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Slavoj Žižek über Krieg und Klima„Ich bin gegen die woke Linke“

Der Philosoph Slavoj Žižek will „Kriegskommunismus“ zur Bewältigung der Klimakrise. Was soll das sein?

Slavoj Žižek, wohin geht die Reise in Zeiten von Spätkapitalismus und Katastrophen? Foto: Neven Allgaier
Peter Unfried
Interview von Peter Unfried

Slavoj Žižek betritt das Foyer eines Hotels in Frankfurt am Main, und seine Stimme ist sofort raumfüllend. Beim Gespräch gibt er sich alle Mühe, seinem Ruf als „der gefährlichste Philosoph des Westens“ gerecht zu werden. Wie in allen Porträts über ihn vermerkt, denkt und redet er assoziativ, ohne Punkt und Komma. Als Zwangsneurotiker, sagt er, spreche er nicht deshalb ununterbrochen, damit etwas geschehe, sondern weil nichts geschehen könne, solange er selbst rede.

wochentaz: Herr Žižek, Ihre Antwort auf die Bedrohung der menschlichen Lebensgrundlagen durch die Erd­erhitzung lautet: Kriegskommunismus. Was soll das sein und was soll das bringen?

Slavoj Žižek: Wir sind in einer Lage, in der man die Wahrheit zwar ohne Probleme aussprechen kann, doch diese Wahrheit wird nicht ernst genommen. Das Ekelhafteste der vergangenen Jahre war die UN-Klimakonferenz in Glasgow, alle waren sie da, der damalige Prince Charles und alle anderen. Und sie alle sagten, wie ernst es sei und wie schlimm es stehe, aber es war bereits in der Veranstaltung und ihrer Funktion inbegriffen, dass das keine echten Konsequenzen haben würde. Unsere grundsätzliche Haltung ist: Wir wissen, dass es ernste Probleme gibt, aber wir akzeptieren nicht, dass wir wirklich unsere Art zu leben ändern müssen.

Im Interview: Slavoj Žižek

Der Wissenschaftler

Philosoph und Marxist, geboren 1949 in Ljubljana. Er lehrt in New York, London, Ljubljana.

Das Theorie-Universum

Hegel, Marx, Lacan.

Der Autor

Bücher veröffentlicht Žižek fast im Jahrestakt. Im Frühjahr 2023 erschien von ihm im Verlag S. Fischer „Die Paradoxien der Mehrlust. Ein Leitfaden für die Nichtverwirrten“.

Sondern?

Unsere Haltung ist immer noch: Lasst uns mal schön drüber sprechen und vielleicht ändern wir dann opportunistischerweise hier und dort ein kleines bisschen. Der letzte Schock in dieser Beziehung war für mich der russische Krieg gegen die Ukraine. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, was unser geheimer oder gar nicht so geheimer Wunsch war.

Nämlich?

Der Wunsch war: Okay, lasst uns das schnell beenden, Russland gewinnt sowieso. Ich sprach anfangs mit einigen Politikern, die mir sagten: Es wird schnell vorbei sein, dann werden wir ein paar Jahre gegen Russland protestieren, aber schnell zum Normalen zurückkehren. Die schlimmste Überraschung war, dass die Ukrainer nicht bereit waren, so einfach zu verlieren. Und obwohl wir nun so tun, als bewunderten wir ihren Heroismus, sind wir im Geheimen wütend auf die Ukrainer, weil sie nicht verlieren wollen.

Da werden wir total sauer, wenn man uns das unterstellt.

Ja, das mögen wir nicht. Es ist eine total verdrehte Situation, und das ist auch der Grund, warum ich in Deutschland praktisch nicht mehr vorkomme, ich komme ab und zu noch in der Welt vor. Aber zum Beispiel die Zeit hat mich fast verboten.

Die Zeit-Kollegen sagen, das sei ja wohl der Witz des Universums.

Wann haben Sie mich zum letzten Mal in der Zeit gelesen? In Großbritannien habe ich regelmäßig im Guardian geschrieben, dem größten britischen Linksliberal-Mitte-Medium, jetzt bin ich da praktisch verboten. Das ist das, was Sie gerade eingeworfen haben: Man sollte solche Dinge nicht aussprechen.

Noch mal zur Ausgangsfrage: Was ist Kriegskommunismus?

Ich meine damit etwas ganz Einfaches. Als die Pandemie begann, riefen sogar Boris Johnson und ganz besonders Trump: Hier passieren Dinge, die man nicht dem Markt überlassen kann. Der Letzte, der in dieser Hinsicht wirklich gehandelt hat, war der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt 1942 im Zweiten Weltkrieg: Direkte Anweisungen an die Industrie, Flugzeuge, Waffen, das und das müsst ihr tun. Ich träume nicht von einer künftigen Regierung der unglaublichen Solidarität. Denken Sie nicht, dass wir uns auf die Klimakrise wirklich vorbereiten müssen? Ich zitiere jetzt einen Philosophen, der als rechts gilt, aber sehr viel ambivalenter ist.

Sie sprechen von Sloterdijk?

Richtig. Peter Sloterdijk. Er sprach über „objektive Sozialdemokratie“, wie er das nennt. Das meint nicht die Partei, sondern Maßnahmen, die heute zum So­zialkontrakt von Gesellschaften gehören: kostenlose Schule, kostenlose Gesundheitsversorgung und so weiter. Wir sollten davon so viel wie möglich behalten – und uns zudem als Gesellschaft auf die ökologischen und ökonomischen Probleme vorbereiten, aber auch verstehen, dass lokale Probleme globale Gründe haben. Man kann sie nicht lokal lösen, es braucht Koordination, die größer als nationalstaatliche ist.

Zuerst mal wollen Sie aber einen zentralistischen Ökostaat im Kriegs­modus?

Ich sage nicht Verstaatlichung, ich kenne die daraus resultierenden Probleme ja genau. Es gibt dann Korruption, es wird ineffizient und so weiter. Aber manchmal braucht es eine so­ziale Intervention, die den Markt reguliert. Das nenne ich provokativ Kriegs­kommunismus, aber eben um klar zu machen: Das ist kein kleiner Albtraum, der am Morgen wieder vergangen ist. Wir sind jetzt in einer permanenten Notlage. Darin enthalten ist auch reale Kriegsgefahr. Das betrifft nicht nur die Ukraine. Wie Walter Benjamin sagt: Wir können nicht einfach, wie Marx dachte, den Zug Richtung Zukunft übernehmen; was wir brauchen, ist die Notbremse. Wir müssen aus diesem Zug aussteigen.

Wie wäre es, zu sagen: Leute, ihr seid erwachsen, es gibt zwei Möglichkeiten: Wir passen uns an den Klimawandel an und machen die Wirtschaft zukunftsfähig – oder wir lassen es bleiben. Mehrheit entscheidet. Ihr habt die Freiheit; auch zu Aufgabe und Unfreiheit. In der Hoffnung, dass dadurch klar wird, dass wir im Moment eben nicht handeln und uns aktiv für Handeln entscheiden.

