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Verfassungsschutz schützt AltnazisFalsche Loyalitäten

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Jahrzehnte lebte Alois Brunner, die rechte Hand Adolf Eichmanns, in Syrien. Erst jetzt werden Akten sichtbar, die zeigen, wer ihn deckte.

Hier wurde gemauert, was das Zeug hält: Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln in den 1970ern

D ass Nazis andere Nazis vor einer Strafverfolgung zu bewahren suchen, entspricht den Umgangsformen unter Massenmördern. Das Gegenteil wäre überraschend. Und so ist es denn auch geradezu folgerichtig, dass der Verfassungsschutz über Jahrzehnte seine schützende Hand über einen der furchtbarsten NS-Täter gehalten hat. Schon früh wusste man im Kölner Amt, dass sich Adolf Eichmanns rechte Hand, Alois Brunner, nach Syrien abgesetzt hatte. Aber darüber schwieg man lieber, als es den Kollegen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mitzuteilen, die ein Verfahren gegen den Flüchtigen eröffnet hatten.

Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Art mörderischer Kumpanei in der Bonner Republik allgegenwärtig war, ob beim BND, im Auswärtigen Amt oder bei anderen Dienststellen – also eben auch beim Verfassungsschutz. Weite Teile gerade der Geheimdienste hatten sich aus NS-belastetem Personal rekrutiert. Deren Loyalität galt nur formal der neuen Demokratie. Sobald es um ausgeschiedene Bandenmitglieder ihrer terroristischen Vereinigung ging, waren Freundschaftsdienste angesagt, galt es doch, die alten Bande und damit die eigene Karriere zu stärken.

Die Bonner Republik ist schon vor langer Zeit nach Berlin umgezogen. Die alten Nazis sind längst gestorben, die in ihren Verstecken genauso wie die in ihren Amtsstuben. So wäre die ganze Affäre eigentlich eine Angelegenheit für Historiker. Doch der Verfassungsschutz hat bewiesen, dass das leider ein Irrtum ist.

Denn der Inlandsgeheimdienst hat mit allen Mitteln dagegen gekämpft, dass seine frühere Kumpanei zwischen Altnazis öffentlich wird. Dass das Amt diesen Streit nun verloren hat, ist ein gutes Zeichen. Dass der Verfassungsschutz aber überhaupt glaubte, dieses Geheimnis hüten und vor hartnäckigen Nachforschungen bewahren zu müssen, ist ein Signal, dass die Loyalitäten unter denjenigen, die das Grundgesetz schützen sollen, nicht ganz so eindeutig sind, wie man es erwarten sollte.

Denn selbstverständlich zählt es zu den vornehmsten Aufgaben einer staatlichen Behörde, eigene vor langer Zeit begangene Verfehlungen öffentlich zu machen. Erst recht dann, wenn man von Amts wegen damit betraut ist, die Verfassung zu bewahren. Wissen um Fehler kann bekanntlich vor dem Begehen neuer Fehler bewahren. Wen aber glaubte das Amt mit seiner Geheimnistuerei zu schützen? Die eigenen Nazis? Das macht wenig Sinn, denn über denen wächst längst das Gras.

Viel näher liegender erscheint es, dass man die eigenen Fehler immer noch nicht als solche erkannt hat. Nein, Alois Brunner wird nicht mehr geschützt. Aber die lange, unselige Behördentradition scheint ungebrochen zu sein.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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11 Kommentare

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  • Welche Zusammenarbeit gab es mit dem Mossad. Hat der VS dem Mossad bei dessen Aktionen gegen Brunner zugearbeitet ? Was sagen die Akten, die der taz ja vorliegen, dazu aus?

  • Im Ausland berichtet man ja schon länger darüber, dass in Deutschland Menschen mit einer nationalistischen Gesinnung in allen möglichen Schlüsselpositionen sitzen und dort in ihrem Sinne handeln. Da wundert einen das hier doch auch nicht.

  • Da waren damals aber schon immer Gerüchte als 'Weißer Elefant' im Raum um Verstrickungen, Vertuschungen und angebliches Versagen bei Ermittlungen:



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    www.spiegel.de/spi...orab/a-757474.html



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    "Der Bundesnachrichtendienst hat seine Akte zu Josef Mengele freigegeben, dem berüchtigten SS-Arzt aus Auschwitz. Den Unterlagen zufolge war Mengele weder Mitarbeiter noch Quelle des BND, anders als bislang oft vermutet. Vielmehr wirkte Pullach bei der Suche nach dem NS-Verbrecher mit und wusste 1961, dass Mengele in Brasilien lebte. Eine Festnahme kam nicht zustande. 1972 meldete der BND dem Kanzleramt, dass er zu Mengele nur noch Erkenntnisse sammelte, die "zufällig" anfielen. Mengele starb 1979 in Brasilien. "



    //



    Die Umstände der "geheimdienstlichen Ermittlungen" gaben immer Anlass zu Spekulationen, sie seien gezielt nicht ausreichend erfolgsorientiert angelegt gewesen.

  • "Viel näher liegender erscheint es, dass man die eigenen Fehler immer noch nicht als solche erkannt hat."



    Nee, grade deswegen hält man die Klappe. "Eine vornehme Aufgabe, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten"? Sicher! Aber ein allzu hehrer Anspruch. Das macht (leider) kein Mensch.

  • Nach wie vor stellte sich die Frage: Wie arbeiten VMann-Führer/innen beim VS? Gibt es nicht ein Doppeldenk bei den angeworbenen Nazis und ihren Oberglatzen: lege das Geld auf den Tisch und sage uns, was Du über uns berichten sollst und Du berichtest denen über uns DieundDieVersion.

