Szenarien nach dem Ukrainekrieg: Exit-Optionen – bitte durchdacht

Es darf kein Tabu sein, Ideen für einen Waffenstillstand durchzugehen. Aber die Fehler von 2014 dürfen nicht wiederholt werden.

Kanzler Scholz und Fraktionsvorsitzender Mützenich unterhalten sich.

Bremsen bei Waffen für die Ukraine: Bundeskanzler Scholz und SPD-Fraktionsvorsitzender Mützenich bei einer Sitzung im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

Bis Donnerstag zerfleischte sich die Ampel noch an der Frage, ob die Ukrai­ne den Marschflugkörper Taurus bekommen soll. In der Bundestagsdebatte zum Thema hob SPD-Fraktionschef Mützenich den Streit dann auf die nächste Ebene: Man müsse darüber nachdenken, „wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann“, sagte er – und kassierte Empörung von Grünen, FDP und Thinktankern.

Engstirnig sind diese Reaktionen einerseits. Es sind eben Szenarien denkbar, in denen für die Ukraine nichts mehr zu gewinnen, aber viel zu verlieren ist – vor allem für den Fall, dass die Unterstützung aus den USA wegfällt. Ob Russland ausgerechnet dann bereit wäre, seine Panzer zu stoppen, ist zwar fraglich. Aber für den Fall der Fälle Ideen für einen Waffenstillstand vorzubereiten, der trotz bitterer Zugeständnisse Schlimmeres verhindern könnte, darf kein Tabu sein. Innenpolitisch könnte eine ernsthafte Exit-Diskussion die Solidarität mit der Ukraine sogar eher aufrechterhalten als die Attitüde der Alternativlosigkeit.

Nur: In einer solchen Debatte müsste man dann wirklich nachdenken, eigene Positionen hinterfragen und noch mehr Gewissheiten abräumen als in der ersten Zeitenwende-Diskussion vor zwei Jahren. Für einen Waffenstillstand sind territoriale Aspekte noch das kleinste Hindernis. Zentraler ist die Frage: Wie verhindert der Westen die Wiederholung der Fehler von 2014 – dass Russland den eingefrorenen Konflikt also nutzen kann, um sich neu aufzustellen und später wieder zuzuschlagen?

Es geht um die Sicherheit der Ukraine

Sicherheit und Souveränität der Ukrai­ne müssten diesmal wirklich gewährleistet sein. Debatten über Waffenlieferungen wären nicht vorbei, im Gegenteil müsste die Ukraine jetzt tatsächlich hochgerüstet werden – und dabei käme auch direkt wieder der Taurus ins Spiel. Das SPD-Argument des Eskalationsrisikos wäre schließlich weniger valide als in einem heißen Krieg.

Damit nicht genug: Stünde jetzt die ukrainische Nato-Mitgliedschaft an, trotz des ungeklärten Konflikts mit Russland? Müsste der Westen weitere Sicherheitsgarantien liefern, inklusive deutscher Sol­da­t*in­nen in der Ukraine? Und wenn das russische Militär nicht mehr dort gebunden ist, das Risiko eines Angriff im Baltikum also steigt: Wie viele weitere hundert Milliarden Euro bräuchte es dann für die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr?

Diese Fragen sind schwerwiegend. Rolf Mützenich wurde ihnen in seiner Bundestagsrede nicht gerecht. Nur beiläufig in drei Sätzen warf er seine Bemerkungen über einen Waffenstillstand hin. Das lässt befürchten, dass er aus den vergangenen beiden Kriegsjahren nicht genug gelernt hat – und er weiter den alten Fehleinschätzungen der SPD anhängt.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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