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Südafrikas Klage gegen IsraelAnklage mit Agenda

Kommentar von Miriam Dagan

Südafrika wirft Israel Völkermord gegen die Palästinenser vor und zieht mit diesem Vorwurf vor Den Haag. Dabei hegt die Hamas Genozid-Fantasien.

Eröffnung der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, am 11.1.2024

F ür Israel war heute ein besonders trauriger Tag – das Verfahren wegen Anklage zum Völkermord hat in Den Haag begonnen. 1948 wurde das Verbrechen des Genozids im internationalen Strafrecht verankert, als Reaktion auf die Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten. Heute ist es ausgerechnet der weltweit einzige jüdische Staat, der sich einer solchen Anklage stellen muss.

Beim Genozid muss die Absicht bestehen, eine nationale, ethnische, oder religiöse Gruppe im Ganzen oder teilweise zu vernichten, eben aufgrund ihrer Ethnie oder Nationalität. Der Anklägerstaat Südafrika wirft Israel diese Absicht vor – eine Beschuldigung, die in Israel als völlige Umkehrung der Realität wahrgenommen wird.

Anfang Dezember war eine hochrangige Hamas-Delegation in Südafrika zu Besuch. Offiziell empfangen wurde sie von Mandla Mandela, Mitglied der Regierungspartei ANC und Enkel von Nelson Mandela. Sie nahm an einer Gedenkzeremonie für Mandela im Regierungsgebäude teil.

Aufgrund der komplexen Geschichte seiner Beziehungen zum Staat Israel, der eine Zeit lang wegen realpolitischer Zwänge mit dem ehemaligen Apartheidstaat kooperierte (und nicht etwa wegen ideologischer Übereinstimmung), ist Südafrika heute ein enger Partner der Palästinenser. Doch leider auch der islamistischen Hamas, und das sogar nach dem 7. Oktober. Eine Anklage mit Agenda also. Und die heißt mitnichten Gerechtigkeit.

Terror-Infrastruktur inmitten der Zivilbevölkerung

Ja, es sind viel zu viele Palästinenser in diesem Krieg gestorben – die meisten durch israelisches Bombardement. Mit ein Grund dafür ist, dass die Hamas ihre Terror-Infrastruktur bewiesenermaßen inmitten der Zivilbevölkerung eingebettet hat: Hamas-Tunnel unter Krankenhäusern, Raketenabschuss aus engen Wohnvierteln und Schulen. All das kommt in der Anklageschrift nicht vor.

Ja, in vereinzelten Fällen haben israelische Politiker schlimme Sachen gesagt: Der Verteidigungsminister sprach einmal von „menschlichen Tieren“. Er bezog sich dabei auf die Hamas-Verbrechen des 7. Oktober. Nicht auf das palästinensische Volk.

Israel ist von einer terroristischen Gruppe angegriffen worden, die Zivilisten folterte, ermordete und entführte. Eine Gruppe, die immer wieder deklariert, dass sie Israel vernichten und Juden ermorden möchte. Wenn etwas Genozid ist, dann das. Auch Angehörige entführter Israelis sind in Den Haag. Dass sie bis heute um verschleppte Familienangehörige bangen und nun ihr Staat des Genozids beschuldigt wird, macht nicht nur sie fassungslos.

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52 Kommentare

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  • "Ja, in vereinzelten Fällen haben israelische Politiker schlimme Sachen gesagt"

    Man kann nicht von vereinzelten Fällen sprechen, und diejenigen, die das tun, bleiben im Amt. Was besagt das über die Einstellung der israelischen Regierung.

    Es tut mir Leid, aber Israel wird zur Zeit von einer faschistischen Regierung geführt. Kein Land, auch Israel, ist nicht frei von der Gefahr des politischen Extremismus. Gerade das sollte man doch wohl auch von der Höllenfahrt des Landes der Dichter und Denker lernen können.

  • Ich hoffe, dass Südafrikas Regierung und Belgiens antiisraelische Kräfte mit dieser Agenda nicht durchkommen.



    Nach wie vor gibt es international Personen, die Häuser mit blauen Judensternen markieren, und Juden als Juden bedrohen.

  • "Dabei hegt die Hamas Genozid-Fantasien."

    Und die Otzma will nur spielen, oder was?

    Im Unterschied zur Hamas hat Israel die Mittel, um einen Genozid nicht nur herbeizufantasieren, sondern auch *durchzuführen*.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Ajuga:

      ""Und die Otzma will nur spielen, oder was?""