Da stimme ich total mit Ihnen überein, sehr gut. Die ganze Strategie des hegemonialen Diskurses von heute zielt darauf, zu sagen, wir tun ja schon das „Mögliche“. Aber Kriegskommunismus geht weiter: Roosevelt sagte nicht, wir brauchen mehr Waffen, er befahl es. Es geht nicht darum, was der Markt will oder was die Leute wollen: Wir sind in einem Krieg ums Überleben und brauchen jetzt ein bisschen mehr von einer guten Herrschaft.

Das ist Populismus.

Ist es nicht, weil es gegen die populäre Meinung gehen muss. Was ist Populismus heute? Etwas sehr Seltsames. Erinnern Sie sich an den 6. Januar 2021 in Washington? Die neue Rechte stahl uns mit ihrem Sturm aufs Kapitol sogar die Revolution. Trumps Chefideologe Steve Bannon sagte: Ich bin ein wahrer Leninist, ich will den Staatsapparat zerstören. Die paradoxe Situation war dann, dass die Linke plötzlich die Sprache von Gesetz und Ordnung sprach, nach der Nationalgarde rief und sagte: Warum greift die Polizei nicht brutaler durch? Aber wenn Sie diesen softautoritären Schub Richtung stärkerer Staat und Kriegskommunismus nicht mögen: Was ist denn Ihre Lösung?

Meine Antwort ist und bleibt die liberale Demokratie und das Argument.

Ja, ja, ich weiß selbstverständlich, wie wertvoll die liberale Demokratie ist, keine Frage, aber meine Sorge ist: Kann sie immer noch Leute mobilisieren? Zumindest brauchen wir mehr Notfallstaat-Mobilisierung oder vielleicht mit noch mehr Entfremdung – Leute, die dadurch zulassen, dass der Staat handelt.

Ich geben Ihnen recht, dass wir in einer grotesken Parodie von ­Habermas’ kommunikativem Handeln Sprechen mit Machen verwechseln. Je stärker wir beschwören, die Klima­krise bekämpfen zu wollen, desto mehr CO2 hauen wir in die Atmosphä­re raus. Um in Ihren Psychologien zu denken: Ist uns das wirklich nicht klar oder tun wir das absichtlich?

Hier bin ich ein Pessimist: Unterschätze nie das Ausmaß, in dem Leute bereit sind, sich selbst zu täuschen. Die Frage ist nicht einfach, ob wir das absichtlich tun oder nicht. Das hier ist etwas, was Freud in wunderbarer Sprache die fetischistische Verleugnung nennt. Wir wissen, dass es Ernst ist, aber wir nehmen es trotzdem nicht ernst. Wir wissen um die Gefahren, aber wir können dennoch nicht handeln. Da ist etwas Verzweifeltes in dieser Situation, vielleicht – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – brauchen wir eine ernsthafte Katastrophe für das Aufwachen.

Ich mag das überhaupt nicht, auf eine geile Katastrophe zu hoffen, weil wir Menschen es angeblich sonst nicht kapieren.

Tja. Wir in Westeuropa lebten auf einem wunderbar isolierten Kontinent, Krieg gab es nur im Fernsehen. Der Krieg ­gegen die Ukraine dagegen ist in unserer Nähe, wir können ihn nicht wegschieben. Das bringt aber wieder eigene Probleme mit sich. Während ich die Ukraine hundertprozentig unterstütze, so mag ich es doch nicht, wenn Selenski sagt: Wir verteidigen die europäische Zivilisation. Damit spricht er Putins Sprache, indem er das Gegenteil von Putin sagt, also Westeuropa sei dekadent und so weiter. Nein, das ist ein radikalerer und generellerer Konflikt. Wir verteidigen einige … nennen wir das mal naiv: Werte. Universale Werte. Die wirkliche Lektion aber ist, dass es eben auch nicht mehr rein lokale Kriege gibt. Und genau deshalb haben wir auch nicht mehr das Recht, auf Distanz zu bleiben.

Der russische Angriff auf die Ukraine hat uns Deutsche aus unserem gemütlichen geopolitischen Nirwana geworfen. Wir haben angefangen, darüber nachzudenken, ob der Hinweis auf die deutsche Schuld noch angewendet werden kann, um sich aus allem rauszuhalten.

Aber haben Sie eine Antwort, wie man Leute mobilisiert? Ich meine mobilisieren im Sinne des Wortes, und ich meine gerade Linksliberale. Die sagen oft zu mir: Ich hab die Patenschaft für ein kleines Kind in Somalia übernommen, ich sende jeden Monat 50 Dollar, einmal im Jahr kriege ich ein Foto.

Was wollen Sie uns sagen?

Ein australischer Stamm, glaube ich, hat Folgendes zu westlichen Besuchern gesagt: Wenn ihr gekommen seid, um mit uns zu kämpfen, willkommen. Wenn ihr aber gekommen seid, um mit uns zu sympathisieren, dann verpisst euch. Ich will sagen: Wir müssen diese Charity-Logik ablegen, die darin besteht, dass wir bezahlen, damit andere bleiben, wo sie sind, weit weg von uns – und wir nichts an dem ändern müssen, wie wir leben. Und jetzt sage ich Ihnen mal etwas, wofür mich viele Linke hassen.

Bitte.

Ich habe nie diese simplizistische Theorie akzeptiert, dass man seinen Grad an radikalem Linkssein daran bemisst, wie viel Einwanderung man möchte. Zunächst mal: Offene Einwanderung ist keine Lösung, sondern fast schon eine Formel für Bürgerkrieg. Zweiter Punkt: Diejenigen, die kommen, sind in der Mehrheit die Privilegierten dort, die sich die Inanspruchnahme dieser Netzwerke und der Fluchtindustrie leisten können. Häufig junge Männer. Es bringt nichts, darüber nachzudenken, wie viele hierher kommen sollen. Meine wahre Sympathie gilt denen, die dort bleiben. Es braucht also einen grundlegenden radikalen Wechsel, globalökonomisch, sonst wird das nicht funktionieren.

Wo soll der herkommen? Der Westen hat viele Fehler gemacht beim Versuch, anderswo grundlegende Wechsel durchzusetzen.

Ja, Putin ist die Reaktion gewesen auf die katastrophale ökonomische Situation in den Jelzin-Jahren unter westlichem Einfluss. Der Westen hat damals mit seinen ökonomischen Ratschlägen Russland Richtung China geschoben. Schauen Sie: China hat den Kapitalismus intelligenter eingeführt, man begann mit kleinen Unternehmen, die natürliche Ressourcen für den alltäglichen Bedarf hergestellt haben. In Russland war das umgekehrt: Sie privatisierten Öl, Minen, Rohstoffe, das war eine Katastrophe. Anti-Eurozentrismus ist heute fast schon eine Mode. Die Mehrheit der Linken in Lateinamerika, Putin und die Rechten in den Vereinigten Staaten haben eines gemeinsam: Hass auf das vereinte Europa.

In Vielfalt geeint“ heißt das schöne Motto der EU.

Ich denke immer noch, dass Europa ein großes Vermächtnis der Emanzipation und der EU-Idee hat, dass verschiedene Kulturen zusammen ihre Probleme ­lösen.

Das ist ja eine total langweilige Position für einen Provokateur wie Sie. Die habe ich auch.

Ja, die ist langweilig. Ich weiß schon, dass die Leute mich den Kerl nennen, der gern das Gegenteil sagt, das mag auch so sein. Aber vielleicht ist ja langweilig sein die neue Haltung. Was ist denn die Alternative? Katastrophe. Nein: Ökonomisch vereint, aber kulturell getrennt, das ist mein Ideal.

Also auch nicht den viel beschwo­renen Kulturgraben zwischen Stadt und Land, Osten und Westen be­arbeiten?

Nein, nehmen Sie die Schweiz: ökonomische Vereinigung mit kultureller Autonomie. Wales, Schottland! Kulturelle Identitäten sind die besten Waffen gegen neue rassistische Tendenzen. Aber ich zweifle, ob die traditionellen liberalen Demokratien in Zukunft funktionieren werden. Man hat alle vier Jahre Wahlen, während China bis 2050 durchplanen kann. Wir brauchen eine Idee, wie wir individuelle Freiheit schützen und dennoch größere Koalitionen hinbekommen. Deshalb bin ich auch so gegen die woke Linke. Weil sie spaltet sich in Kleingruppen, die sich gegenseitig attackieren. Statt Gemeinsames voranzubringen, sät sie ständiges Misstrauen gegenüber allem, was man sagt, und völlig ohne grundsätzliches Programm. Das ist wirklich tragisch und selbstzerstörerisch. Wir werden uns stärker in Richtung große Koalitionen orientieren müssen. Vielleicht hatte ja Deng Xiaoping recht – dafür werden Sie mich jetzt aber wirklich hassen –, dass er dem Druck 1989 nicht nachgegeben hat, in China Demokratie einzuführen.

Er hatte recht damit, den Studentenprotest für Freiheit mit Panzern brutal niederzuschlagen zu lassen und eine drei- bis vierstellige Zahl Menschen umzubringen?

Nein, das nicht, aber es gibt unglaubliche Spannungen, etwa zwischen der Region Peking und der Region Shanghai. Wenn man Mehrparteiendemokratie einführte, das ist die These, würden sich die Parteien nicht nach politischen, sondern nach geografischen, lokalen, ethnischen, nationalistischen Gesichtspunkten sortieren und alles würde auseinanderbrechen. Was Deng Xiaoping tat, ist dieses: Ein starker Staat, auf starker nationaler Verteidigungslogik fußend, übt moderate Kontrolle über die Wirtschaft aus. Eigentlich hat er China von einem kommunistischen zu einem moderat faschistischen Land verwandelt. Das wird auf Dauer aber auch nicht funktionieren. In China sind sie verzweifelt, die ganze Zeit Proteste.

Dann hatte Deng also doch nicht recht?

Das Problem ist: Wie tut man das, was China tut, ohne seine neofaschistische Formel zu benutzen? Ich denke, wir brauchen auf jeden Fall sehr große Koalitionen – aber die dominante liberale Logik verhindert jede Form einer größeren Koalition.

Sie sprechen immer so routiniert über „die Linke“. Gibt es die überhaupt?

Im alten Sinne nicht. Allerdings ­brauchen wir die Linke mehr denn je. Unsere Gesellschaften sind mehr und mehr blockiert von einer Konstellation mit einem liberalen Zentrum – prokapitalistische Leute, kulturell immer progressiv, wie sie das nennen, die ein bisschen mit Sozialrechten flirten, jaja, den armen Armen helfen blabla. Und dann gibt es zunehmend die neuen Rechtspopulisten. Das große Problem ist es, aus dieser Konstellation herauszukommen. Leute wie Trump sind nicht vom Mond heruntergefallen, das dürfen wir nie vergessen. Sie werden stark, weil viele normale Leute sehr unzufrieden sind mit dieser dominierenden liberalen Demokratie.

Nun die Gretchenfrage für Sie als Marxisten: Marx wusste nichts von den Folgen fossiler Produktion …

Ja, aber …

Jetzt lassen Sie mich auch mal was sagen.

Bitte.

Das marxistische Denken, die Sozialdemokratie sowieso, kann den Verteilungsanspruch nicht zusammenbringen mit einer Gerechtigkeit, die auch Natur nicht mehr ausbeutet und zudem die Rechte der Zukünftigen sichert.

Ja, stimmt. Sie haben recht, dass Marx die Grenzen des Wachstums nicht wirklich klar waren, aber er hat da immerhin dran rumgedacht. Brutal gesagt aber war Marx’ Idee von Kommunismus: Kapitalismus ohne Kapitalismus. Die gleiche kapitalistische Dynamik einer permanent wachsenden Produktion – ohne Kapital, expansive Produktion ohne Profitmotiv. Das war sein großer Traum – und der war falsch. Ich denke, dass wir grundsätzlich aufhören sollten mit der Idee des Fortschritts. Nicht im reaktionären Sinne, sondern in dem Sinn, den uns die Geschichte gelehrt hat. Falls sie uns irgendwas gelehrt hat.

Heißt?

Jede Epoche muss radikal Fortschritt neu definieren. Das ist der Grund, warum ich mich als Hegelianer definiere.

Hab mich schon gefragt, wann Sie endlich Hegel ins Spiel bringen.

Wissen Sie, was das Großartige an Hegel ist? Wann immer etwas Großes passierte, war seine erste Frage: Wie können jetzt die Dinge schieflaufen? Wie entstand aus der Freiheit der Französischen Revolution der Terror? Das hat ihn geprägt. Hegel würde die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts geliebt haben, die war fast paradiesisch.

Hm.

Doch. Frieden, Fortschritt, sozialer Fortschritt. Doch dann kam der Erste Weltkrieg. Wie entsteht aus einem halben Jahrhundert Paradies diese Mega­katastrophe? Das wäre Hegels Moment gewesen, und deshalb brauchen wir heute Hegel. Bei all den verrückten Dingen, die wir tun und im Begriff sind noch zu tun, brauchen wir Leute, die uns sagen, wie Dinge schiefgehen können, um sie gegebenenfalls nicht zu tun.

Zum Beispiel?

