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Debatte nach Kabelbränden bei der BahnDie Bahn besser schützen – nur wie?

Nach den Brandanschlägen auf Kabel der Bahn in Hamburg verspricht Faeser einen besseren Schutz des Schienennetzes.

Die Kabelbrände in Hamburg sorgten für Zugausfälle – und teils verwaiste Bahnsteige Foto: Gregor Fischer, dpa

Berlin taz | Am Sonntag rollte der Bahnverkehr zwischen Hamburg und Berlin wieder. Der Fern- und Regionalverkehr laufe wieder nach Plan, die Reparaturarbeiten seien abgeschlossen, erklärte eine Bahnsprecherin. Aber noch am Freitag hatten wohl vorsätzlich gelegte Kabelbrände die Strecke enorm beeinträchtigt. Und damit entflammte erneut die Debatte, wie sicher die deutschen Bahnstrecken sind.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte „die Brandanschläge in Hamburg eine Form von Terrorismus“. Er erwarte ein „konsequentes Durchgreifen des Rechtsstaats“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte an, die Bahninfrastruktur „noch besser schützen“ zu wollen. Dabei setze man vor allem auf Videoüberwachung: Bis nächstes Jahr werde die Zahl der Kameras an Bahnanlagen von 9.000 auf 11.000 erhöht.

Schnell tauchte auch ein Bekennerschreiben auf dem linken Onlineportal Indymedia auf. Man habe an drei Stellen „Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur sabotiert“, heißt es darin. Die Brände hätten sich gegen den Güterverkehr gerichtet, denn in Hamburg würden jährlich Millionen von Tonnen an Waren umgeschlagen, die „den Reichtum der Ausbeuter_innen des globalen Nordens zuungunsten des sogenannten globalen Südens mehren“. Man wollte damit „eine reale Delle in diese Maschinerie setzen“. Allerdings trafen die Brände durchaus auch den Personenverkehr: Nach Bahnangaben fielen 27 Züge komplett und 65 Züge teilweise aus. 70 Züge mussten umgeleitet werden und verspäteten sich.

Laut der ermittelnden Polizei Hamburg wird das Bekennerschreiben in die Ermittlungen einbezogen. Man gehe von vorsätzlichen Brandlegungen und einem politischen Motiv aus. Neue Erkenntnisse kommunizierte die Behörde am Sonntag auf Nachfrage nicht. Die Polizei rief Zeu­g*in­nen auf, sich zu melden, die in der Nacht zu Freitag Verdächtiges an den Hamburger Bahnanlagen gesehen hätten.

Zerstörte Kabel schon im Oktober 2022

Die Debatte über die Sicherheit des deutschen Schienennetzes keimt damit wieder auf. Schon im Oktober 2022 war diese entbrannt, nachdem Unbekannte Kabel in Herne und Berlin-Karow durchtrennt hatten und damit den Bahnverkehr im Norden lahmgelegt hatten. Auch da versprach Fae­ser einen besseren Schutz der Bahninfrastruktur.

Eine Bahnsprecherin sagte am Sonntag der taz aber auch: Bei knapp 34.000 Kilometern Streckennetz sei „ein lückenloser Schutz der Infrastruktur nahezu unmöglich“. Seit dem vergangenen Jahr setze man aber zusätzliche Sicherheitskräfte ein, um die Anlagen besser zu schützen. Neben den 4.300 eigenen Sicherheitsleuten, die „Hand in Hand“ mit den 5.500 Beamten der Bundespolizei arbeiteten, würden weitere mobile Streifen eingesetzt, insbesondere rund um die Stellwerke. In Wattenscheid, Bochum-Ehrenfeld und Essen haben man zudem drei neue Video-Überwachungstürme im Einsatz, so die Sprecherin. Oder im Regionalbereich West ein neues Wärmebildkamera-System, das auf dem Dach eines Dienstfahrzeugs auch Strecken in bis zu fünf Kilometern Entfernung überwachen könne.

Ampel-Politiker fordern mehr als Videoüberwachung

Ampelpolitiker sprangen Fae­ser am Sonntag teilweise bei – forderten aber weitergehende Maßnahmen. „Die Anschläge führen nochmal vor Augen, wie drängend die Fragen beim Schutz der Kritischen Infrastruktur sind“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz. „Hier müssen wir endlich aus dem Quark kommen.“ Videoüberwachung für Bahnstrecken könne dabei nur ein Baustein sein. Vielmehr brauche es zudem ausreichend Ersatzinfrastruktur für den Ernstfall und klare Zuständigkeiten, wer wie auf solche Vorfälle reagiert.

