Zoodirektor über Umgang mit Tieren: „Töten zum Verfüttern ist legal“
Der Zoo Leipzig hat vor Besuchern ein Zebra an Löwen verfüttert, daraufhin hagelte es Kritik. Die Empörung versteht der Nürnberger Zoodirektor Dag Encke nicht.
taz: Das Zebra Franz war gesund, trotzdem hat der Leipziger Zoo es den Löwen zum Fraß vorgeworfen – verstehen Sie die Empörung?
Dag Encke: Nein. Natürlich füttern wir ausschließlich Fleisch von gesunden Tieren. Kranke Tiere dürften wir gar nicht verfüttern und das Fleisch vom Zebra ist nicht schlechter als das vom Rind. Das Zebra leidet nicht mehr als ein Rind. Es hatte zuvor ein gutes Leben. Wir tun doch gut daran, gut gehaltene Tiere zu verfüttern.
ist Direktor des Tiergartens Nürnberg, in dem mehr als 6.000 Tiere aus 320 Arten leben. Der promovierte Biologe ist schon im Zoo aufgewachsen, weil sein Vater den in Krefeld leitete
Naja, das Zebra – ein Hengst – wurde geschlachtet, nur weil sein Sperma nicht mehr das beste war. Ist das ein guter Grund, Tiere zu töten?
In jedem Fall ist es ein vernünftiger Grund. Das war ein Grevy-Zebra, eine vom Aussterben bedrohte Art…
…die haben große Ohren, sind mit ihren schmalen Streifen und weißem Bauch besonders hübsch…
…und selten. Es gibt es nur noch etwa 2.000 bis 3.000 frei lebende Exemplare in Afrika.
Da müsste man doch jedes Tier retten?
Zoos züchten bedrohte Arten, um Reservepopulationen zu bewahren. Wenn ein Tier zur Zucht nicht beitragen kann, hilft es auch bei der Erhaltung der Art nicht mehr.
Und dann ist die Tötung übliche Praxis?
Das Töten zum Verfüttern ist legale Praxis. Wenn das Erbgut für das Zuchtprogramm nicht mehr wertvoll ist, sich auch in anderen Zoos kein guter Platz mehr findet, dann gilt ein Tier als überzählig. Es kann dann schmerz- und angstfrei getötet werden. Wer eine Art retten will, muss dafür unweigerlich auch bereit sein, Individuen zu töten.
Sie kastrieren im Nürnberger Zoo jetzt aber zwei junge Gorillas einer bedrohten Art und verhindern damit Nachwuchs – was soll das?
Das machen wir in Absprache mit dem Fachgremium des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms. Die beiden sollen sich nicht fortpflanzen, weil ihre genetische Linie schon überrepräsentiert ist.
Zebras schlachten Sie, Gorillas nicht?
Nein, denn dazu fehlt der nötige gesellschaftliche Konsens.
Wie kommen Sie darauf, dass das Töten sonst akzeptiert ist? Der Leipziger Zoo muss sich jetzt rechtfertigen. 2014 traf es den Zoo in Kopenhagen, der die junge Giraffe Marius geschlachtet hatte. Und Sie standen auch schon mal in der Kritik, weil Sie angekündigt haben, einen Löwen zu töten, der sich nicht mehr paaren wollte.
Mediale Proteste treten auf. Besucherproteste haben wir in den letzten 20 Jahren deswegen nicht erlebt. Wir hängen im Nürnberger Zoo jeden Monat eine Liste aus, auf der steht, welche Tiere geboren oder gestorben sind und welche verfüttert wurden. Davor bleiben viele Gäste stehen und gucken sich das unaufgeregt an. Den Nahrungskreislauf versteht jeder. Löwen fressen Zebras.
Das sind Zumutungen, die die Deutschen bei ihren jährlich rund 40 Millionen Zoobesuchen ertragen müssen, auch wenn sie sich mehr über kleine Eisbären freuen?
In den USA wird in vielen Zoos nur noch Hackfleisch verfüttert, damit die Besucher nicht Knochen und Blut sehen. Das ist Disney-Welt. Wir wollen nicht mit Traumbildern arbeiten. In Dänemark gehören Tiersektionen – auch im Zoo – sogar zum Lehrplan der Schulen.
Allerdings hätten auch Löwen im Zoo mit der realen Welt nichts zu tun und dort nichts zu suchen, meint die Tierrechtsorganisation Peta.
Sie kämpft grundsätzlich für ein sogenanntes Verfügungsverbot über Tiere, also auch gegen die Rettung von Arten durch menschliches Eingreifen. Wir müssen aber immer mehr Arten aus der Natur holen, bevor sie dort aussterben. Dazu sind die Zoos durch EU-Recht verpflichtet. Der Planet ist schwer verletzt, wir verlieren eine Art nach der anderen. Gerade erwischt es sogar den Feuersalamander in Bayern.
Warum geht es der leuchtend-gelb-gefleckten Amphibie schlecht?
Ihr wird ein Hautpilz zum Verhängnis. In den Niederlanden ist sie schon fast ausgerottet. Darum haben wir jetzt Feuersalamander aus dem Steigerwald aufgenommen, wo der Pilz vor zwei Jahren erstmals nachgewiesen wurde. Zoos haben auch die letzten Kondore gefangen, diese Geier wieder vermehrt und dadurch gerettet. Jetzt kreist der Kondor dank dieses aufwändigen Zuchtprogramms wieder am Himmel in seinem jetzt geschützten Lebensraum. Beim europäischen Wisent, beim Steinbock, bei anderen Arten ist es das Gleiche. Sie werden Schirmarten, umbrella species, genannt, weil die Natur großräumig geschützt wird, damit ihre Wiederansiedlung klappt.
Aber ein deutscher Zoo beherbergt im Schnitt knapp 300 Arten. Davon gehören auch nicht alle zu den gefährdeten Arten. Das ist am Ende doch nur ein Bruchteil?
Ja, wir können nicht alle Arten, die der Erde verloren gehen, retten. Aber außer den Zoos und wenigen Artenschutzorganisationen rettet derzeit sonst keiner einzelne Tierarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen