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Nazis in BrandenburgFataler Burgfrieden

Zwei Lehrkräfte kritisieren Naziumtriebe an ihrer Schule. Die Landesregierung hilft nur halbherzig – ein Vorgeschmack auf die Wahlen 2024.

Wer sich gegen Rechtsextremes wendet, gegen rassistisches Verhalten, muss am Ende gehen Foto: Patrick Pleul/dpa

Die zwei Lehrer:innen, die in Burg im Spreewald öffentlich gemacht haben, dass Schü­le­r:in­nen dort Hakenkreuze malen, den Hitlergruß zeigen und geflüchtete Kinder rassistisch beleidigen, werden die Stadt verlassen. Laura Nickel und Max Teske haben in der vergangenen Woche um ihre Versetzung an andere Schulen in Brandenburg gebeten.

Es wiederholt sich ein Muster. Wer sich gegen Rechtsextremes wendet, gegen rassistisches Verhalten, der muss am Ende gehen. Und ja, die beiden Leh­re­r:in­nen sind hart bedroht worden. Ebenfalls in der vergangenen Woche klebten Unbekannte etwa 60 Aufkleber mit einem Schwarz-Weiß-Foto der Leh­re­r:in­nen und der Aufforderung „pisst Euch nach Berl*in“ in Burg. Aber ausschlaggebend ist in einer solchen Lage nicht so sehr das, was Fa­schis­t:in­nen und ihre Fans tun. Sondern das, was die anderen machen, die auch noch da sind. Die Kollegin Steffi Unsleber hat für die taz 2018 und 2019 Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen besucht, die in Ostdeutschland von Rechtsextremen bedroht worden sind. Was sie sagen, gleicht sich:

Michael Richter, Die Linke, hat das sächsische Freital verlassen: „Beim Treffen sagt er, dass er geblieben wäre, wenn die Verwaltung in Freital anders reagiert hätte. Aber der Oberbürgermeister der CDU habe sich nie klar gegen die rechte Szene ausgesprochen.“

Mario Müller, SPD, floh und wollte nur unter Decknamen reden: „Die schweigende Mehrheit war das Hauptproblem“, sagt er. „Es wäre ganz anders gewesen, wenn jemand zu mir gekommen wäre und gesagt hätte: Schade, dass Sie gehen.“

Allein gelassen

Karin Larisch, Die Linke, lebt immer noch in Güstrow: „Dass man als Nestbeschmutzer gesehen wird, ist schlimmer als all die Angriffe“, sagt sie. „Würden alle zusammenstehen, dann würde viel weniger passieren.“

Martina Angermann, SPD, damals Bürgermeisterin von Arnsdorf: „Ich habe darunter gelitten, dass die Mitte der Gesellschaft geschwiegen hat.“

In Burg sah es nach dem Brief der beiden Leh­re­r:in­nen im April ein bisschen so aus, als hätten Gesellschaft und Politik gelernt, dass öffentliche Solidarität die richtige Antwort ist auf einen erwartbaren Gegenschlag der Rechtsextremen. Die Schulbehörden wollten sie unterstützen, Lan­des­po­li­ti­ke­r:in­nen lobten ihren Mut, Nickel und Teske durften auf einer Demonstration öffentlich sprechen. Aber diese volle Solidarität wurde schnell weniger, schwand zu einer Dreiviertelsolidarität, einer halben Solidarität, einer Solidarität mit Bedingungen.

Kol­le­g:in­nen grüßten nicht mehr, sagen die beiden Lehrer:innen, und manche, die auf ihrer Seite seien, äußerten das aus Angst nicht. Das Schulamt Cottbus wies sie an, nicht mehr mit der Presse zu reden. Nickel und Teske sagten, von der Regierung aus Potsdam sei kaum Hilfe gekommen.

Nazitolerantes Brandenburg

Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) gab der Süddeutschen Zeitung am 13. Juli ein Interview, in dem er über Teske und Nickel sagte: „So wie es die beiden gemacht haben, würde ich es zur Nachahmung nicht unbedingt empfehlen. Das habe ich ihnen auch gesagt.“

Ihn stört, dass Teske und Nickel Rechtsextremes und Rassistisches öffentlich benannt haben, statt zu ihm zu kommen. 2024 sind in Brandenburg Landtags- und Kommunalwahlen. Lange haben sich Po­li­ti­ke­r:in­nen darauf ausgeruht, dass Brandenburg nicht Sachsen ist, auf dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ gegen Rechtsextremismus: 25 Jahre wurde es gerade alt.

Bei dem Festakt Anfang Juli feierte Ministerpräsident Dietmar Woidke sich und seine Regierung. Er sagte: „Das Tolerante Brandenburg funktioniert, und es funktioniert sogar so gut, dass wir Vorbild sind.“

Und alles, was dieses Bild stört, stört. Eine Podiumsdiskussion während dieser Feier wurde angeblich aus Zeitgründen vorzeitig beendet. Einige Teil­neh­me­r:in­nen waren gerade dabei, die Regierung zu kritisieren. Einige Po­li­ti­ke­r:in­nen dieser Regierung bekommen Herzflattern angesichts der Umfragewerte der AfD. 28 Prozent würde sie laut einer Befragung von Anfang Juli bekommen. Stärkste Partei vor der regierenden SPD (21 Prozent) und der CDU (18 Prozent).

Angesichts dieser Werte ist so etwas wie volle Solidarität vielleicht einfach nicht mehr zu haben.

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27 Kommentare

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  • ich glaube es liegt in erster Linie daran, dass der Staat (Polizei und Justiz) die Menschen die von Rechten bedroht werden nicht schützen kann oder will (z.B. www.spiegel.de/pol...ker-a-1022734.html und diese Beispiele sind herausgehobene Personen)



    "die schweigende Mitte" sieht dies und wird nichts sagen, nur um nicht das nächste Ziel zu werden.

  • "Die Landesregierung hilft nur halbherzig "

    Wie begründet sich dieser Vorwurf?



    Die Landesregierungen haben bundesweit das Problem Personal / Lehrer zu finden. Die Schulen nun dahingehend besser aufzustellen gg. Rechtsextremismus scheitert also bereits an den Grundvoraussetzungen.

    Was sind also die konkreten Maßnahmen, die man dem Land Brandenburg vorwirft, nicht umzusetzen?

  • Wie war das nochmal mit dem "Nie wieder"?

  • Die Supreme Allied Headquarters haben Chemnitz ja umbenannt in Fettfleck.



    Dort hat die Antifa System GmbH eine Rote Zone errichtet, in der gilt Hochdeutschpflicht. Das heißt nicht "Nischl", sondern "Karl Marx Denkmal".



    Sächsisch ist eine Ordnungswidrigkeit.

  • Ich bin sehr wütend über diese Lage über diese rückgratlosen Mitläufer und werde alle nur denkbaren Beschimpfungen rausschreien.



    Das ist keine Zivilisation.

  • Es dauert nicht mehr lange dann gibt es in Ostdeutschland eine Rechtsnationale Regierung, das schlimme ist die meisten wollen es so.



    Mir fällt auch wirklich nichts dazu ein wie man das kurzfristig ändern kann.



    Mit den Leuten kann man ja nicht mal mehr diskutieren. Man wird sofort beleidigt oder verunglimpft. Erinnert stark an SA und SS Methoden. Einschüchtern und Bedrohen mehr kommt da nicht. Die neuen Länder werden uns noch ganz übel auf die Füße fallen hätte ich damals nicht gedacht. Die nächste Landtagswahl im Osten wird bitter.

  • Vielleicht doch die Mauer wieder aufbauen?

