Angriff auf ZDF-Mitarbeiter in Berlin: Presse und Nazis verwechselt
Nach dem brutalen Überfall auf ein ZDF-Team 2020 in Berlin erhalten vier Angeklagte Bewährungsstrafen. Sie hatten überraschend gestanden.
Am 1. Mai 2020 attackierte eine Gruppe Vermummter ein Team der ZDF-Satiresendung „heute Show“. Mit Schlag- und Eisenstöcken sollen die Angreifer*innen auf die Journalisten und deren Security-Team eingeschlagen haben. Das Fernsehteam hatte auf einer Querdenken-Demo in Berlin gedreht.
Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, nicht nur wegen seiner Brutalität, sondern auch, weil am Rande von Corona-Demos immer wieder Journalist*innen angegriffen werden. Nur anders als bei den meisten dieser Vorfälle ging die Attacke auf das ZDF-Team nicht von verschwörungsgläubigen oder rechten Demo-Teilnehmer*innen aus, sondern von einer linksradikalen Gruppe.
Auf der Anklagebank sitzen drei Männer und eine Frau zwischen Ende 20 und Anfang 30. Vorgeworfen wurde ihnen gefährliche Körperverletzung und in einem Fall Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Acht Verhandlungstage waren angesetzt, bis Mitte März sollte verhandelt werden. Doch zum Auftakt verkündet die Richterin eine Überraschung: Das Gericht und die Angeklagten hätten sich vorab verständigt. Sollten die Angeklagten gestehen, würde ihnen maximal zwei Jahre Haft auf Bewährung drohen, dazu ein Bußgeld.
Die Angeklagten entschuldigen sich
Und so startet der Prozess mit vier kurzen, fast wortgleichen Geständnissen. Die Verteidiger*innen tragen sie nacheinander vor: Ihre Mandant*innen räumen den Angriff ein, allerdings habe es sich um eine Verwechslung gehandelt. Die Angreifer*innen hätten Personen aus dem rechten Spektrum treffen wollen, keinesfalls Pressevertreter. Sie entschuldigen sich.
Zwei der Opfer schildern vor Gericht den Überfall aus ihrer Sicht. Vier weitere Aussagen werden verlesen. Daraus ergibt sich ein relativ stimmiges Bild der Tat: Das ZDF-Team hatte zwischen zwei Drehs abseits der Demo Pause gemacht. Plötzlich rannte eine Gruppe von 10 bis 20 Leuten auf sie zu, schwarz gekleidet. Drei oder vier Angreifer*innen seien auf die Männer vom ZDF losgegangen, hätten sie mit Schlägen und Tritten malträtiert, zum Teil mit Metallstangen oder Schlagstöcken. Sie hätten auch dann noch auf die Köpfe ihrer Opfer eingetreten, als diese bereits am Boden lagen.
Fünf Personen aus dem siebenköpfigen ZDF-Team wurden verletzt, es gab Knochenbrüche, Prellungen, Bewusstlosigkeit. Einer trug einen Tinnitus davon. Der Kameramann schildert, wie ihm bis heute die Nase schmerzt. Der Regisseur erzählt, dass sein Team anschließend entschieden habe, nicht mehr auf solchen Demos zu drehen.
Richterin spricht von „konzertierter Aktion“
Das zitiert auch der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Das sei eindeutig ein Angriff auf die Presse gewesen, das Team des ZDF sei mit seiner Kamera erkennbar gewesen. Der Staatsanwalt fordert zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Die Richterin folgt der Argumentation des Staatsanwalts und verurteilt die vier Angeklagten zu jeweils zwei Jahren auf Bewährung, dazu zu einer Geldstrafe von je 5.000 Euro. Zwar erkennt die Richterin das Geständnis der Angeklagten an, deren Begründung, es habe sich bei dem Angriff um eine Verwechselung gehandelt, will sie allerdings nicht glauben. „Das war 'ne konzertierte Aktion“, sagt sie. So etwas kenne sie sonst nur von den politischen Gegner*innen der Angeklagten: den Rechten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Ringen um Termin für Neuwahl
Wann ist denn endlich wieder Wahltag?
Berliner Kurator verurteilt
Er verbreitete Hass-Collagen nach dem 7. Oktober
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar