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Wahlerfolge der AfDDer Ursachenhorror

Es gibt Tausend Gründe oder Ausreden dafür, warum jemand AfD wählen könnte. Letztlich hilft nur abgrenzen.

Nennt sich „rechts“: der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah Foto: Carsten Koall

A ls würden Männer AfD wählen, weil sie Single sind!“, sagt der Typ auf dem Schanzenflohmarkt, steckt das Telefon weg und betrachtet einen vergilbten Globus.

„Wer glaubt das?“, fragt die Frau hinterm Stand.

„Na, der extrem rechte AfD-Mann Krah, der versucht, mit Mann-von-vorvorgestern-Tipps bei Tiktok Incels als Wähler klarzumachen!“

„Er tönte auch: Die Grünen wählen sei quasi wie Pornos gucken“, sagt eine Frau und setzt einen Zylinder auf.

„Warum hat die AfD denn nun so hohe Umfragewerte?“, ruft ein Mann vom Nachbarstand.

„Na, wegen der ganzen Schlaglöcher!“, ruft ein älterer Herr

„Ha ha, genau! Und weil der Bus nicht kommt!“, sagt eine junge Frau.

„Merkel is’ Schuld!“

„Man kann nicht immer alles auf Mutti schieben.“

„Genau, sind doch Erwachsene, die da ihr Kreuz hinrotzen.“

„Vielleicht muss man schon bei Kohl mal genauer hingucken!“

„Die Birne hat’s nachhaltig angezettelt.“

„Wie wäre es gleich mit Adenauer?!“

„Hitler!“

„Das is’ mal ein Punkt.“

„Hitler hatte ’ne Freundin.“

„Die AfD wird ja nun auch von Frauen gewählt!“

„Von vormals Nichtwähler:innen!“

„Vom Feminismus Abgehängte.“

„Mit Ängsten vorm Gendern!“

Und was, wenn sie einfach bloß rechtsextrem sind?

„Vor allem Neuen.“

„Außer vor der AfD!“

„Von der sie sich verstanden fühlen!“

„Opfer für Opfer!“

„Die wählen AfD, weil alles so instabil ist.“

„Und sie stabil rechts sind!“

„Freigeistig und tolerant sind die nur Nazis gegenüber!“

„Die Coronaregeln haben sie radikalisiert!“

„Und die GEZ-Pflicht!“

„Russland.“

„Die Ukraine.“

„Es ist wegen der Inflation!“

„Wegen der Preise im Supermarkt!“

„Weil Paprika 6,99 kostet, werd’ ich doch nicht Nazi!“

„Aber wegen der ganzen negativen Emotionen!“

„Wegen des Klimawandels!“

„Und weil es ihn gar nicht gibt!“

„Wegen der Hitze!“

„Der Regenmassen!“

„Der Heizungen!“

„Des Alltagsfrusts.“

„Die haben schlicht Angst!“

„Sind mindestens besorgt.“

„Und was, wenn sie einfach bloß rechts­extrem sind?“

„Wie jetzt? Einfach so?!“

„Warum nicht? Böse eben.“

„Vollgepfropft mit Hass!“

„Auf alles, das nicht ist wie sie.“

„Aussieht wie sie!“

„Aber dieser Hass muss doch woher kommen!“

„Aus ihnen selbst, der hat da geschwelt!

„Und jetzt hat er eine äußere Form gefunden!“

„Wie bei ‚Alien‘ oder bei ‚Stranger Things‘ der ‚Demogorgon‘!“

„Der ‚Blob‘ in den Achtzigern!

„Das Nichts bei ‚Die Unendliche Geschichte‘!“

„Das Nichts wollte alles Gute auslöschen!“

„Uns wird kein einzelnes lesendes Kind vor Nazis retten!“

„Bildung sollte man aber nie unterschätzen.“

„Aber jetzt, genau jetzt, muss das Monster bekämpft werden!“

„Der ‚Gmork‘ wird uns sonst alle fressen!“

„So wird es kommen!“

„Shit!“

„Schluss mit Ursachen-Rumgeeier, abgrenzen und anpacken!“

„Fuck, ja!“

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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37 Kommentare

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  • Es gibt ein wirksames Mittel gegen die AfD: man muss dieser Partei ihre Themen wegnehmen, schon wird die so klein mit Hut!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Hat die DNVP mit der NSDAP versucht. Hat nicht funktioniert.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      DAS ist meine Rede seit Anbeginn, anstatt jedoch mal die Themen "wegzunehmen", legt die AFD einen Höhenflug nach dem anderen hin.

      • @Leningrad:

        Schröder und Blair haben auch einmal den rechts-neoliberalen Kräften "die Themen weggenommen" - lange hat's nicht gewährt. 16 Jahre Merkel sind ein Beweis, dass dann doch "lieber das Original gewählt wird".

        • @Uwe Kulick:

          Verstehe leider Ihren Kommentar nicht. Was haben Blair und Schröder mit dem Höhenflug der AFD zu tun?

  • Also ehrlich: ich hab überhaupt keine Lust mehr, ständig irgendwo irgendwelche "Gründe" dafür zu lesen, warum jemand die braune Rotte wählt. Wer Nazis wählt, findet Nazis gut. Alles andere sind Ausreden.

    • @Felis:

      Dann nehmen Sie also an, dass ca. 12 Millionen Bundesbürger (die Wahlberechtigen ungefähr) oder jeder 4. auf der Straße ein Nazi ist. Sehr einfaches und unkomplexes Weltbild. Ähnlich verhält es sich mit einem großen Teil der Franzosen, Italiener, Dänen, Schweizer, Polen, Tschechen, Ungarn etc. Ich beneide Sie ob .... ich kann das alles leider nicht so unkompliziert sehen.

    • @Felis:

      Und da behaupte noch einer nur Rechte hätten einfache Antworten auf komplexe Probleme.

      • @insLot:

        Menschenverachtung ist kein "komplexes Problem", sondern eine verfassungsfeindliche Grundeinstellung.

  • Ich dachte immer, nur die Ungebildeten und Doofen, davon gibt es sehr viele in diesem Land, rennen den Braunen und deren dümmlichen Parolen und Lügen hinterher. Das stimmt wohl so nicht mehr. Ich denke, als Deutschland noch "Vorbild" war, wirtschaftlich stark und stabil, ein Land welches von anderen beneidet wurde, hatten viele Menschen darin ihren Status gefunden. Nun rutscht Deutschland ab in die Mittelmässigkeit, da geht so manchem wohl das Selbstbewußtsein verloren. Und der oder die brauchen nun den starken Führer, der die Bedeutung zurück bringen soll. Ähnlich so bei Trump. Unwissenheit erzeugt Angst, also benötigen wir auch viel mehr Bildung und Wissen.

    • @maestroblanco:

      Mit der Bildung klappts hier im Land aber leider auch nicht mehr so toll,und bis das wieder läuft,wenn es denn mal läuft,dauert lange.

    • @maestroblanco:

      Ich finde Ihre Analyse vom formulierten Denkmodell her interessant. Leider kann ich den Inhalt der, sozusagen, verwendeten "unbestimmten" Begriffe nicht teilen. Wer definiert und belegt denn wie, dass Deutschland wirtschaftlich in die Mittelmäßigkeit abrutscht?

  • Letztlich hilft nur eine andere Bundespolitik!

    • @H.L:

      Welche Ihrer Meinung nach genau? .. M.E. höhere Löhne und Renten, Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer, selbstverständlich mit Freibeträgen, Schenkungen höher besteuern und dort die Freibeträge senken.

  • Die Leute fühlen sich nicht respektiert und denken, dass Nationalismus ihnen Respekt verschafft. Ist natürlich Bullshit und führt ins Desaster. Nachher war es dann wieder keiner.

  • Stefan Zweig:



    "Nichts hat das deutsche Volk - dies muß immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden - so erbittert, so haßwütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation."

    Da lässt sich wohl Arbeitslosenquote, Schuldenstand, Migrationszahlen, Inflationsrate, Kriminalitätszahlen etc. hinzufügen, das ist Dünger für die AfD.

    It' the economy, stupid.

    Was wird passieren wenn KI und ihre Roboterheere die Arbeitslosenzahlen mal so richtig hochtreiben?

    • @shantivanille:

      Naja, gemessen an den Existenzproblemen und der sozialen Not gegen Ende der Weimarer Republik ist das AfD-Gekreische doch nur Meckern auf hohem Niveau. Dass den Arbeitslosen damals wirklich der Magen geknurrt hat und sie nicht wussten, wo das Geld für den nächsten Tag hernehmen, möchte ich meinen Altvorderen gerne glauben.



      Die Frage, die mich hingegen immer wieder umtreibt;,wie konnte es passieren, dass klassenbewusste Proletarier mit wehenden Fahnen zu den Nazis überliefen oder einfach so (für die nächsten 12 Jahre) in der Versenkung verschwinden konnten?



      Oder dass wir nach fast 80 Jahren ernsthaft immer noch darüber diskutieren (müssen), ob die Kommunisten, das abstiegsbedrohte Bürgertum oder das Großkapital am Aufstieg der Nazis schuld waren. Dann wird das mit der Ursachenanalyse hinsichtlich des AfD-Aufstiegs wohl auch nix.

    • @shantivanille:

      Wir haben Fachkräftemangel und keine Massenarbeitslosigkeit, die Zahl der Straftaten vA der schweren ist seit Jahren rückläufig, die geflüchteten Ukrainer*innen haben sich weitestgehendst geräusch- und problemlos integriert, wenn auch unter einer unglaublichen Verschwendung von Talent und Wissen weil man selbst Hoch- und Höchstqualifizierte auf irgendwelche Hilfsjobs setzt.



      Aber selbst wenn all das nicht so wäre und das von ihnen gezeichnete Bild so zuträfe, wäre das immer noch kein Grund Faschisten zu wählen.



      de.statista.com/in...en-in-deutschland/

      • @Ingo Bernable:

        Stimme zu.

  • "„Schluss mit Ursachen-Rumgeeier, abgrenzen und anpacken!“



    Ja, Schluss mit dem Rumgeeier. Endlich die wahren Ursachen benennen und dann deren Beseitigung anpacken. Aber das wäre ja mit echter politischen Arbeit verbunden.

    • @Trabantus:

      „Endlich die wahren Ursachen benennen …“.



      Womit wir wieder am Anfang wären … Frau Ramadan hat doch eine Reihe von „wahren“ Ursachen aufgelistet. Schwer nur, die von den falschen zu trennen.

  • Was wir brauchen ist eine unaufgeregte und überlegte Herangehensweise an die vor uns stehenden Herausforderungen. Das hoffnungsfrohe „Hypen“ und ungeduldige Verteufeln in einem Atemzug wird uns nichts bringen als Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit. Durch die Vielfalt der Medien und die unzähligen Möglichkeiten an Information, Halbwahrheiten und Lügen zu kommen werden wir überflutet und vergessen einfach innezuhalten und nachzudenken. Wir springen zu schnell auf den Zug der Meinungsmacher und lassen uns polarisieren. Aber das ist ihr Geschäft und es steht uns frei das zu tun.



    In einer Demokratie wird es nicht "Die" Lösung geben, sondern nur eine im Konsens. Eine Lösung "Für" uns als Gesellschaft und nicht für die Macht. Anstatt uns zusammenzutun lassen wir uns spalten. Von einer Partei die das Gleiche macht wie die Nazis im Dritten Reich. Auch diese haben das System der Weimarer Republik verteufelt, genauso wie die AfD alles verteufelt was nicht ihren Namen trägt.



    Wir sind so blind und lassen uns auf diese Spielchen ein. Verschenken unsere Kraft an Kleingeister und Medien die mit den Dollarzeichen in den Augen jede Sau durchs Dorf treiben die sich für sie auch nur annähernd anbietet. Bezahlt von den Anzeigenkunden und den dahinterstehenden Interessen.



    Das Bildnis von der Vertreibung aus dem Tempel passt auch ganz gut auf den Reichstag mit seinen Lobbyisten. Auch dieser Wildwuchs an Einflussnahme schadet unserer Demokratie.