    • @Uranus:

      Genau das ist die Absicht dieser Rechtsradikalen: Abschottung. Die Abschottung ist ein seit langem eingeübtes Muster. Gegen Neues. Auch gegen Neuzugezogene aus Westdeuschland.



      Siehe Robert Rauh 2021:



      „Die Mauer war doch richtig!“ Warum so viele DDR-Bürger den Mauerbau widerstandslos hinnahmen. Be.bra Verlag, Berlin

  • Schüler mit Nazi-Sprüchen bleiben an der Schule, während die mutigen Lehrer, die darüber aufklärten wollten, von Nazis aus der Stadt vertrieben werden. Schlimmer geht es kaum.



    Die Direktorin, verantwortliche Schulräte, viele Eltern und der verantwortliche Minister zeigen öffentlich keine Selbstkritik und tragen kaum zur Aufklärung bei, obwohl die Verantwortlichen massiv zuungusten der mutigen Lehrer versagt haben könnten.



    Deshalb muss das Geschehen an der Schule von der Schulaufsicht aufgeklärt werden.



    Doch das wird nicht geschehen, weil sich die Verantwortlichen, außer einigen wenigen Unterstützern der Lehrer im Kollegium, einig zu sein scheinen, den Ball flach zu halten und das Ganze "Unheil" innerhalb der Schulbürokratie versanden zu lassen.

  • Parteien, welche so engagierte und mutige Menschen im Regen stehen lassen, sind für mich unwählbar.

  • ...sofort, unverzüglich die ganze Bagage, Schulamt, Schulaufsichtsbehörde, Lehrer - Kollegium , Dietmar Woidke, Steffen Freiberg pp. , zum Rapport nach Berlin - hier gilt es die Sommerpause der zuständigen, in der Verantwortung stehenden Abgeordneten und Minister , unverzüglich zu beenden und die selbigen einzuberufen - Gefahr der inneren Sicherheit ist gegeben....

  • So lange der VVN-BdA mehr Aufmerksamkeit vom Verfassungsschutz bekommt als die AFD, wird sich nichts ändern.



    So lange die AFD verharmlost wird,wird sie weiter wachsen. So lange deren Sprache kopiert wird, muss sie sich selbst nicht äußern,bekommt den Zuspruch aber gut geschrieben. So lange die GdP sich ausschließlich mit der letzten Generation beschäftigt, können Faschisten wachsen.



    So lange Friedrich Merz in den Grünen den größten Gegner in der Republik sieht, legitimiert er die Ziele der Faschisten. Das ist nicht neu, sondern steht in der Tradition seit Adenauer,der auch schon den Faschismus als kleineres Übel angesehen hat und lieber Personell auf deren Vertreter zurück gegriffen hat,als für mehr Demokratie zu einzutreten. Es gehört zur DNA in der Ost CDU,die vom Westen dominiert wurde die Faschisten zu verharlosen und dessen Existenz überhaupt mal zu erkennen, wahrzunehmen.

  • Passiv, planlos, mutlos schaut die theoretisch demokratische, aber satte Mehrheit der Gesellschaft, beschäftigt mit Insta-Postings oder Einrichtung des Eigenheims, dabei zu, wie der neue Faschismus seine Hegemonie ausbaut. Manche spielen auch noch ein wenig Politik und stoßen auf ihre bunt illustrierten "Handlungskonzepte gegen Rechts" an. Das wird böse enden.

  • Dass man der SPD bezüglich des Umganges mit Faschos einen Blick in die Geschichtsbücher empfehlen muss, zeigt das Komplettversagen der Partei in Brandenburg mehr als deutlich.

  • Das ist also wieder soweit! Sehr traurig, das die meisten Menschen einfach keinen Mut haben sich rechtsradikalen Äußerungen entgegen zu stellen. Gegen harmlose Klimakleber können sie dagegen entschlossen vorgehen - was für feige und ehrlose Menschen das sind! Ich habe gehofft das aus der deutschen Vergangenheit etwas gelernt worden ist! Dann können wir uns wohl auf einiges gefasst machen: Klimakrise, Armut und Rechtsradikale - super Zukunft!

