Verfassungsgericht zu AfD-Klage: Juristisch richtig, politisch unklug

Das Verfassungsgericht entschied einwandfrei: Das Recht, gewählt zu werden, gibt es nicht. Trotzdem wäre es kontraproduktiv, die AfD auszuschließen.

Stephan Brandner (r) und Kay-Uwe Ziegler, Bundestagsabgeordnete der AfD, sitzen im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts

Stephan Brandner (r.) von der AfD – hier in Karlsruhe – war Ausschussvorsitzender und wurde wegen Fehlverhaltens wieder abgewählt Foto: Uwe Anspach/dpa

Dass die AfD keinen Anspruch hat, bestimmte Leitungsposten im Bundestag zu besetzen, ist keine Überraschung. Diesmal ging es in Karlsruhe um den Vorsitz von Bundestagsausschüssen. Vor zwei Jahren wollte die AfD einen Vizepräsidentenposten für sich durchsetzen. Jetzt wie damals lehnte das Bundesverfassungsgericht die Klagen ab.

Entscheidendes Argument: Wenn ein Amt wie der Ausschussvorsitz von den Abgeordneten gewählt wird und diese einfach keine AfD-Poli­tiker:in­nen wählen wollen, kann auch das Bundesverfassungsgericht sie nicht dazu zwingen. Es gibt kein Recht auf Erfolg bei Wahlen.

Zwar wurden die Ämter bisher im Proporz verteilt, doch das gebe der AfD keine verfassungsrechtlichen Ansprüche, an diesem Proporz beteiligt zu werden. Schließlich handele es sich bei den Ausschussvorsitzenden nur um organisatorische und repräsentative Posten. Hier habe der Bundestag eine weitgehende Selbstverwaltung.

Das Verfassungsgericht konzentriert sich zu Recht darauf, die Beteiligung der Opposition an der Gesetzgebung und der Regierungskontrolle sicherzustellen. Die gerechte Verteilung von Posten mit Funktionszulage ist da nicht so wichtig, auch wenn die AfD offensichtlich sehr gern an den wohldotierten Pfründen beteiligt wäre. Juristisch ist diese Entscheidung gut nachvollziehbar. Nicht jede Ungleichbehandlung muss das Bundesverfassungsgericht korrigieren.

Bleibt die politische Frage, ob es klug ist, die AfD im Bundestag auszuschließen, wo immer es rechtlich möglich ist. Die „Altparteien“ beschweren sich stets, dass die AfD den Parlamentarismus verächtlich mache und Sand ins Getriebe der Demokratie streue. Die Ausgrenzungspolitik der Mehrheit zeugt aber nicht gerade vom Glauben an Fairness.

Wählen und wieder abwählen

Nach der Karlsruher Entscheidung liegt die Lösung eigentlich nahe. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im Fall des AfD-Politikers Stephan Brandner festgestellt, dass Ausschussvorsitzende nicht nur gewählt, sondern auch abgewählt werden können. Warum also wählt man die AfD-Kan­di­dat:in­nen nicht entsprechend dem Wahlergebnis zu Ausschussvorsitzenden. Und wenn sie ihr Amt missbrauchen, können sie auch wieder abgewählt werden. Fehlverhalten zu sanktionieren ist überzeugender, als Fehlverhalten von vornherein zu unterstellen oder gewählte Abgeordnete gänzlich auszugrenzen.

Für das breite demokratische Publikum, jenseits der Hardcore-Antifa-Linie, wäre das vermutlich leichter nachzuvollziehen als die aktuelle Politik einer generellen und pauschalen Nichtwahl von AfD-Abgeordneten.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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