Denken Sie an die verrückte Idee, Schwefel in die Atmosphäre zu schießen, um das Weltklima abzukühlen. Wer weiß denn, welche anderen Katastrophen das triggern kann? Wir brauchen nicht einfach neue Utopien. Wir brauchen mehr denn je kritisches Denken, das permanente Aufmerksamkeit darauf richtet, wie die Dinge schief­gehen können. Hier muss ich zu­geben, dass Rosa Luxemburg das schon 1918 bei Lenin gesehen hat, als sie kritische Bemerkungen zum Bolschewismus schrieb. Sie war aber auch naiv, als sie sagte: Die Zukunft ist entweder Sozialismus oder Barbarei. Mit Stalin bekamen wir beides gleichzeitig. Jedenfalls ist die kritische Lage, in der wir sind, der Grund, warum wir die Philosophie mehr denn je brauchen.

Letztlich sei Demokratie nur ein Deckmäntelchen für Kapitalismus, sagen Sie.

Wo habe ich das gesagt?

In Ihrem neuen Buch.

Das ist eine Provokation.

Die Frage ist dann aber doch: Leben wir in der Illusion einer liberalen Demokratie?

Nein, nein, ich bin ein guter Hegelianer und weiß, dass Illusionen nie nur Illusionen sind. Marx sah das sehr klar: Illusionen erhalten unsere Wirklichkeit. Ich bin nicht gegen Demokratie. Ich denke nur: Wenn wir überleben wollen, muss die Demokratie neu erfunden werden.

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56 Kommentare

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  • "... die ein bisschen mit Sozialrechten flirten" - bei Licht besehen der Kern des Liberalismus.

    "Hegel würde die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts geliebt haben, die war fast paradiesisch."



    En passant ein Zeitsprung, 1845 bis 1852, Irland - bekanntlich über eine Million Hungertote.

    Gleichwohl in summa ein anregender Diskurs.

  • Wow, der Mann macht mir Hoffnung - die wahren und über jede ideologische Grenze hinausblickendenken kritischen Selbst-Denker sind doch nicht ganz ausgestorben. Er schreibt mir aus dem Herzen. Doch auch der Gescheiteste kann in diesen Zeiten nur scheitern. Der Kleingeist, ob links, rechts, Mitte oder sonstwo Zuhause, hat mit Machtinstinkt und pseodoelitärer Selbstgefälligkeit noch jeden Freidenker niederregiert.

  • Die Unschärfe seiner Kategorien erlaubt es Herrn Zizek da "Paradoxien" zu konstruieren, die nicht vorhanden sind.



    Z.B.



    "Die paradoxe Situation war dann, dass die Linke plötzlich die Sprache von Gesetz und Ordnung sprach"

    Nur sind die "Democrats" keine Linke, sondern eine urbane kapitalaffine Oberschicht. Die Machtkämpfe zwischen Democrats und Republicans gleichen doch eher solchen zwischen Tories und Whigs aus vergangener Zeit und gehören nicht in das Schema von links und rechts.

    --

    Dass Herr Zizek nun von einer "Notbremse" spricht, und noch schlimmer "provokativ" wie er das findet von "Kriegskommunismus", worunter ich mir etwas ganz anderes vorstellte als was vom Wortgeber angedacht und damit eigentlich das Regieren im Ausnahmezustand meint, sollte man auch erkennen. Die Schmitt-Mode der jüngeren Zeit dürfte ja wieder abgeflaut sein. Ist es mehr als Wunschfantasie einer vermeintlich radikalen Linken, endlich mal ungestört an die Machthebel zu kommen, den Ausnahmezustand heraufzubeschwören?



    Wie sah es denn historisch damit aus, hat sich ein solcher jemals als nicht "expandierend" geriert wie Herr Zizek es fordert? Geht die Konzentration von Macht nicht einher mit den Mechanismen ihrer Streuung? Von Einhalt und Mäßigung durch jenes Staatsinstrument, welches den Staat und seine rechtlichen Grenzen außer Kraft setzt, zu träumen, meinetwegen, nur welcher unbewusste Wunsch steckt drunter?

  • Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Paradies?



    In den von Europa kolonialisierten Ländern sowie Nordamerika sicher nicht.

    • @aujau:

      In den Kohlegruben Londons oder der Kanalisation von Wien und anderen Orten der Armut in Europa auch nicht.



      Die Belle Epoque war ein Abziehbild.

  • "Kriegskommunismus"



    Mir ist nicht klar, wie sich diese links-autoritäre Politik in ihrer Legitimation von rechts-autoritärer unterscheiden soll. Auch die rechts-autoritäre beruft sich auf eine "sehr große Koalition" oder Mehrheit, welche sie dann aber dazu in die Pflicht nimmt, um z.B. die Klimakrise für nicht existent zu erklären oder Sprech- und Leseverbote in Schulen zu verfügen. Ist diese Büchse des befehlenden Herrschens erst einmal geöffnet, so fürchte ich, zerfallen die demokratischen Staaten in ein linkes und ein rechtes Lager, zwischen denen keine internationale Einigung mehr möglich ist.



    Ich finde immer noch, dass die elementare Legitimation einer demokratischen Regierung darin besteht, dass sie sich in allen Entscheidungen um gesellschaftlichen Ausgleich bemüht - auch in Krisenzeiten. Dieser Ausgleich mag zwar z.B. während der Coronakrise nicht immer gelungen sein, aber Absicht und Anspruch waren vorhanden.

    • @mats:

      "Ich finde immer noch, dass die elementare Legitimation einer demokratischen Regierung darin besteht, dass sie sich in allen Entscheidungen um gesellschaftlichen Ausgleich bemüht - auch in Krisenzeiten. Dieser Ausgleich mag zwar z.B. während der Coronakrise nicht immer gelungen sein, aber Absicht und Anspruch waren vorhanden."

      Das, und der Schutz unterprivilegierter Minderheiten.

      Das Zelt so groß wie möglich aufspannen, aber nicht um den Preis dass Leute im Regen stehen müssen, die sich noch nicht mal Schnupfenmedizin leisten können.

      Und ich vermute, "Kriegskommunismus" bedeutet dem Meisterdenker gar nichts Inhaltliches, sondern es ist einfach der mediale Marktwert des Kompositums "Krieg" (unerhört!) + "Kommunismus" (unerhörter!!).

      Der einzige "Krieg", mit dem wir es da zu tun haben, ist der suizidale Lanzenritt des Homo hayekensis gegen die Knochenmühlen der Thermodynamik.

      Naturam expellas furcā, tamen usque recurret.

  • „Ich bin gegen die woke Linke“

    Wie Söder, DeSantis und die Alt-Right Bewegung bzw. Rechtsextremisten und Republikaner usw. auch. Ist das sinnvoll? Sinnvoll wäre es, wenn die Linke solidarisch zusammensteht und gemeinsam den Kampf gegen rechts aufnimmt. Aber das bleibt wie immer ein unerreichbares Ideal ...

    • @Hannah Remark:

      Glauben Sie mir, Sie wollen nicht geschlossen mit allem stehen was sich "links" nennt. Und falls doch, dann gibt es genügend Linke die nicht mit Ihnen geschlossen stehen wollen.

