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Vor den US-ZwischenwahlenDie Midterms, eine Schicksalswahl

Nicht einmal drei Wochen vor den Zwischenwahlen in den USA sieht es so aus, als stünden die Republikaner vor einer Machtübernahme im Kongress.

Immer mittendrin statt nur dabei: Donald Trump während einer Wahlkampfveranstaltung in Ohio Foto: Tom E. Puskar/ap

New York taz | „Midterms“ – der Urnengang zwischen zwei Präsidentschaftswahlen in den USA – sind traditionell der Moment, in dem die regierende Partei abgestraft wird. Oft so hart, dass der Präsident in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit keine Mehrheiten mehr hat, um Reformen, Personal- und Außenpolitik durchzusetzen.

Aber im zurückliegenden Sommer waren die US-Demokraten hoffnungsvoll, dass es dieses Mal anders werden könnte. Die Umfragen gaben ihnen Recht. Unmittelbar nachdem das Oberste Gericht das nationale Recht auf Abtreibung gestrichen hatte, schien kein Thema wichtiger zu sein als die Verteidigung der verlorenen Freiheit. Darauf setzte sie all ihre Karten im Wahlkampf. Der linke Senator Bernie Sanders warnte vergeblich: „Abtreibung allein reicht nicht, um Wahlen zu gewinnen. Wir brauchen die Ökonomie. Wir müssen die Anti-Arbeiterpolitik der Republikaner offen legen.“

Drei Wochen vor dem Wahltag gibt es keinen Anlass mehr für Euphorie bei den Demokraten. Meinungsforscher für die liberale New York Times und den rechten TV-Sender Fox sehen jetzt bis zu drei Prozent Vorsprung für die Republikaner im US-Kongress. Für das Repräsentantenhaus prognostizieren sie einen republikanischen Wahlsieg, für den Senat eine Zitterpartie. Bei Letzterem werden voraussichtlich „Swingstaaten“ wie Pennsylvania und Nevada, die zwischen Republikanern und Demokraten wechseln, das Zünglein an der Waage sein.

Das Recht auf Abtreibung und die Verteidigung der Demokratie – eines von Bidens großen Anliegen – stehen nicht mehr allein an der Spitze der Liste der Wähler. Stattdessen konnten die Republikaner ihre Themen durchsetzen – allen voran die Inflation sowie die angeblich gestiegenen Steuern für die Mittelschicht. Gleichzeitig halten die Republikaner an der Abschaffung des Rechts auf Abtreibung fest. Auch wenn sie im Wahlkampf weniger davon reden.

Trumps Kandidaten agieren wie seine Klone

Vordergründig geht es am 8. November darum, sämtliche 435 Sitze im US-Repräsentantenhaus, 35 der 100 Sitze im US-Senat, 36 Gouverneurspaläste sowie zahlreiche lokale und regionale Kammern neu zu besetzen. Dazu kommen Referenden in mehreren Bundesstaaten. In Michigan beispielsweise stimmen die Wähler darüber ab, ob sie an dem Recht auf Abtreibung festhalten wollen.

Aber im Hintergrund geht es auch um Bidens Zukunft. Ein Wahlsieg der Republikaner wäre ein Erfolg für einen Mann, dessen Name dieses Mal auf keinem Stimmzettel steht. Donald Trump hat sich massiv in die Wahlkämpfe eingemischt. Er hat einer Rekordzahl von fast 200 republikanischen Kandidaten quer durchs Land seine Rückendeckung gegeben, er hat Dutzende von Meetings mit ihnen veranstaltet und er arbeitet unübersehbar darauf hin, einen republikanischen Wahlsieg für seine eigenen politischen Ziele zu nutzen.

Die Männer und Frauen, die Trumps Rückendeckung bekommen haben, machen Politik, als wären sie seine Klone. Sie bestreiten die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen von 2020, sie zeigen Sympathie mit den Kapitolsstürmern vom 6. Januar 2021, denen Trump Begnadigungen versprochen hat, falls er wieder ins Weiße Haus kommt, sie verbreiten Verschwörungstheorien und sie reden über politische Opponenten als Feinde.

Der Stil bei vielen ihrer Debatten ähnelt dem von Trump zum Verwechseln: persönliche Beleidigungen, wahrheitswidrige Behauptungen und lautstarkes Dazwischenreden inklusive.

Eigentlich könnten die Demokraten mit ihrer Bilanz punkten

Gleichzeitig sind kaum noch moderate Republikaner im Rennen. Im Januar 2021 haben lediglich zehn republikanische Abgeordnete den Mut aufgebracht, für eine Amtsenthebung von Trump zu stimmen, der die Kapitolsstürmer nach Washington geholt hatte, um die Bestätigung von Bidens Wahl im US-Kongress zu verhindern.

Trumps Rache an seinen Kritikern war gnadenlos: Vier der zehn Abgeordneten warfen das Handtuch schon vor einer neuen Kandidatur, vier scheiterten bei Vorwahlen, bei denen Trump Gegenkandidaten nominierte und sein ganzes Gewicht in die Waagschale warf, um sie zu unterstützen. Nur zwei Pro-Impeachment-Rebublikaner sind übrig geblieben. Beide haben sich seit Januar 2021 mit Kritik an Trump zurückgehalten. Und beide haben Abstand von dem Untersuchungsauschuss des Repräsentantenhauses gewahrt, der den Putschversuch untersucht.

Demgegenüber könnte die Partei von Präsident Joe Biden bei den Midterm-Wahlen mit ihrer Bilanz punkten. Unter anderem sind seit Bidens Amtsantritt zehn Millionen neue Arbeitsplätze entstanden und die Demokraten haben für massive Investitionen in der Infrastruktur und für soziale Verbesserungen gesorgt.

Im Endspurt vor den Midterms hat Biden Studienschulden gestrichen, die auf 43 Millionen US-Amerikanern aller Altersgruppen lasteten. Er hat Tausende von Gefängnisinsassen begnadigt, die wegen gewaltloser Drogendelikte – meist Marihuana-Besitz – zu langjährigen Strafen verurteilt waren. Und zum Ausgleich der Inflation sind die staatlichen Renten im nächsten Jahr um rund acht Prozent angehoben worden.

Aber nichts davon hat gereicht, um Bidens Popularität zu steigern. Seit Monaten liegt sie deutlich unter 50 Prozent. Sollte es keine „Oktober-Überraschung“ geben, werden im Januar Mehrheiten von Trumps Gnaden in beide Kammern des US-Kongresses einziehen.

Es wäre das Ende der Hoffnung auf ein gesetzlich verankertes Recht auf Abtreibung, wie Biden es in diesen Tagen in Aussicht stellt. Und es würde radikale Kehrtwenden in der Klimapolitik und dem Engagement der USA in der Welt einleiten. Raum für weitere Ermittlungen über den Kapitolssturm vom 6. Januar würde es nicht geben. In Washington würde eine neue Ära der Blockade zwischen Kongress und Weißem Haus beginnen. Und Trump könnte die Konjunktur nutzen, um seine Kandidatur für das Weiße Haus 2024 bekanntzugeben.

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18 Kommentare

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  • Es ist der Auftakt zu einer weiteren Schicksalswahl. Wenn die Republikaner die Präsidentschaftswahöl gewinnen und zu diesem Zeitpunkt auch Senat und Repräsentantenhaus beherrschen, könnte dies das Ende der Demokratie in den USA sein. Ebenso könnte das Ende jeder Hoffnung sein, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels aufzuhalten.

  • Es wäre schlimm wenn im mächtigstem Land der Welt der Pöbel regiert.

    • @Gabriele Crone:

      Ich halte derlei elitäre Einstellungen wie die Ihre gegenüber den nicht so gebildeten Leuten für gefährlich, da abwertend. Es sind demokratische Wahlen. Alle Wähler sind gleich und dürfen so wählen wie sie glauben dass ihre Interessen am besten vetreten werden.



      Es ist vielmehr bitter, dass die Demokraten mit ihrer Wahlkampfstrategie beim Wähler nicht durchzudringen scheinen. Sind die Schlauen etwa zu schlau um sich verständlich zu machen?

      • @Tom Farmer:

        Eine gute Möglichkeit für die Demokraten wäre es vielleicht, in den vielen Schießsportvereinen, um Wählerstimmen zu werben...

      • @Tom Farmer:

        Follow the money! Folge das Geld!



        Ich denke, das ist im Neoliberalismus äußerst aufschlussreich und wirft sicher auch ein aufklärendes Licht auf Ihre Idealvorstellung von "Alle Wähler (und Wählerinnen?) sind gleich und dürfen so wählen wie sie glauben dass ihre Interessen am besten vetreten werden."



        Im Neoliberalismus gilt in meiner Erfahrung weitgehend ein Dollar = eine Stimme und das halten sie (die neoliberalen) auch für gut und richtig.



        Ich nicht.

        • @Nilsson Samuelsson:

          👍 anschließe mich Ihren Ausführungen

      • @Tom Farmer:

        "Alle Wähler sind gleich und dürfen so wählen wie sie glauben dass ihre Interessen am besten vetreten werden." Ja, *wie sie glauben*. Und die Ungebildeten glauben eben so manches Haarsträubende, das man ihnen -- auch wegen ihrer Unbildung -- einreden kann. Etwa dass der Affordable Care Act sich gegen ihre Freiheit richte. Dass Covid-19 eine Verschwörung sei. Der sogenannte Klimawandel auch. Dass die Erde erst 6000 Jahre alt sei. Lesen Sie mal die Webseiten dieser Leute. Sie verzweifeln an der Menschheit.

        • 6G
          650228 (Profil gelöscht)
          @miri:

          Und die Konsequenz? Wahlrecht nur für Abiturienten?

      • @Tom Farmer:

        "Es sind demokratische Wahlen"

        Kommt halt drauf an was man so als demokratische Wahlen sieht. Ich sag nur gerrymandering oder die gezielte Elitearisierung der Wahlberechtigung durch erschweren der Prozesse. 🤷‍♂️

      • @Tom Farmer:

        Und genau diese Arroganz ("basket of deplorables", Clinton) der akademischeren Küstenregionen gegenüber dem "fly over country" hat gemäß einiger Analysen eben auch die Wahl von Trump unterstützt. Ähnliche Generalisierungen gibt es hier auch gegenüber dem Osten. Damit wird gar nichts erreicht.

  • "Meinungsforscher für die liberale New York Times und den rechten TV-Sender Fox sehen jetzt bis zu drei Prozent Vorsprung für die Republikaner im US-Kongress."

    Das war nur eine (1) Umfrage, und die sagte sehr plötzlich voraus, dass ein großer Schwung von schwarzen und jungen weiblichen Wählern die Seiten wechseln würden. Warum sollten sie das plötzlich tun? Abtreibung ist etwas raus aus den Medien, aber nicht aus den Köpfen, die Inflation ist niedriger als vor drei Wochen, als die Dems landesweit in Umfragen 2% vorne lagen. Also: Woher der "Umschwung" nach rechts um 5%? Gleichzeitig gibt es eine Umfrage des qualitativ besten Meinungsinstituts Anne-Selzer, das in Iowa einen Vorsprung des ultra-lange regierenden Senators Grassley von nur 3% vorhersagt, den Staat hatte Trump 2020 mit 9% Vorsprung gewonnen. Die Medien sollten objektiv berichten und nicht mit Umfragen Stimmung machen. Nach wie vor haben die Dems gute Chanecen, die Senatsmehrheit zu halten und die Republikaner haben gute Chancen, die House-Mehrheit zu erobern. Letzteres liegt aber nicht an einem Stimmungsumschwung, sondern an undemokratischen Wahlgesetzen und Wahlkreiszuschneidungen.

    • @Dorian Müller:

      So einfach ist das nicht. Es ist alles offen. Die letzten paar Wahlen haben gezeigt, dass die "polls" immer stark daneben lagen, vor allem wurde damals Clinton als große Siegerin voraus gesagt.

  • Trägt der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery jetzt Sonnenbrille und ist Pro-Trump ;-)

  • Die globale Netzwerkmaschinerie der Superreichen, Oligarchen, Kriegsherren und konservative Republikaner:innen in schlecht getarnter Allianz mit Autokratiefantasten, Postkolonialist:innen und Rassist:innen läuft sicher zu astronomischen Kosten auf Hochtouren, damit ihnen ihren Einfluss und USA nicht aus den Händen gleitet.



    Republikaner Abwählen geht trotz dem...



    Viel Glück USA!

    • @Nilsson Samuelsson:

      Was Sie aufzählen, gibt es alles auch bei den Demokrat:innen: die Superreichen, die Oligarchen, die Kriegsherren und -damen (Clinton, Albright, Nuland). Vielleicht weniger Rassisten, aber es gibt derzeit auch niemanden, der/die sich für eine bitter nötige Gesundheitsreform einsetzt.

      • @resto:

        Meinen Sie das wirklich!?!



        Aber gut, nehmen wir an, ihre Annahme wäre vollkommen korrekt.

        Republikaner = Demokraten

        Was ist ihr konstruktiver Vorschlag?

        Republikaner den Rücken stärken weil sie sich offener und quasi "ehrlicher" als die Demokraten zu soziale Ungerechtigkeit, Rassimus, Klimaleugnen, Kolonialismus, Militarismus und Autokratiefantasien bekennen?

  • Oh, oh, das hört sich gar nicht gut an, was da an Einschätzungen bezüglich der Midterms über den großen Teich zu uns herüberschwappt.



    Könnte mir ja eigentlich egal sei, welche Fraktion der neoliberalen globalen Weltordnung in den Staaten die Oberhand gewinnt … wenn es nicht für das im Transatlantizismus gefangene Europa (und überhaupt den gesamten Erdball) so fatale Folgen hätte.



    Nach den jüngsten Einlassungen McCarthys zur Ukrainepolitik der Reps müssen sich insbesondere die Ukrainer warm anziehen … nicht nur wegen des Winters und der Zerstörung ihrer Energieinfrastruktur durch Putin.

    • @Abdurchdiemitte:

      Das Problem ist da das Europa, das sich nicht Vordenker USA emanzipiert und als Eigenständiges auftreten mag.