    In Zeiten der Klimakrise ist der Spruch „Den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen“ keine leere Floskel mehr. Leider werden wir die Bäume nicht mehr lange haben.

  • Danke Frau Ramadan.



    Das ist eine wunderbare Realsatire bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt.

  • Genau so.

  • Die gute alte Tante "Zeit" hat, allerdings schon 2017, ihre Leser gefragt, warum sie AfD gewählt haben.

    585 haben geantwortet.

    Davon ausgehend, dass Leserinnen und Leser der Zeit vielleicht nicht gerade die allergrößten Dumpfbacken sind, sind die Antworten relativ vielseitig und nicht völlig unreflektiert.

    Liest man grob darüber, wird häufig die Asylpolitik genannt. Viele nennen schlicht "Merkel" als Grund, heute würden die wohl Habeck, Baerbock und Lang nennen.

    Wen's interessiert, voilà:

    www.zeit.de/politi...warum-afd-gewaehlt

    • @Jim Hawkins:

      Wenn ich gelegentlich die Kommentarspalten von ZON besuche bin ich ehrlich gesagt immer geschockt von den Massen an dumpf-dümmlichen Kommentaren mit Rechtsschlagseite - und das obwohl ich es für offensichtlich halte, dass die Zeit sich in den letzten 30 Jahren eindeutig von einem liberalen zu einem konservativ „bürgerlichen“ Blatt gewandelt hat. Viele Leser und Macher mögen sich vielleicht für liberal halten - so ganz in dem Sinne wie Leute das „N-Wort“ oder „Z-Wort“ benutzen, aber selbst überzeugt behaupten sie seien ja keine Rassisten weil sie das früher auch schon immer gesagt haben und das ja auch gar nicht böse meinen …

      Aber zur Sache: wenn das ein Hinweis auf „gute“ Gründe oder Begründungen für ein Wählen der AfD sein sollen bin ich doch sehr überrascht. Die absolute Maße an Begründungen ist schlicht dumpfe Xenophobie - auch gerne genommen werden Mythen wie „damit wir nicht mehr für die faulen Griechen zahlen“ usw. usw.



      Also insgesamt der gleiche unsinnige und schlichtweg dumme Unsinn der auch sonst auftaucht …

      • @Manrei:

        "obwohl ich es für offensichtlich halte, dass die Zeit sich in den letzten 30 Jahren eindeutig von einem liberalen zu einem konservativ „bürgerlichen“ Blatt gewandelt hat."

        Dazu kann ich nur sagen:

        "Oder soll man es lassen?"

    • @Jim Hawkins:

      „Davon ausgehend, dass Leserinnen und Leser der Zeit vielleicht nicht gerade die größten Dumpfbacken sind …“.



      Wenn Zeit-Leser nicht die „größten Dumpfbacken“ sind, sind sie also alle echte Nazis? Die Schlussfolgerung drängt sich doch auf, wenn man manche Kommentare hier in der taz liest … von wegen „Nazis sind Nazis, weil sie Nazis sein wollen“.



      Ganz nebenbei: wenn Sie schon einmal im ZON-Forum unterwegs waren, werden Sie schnell festgestellt haben, dass es sich beim aufgeklärt-liberalen, bildungsbürgerlichen Zeit-Leser offenbar auch nur um einen Mythos handelt.

      • @Abdurchdiemitte:

        Ich denke man sollte bei der Einordnung dieser Kommentare schon auch berücksichtigen, dass die AfD 2017 doch noch anders aufgestellt war als sie es heute ist, sicher schon klar rechtspopulistisch, aber offen Rechtsradikale wie Höcke oder Gedeon doch noch innerparteilich erheblichen Widerstand erfuhren. Sicher bot sie auch damals schon reichlich Raum für allerlei unappetitliche Positionen, derart braun wie sie es inzwischen ist war sie aber eben noch nicht.