      "Links" ist kein Allheilmittel und auch keine Heiligsprechung. "Links" ist eine vereinfachende Schublade, die eine komplexe politische Positionierung in eine von zwei Schubladen steckt. Und noch schlimmer: Man entscheidet ungeachtet der eigenen Position selbst welche Schublade das ist.

      Die gemäßigten Linken und Rechten haben viel mehr miteinander gemein, als mit ihren jeweiligen Rändern. Dies und noch wichtiger - diese Erkenntnis - ist der Grund aus dem unsere Demokratie noch nicht an die Wand gefahren wurde.

    • @Hannah Remark:

      Daran ist nichts unerreichbar.

      Schauen Sie sich einfach alle Politiker*innen von Linkspartei und Grünen an, die inhaltlich richtig gut miteinander können.

      Und auch hier lohnt es sich, Dörres "Die Utopie des Sozialismus" zu lesen.

    • 6G
      665119 (Profil gelöscht)
      @Hannah Remark:

      Wenn die woke Linke ihre merkwürdige Symbiose mit der neoliberalen Globaliserung aufgibt und diese ebenfalls als rechts begreift, gern.

      • @665119 (Profil gelöscht):

        Diese "Symbiose" gibt es zwar nicht, herbeifabuliert wird sie aber meistens auf einer nationalchauvinistischen Grundlage die da lautet "unsere Arbeiter" (:innen ist ja sowieso verpönt) zuerst. Hat man super letztes Jahr gesehen, wie weit die internationalistische "Solidarität" des Tankie-Lagers so trägt, als die steigenden Gaspreise in Deutschland der Weltuntergang waren, aber das Ukrainer:innen erfrieren weil Putins Raketen die Wärmeinfrastruktur zerlegen kein Wörtchen wert war. Da lobe ich mir eher den aufgeweckten Teil der Linken der nach wie vor Solidarität globalisierten will (und nicht den "Neoliberalismus"), für die einen kämpft ohne die anderen zu vergessen.

        • 6G
          665119 (Profil gelöscht)
          @Nazgul:

          Können Sie EIN einziges Beispiel nennen, wo identitätspolitische Phrasen bzw Argumente für konkrete Arbeitnehmerkämpfe oder rechtsstaatliche Initiativen gegen das Kapital verwendet wurden und nicht etwa dazu, diese zu sabotieren, zu spalten oder sie aus den Medien zu verdrängen?

      • @665119 (Profil gelöscht):

        Warum sollte die woke Linke etwas begreifen, was nicht stimmt.

        Die Rechten sind deutlich gegen neoliberale Globalisierung. Das ist aktuell ein wichtiger Punkt für sie.

        Ich meine, man kann gut gegen neoliberale Gloobalisierung sein, ohne sie den Rechten in die Schuhe zu schieben.

        Dann wird es auch leichter zu erkennen, wer rechts ist.

        • 6G
          665119 (Profil gelöscht)
          @rero:

          Ist rechts nicht immer das, was die herrschenden Eliten zwecks Besitzstandwahrung und Machterhalt verfolgen? Was je nach Situation und Elite leicht variieren kann? Das wäre auf jeden Fall mein Verständnis von rechts.

  • Die bisherige "Diskussion" belegt mal wieder, warum wir Menschen es einfach nicht lösen können. Es ist völlig egal wie wir eine mögliche Lösung benennen, herleiten etc. Fakt ist und bleibt: ALLES was wir Menschen bisher getan haben hat uns und den Planeten in die heutige Situation gebracht! Fakt ist auch, wenn wir so weiter machen, wird die Erde für uns Menschen unbewohnbar! So, das ist die Ausgangslage. Wir müssten also völlig NEU und OHNE sog. "altbewährtes" mit einzubeziehen ein anderes Zusammenleben aufbauen. Das ist erst einmal nur die Aufgabe vor der die Menschheit steht. Problem ist, es will keiner auf bekanntes verzichten und kann es sich auch kaum vorstellen das es funktionieren könnte! Die Menschheit muss zu allererst mit dem "Besitz"-Begriff aufhören, denn der Mensch besitzt überhaupt nichts! Das ist der zentrale Punkt, der uns Menschen zu ZERSTÖRERN werden ließ. Wenn wir das nicht lösen, werden wir aussterben.

    • @Karsten Wehrmeister:

      Werden wir das lösen, wenn nichtmal eine wirhabenverstanden-Geste wie ein Tempolimit möglich ist?

  • Die friedliche zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nur mal so als Beispiele:



    Deutsch-Dänischer Krieg, Deutscher Krieg, Deutsch-Französicher Krieg.



    Ich werde das Gefühl nicht los, dass er sich die Sachen so hinbiegt, dass sie für ihn passend sind.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Zorolowski:

      Sie müssen historische Situationen in Relation zu ihrer Umgebung betrachten, nicht mit ihren modernen Ansprüchen. Denn in diesem Kontext gibt es keine Epoche an der nichts auszusetzen wäre, womit auch keine Verbesserung absehbar ist. Veränderungen geschehen in kleinen Schritten. Schwarz/Weiss ist falsch, alles ist grau. Und wird (hoffentlich) langsam heller.

      Es gab Immer bewaffnete Konflikte. Überall. Aber es gab Perioden der europäischen Geschichte, die mit relativ (!) Wenig Konflikten auskamen. Verglichen mit Hundertjährigem und Dreißigjährigem Krieg, Den Expansionen der Ottomanen, Napoleon...

      Das "Concert of Europe" hat in der Phase nach Napoleon versucht das Gleichgewicht aufrecht zu erhalten..das war nicht perfekt (Krim-Krieg, die dt. Einigungskriege), aber spürbar. Jedenfalls in Europa. Insbesondere nach 1871. Insbesondere im Deutschen Reich.

    • @Zorolowski:

      Ganz zu schweigen davon, was die Europäer*innen im Ausland angestellt haben! Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kolonialisierung Afrikas auf Hochtouren und unter grausamster Brutalität betrieben.

  • Dass bei Umweltthemen immer von "Wir" gesprochen wird. Als gäbe es sowas. Als wären alle Menschen Akademiker, die Zeit und Lust haben, sich Gedanken über derartige Themen zu machen. Als gäbe es überhaupt Konsens. Diese ganzen Diskussionen und Debatten werden auf einem angehobenen Niveau geführt. Kein Wunder, dass der "einfache Mann", von dem es vielevuele gibt, sich nicht angesprochen wird.

    • @Ki. Ki.:

      richtig, Sprache ist eben eines der Herrschaftsinstrumente- Es soll ja nicht verstanden werden.



      die Hunde müssen halt draußen bleiben....

    • @Ki. Ki.:

      Was haben sie für eine Vorstellung von Akademikern, Schöngeister mit jeder Menge Zeit? Glauben sie das "einfache Menschen" sich nicht für Klimaschutz interessieren? Der Riss geht durch alle Schichten unserer Gesellschaft.

