Konsequenzen, die sie daraus zieht (Krieg ohne Kompromisse bis zum Umfallen), ganz untauglich und ihre Analysen aus der Rückschau (die als Historikerin ihr eigentliches Metier sein müssten) grotesk verfehlt (die Ukraine hätte den Krieg längst gewonnen, wenn nur Deutschland von Anfang an mehr Waffen geliefert hätte, was wiederum der "Pazifismus" schuld sei).

    Der Krieg ist eine Sackgasse, in die sich die Ukraine mit ideologischer Unterstützung der Applebaums&Co. immer weiter hineinmanövriert hat, wahrscheinlich ist der Point of No Return schon überschritten und die Niederlage unausweichlich, jedenfalls verhält Putin sich so und blockiert alle Friedensansätze.

    • @Günter Picart:

      Ich wüsste jetzt schon gern wo sich die Urkaine bitte in den Krieg manövriert hat. So als angegriffener Staat...



      Der Point of No Return war die Grenze Ukraine/Russland. Wer genau ist da drüber marschiert?



      Natürlich muss die Ukraine Krieg bis zum Umfallen machen. Denn entweder gehen sie kämpfend unter oder werden unterworfen. Wo genau sehen sie da eine andere Möglichkeit? Jede Verhandlung die Russland irgedetwas zugesteht bedeutet real höchstens eine Pause bis Putin sich den Rest nimmt. Zumal in jeder dieser Lösungen das Ergebnis und die Botschaft wäre: Angriff lohnt sich, wer Atomwaffen hat darf alles und Solidarität gibt's nur solange wir Lust haben und es nicht zu anstrengend ist.



      Zumal jede Entscheidung in letzter Konsequenz nur von der Ukraine selbst getroffen werden darf oder man stellt diese vor die Wahl wessen Besatzungsgebiet sie werden wollen.

    • @Günter Picart:

      War der Krieg gegen Hitlerdeutschland auch eine Sackgasse?

      Russland versteht derzeit nun mal nur unbedingten Widerstand. Jede Art von Entgegenkommen wertet der Kreml als Schwäche.

  • Vielleicht sollte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Preis umbenennen. Denn wer Applebaums neuestes Buch gelesen hat findet dort alles nur keinen "Frieden", sondern eher einen grobschlächtigen, einseitigen und historisch oft zweifelhaften Inhalt mit zahlreichen geschichtlichen Auslassungen.

    • @Thomas Müller:

      Dass nennt man, frau Autorenfreiheit, eigene Meinung.



      Kann, muss aber nicht jedem gefallen. Auch die geschichtliche Gewichtung liegt ganz in der Hand der Autorin.

      • @Whatever1984:

        Zweifellos. Aber warum muss dafür dann ein Friedenspreis verliehen werden.

  • Die Damen und Herren Rechthaberisch, die es schon immer besser wussten, biegen sich gerne die Geschichte zurecht, damit sie passt, vergessen die 'Fehlleistungen' ihrer Gesinnungsgenossen, von denen sie vorher noch maximale Distanz wahrten, und sind über jede Hinterfragung ihrer ebenso gewöhnlichen wie oft falschen Axiome erhaben:

    Das Prinzip 'Wandel-durch-Handel' wurde vor allem durch Kanzlerin Merkel vertreten und betrieben, und zwar als Fortsetzung des marktliberalen Dogmas in der Diplomatie. Im globalen Wirtschaftswettbewerb sollten so viele wechselseitige Abhängigkeiten entstehen, dass kein Land mehr ohne Schaden zu nehmen den untrauten Kreis verlassen kann.

    Nationalliberale Falken wie Ronald Regan waren es, die mittels Aufrüstungswettbewerb, Stellvertreterkrieges und Geheimoperationen den Wettbewerb der Systeme aufrecht erhielten und meinten, mit dem Zerfall der Sowjetunion hätten sie den Endsieg der Geschichte errungen und das Bärenfell könne nun verteilt werden.

    Wer Wahlrepubliken als Demokratien und individuelle Freiheiten als demokratische bezeichnet, der ist dem Liberalismus auf den Leim gegangen oder ein überzeugter Verfechter des liberalen Sozialdarwinismus.

  • "...dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Appeasement und Hinnahme dieser Diktatur.“

    Wie wahr. Auch dass Deutschland bzw Europa selbst in der Lage sein muss sich vor Diktaturen zu schützen ohne die Hilfe der Amerikaner.

    • @Pawelko:

      Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten! Wie selbstbewusst, stark und einig Europas Demokratien da stehen, können wir doch tagtäglich kopfschüttelnd „bewundern“.



      Und was Frau Applebaums Furor gegen die „realistische Schule“ betrifft: sie müsste erst einmal den Nachweis erbringen, dass westliche Demokratien ausschließlich hehre, lautere Ziele verfolgen … und dass sie sich damit dem Autoritarismus gegenüber als überlegen erweisen.



      Momentan sieht’s nämlich genau andersherum aus.

      • @Abdurchdiemitte:

        Eion wehrhaftes Europa müsste sich wohl auf ein gerüttelt Maß mehr Einigkeit bzw. Einheitlichkeit einlassen. Eine zentralisierte Verteidigungspolitik dürfte zu den Kröten gehören, die es dafür schlucken müsste. Sich auf Dauer nicht effektiv gegen Leute wie Putin wehren zu können, halte ich aber im Vergleich für das größere Übel.