  • Gut gewählter Titel, schlussendlich "Trutzburg gegen Rechts" wäre mir lieber.

  • Es ist wichtig, dass die taz den faulen Burgfrieden stört und anfängt, hart zu recherchieren.

    Reagierten Direktorin, Schulaufsicht und Ministerum so, wie es geboten wäre? Welche Fehler wurden in diesem Zusammenhang genau gemacht? Welche dienstrechtlichen Konsequenzen gab es in dem Zusammenhang und welche hätte es geben müssen?

    Ist die Schulaufsicht befangen, weil sie nicht zugeben will, Hinweisen auf Schüler-Nazi-Umtriebe an der Schule in Burg nicht rechtzeitig und mit der gebotenen Konsequenz nachgegangen zu sein? Was wusste und veranlasste der damals zuständige Minister?

    Wie beurteilen Zivilgesellschaft und Opposition das Verhalten des jetzt zuständigen Ministers? Tut er alles, was in seiner Macht steht, um zu verhindern, damit die zwei kritischen Lehrer aufgrund von externen Bedrohungen und möglichen Behörden-Versagen die Schule aus eigenem Antrieb nicht mehr verlassen wollen?

    Vielleicht lohnt es, in dem Zusammenhang den Roman von Max Frisch Biedermann und die Brandstifter nochmals genau zu lesen.

    • @Lindenberg:

      ...es gehören sofort demokratische Abgesande aus Berlin, als Aufsicht in die betroffenen Gebiete und die dortigen zuständigen Behörden im Osten von Deutschland...

  • Ich vermute, dass man in der Mitte der Gesellschaft so lange und routiniert die Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der eigenen Geschichte beschworen hat, das 'Nie wieder' so lange wiederholte bis man irgendwann meinte, sich gegen jegliche Bedrohung von Rechts vollkommen immunisiert zu haben, bis man Anti-Faschismus nicht mehr für eine Praxis hielt, sondern für etwas das einfach so gegeben ist. Mir scheint, dass man sich und die Demokratie, auch jetzt noch wo die Rechten bereits so etwas wie eine regionale Hegemonie erreicht haben, für praktisch unverwundbar hält. Dass diese Entwicklung eine sehr reale Gefahr darstellt scheinen weite Teile dieser Gesellschaft ebenso zu verdrängen wie in Bezug auf die Klimakatastrophe.

    • @Ingo Bernable:

      Aus "Nie wieder" wird dann ein lapidares "Jetzt wieder". Es kämpfe links gegen rechts. Linke sind in den Augen "der Mitte" das Problem und die Störenfriede.

    • @Ingo Bernable:

      Kommt mir auch sehr so vor.

  • "Angesichts dieser Werte ist so etwas wie volle Solidarität vielleicht einfach nicht mehr zu haben."

    Das ist das wirklich erschütternde am AfD-Hoch, dass offensichtlich niemand gewillt ist, die inhaltlich anzugehen, in der "demokratischen Mitte".

    • @Nesliyah Love:

      Die AfD hat Inhalte? Echt? Was denn so zum Beispiel?

    • @Nesliyah Love:

      das war vor 30 Jahren schon so. Ich fürchte das ist nix Neues.



      Alles Sonntagsreden, weiße Schnürsenkel sind doch nur weiße Schnürsenkel, das die an Springerstiefeln sind, hat doch nichts zu bedeuten... hier gibt`s keine Nazis...

      • @nutzer:

        Das war vor 90 Jahren auch schon so. Faschismus wächst auf Feigheit.

        • @T 1000:

          Die Deutschen waren und bleiben Duckmäuser.

      • @nutzer:

        Das war auch vor 90 Jahren so. Die Parallelen, vor allem was die schweigende ich-bin/war-doch-kein-Nazi Mehrheit angeht, sind erschreckend.