    • @Ki. Ki.:

      "Leute wie Trump sind nicht vom Mond heruntergefallen, das dürfen wir nie vergessen. Sie werden stark, weil viele normale Leute sehr unzufrieden sind mit dieser dominierenden liberalen Demokratie."



      und dieses akademische Niveau, die Sicht der Wohlhabenden auf den Klimawandel und die aus dieser Weltsicht geborenen Ideen zur Lösungen, die ganz oft die unteren Einkommen belasten, zahlen leider weiter auf das Konto der Unzufriedenen ein. Liberaler Klimakampf, krankt an der fehlenden Perspektive der nicht Wohlhabenden, dadurch wird ein Gegensatz geschaffen, der eigentlich ein Gemeinsam sein sollte und müsste.



      Das stärkt die rechten Populisten und verunmöglicht letztlich (womöglich) den Kampf gegen den Klimawandel. Das daraus resultierende Nichthandeln, werden alle bemerken und wiederum am stärksten die Nicht-Wohlhabenden.



      Es läuft alles in Richtung Rechts.

    • @Ki. Ki.:

      Ich befürchte, Sie sprechen hier eine nicht überwindbare Kluft an. Und ich gebe Ihnen auch recht, die Vermitlung der Konzepte und ihre Popularisierung usw. muss tatsächlich auf jedem "Diskursniveau" stattfinden. Allerdings zu erwarten, dass auch die Erarbeitung und die theoretische Auseinandersetzung mit den Konzepten auf vereinfachter Sprache und Kommunikation stattfindet, ist vielleicht nicht ganz realistisch. Es gibt vielfach Beispiele, wie es dennoch geht, grob gesehen blickt niemand durch, was die Ingenieurinnen in den Mobiltelefonen und sonstigen Gadgets so treiben und alles berechnet haben. Und dennoch ist eine mündige informierte und selbstbestimmte Nutzung für jede/n möglich. Selbst die uninformierte verschworene Ablehnung steht zur Auswahl. Wir können es vielleicht so auch in anderen Bereichen halten, ohne, dass der Vorwurf der Abgehobenheit gerechtfertigt wäre. Wir überlassen z.B. die Debatten in der Rechtsphilosophie den Philosophen, Juristen usw., die Auswirkungen und Verwicklungen lassen wir druch andere (Medien, Lehrer, Demagogen, Revoluzzer) vermitteln und die Gesamtgesellschaft auf einem ggf. entsprechend angepaßten Niveau der Abstraktheit auskaspern. Wäre das was?

    • @Ki. Ki.:

      Sich Gedanken über derartige Themen zu machen? Ja, natürlich, unbedingt! Warum sollte ich als die kleine Frau mir keine Gedanken über ,,derartige Themen " machen ? Weil ich keine Zeit dazu habe? Wohl eher keine Lust, oder?



      Die zukünftigen Wetterkapriolen und andere katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels machen auch vor Ignoranten keinen Halt. Mein einziger Trost in einer Welt , in der Dummheit und Egomanie mich fassungslos machen.

  • Herr Žižek, das sind nun alles keine Konzepte, die wir nicht kennen würden, auch wenn sie so anmoderierte werden. "Der gute Hegemon" ist beileibe nicht etwas, was man nicht diskutiert hätte. Dass er nur eine Spielart des Paternalismus ist, sollte inzwischen klar sein. Dass Letzterer nur notdürftig verkleideter Patriarch und dieser nur ein historischer Erbe des absolutistischen Herrschers usw. usf. sollte auch klar sein. Das was hier als milder Dirigismus oder "China Modell" oder meinetwegen mit dem dämlichen Namen "Kriegskommunismus" vertrieben wird, ist stets eine partielle Entmündigung des Leute. Möge doch ein Roosevelt-Wiedergänger doch sagen was zu tun ist und alle krempelt die Ärmel hoch. Auch Einsicht durch Befehl hatten wir schon mal ausprobiert. Der springende Punkt ist, dass wir kein Konzept dafür haben, die Leute zum Notwendigen zu überzeugen. Enzug von Mündigkeit ist nun wirklich keine Lösung, auch wenn man diese neu tauft. Erzähle mal einer, wie man Leute überzeugt. Erzwingen beherrscht praktisch jeder Idiot. Das Beispiel China ist daher auch ledilich passend, denn China kalkuliert ökonomisch ohne wirkliche Einberechnung des Wohls, der Autonomie, der Selbstbestimmung der Leute. Diese sind nur insofern es andere Güter befördert (Stabilität des Herrschaftssystems) eine relevante Größe. Die Eingriffe in diese Bereiche sind nicht als Gesamtwohlkalkül motiviert, sondern inhärent willkürlich im Zusammenhang mit diesen Größen und nur extern motiviert - kurzum was die Herrschaft bedroht, kann weg. Selbst wenn wir das Modell an ein "echtes" Ziel anpassen (Umweltschutz), können wir nicht die Kalküle übernehmen und Wohlergehen+Autonomie radikal-chinesisch beschneiden. Ich meine nicht Wohlstandseinbußen; die sind vertretbar. Das China-Modell versucht den dirigierten politischen Zombie zu kreiieren. Unser Weg seit der Aufklärung ist aber mündige informierte Einsicht. Obiger Vorschlag ist keine linke Apostasie, sondern allenfalls noch so'n Revival des Protofaschismus!

    • @Chris Demian:

      Wohlstandseinbußen sind vertretbar und notwendig, aber politisch nicht durchsetzbar.

      Einbußen wird es geben, aber keine freiwilligen.

      Wahlplakate wie "Die fetten Jahre sind vorbei!", Sind ja nicht gerade erfolgsversprechend.

  • Ich ergänze: Um zu überleben, muss der Markt neu erfunden werden: Klima-Kapitalismus statt Kriegs-Kommunismus!

  • Es fehlt dieser ganzen Debatte an einer vermittelbaren Perspektive. Ob liberale Demokratie oder Kriegskommunismus ist erstmal egal, die Frage ist eher was sie außer Niedergang und Entbehrungen zu bieten haben.

    Die Parallelen zum Krieg gibt es nicht, die Perspektive im Krieg ist der Sieg und die Rückkehr zur Normalität. Eine solche Perspektive gibt es beim „Klimakampf“ nicht.

    Ohne glaubhafte Alternative zu „Blut, Schweiß und Tränen für immer“ wird der menschliche Selbstbetrug anhalten, niemand zieht in eine ewige Schlacht die nur ausgefochten wird um den Verzicht zu erzwingen. Es ist ein irrwitziger Gedanke da auf große Mehrheiten zu hoffen…

    Überleben, nur um dann im Elend zu enden? Ist das wirklich alles?

    Es fehlt eine glaubhafte und attraktive Perspektive…

    • @Nafets Rehcsif:

      1 Stichwort wäre "solar Punk".

      Es gibt durchaus Ideen und Vorstellungen zu Utopien.

      Stellen Sie sich einfach Mal vor in der Großstadt fahren keine Autos mehr, nur noch Lieferwagen, Krankenwagen, Feuerwehr. Der meiste Straßenverkehr sind Fahrrad, Escooter, Lasträder. Es gibt keine öffentlichen Parkplätze, überall wachsen Obstbäume, Sträucher, Kräuter, Wildblumen, Pilze. Jeder Stadtteil kann selbst an der Ausgestaltung der öffentlichen Bepflanzung teilnehmen oder Bänke und Tische austellen. Auf den Dächern ist neben Solar meist noch ein gemeinsamer Garten und/oder Bienenstöcke. Die Luft ist so frisch wie im Wald und auf den breiten Gehwegen findet jede Platz. Der öffentliche Nahverkehr ist kostenfrei, gut getaktet und inklusiv gestaltet. Die Rollstuhlfahrer*in aus dem Dorf kann ohne Probleme und ohne fremde Hilfe die Freundin in der Stadt besuchen. Das BIP ist um 50% eingebrochen aber durch Umverteilung und neue Prioritäten der Mehrheit merken das vor allem obere Mittel und Oberschicht. 20h Woche ist die neue Norm und die Menschen nutzen die gewonnene Freizeit für Gemeinschafts und Nachbarschaftsprojekte, für Gärtnerei, Hobbies. Es wird wieder häufiger selbst Brot gebacken, vor allem im Sommer, mit Solarofen auf dem Balkon. Kleidung wird wieder geflickt, Kinder spielen auf der Straße. Der öffentliche Raum gehört den Menschen, nicht Blechkisten.

      • @sociajizzm:

        So was in der Art, ja.

  • Wenn Slavoj Žižek die 50 Jahre vor 1. Weltkrieg 1914-1918 paradiesisch gelten, was sind dann Referenzgrößen seiner Philosophie. Denn diese Jahre waren Brutstätte, dass aus bis dato privat-unternehmerischem Kolonialismus Vagabundentum auf eigene Rechnung oder unter Schirmherrschaft regierender Dynastien in Europa, versehen mit königlichen Kaperbriefen, seit Berliner Kongokonferenz unter Schirmherrschaft Reichskanzler Bismarcks 1884/1885 ein monarchistisch nationales Projekt wurde, neben der äußeren nun die innere Kolonisation gegen sozialdemokratische Umtriebe ins Werk zu setzen (s. Begriff bei Alfred Hugenberg (1865-1951). Von da an war im Wege industrieller Revolution, prosperierender Weltwirtschaft, Handel, Wandel, Verkehr staatlich alimentierter Kolonialismus zum Tummelplatz militärisch hochgerüstet europäischer Mächte geworden im Ringen um Weltmarktanteile an Ressourcen, Arbeitskräften, Rohstoffe, Bündnisse unter- und gegeneinander geheimdiplomatisch an Parlamenten vorbei zu vrbriefen, sich selber innenpolitisch durch Kanonenbootpolitik in Allianzen Williger gegen Dritte als Herrscher mit Weltgeltung zu profilieren. In diesen 50 Jahren wurde das freiheitlich europäische Projekt mit Frankfurter Paulskirchen Parlamentarismus 1848 republikanischer Referenzgröße durch bismarcksche Budervolkkriege unter deutschen Stämmen auf Jahrzehnte begraben um das Linsengericht kleindeutscher Hohenzollern Monarchie von Gottes Gnaden. Žižek nennt sich Hegelianer und zehrt blindlings von Hegels Drama, Weltgeist halluzinieren zu müssen, weil der erst mit Völkerbund 1920, UNO 1946 weltliche Präsenz probt, Hegels Weltgeist, Kants Weltfriedens Idee Räume schuf, die es nur zu betreten gilt und nicht zu meinen, der organsierte Weltgeist, Weltfrieden müsse erst hegilianisch . kanitanisch neu erfunden werden, seines Amtes zu walten auch was das unherorische Ende Urainekrieges betrifft ohne Sieger,noch Besiegte in Ausgleichmechanismus, den die UN Vollversammlungmitglieder mit verhandeln

    • @Joachim Petrick:

      Danke für die hier und unten erfrischend klaren Worte - anschließe mich.



      &



      Sach mal so: Wer den GRÖLUFAAZ Sloterdijk - Steuern sind dem feinen Herrn exBrodfresser - staatlicher Raub!



      & Elmauer Menschenpark - Bezugsgröße ist - der ist heute schlicht längst nicht mehr satisfsktionsfähig! Woll.



      Und le petit cheflereporter Peter Unfried - dem für aktuell - ein Joseph Fischer = verfassungs&völkerrechtswidrige Kosovo-Bombardierung Teilnahme Schland - eine unfaßbare Bezugsgröße ist - erledigt den Rest •

      kurz - du packst dich sn die Nase & denkst du träumst! Gelle.



      Aber es ist wahr! Newahr.



      Normal. - 🙀🥳👹 - Schonn.

      • @Lowandorder:

        schön mal wieder mit ihnen einer Meinung zu sein ;) schließe mich der Kritik des Mitforisten an.

      • @Lowandorder:

        Starterkit - GRÖLUFAAZ -

        Größter Luftblasenabdrücker Aller Zeiten

  • Hm. Ich weiss nicht.

    Da sind Fridays For Future schon weiter gewesen.

  • hey ... das ist aber mal ein guter Typ ! Ist natürlich unterm Strich deprimierend, klar - aber schön auf den Punkt gebracht. Manchmal hilft es schon, etwas nicht alleine so sehen zu müssen. Vielen Dank allen beiden !



    ("Jetzt lassen Sie mich auch mal was sagen." :-)

  • Noch eine Anmerkung zu Zizeks selbstdiagnostiziertem Zwangsneurotizisums.

    Wenn man sich mit der psychiatrischen Nomenklatur etwas auskennt, erkennt man bei Zizek leicht eine emotional-instabile Persönlichkeit von tatsächlich nicht hervorragenden Gesundheitsniveau. Die innere Motivation des unaufhörlichen Redens ist eine Sucht nach bestimmten bevorzugten Gefühlen und deren Ausdruck, die durch die Aktivierung von bestimmten Gedankenwelten hervorgerufen werden.

    Männer mit diesem Persönlichkeitsstil im krankhaften Bereich werden oft mit ADHS fehldiagnostiziert, weil Männer als rational und nicht emotional gelten (und die meisten Psychiaterinnen und Psychiater in ihrer eigenen Nomenklatur nicht durchsteigen).

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Alexa Benning:

      Möchten Sie auch für sich selbst eine öffentliche psychiatrische Ferndiagnose an Hand Ihrer Beiträge bekommen?

  • Mit scheint, dass er die einzige interessante Idee, wie wir den Klimawandel politisch stoppen können, nämlich mit einer staatlich organisierten Güterproduktion, wie es zuletzt die Notlage des 2. Weltkrieges in Deutschland nötig machte, bei Ulrike Hermann aufgeschnappt hat.

    • @Alexa Benning:

      Ulrike Hermann findet das UK ab Kriegseintritt 2. WK bis wasweißich 1961 toll. Die Briten waren wohl so allgemein auch dafür, sodaß Rationierungen ziemlich konsequent für alle galten.



      Halte sowohl als auch (also die Argumente von Slavoj Žižek) für "kammermalgedanklichdurchexerzieren" . Wird nix*lol*.

    • @Alexa Benning:

      Nun ja, wenn so kleine Geister wie z.B. ich auch schon auf diese Idee gekommen sind, kann man Herrn Zizek schon zutrauen da eigenständig draufgekommen zu sein.

    • @Alexa Benning:

      Das heißt ja nicht, dass es falsch ist....

      • @Dietmar Rauter:

        Ulrike Herrmanns Vorschläge finde ich sehr spannend.

  • Ach er ist wirklich am besten in einer pr- oder werbeagentur aufgehoben. Onhaltlich nicht viel neues, aber plakativ provokativ gut verpackt. Und wer mit dem Begriff Kriegskommunismus spielt, der sollte dann auch zu dessen Geschichte stehen. Lenin unterdrückte unter diesem Signum jede innerparteiliche oder anderslinke position. Wozu? Nicht zum Sieg der proletarischen Weltrevolution, sondern zum Machterhalt seiner kaderpartei. Er machte Stalin erst möglich und war erst geschockt, als er-vom Tod gezeichnet-mit seinen eigenen Methoden an den Rand gedrängt wurde. Das war der kriegskommunismus, der auch nach Ende des Bürgerkriegs brutal weiterexistierte. Und mit solchen Metaphern spielt dieser selbstgefällige filosof...

  • "Die schlimmste Überraschung war, dass die Ukrainer nicht bereit waren, so einfach zu verlieren. Und obwohl wir nun so tun, als bewunderten wir ihren Heroismus, sind wir im Geheimen wütend auf die Ukrainer, weil sie nicht verlieren wollen."

    Mit "wir" meint er dann sich selbst und die "nicht-woken" Linken um Wagenknecht?

    Es hat hier ja in vielem Recht, versteht aber die Einwanderungsprozesse nicht. Die ledigen "jungen Männer" werden von ihren Großfamilien geschickt, weil sie die größte Chancen auf ein Überleben der Reise und ein Rückzahlen der Schulden versprechen. Die Flüchtlinge sind nicht privilegiert, sondern Mittelklasse. Sie kommen nicht mit dem Flugzeug, sondern per Fuß, Bussen, durch viele Länder und in maroden Fischerkähnen übers Meer, trotzdem kostet das Tausende Dollar. Gut ein Drittel sind politische Flüchtlinge, deren Leben auf dem Spiel steht oder die z.B. in Eritrea sonst zu lebenslangem Militärdienst versklavt werden können.

    Mit einem schlappen Hinweis auf "Bürgerkrieg" ist der Philosoph dann wieder voll auf AfD- und Wagenknecht-Linie, aber weit weg von der Realität. Laut Wirtschaftsexperten bräuchte Deutschland jährlich 1,5 Mil. Einwohner Nettoeinwanderung zum Erhalt der Arbeitskräfte bei aktueller demographischer Entwicklung. Es wäre also noch Potential da für Einwanderung.

    • @Dorian Müller:

      Die 1,5 Mio beziehen sich ganz reduktionistisch auf die Aufrechterhaltung der jetzigen Produktionsverhältnisse (Was ist mit den Themen Klima und Verteilungsgerechtigkeit?)



      und die Versorgung der Babyboomer bzw. mittelfristige Aufrechterhaltung der jetzigen Versorgungsniveaus.

      Ob das ganze sozial verträglich ist (1,5 Mio. zugewanderte Arbeiter hieße ja nach den hiesigen Erfahrungen mit der Arbeitsvermittlung min. 2,5 Mio. Einwanderer) bzw. es politisch sinnvoll ist, die Deutschen zu einer Minderheit zu machen und damit das Schicksal das Landes in die Hände anderer Völker zu legen, wurde dabei garnicht betrachtet.

      Dort werden Menschen einfach nur in ihrer Funktion als Arbeitskraft betrachtet.

      • @Chris McZott:

        ''...Deutschen zu einer Minderheit machen...''

        ''...Schicksal des Landes...''

        ''.....andere Völker....''

        Könnten Sie das näher erläutern? Was macht einen Mensch zum ''Deutschen''? Wie wird eine Gruppe zum ''Volk''? Erschließt sich mir alles nicht so wirklich.

    • @Dorian Müller:

      Volle Zustimmung.

      Selbst die Postfaschisten in Italien merken, ohne Einwanderung geht es net.

      Zudem sind unsere Vorstellung von "Ländern", "Grenzen" und vor allem von "nationaler Kultur " im heutigen Sinn sind geschichtlich noch recht jung.

      Bsp:



      Zur Zeit der französischen Revolution haben rund 50% der Menschen auf dem heutigen Gebiet Frankreichs kein Französisch gesprochen.

      Nationale Identität, wie wir sie kennen, kam erst mit der Modernisierung + Standardisierung von Sprache und Schrift, als Folge der Erfindung vom Buchdruck.

      Vor dem aufkommen des modernen Nationalismus, war Religion viel wichtiger, für ein Gefühl der "Zugehörigkeit".

  • Vielen Dank für dieses Interview. Efrischend, wenn es mich auch deprimiert zurück lässt.

    Sozialismus ist also große Koalition ohne Kapaitalismus und ohne Wachstumsfortschriftfetischismus.

    Ich würde jetzt gerne mit verbotenen Rauchwaren versuchen, die Koalition zu finden - transzendieren.

    Habe aber vor langer Zeit aufgehört zu rauchen: ohne Lenin - was tun?

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @oldleft:

      de.wikipedia.org/wiki/Rauchwaren



      Zieht Euch warm an...

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Danke. Immer gern genommen - wa. But



        Falsa demonstratio - wie anderwo schon gesagt - non nocet.

        kurz - 🐰schad ja nix - 🚬 wenn dabei der Pelz in Flammen 🔥 aufgeht! Woll.



        Patti Smith - Don`t smoke in bed - 🚬



        www.youtube.com/wa...RpIHNtaXRoIA%3D%3D

        Na Mahlzeit

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @oldleft:

      Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

  • Was will der eigentlich? Aus dem Interview werde ich nicht wirklich schlau. Das sich nur noch die Springerpresse in Deutschland für ihn interessiert sollte ihm zu Denken geben. Passt prima in den verwirrten Zeitgeist.

  • "Die sagen oft zu mir: Ich hab die Patenschaft für ein kleines Kind in Somalia übernommen, ich sende jeden Monat 50 Dollar, einmal im Jahr kriege ich ein Foto."

    Das hat der sich doch auch wieder ausgedacht.

    "Oft"? In Wikipedia gäbe das eine [Verification needed]-Warnung.