        "dass westliche Demokratien ausschließlich hehre, lautere Ziele verfolgen … "

        Es dürfte für den Anfang ausreichen, dass westliche Demokratien WEIT HÄUFIGER hehre, lautere Ziele verfolgen als imperialistische Autokratien. Brauchen Sie dafür wirklich einen Nachweis? Falls ja: China.

        "...und dass sie sich damit dem Autoritarismus gegenüber als überlegen erweisen."

        Da wäre zunächst mal zu definieren, in welchen Kategorien. Wenn man aber bedenkt, welche enormen personellen Ressourcen Autokratien brauchen, um es mit den westlichen Demokratien auch nur in einigen wenigen Kategorien annähernd aufnehmen zu können, würde ich an der Stelle die Demokratien noch klar im Vorteil sehen. Geht es um reine Systemerhaltung - bei der der Westen aktuell in der Tat ein wenig ächzt - muss man wohl auch die Reibungsverluste einrechnen, die autoritäre Machterhaltung verursacht.

        • @Normalo:

          Nun, in erster Linie wende ich mich gegen jene substanzlose europäische Backenaufblaserei, die meint, man könne jetzt auch ohne die USA die Schurken dieser Welt in die Schranken weisen. Dabei schaue ich natürlich mehr auf den französischen Präsidenten als auf unseren Bundeskanzler.



          Die Tragik besteht doch darin, dass hier beispielsweise gegenüber der Ukraine Versprechungen gemacht werden, die man am Ende nicht wird einlösen können. Das gilt desgleichen für Moldawien und Georgien … auch so werden dort Hoffnungen enttäuscht, bis das Pendel eines Tages halt wieder in die andere Richtung ausschlägt, zugunsten des autokratischen Russland.



          Schauen Sie auf das Wahlergebnis sowie das Referendum in Moldawien: Ausdruck einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft, wahrlich kein starkes pro-europäisches Signal. Die wütenden Ausfälle der moldawischen Präsidentin Sandu sind da auch alles andere als hilfreich.



          Und die EU selbst? In ihrem aktuellen Zustand ist der Bogen bis zum Zerbrechen gespannt, von der Leyen in der Hand der rechten Europagegner. Wir können noch froh sein, dass der Laden nicht ganz auseinander fliegt.

          • @Abdurchdiemitte:

            Sie können davon ausgehen, das weder Macron noch irgendwer sonst es schafft - oder auch nur ernsthaft versucht -, irgendeiner der betroffenen Regierungen ein Bild von militärischer Allmacht der europäischen Nato-Länder glaubhaft zu machen. Die können alle Zeitung lesen.

            Insofern würde ich die "Backenaufblaserei" eher als eine Art öffentliches Bodenbereiten für die schweren, weil teuren Entscheidungen der absehbaren Zukunft werten. Denn ABSEHBAR ist das Streben nach deulich größerer militärischer Unabhängigkeit von den USA kein substanzloses Gelaber sondern beinharte Notwendigkeit: Europa ist nicht mehr wichtig genug, um die volle Rückgriffsmöglichkeit auf die militärischen Mittel der USA einfach voraussetzen zu können. Auch diese sind endlich, und in Asien steht aus US-Sicht heute geopolitisch einfach mehr auf dem Spiel. Auch sind die Kräfteverhältnisse zwischen ihren Verbündeten und den potenziellen Gefahrenherden dort nochmal deutlich weniger ausgeglichen.

            Wir können also lange darüber schwadronieren, wie weit wir doch davon entfernt sind, Visionen wie die von Macron ventilierten zu verwirklichen: Wenn wir uns nicht drangeben, stehen wir sehr bald mit extrem kurzen Hosen da.

            • @Normalo:

              Wir leben ja in einer seltsamen Welt. Vor etwa zwei Jahren - noch so ziemlich zu Anfang des Ukrainekrieges - habe ich noch v. Dohnanyis Vorschläge für eine stärkere außenpolitische Emanzipation Europas von den USA hochgehalten (überzeugend dabei finde ich, dass er nicht allein die militärischen bzw. Verteidigungsaspekte, sondern auch die Bedeutung diplomatischer Initiativen in den Vordergrund stellte - man muss wohl beides gleichzeitig denken). Viele - auch hier im Forum - waren bzw. sind da skeptisch.



              Heute sehe ich zunehmend mit Sorge, dass die EU möglicherweise die Latte reißen wird, wenn es darum geht, europäische Standards bzgl. Demokratie und Menschenrechte in Osteuropa zu implementieren - sie schafft es ja nicht einmal in Westeuropa (s. Asylpolitik).



              Sie können das gerne als „Jammern auf hohem Niveau“ abtun - aber wenn selbst europäische Liberale blind gegenüber den Gefährdungen und der Fragilität der westlichen Demokratien werden? Und die Gefahren drohen wahrlich nicht nur von außen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Damit haben Sie "den Nagel auf dem Kopf getroffen". Danke!

    • @Pawelko:

      Stimme zu.



      Natürlich muss Pazifismus das Ziel sein und Kriege vermieden werden. Aber solange es Länder und Menschen gibt, die das nicht teilen, muss Abschreckung und Verteidigung sein.