    Der erste Präsident des BKA war Paul Dickopf 1965 bis 1971. Dieser gehörte der OdeSSA an und war zeitlebens mit dem Hitleristen François Genoud befreundet (Lausanne 1915-96).



    Dieser schweizer Nazi lernte seinen Führer kennen, den Amin el Husseini, half der alger. FLN und dann der PFLP. Einmal überbrachte er eine Lösegeldforderung für eine entführte deutsche Lufthansa, fuhr nachts nach Deutschland.



    Er arbeitete mit genau der Terrorgruppe Wadi Haddads zusammen, die später Urlauber von Mallorca nach Mogadischu entführte.



    Der Nachfolger Dickopfs war dann der Rasterfahnder Horst Herold.



    de.wikipedia.org/w...an%C3%A7ois_Genoud



    u Willi Winkler, Der Schattenmann, 2010.

    • @Land of plenty:

      Odessa ist eine unbelegte Hypothese gegen die viel spricht.

      • @sachmah:

        Ach. Sach ma Satschesstsche.

        “…In der Dokumentation Mythos Odessa: Wahrheit oder Legende? (2002) des ZDF wurde der bekannte „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal mit den Worten zitiert: „ODESSA war eine verschwörerische Geheimorganisation der SS, die dazu diente, Kriegsverbrecher aus Deutschland herauszuschleusen und nach Südamerika zu bringen“. Die Dokumentation kommt jedoch zu dem Schluss, es habe keine „weltumspannende Geheimorganisation“ dieser Form gegeben, dafür aber eine Vielzahl kleinerer konspirativer Strukturen, Zusammenschlüsse und Seilschaften, die nach dem Zweiten Weltkrieg NS-Verbrechern Flucht und Untertauchen ermöglicht haben. Zu diesem Ergebnis kommt auch H. Schneppen, der in seine Untersuchung auch erstmals Erkenntnisse aus dem Archiv der DDR-Staatssicherheit einbezieht. Das Ministerium für Staatssicherheit hat offenbar ungeprüft die Angaben Wiesenthals übernommen, der seinerseits den Angaben von Informanten zu sehr Glauben geschenkt habe.

        In der Kritik stehen bis heute zudem amerikanische Geheimdienste wie das CIC, die erwiesenermaßen bereits kurz nach dem Krieg Kenntnis der Fluchtwege hatten, dieses Wissen aber nicht zur Verhaftung der Flüchtigen nutzten. Teilweise übernahmen die ehemaligen SS-Offiziere sogar mit Wissen amerikanischer Behörden Ämter in den Regierungen lateinamerikanischer Staaten. Das prominenteste Beispiel für diesen Zusammenhang ist Klaus Barbie, der erst als Doppelagent für das CIC arbeitete[4] und dann die bolivianische Militärregierung beriet – das nötige Wissen hatte er sich in der Zeit als Gestapo-Chef von Lyon angeeignet.

        Aber selbst Angehörige des Vatikans verhalfen SS-Angehörigen zur Flucht. Einer von ihnen war Bischof Alois Hudal, er unterstützte unter anderem Erich Priebke, Reinhard Kopps und Franz Stangl bei der Flucht aus Deutschland. Es gab aber noch weitere Geistliche (z. B. Monsignore Krunoslav Stjepan Draganović, Genuas Bischof Siri …ff

        de.wikipedia.org/w...S-Angeh%C3%B6rigen

        • @Lowandorder:

          „Die Dokumentation kommt jedoch zu dem Schluss, es habe keine „weltumspannende Geheimorganisation“ dieser Form gegeben, dafür aber eine Vielzahl kleinerer konspirativer Strukturen, Zusammenschlüsse und Seilschaften, die nach dem Zweiten Weltkrieg NS-Verbrechern Flucht und Untertauchen ermöglicht haben.“



          Das ist etwas anderes als ODESSA. Das meine ich. Klar haben sie zusammengearbeitet und hatten Helfer. Ob es eine Überorganisation gab ist derweil etwas anderes und unbelegt.

  • Geb ehna ja selten recht. But.

    “Dass der Verfassungsschutz aber überhaupt glaubte, dieses Geheimnis hüten und vor hartnäckigen Nachforschungen bewahren zu müssen, ist ein Signal, dass die Loyalitäten unter denjenigen, die das Grundgesetz schützen sollen, nicht ganz so eindeutig sind, wie man es erwarten sollte.“

    Das gilt es doch dem sauberen Herrn auf Bellevue second Frank-Walter Steinmeier le President mal zu fragen! Woll



    Wieso er die Stirn & die Kumpanei hatte ausgerechnet seinen braungebrannten Klempner via Guantanamo (Murat Kurnaz remember anlaß&rechtsgrundlos für 5 Jahre!) Hans-Georg Maaßen - zum Oberschlapphut zu machen! Gelle.

    kurz - Dieser Seminarjungspund dürfte bei mir niche mal auf dem Klo Wassertrinken kommen • Neverever.



    Wie Brigitte Zypries - die alte Strippenzieherin - zu GazPromGerd ihn andienend zu recht sagte: “Der kann alles!“



    Ja. Das hat Frank-Walter Steini II. brutalstmöglich unter Beweis gestellt!



    “Verfassung schützen?“ Daß ich nicht lache! So siehste aus! Wollnich.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Ich glaubs ja. Wer hat für diese Art der Behandlung der Akten gesorgt? Wo sind die Akten? Wem wurden/sind sie sichtbar?

  • Geschützt werden sollen auch die Nachfolger der Altnazis, die bei ihren Ermittlungen im heute wieder erstarkten mörderischen Nazimilieu nicht so recht zwischen Ermittlung, Informantenschutz, und Unterstützung unterscheiden können. Oder wollen.