      ==



      Otzma hat weniger als 2% der Stimmen bei den letzten Wahlen erhalten und Otzmas Beteiligung an der Regierung mit einem rechtsradikalen Parteienbündnis hat über ein Jahr lang zu riesigen wöchentlichen Demos in Israel geführt.

      Abgesehen davon, das der Genocid Vorwurf gegen Israel politischer Unfug ist - trotz Otzma - sollten sie ihre Sicht in spielerischer Weise mal umkehren:



      Die Vernichtungsfantasien von Hamas sind eindeutig in der Theorie und in der Praxis. Wünschenswert wäre wenn Palästinenser die Vernichtungsfantasien inklusive die Terrororganisation Hamas gleichermassen ablehnen würden wie die Mehrheit der Israelis Otzma ablehnt.

    • @Ajuga:

      Richtig im Ansatz, aber eben nicht zu Ende gedacht: Israel könnte, tut es aber nicht. Ergo Israel hat kein Interesse an einem Genozid. Die Hamas kann nicht, würde aber gerne wenn sie denn nur könnte.

    • @Ajuga:

      "Im Unterschied zur Hamas hat Israel die Mittel, um einen Genozid nicht nur herbeizufantasieren, sondern auch *durchzuführen*."



      Richtig. Nur getan haben sie's bislang nicht. Könnte einen nachdenklich stimmen, gell?



      Jedenfalls kann Israel von Glück sagen, dass Hamas zwar die Absicht, aber nicht die Mittel dazu hat. Und man kann nur hoffen, dass das so bleibt.

  • "Aufgrund der komplexen Geschichte seiner Beziehungen zum Staat Israel, der eine Zeit lang wegen realpolitischer Zwänge mit dem ehemaligen Apartheidstaat kooperierte (und nicht etwa wegen ideologischer Übereinstimmung)..."

    Danke, dass das mal gesagt wird. Israel konnte sich seine Freunde nicht aussuchen und kann es bis heute nicht. In den 1940ern bekamen sie Waffen von der Tschechoslowakei, will man wegen der Sache dann Kumpanei und Übereinstimmung mit dem Stalinismus argumentieren? Das wäre wohl genauso absurd wie der Vorwurf Israel hätte Apartheids-Südafrika wegen ideologischer Übereinstimmung als Partner erwählt...

    • @Paul Meier:

      Tatsächlich? Einer der Apartheid Ideologen, John Vorster, war ein glühender Nazi während den Zweiten Weltkrieg, und trotzdem wurde nach Tel Aviv 1976 eingeladen (Darüber, zum Beispiel, The New York Times: www.nytimes.com/19...es-criticism.html)

      Sie stellen die Sache so dar, als wäre die Nähe zwischen Israel und dem rassistischen Südafrika ein Schicksalsschlag, eine unausweichliche Situation, das natürliche Ergebnis der historischen Entwicklung, so etwas wie Regen oder der Wechsel von Tag zu Nacht.

      Ein alter aber wunderbarer Artikel im britischen Zeitung The Guardian über die engen Beziehungen zwischen Tel Aviv und Apartheid Südafrika.

      www.theguardian.co...southafrica.israel

      • @Bescheidener Kunsthandwerker:

        Ja, tatsächlich. Ich habe es aber nicht so dargestellt, wie Sie es behaupten. Israel hat - aus der Notwendigkeit heraus - schon oft mit solchen Partnern zusammengearbeitet. Reinhard Gehlen war auch ein Nazi und trotzdem hat Israel mit dem BND zusammengearbeitet.



        Zu Südafrika: Israel brauchte die Atombombe, Südafrika verkaufte ihnen das Uran. Die beiden Staaten haben sich bei Waffenkäufen unterstützt. Israel und Südafrika hatten dieselben Widersacher - bei deren Bündnis man genau die Fragen stellen könnte, die Sie mir hier stellen (war es unausweichlich, dass der ANC der PLO beistehen musste?).



        Solche Zweckbündnisse zwischen Staaten gibt es ständig. Die Sowjetunion z.B. hat die türkische Republik auch als erstes anerkannt. Nicht weil sie Atatürks Politik so knorke fanden, sondern weil sie, während ihres Überlebenskampfes, Ruhe an einer ihrer Grenzen wollten. Israel führt auch einen Überlebenskampf - und zwar von Beginn an und holt sich die Unterstützung da, wo es die kriegt.

      • @Bescheidener Kunsthandwerker:

        In der Bundesrepublik waren Nazis oder, hüstel, ehemalige Nazis in höchsten Führungspositionen. Das macht die gute alte BRD nicht zum Nazistaat....

        • @Sebastian Kreibig:

          Doch die Gesetze, die 1948 nach dem Sieg der National Party in Südafrika eingeführt wurden, waren von den Nürnberger Rassengesetzen (1935) inspiriert. Auf diese Ähnlichkeiten wurde seit Beginn der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hingewiesen.

          Zum Thema nazis in der BDR. Ihre Präsenz war im politischen System der Bundesrepublik Deutschland war alles anderes als harmlos. Ich kann immer noch nicht glauben, wie sanft über die Verantwortlichen des Holocaust in Deutschland beurteilt wurde, wie Kriegsverbrecher geschützt wurden.

          Dazu nur ein Beispiel aus dieser Zeitung, sagt Taz:

          taz.de/Verfassungs...Altnazis/!5940382/

          Oder der Tagesspiegels ("Nach '45 wurden die Nazi-Täter protegiert, die Gegner diskriminiert.")

          www.tagesspiegel.d...maten-4543633.html

  • Verklagt auch jemand die Hamas? Die macht ja nun keinen Hehl daraus, den Staat Israel durch die Vernichtung der Bevölkerung auslöschen zu wollen.



    Die haben auch nicht nur im Oktober gefoltert, sondern tun das immer noch. Geiselnahme ist ein Kriegsverbrechen und letztlich würde sich an der Situation in Gaza alles ändern, würden nicht immer noch Geiseln festgehalten.

  • Den angeklagten Völkermöder Omar al-Bashir (Ex-Präsident des Sudan) im eigenen Land mit allen diplomatischen Ehren zu empfangen und nicht festzunehmen bereitet SA aber natürlich keinerlei Bauchschmerzen.

  • Südafrika hat Israel in Den Haag verklagt. Das darf es.



    Israel kann und wird sich verteidigen.



    Das Gericht wird sich mit der Argumentation und den vorgestellten Fakten beschäftigen und zu einem Urteil kommen.

    Es ist ein unabhängiges Gericht.

  • die Anklage die Südafrika eingereicht hat ist fundiert und lesenswert — und wer ausser Südafrika kennt sich besser mit Apartheid aus? Israel war immer gut Freund mit Südafrika als es noch ein Apartheidsstaat war, sie haben damals Israels Programm für die Produktion der Atombombe gefördert. Das das Verhältnis heute anders ist, liegt woran?

    • @elma:

      Südafrika kennt sich mit Sicherheit mit Apartheid aus, aber gegebenfalls nicht sonderlich gut mit der Situation in Israel und Gaza.

  • Auf Wikipedia wir Völkermord wie folgt definiert:

    Die Konvention definiert Völkermord in Artikel II als „eine der folgenden Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

    a) das Töten eines Angehörigen der Gruppe



    b) das Zufügen von schweren körperlichen oder seelischen Schäden bei Angehörigen der Gruppe



    c) die absichtliche Unterwerfung unter Lebensbedingungen, die auf die völlige oder teilweise physische Zerstörung der Gruppe abzielen



    d) die Anordnung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung



    e) die zwangsweise Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“

    Wichtig ist vor allem die am Anfang genannte Intention, für die bei der Hamas vieles, aber auch bei Israel einiges spricht.



    Es gibt bei dieser Definition allerdings keinen Ausschluss für den Fall, das die aufführende Gruppe zuvor in abscheulicher genozidaler Form angegriffen wurde oder die zu vernichtende Gruppe von einer militanten, terroristischen Organisation durchsetzt ist, die sich auch hinter zivilen Einrichtungen versteckt.



    Der Definition nach könnte auch beides ein Genozid sein. Allerdings wäre nur einer der beiden gerade im vollen Gange.

    Der Einwand des Völkermords durch die Hamas geht also an der Frage vorbei. Es sollte klar sein, dass weder die Israelis noch die Palästinenser eine homogene Gruppe sind und beide Gruppen Opfer eines Genozids sein könnten, der von Elementen der anderen Gruppe begangen wird.

    Und zu denn ständig wiederholten Argument Tunneln: Es geht hier doch nicht um die Frage, warum die Hamasmitglieder nicht „tapfer“ genug sind, sich als Ziele zu erkennen zu geben widerstandslos aus der Luft wegbomben zu lassen. Natürlich kommt es dadurch zu mehr zivilen Opfern, aber ich sehe hier keinen Zusammengang mit der Frage des Völkermords in o.g. Definition.

    • @Henne Solo:

      Dann eben das Argument "Bunker": Israel hat Schutzräume, weil es alles dafür tut, die eigene Bevölkerung zu schützen. Die Hamas hat keine Bunker gebaut, weil sie den Tod von palästinensischen Zivilisten in ihrer Rechnung einkalkuliert hat. Das haben ihre Funktionäre auch mehrfach erklärt. Ismail Haniya erklärte zu Beginn des 7. Oktober-Massakers, es gehe nur um "Sieg oder Märtyrertod" - für die Hamas sind alle toten Zivilisten in Gaza "Märtyrer".

    • @Henne Solo:

      "Wichtig ist vor allem die am Anfang genannte Intention, für die bei der Hamas vieles, aber auch bei Israel einiges spricht."

      Woraus genau schließen sie, dass Israel die Absicht hat, die im Gaza-Streifen lebenden Palästinenser ganz oder teilweise zu vernichten?

    • @Henne Solo:

      E) trifft auf Russland und China zu.

      Südafrika schweigt.

  • In der Gründungscharta der Hamas im Artikel 7 wird explizit die Auslöschung aller Juden gefordert. Hat Südafrika dazu auch etwas gesagt?

    • @Arno Dittmer:

      Die Hamas beruft sich in ihrer Schrift auch auf die "Protokolle der Weisen von Zion", wie man - ausser der Hamas - weiss, einer der übelsten antisemitischen Schmaehschriften, wohl aus dem Dunstkreis des zaristischen Geheimdienstes Ochrana. Seit 1905 virulent, dem Jahr als das Wort "Pogrom" das Licht der Welt erblickte...

  • Ja, diesem Bericht kann ich voll und ganz zustimmen !

  • Ein richtig guter Artikel.

    Bei seinem guten Kumpel China hat Südafrika scheinbar keinerlei Bedenken bezüglich dessen 1,5-Millionen-Genozid in Tibet.

    Der übrigens immer noch andauert.

    • @shantivanille:

      Die Millionen aus Pakistan vertriebener Afghanen, das Schicksal der Uiguren, die aus Karabach ethnisch hinausgesaeuberten Armenier oder der russische Genozid an den Ukrainern interessieren waschechte Antisemiten auch nicht.

    • @shantivanille:

      Auch der Genozid an den Uighuren stört Südafrika nicht. Und übrigens auch nicht die islamische Welt.

  • Danke für die klaren Worte. Absurd, dass Israel am Pranger steht, ein Staat der, wenn er wollte, über die Mittel verfügt die Palästinenser in Gaza auszulöschen, während die Hamas, die keinen Hehl daraus macht, dass sie Israel und die Juden auslöschen würden wenn sie denn nur die Mittel dazu hätte, offensichtlich in Südafrika hofiert und empfangen wird. Die Welt wird immer verrückter und es beginnt mich zu beängstigen.

  • "Der Verteidigungsminister sprach einmal von „menschlichen Tieren“."

    Er benutzte den Satz um die Einstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung für die Palästinenser, die selbstverständlich nicht nur die Hamas, sondern alle trifft, zu rechtfertigen.

  • "der eine Zeit lang aufgrund realpolitischer Zwänge mit dem ehemaligen Apartheidstaat kooperierte (und nicht etwa wegen ideologischer Übereinstimmung)",



    Was für realpolitische Zwänge?

    • @Luxusverschmäher:

      Südafrika hatte Gold übrig und brauchte Waffen. Israel hatte Waffen übrig und brauchte Valuta. Beide Länder wurden ihre Exportwaren nicht los; Südafrika wegen des Embargos, Israel weil die USA nach Ende des Vietnamkriegs den Waffenmarkt westlich ausgerichteter Staaten durch Abverkäufe ihres obsolet gewordenen Arsenals fluteten.

      Soweit die Ausgangslage ca 1975.

      Likud konstruierte dann ab Ende der 1970er einen Parallelismus von Israels Kampf gegen den Panarabismus (der damals gerade geendet hatte, aber das war noch nicht erkennbar), und Südafrikas Kampf gegen die antikolonialen indigenen Bewegungen (der damals so richtig losging).