        • @Ingo Bernable:

          Dann spiegeln diese Veränderungen in einem Medium wie der ZON also den politischen Trend bzw. dramatischen Rechtsrutsch in der Gesellschaft, genauer: in der gesellschaftlichen Mitte innerhalb nur weniger Jahre? Ja, könnte sein, es ist auch mein Eindruck.

      • @Abdurchdiemitte:

        Schwierige Frage.

        In der Regel scheint es sich um Bildungsbürger zu handeln, oder um Leute, die so tun, als wären sie welche.

        Ressentiments und Rassismus gibt es natürlich überall, er artikuliert sich eben unterschiedlich.

        Und Wählerinnen und Wähler der AfD sind entweder mehr oder weniger Nazis oder sie wählen aus anderen Gründen Nazis und unterstützen sie dadurch und sind somit auch in der Verantwortung.

        Wahrscheinlich waren auch nicht alle Wähler der NSDAP überzeugte Nationalsozialisten und Antisemiten.

        Die Dummheit stirbt ja immer zuletzt.

        • @Jim Hawkins:

          „Wahrscheinlich waren auch nicht alle Wähler der NSDAP überzeugte Nationalsozialisten und Antisemiten.“



          Ganz sicher waren sie das nicht, wenn ich meinen Altvorderen glauben kann. Anfang der dreißiger Jahre schauten Arbeitslosigkeit und Not in meiner Herkunftsfamilie „aus allen Fenstern heraus“, wie meine Oma zu sagen pflegte. Das waren jedoch auch in sozialer Hinsicht noch ganz andere Zeiten und erklärt natürlich nicht den Aufstieg der AfD heutzutage.

  • Was mich anfällig für eine Ausrichtung einer Protestpartei (was die AfD natürlich nicht ist) ist meine anwachsende Gegenwartsüberlastung. Die Digitalisierung zwingt mich zu Teilnahme an Verantwortungen, die ich in ihrer Komplexität nicht überschauen kann. Kontrollverlust gegenüber Banken, Versicherungen, Medien. Zum unteren Bereich des Mittelstandes zählend zählend nicht in der Lage dem Anspruch an Zukunftssicherung (Rente wie Pflege) gerecht werden zu können, weil die Abstriche für Energie- und Mobilitätswende alle Ressourcen verzehren.



    Womit das untere Drittel der Gesellschaft sich vergößert...

    • @Vidocq:

      Damit bist du meiner Meinung nach näher dran am Thema, als viele Artikel hier. Überforderung in vielen Bereichen. Menschen, die die Geschwindkeit nicht mitgehen können, die Informationsflut nicht mehr überschauen, von Zukungtsängsten getrieben werden und einfache Antworten auf komplexe Probleme suchen. Auch weil sie das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben. Wenn man mit potentiellen Nicht- oder AfD Wählern spricht, merkt man deutlich, wie wenig die in aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen bewandert sind.

      • @Deep South:

        "Wenn man mit potentiellen Nicht- oder AfD Wählern spricht, merkt man deutlich, wie wenig die in aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen bewandert sind."

        Jepp.

        Die wählen nicht AfD, weil sie überzeugte Nazis sind, oder völlig verarmt, sondern weil sie geistig pauperisiert sind, und das zum gesellschaftlichen Grundkonsens gemacht sehen wollen. Für diese Leute hat die AfD den Nimbus einer Partei, die auf magische Weise die Welt wieder "klein und einfach" machen wird, schön schwarz/weiß, ein Heim für die mental Trägen. Und sie sehnen sich so nach "klaren, einfachen Verhältnissen", dass sie auch einen neuen Faschismus als "Kollateralschaden" hinzunehmen bereit sind: es sind ja nicht *sie* die dann sterben müssen. Glauben sie zumindest. Hat aber beim deutschen Faschismus 1.0 auch nicht funktioniert.

  • Anstatt zu raten, könnten Journalisten AfD-Wähler fragen, warum sie gerade dieser Partei zutrauen, solche Probleme zu lösen wie zum Beispiel: teures Gemüse im Supermarkt, fehlende Fachkräfte in Pflegeheimen oder zuwenig Lehrerinnen an den Schulen.

  • That‘s it! Danke!