Ende des Klima-Hungerstreiks: Das Momentum fehlt

Der Hungerstreik in Berlin endet zum Glück ohne menschliche Tragödie. Er verpuffte auch deshalb, weil andere Krisen derzeit dominieren.

Klimaaktivist Wolfgang Metzeler-Kick, der zuvor an einem Hungerstreik im Invalidenpark teilgenommen hat, blockiert mit Sympathisanten den Straßenverkehr auf der Invalidenstraße.

Wolfgang Metzeler-Kick und die anderen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen haben ihren Protest für eine nachhaltigere Klimapolitik beendet Foto: Jörg Carstensen/dpa

Es ist nichts als schlau, aufzuhören, wenn man nichts mehr erreichen kann. Die Berliner Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen im Hungerstreik sind nicht bis zum Äußersten gegangen. Sie haben, rational völlig nachvollziehbar, ihren Protest für eine nachhaltigere Klimapolitik beendet – und essen wieder, kurz vor dem 100. Tag der Verweigerung der Nahrungsaufnahme ihres Frontmanns Wolfgang Metzeler-Kick.

Am Ende der auch in der Szene umstrittenen Aktion ist den acht Klima-Ultras zu danken. Und zwar dafür, dass sie die Aktion – offenbar ohne schwerwiegende Schäden – aufgegeben haben. Es ist zwar lobenswert, wenn jemand sein persönliches Schicksal für die Sache aller opfern will. Aber dieser Heroismus war an dieser Stelle fehlgeleitet. Er hat versucht, die Berliner Klima­politik in die Zange zu nehmen. Aber das Mittel Hungerstreik ist dafür schlicht nicht geeignet.

Metzeler-Kick und seine MitstreiterInnen hatten vom Kanzler ultimativ ein öffentliches Bekenntnis zur Klimakrise gefordert – und sich nun, als sich Olaf Scholz nicht rührte, für das Leben entschieden. Richtig so. Denn: Demokratisch legitimierte Kanzler dürfen sich von niemandem erpressen lassen, selbst wenn das Anliegen noch so groß ist. Selbst einem Scholz’schen Machtwort wäre ja nicht zwangsläufig eine Klimaaufholjagd der Ampel gefolgt. Dann wäre die radikale Selbstgefährdung der Hungerstreikenden sinnlos geblieben; möglicherweise wäre das Opfer Einzelner sogar schlicht verpufft.

Was heißt das Ende des Streiks? Hungern bewirkt nichts, auf der Straße festkleben nützt nichts, Kohletagebaue besetzen nützt nichts, Klimastreiken ist sinnlos? Nein. Die Bewegung muss sich eingestehen, dass die Kriege und Krisen der aktuellen Welt dem Klimathema derzeit das Momentum genommen haben. Der Druck, den die Fridays bis 2020 auf die Klimapolitik weltweit ausübten, hat nachgelassen. Aber das wird nicht so bleiben. Die Stunde derjenigen, die die Welt vor der Überhitzung bewahren wollen, wird kommen. Vielleicht mit der nächsten Naturkatastrophe. Das ist dann schon sehr, aber hoffentlich noch nicht zu spät.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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