Von Notz appellierte auch, den von Fae­ser vorgelegten Entwurf zum Dachgesetz zur Kritischen Infra­struktur entsprechend nachzubessern. „Diese dringlichen Fragen werden genau dort verhandelt.“

Ähnlich äußerte sich der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin gegenüber der taz. Es sei richtig, dass die Kritische Infra­struktur der Bahn besser geschützt werden müsse. „Es ist aber naiv zu glauben, dass eine Videoüberwachung das Problem lösen könne.“ Nicht jeder Meter Kabel des Schienennetzes lasse sich schützen. Vielmehr müssten „eine starke Resilienz sowie Back-up-Optionen für diese Infrastrukturen aufgebaut werden“, fordert Höferlin. „Es braucht mehr Rückfallebenen, so dass einzelne Störungen nicht direkt zum Totalausfall führen.“

Laut Faeser wird nun erst mal weiter „mit Hochdruck“ zu den Kabelbränden ermittelt. Den Fall der zerstörten Bahnkabel im Oktober 2022 hatte sogar die Bundesanwaltschaft zeitweise übernommen. Hinweise auf ein politisches Motiv erhärteten sich aber nicht: Inzwischen gehen die Ermittler von Kabeldieben aus.

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18 Kommentare

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  • Bei Fahndung und Aufklärung kommt bisweilen die 'Hilfe von oben':

    dortmund.polizei.n...izeifliegerstaffel

  • Seltsam dass niemand sichere Autobahnen fordert. Der Anteil von Würfen von Brücken herab, oder von Geisterfahrer nimmt zumindest nach den Verkehrsmeldungen zu.



    Hier sollte eine höhere Steifen Frequenz gefahren werden, oder unüberwindbare Barrieren errichtet werden.



    Auch die zunehmenden Verspâtungen durch Baustellenstau oder technischen Ausfällen von Anzeigen wird viel zu wenig gewürdigt.



    Hier wird meist nur auf eine bessere Funktion in der Zukunft verwiesen. Zudem werden keine Entschädigungen für verursachte Verspätungen gezahlt, ob wohl Milliarden Steuergeldern investiert wird, mit dem Versprechen von fließenden Verkehrs. Zuletzt sollten sogar Einnahmen durch eine Maut ermöglicht werden, was allerdings dann zu einer Steuerumverteilung vom Steuerzahler zum Unternehmen von Herrn Steuer und Herrn Dobrint gerade noch rechtzeitig korrigiert werden konnte. Das frustriert den einfachen Wähler sehr. Kein Wunder dass nach aktuellen Umfragen die Wählerstimmen für die FW zugenommen haben.

    • @Sonnenhaus:

      Das eine war Sabotage. Das was Sie beschreiben ist Mord.

      • @Rudolf Fissner:

        Kann Sabotage nicht auch zu Mord werden? Beidesmale geht es um Sicherheit von Menschen und der Einhaltung von vertraglich zugesicherten Leistungen aus Steuermittelerhebung.

  • Nachdem bei der Bahn Jahrzehnte alles kaputt gespart wurde (danke CSU!) kommen jetzt natürlich alle maroden Bereiche zum Vorschein. Wenn niemand mehr die Strecken kontrolliert, dann merkt man sowas halt erst, wenn es zu spät ist. Aber Personal kostet Geld und ist rar…

    • @Gnutellabrot Merz:

      "Nachdem bei der Bahn Jahrzehnte alles kaputt gespart wurde ..."

      Nun ja, an irgendetwas muss die Bahn ja auch sparen, sonst könnte sie ja ihren Bahnmanagern kein Jahresgehalt von zwei Millionen Euro (2.000.000 €) zahlen. Was so alles bei der Deutschen Bahn (DB) schief läuft, darüber hatte ja schon die Kabarettsendung 'Die Anstalt' 2019 eine TV-Sendung gemacht.

      ***25 Jahre Bahnreform: eine Erfolgsgeschichte - Die Anstalt vom 29.01.2019 | ZDF*** www.youtube.com/watch?v=AV_TXjFc5I8

    • @Gnutellabrot Merz:

      Was hat marode Bahninfrastruktur mit gezielten Anschlägen zu tun?

      • @gyakusou:

        Steht ja im Artikel. Normalerweise sollte es Back-Up-Infrastruktur geben, die zumindest teilweise bei Ausfällen einspringen kann.

      • @gyakusou:

        Naja, ganz einfach. Gezielte jahrelange Einsparung an der Infrastruktur durch die CSU Verkehrsminister sind gezielte Anschläge an einer ausreichend funktionierenden Infrastruktur. Gezielte Anschläge stellen dazu nur mehr koordinierte Sicherheitstests dar, inwieweit letztlich z.B. Funktionsredundanzen vorhanden sind, oder tatsächlich noch funktionieren.



        Möglicherweise wurden die Anschläge von eigenem Personal durchgeführt, um die Sicherheitsstruktur zu testen.



        Der Beste Schutz ist zudem eine redundante Funktionalität, doch das wurde schon vor vier Jahrzehnten eingespart. Wann haben wir z. B. den letzten Streckengänger gesehen?

  • Die ganzen Strecken wird die Bahn realistischerweise nicht sehr viel besser schützen können.

    Infrastruktur lebt davon, dass nicht laufend jemand kommt und sie zerstört.

    Was fehlt, ist, dass Linke deutlich machen, dass solche Aktionen Mist sind und nicht linken Idealen entspricht.

    Dass sie linken Zielen zuwider laufen.

    Vielleicht sogar mal eine Soli-Demo. Pro Bahninfrastruktur.

    • @rero:

      Infrastruktur lebt davon, dass sie fair bewirtschaftet und benutzt wird.



      Der Verweis auf die linke Szene kam wohl aus der CSU, um von deren Jahrelangen professionellen Einsparungen abzulenken.



      Nur weil Autobahnen vor ca. 100 Jahren auch von Nazis gefördert wurden, müssen es nicht gleich linke Gruppen sein, die an den Gleisen schrauben. Da waren zuletzt überwiegend CSU Minister am schrauben.

      • @Sonnenhaus:

        Es gibt die Bekennerschreiben auf Indymedia.

        Sie meinen, Sie wollen nicht zuviel Realität in Ihr Weltbild lassen?

      • @Sonnenhaus:

        "Möglicherweise wurden die Anschläge von eigenem Personal durchgeführt, um die Sicherheitsstruktur zu testen"

        Ja genau. Die Bahn fackelt getarnt als Sicherheitstests heimlich die eigene Technik ab, um sich selbst weiter kaputtsparen zu können und zur Krönung mißbraucht sie noch ganz perfide indymedia, um nebenbei noch die linksextreme Szene zu diskreditieren. Die perfekte Verschwörung. Alles in einem Abwasch.



        Kannste dir echt nicht ausdenken....

        • @Deep South:

          Ein Bekennerschreiben auf einem Online-Portal ist aber beim besten Willen auch kein Beweis. Weder muss das jemand linkes verfasst haben, noch ist klar ob diese Personen dann auch tatsächlich den Anschlag durchgeführt haben.



          Wenn eine der ersten Sachen die man hier in den Kommentaren liest ein "die Linken verurteilen das nicht genug" ist, weiß ich ja auch schon alles. Das Urteil ist gesprochen, Beweise braucht keiner, Gefühle sind gleich Fakten.

          Aber lieber Rero, ich möchte Ihnen hier trotzdem sagen, ich als Linker verurteile diese Angriffe auf Infrastruktur und wenn es sich als Linke identifizierende Personen waren, dann haben die nichts davon verstanden was linke Politik ausmacht.

          • @Rahl:

            Hör doch auf. Das ist doch bei Weitem nicht die erste Aktion dieser Art. Und natürlich tummeln sich unter dem Banner "links" auch genügend Pappenheimer, denen sowas zuzutrauen ist.



            Zumindest mal muss man sich -solange es keine andere Faktenlage gibt- keine absurden Verschwörungstheorien stricken und dem geschädigten Unternehmen gezielte Brandanschläge als "Sicherheitstest" unterstellen. Das ist faktenfreier Unfug.



            Rero hat absolut Recht. Hier muss sich sich die Szene mal grade machen und nicht daherschwurbeln, wie man es aus anderen Lagern kennt.



            Gut, dass du das schon mal ablehnst.

  • An Dämlichkei kaum zu überbieten, diese Aktion!

    • @Emmo:

      Sehr wohl. Bei technischen Einrichtungen State of the art, wäre der Ausfall- und Störtest digital erfolgt, sodass der Betrieb selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen würde.



      Aber bis so etwas in diesem Bereich möglich ist, braucht es ganz sicher andere Führungsqualitäten im Verkehrsministerium.

    • @Emmo:

      👍👍