      Ob man Waffenexport und von Rechtsreaktionären herbeigefaselte ideologische Gemeinsamkeit als "realpolitischen Zwang" bezeichnen kann, mag jede*r selbst entscheiden.

  • Der Empfang hochrangiger Hamas-Vertreter unterstreicht einmal mehr, dass Südafrikas Vorstellungen von Menschenrechten rein essentialistischer Natur sind.

  • Es stimmt, Israel hat nicht die Absicht die Palästinenser zu vernichten. Also kein Genozid. Es ist der israelischen Regierung in ihrem Krieg gegen den Angreifer Hamas aber auch ziemlich egal, wenn dabei das palästinensische Volk vernichtet, oder wenigstens auf Nimmerwiedersehen vertrieben werden würde. Kein Genocid. Aber legitim?

    • @Ignaz Wrobel:

      Erhoben wird ein Genozid-Vorwurf. Das ist zwar grotesk, aber genau so beabsichtigt, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

  • Die Genozid-Forschung ist sich uneins. Ich bin gegen die publizistische Ausschlachtung des Genozid-Begriffs durch Kritiker*innen des israelischen Vorgehens in Gaza. Ich frage mich auch, was aus einer etwaigen Verurteilung eigentlich folgen soll. Gleichzeitig gebe ich zu bedenken, dass Intention nicht der Verbalisierung braucht, um Intention zu sein (obwohl die Darstellung der Autorin, dass es sich um ein paar schlimme und noch dazu missverstandene Einzelfälle handelt, meiner Ansicht nach nur als bewusste Verharmlosung verstanden werden kann). In der Summe verdichten sich mutmaßlicher Kriegsverbrechen Israels im Zuge der militärischen Antwort auf den Terror der Hamas (möglicherweise) zu einer Intention.

    • @My Sharona:

      "Gleichzeitig gebe ich zu bedenken, dass Intention nicht der Verbalisierung braucht, um Intention zu sein"

      Die Nazis haben nie offiziell und explizit von Massenmord gesprochen, sondern immer nur heimlich (siehe Himmlers Posener Reden) und verklausuliert.

      Hat ihnen nichts genutzt. Ein ausgeführter Genozid ist als solcher trafbar, mit oder ohne Absichtserklärung. Die burmesische Junta dachte ja auch, wenn sie ihren Genozid als "Antiterrormaßnahme" vermarktet, wäre sie fein raus.

      Und umgekehrt reicht die reine Absichtsbekundung nicht aus. Sonst könnte man auch Zschäpe wegen Genozids anklagen. Brutal nachgerechnet ist die Hamas mit allen Kräften in der Lage, 1% der Morde zu begehen, die nötig wären, um von einem ernsthaften Genozidversuch zu sprechen. Der *Vorbereitung* eines Genozids sind sie aber dennoch schuldig. Zu behaupten, sie wären dazu in der Lage, hieße, zu behaupten, dass das gesamte israelische Militär wertlos sei; das ist einfach Schwachsinn. Israel hat genug Atomwaffen, um die gesamte Hamas an einem Vormittag zu vernichten.

      Iran - *das* ist ein anderer Fall. Würde Iran Israel mit seinem gesamten Arsenal angreifen, dann könnte man tatsächlich von Genozid - Tatmotiv, Tatgelegenheit und Tatmittel sind allesamt zumindest theoretisch vorhanden sprechen. Aber so blöd, das durchzuziehen, sind (bislang) noch nicht mal die Ayatollahs.

      Seit 1973 gab es keinen Genozidversuch gegen Israel, dafür aber jede Menge Maulheldentum. Das auch einen schweren Straftatbestand darstellt, aber keinen Genozidversuch, und schon gar keinen Genozid.

      1.200 (davon 2/3 Zivile) von 9 Millionen umgebracht versus ~20.000 (konservativ geschätzt; davon 1/2 Zivile) von 2 Millionen: Die Zahlen so was von eindeutig. Israel ist 75mal mehr des Genozids schuldig als die Hamas.

      Ein unlösbares Problem - bis man erkennt, dass die Hamas zu einem Genozid willig aber nicht fähig ist, und Israel fähig aber nicht willig, und man sich beim Terrorisieren der Zivilbevölkerung trifft.

      • @Ajuga:

        Die behaupteten 20 000 sind Zahlen, die vom Hamaspropagandaministerium verbreitet werden. Die UN, die fleißig abnickt, ist nach dem Nachweis von vielerlei Verstrickungen in Hamasunterstützung kein vertrauenswürdiger Akteur mehr. Fazit: die Zahl der getöten Palästinenser völlig aus der Luft gegriffen.

  • Der Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine lässt die südafrikanische Regierung dagegen bekanntlich eher kalt.

    Heuchelei ist eben keine Erfindung des globalen Nordens.

    • @Suryo:

      Auch Russland wurde wegen dem Ukraine Krieg sofort angeklagt und per Eilverfahren dwzu verpflichtet die Kampfhandlungen einzustellen wegen Genozidverdachts.

    • @Suryo:

      Russland betreibt halt nun mal keinen Völkermord in der Ukraine. Insofern hat Südafrikas Haltung mit Heuchelei nichts zu tun.

      • @Tobias Heinemann:

        "Russland betreibt halt nun mal keinen Völkermord in der Ukraine."

        Das sieht Den Haag aber anders.

        Aktuelle Nachricht aus den besetzten Gebieten: die Strom- und Wärmeversorgung ist bei minus 10-12°C Außentemperatur immer noch nicht vollständig wiederhergestellt, und wer keinen russischen Pass hat, bekommt kein Heizmaterial.

        EXAKT SO sieht Genozid aus: "Warum erschießen, wen man erfrieren lassen kann?"

      • @Tobias Heinemann:

        Es entführt ukrainische Kinder um sie zu russifizieren das ist laut UN Definition Völkermord, das hat Putin auch im Fernsehen zugegeben. Deswegen ist er auch angeklagt. Die russische Propaganda ruft auch offen zur Vernichtung der Ukraine auf. Wen man die Standards Südafrikas anwendet betreibt Russland ganz definitiv Genozid.

      • @Tobias Heinemann:

        Die massenhafte Entführung und Russifizierung ukrainischer Kinder kann ein Tatbestandsmerkmal von Völkermord sein.

        Weswegen zB auch China durchaus einen Genozid an den Uighuren vollziehen dürfte.

        Stört das S in BRICS beides nicht.

    • @Suryo:

      Es ist eben auch kein Vernichtungskrieg, sondern ein Eroberungskrieg. Schlimm genug, aber kein Völkermord.

      • @Francesco:

        (...)

        Der Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine ist auch Genozid im Sinne der UN-Genozid-Konvention. Russland erfüllt mindestens (!) eine Tatbestand des Genozids:

        Art. 2 lit. e) UN-Genocide-Convention



        "Völkermord ist eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:



        [...]



        e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe."

        Russland entführt ukrainische Kinder gezielt nach Russland, um sie zu russifizieren. Das genügt für Völkermord.

        Anm. d. Moderation:

        Wir haben den Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich künftig an unsere Netiquette: taz.de/netiquette

      • @Francesco:

        Die massenhafte Entführung ukrainischer Kinder ist unter Umständen Völkermord. Siehe oben.

      • @Francesco:

        -Die Entführung von ukrainischen Kindern, eben diesen Kindern verbieten, die ukrainische Sprache zu benutzen um sie zu russifizieren sowie das gezielte foltern, vergewaltigen und ermorden von Zivilisten wie in Butscha gehören also zur "normalen" Kriegsführung?

        • @Platanebanane:

          Nein, das gehört nicht zur normalen Kriegsführung, sondern sind Kriegsverbrechen. Das macht den Krieg aber noch nicht zu einem "Vernichtungskrieg".

          • @Francesco:

            Abgesehen davon, dass es das Wort im Völkerrecht sowieso nicht gibt, will Russland die Ukraine als Staat und Kultur vernichten. Es leugnet ganz explizit ihr Existenzrecht, ja sogar ihre jetzige Existenz wird ständig in Frage gestellt. Russland stellt die ukrainische Sprache zB als russischen Dialekt dar, vereinnahmt die ukrainische Kultur und Geschichte vollständig für sich.

            Wie wäre das denn, wenn Deutschland die Niederlande angriffe und wieder und wieder erklärte, es gäbe dieses Land eigentlich gar nicht und Sprache, Sitten und Kultur seien einfach nur deutsch?

      • @Francesco:

        Die massenhafte Entführung und Umerziehung von Kindern kann sehr wohl ein Tatbestandsmerkmal von Völkermord sein.

        • @Suryo:

          Dazu hatte ich mich doch gar nicht geäußert.