Kommentar Midterm-Wahlen in den USA: So gespalten wie das Land

Die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus wird Trump das Leben zwar schwerer machen. Aber er wird das für sich zu nutzen wissen.

Jubel auf einer Bühne vor US-Flagge

Jubeln nur in Einzelfällen: Leroy Garcia (M.), die siegreiche demokratische Anwärterin auf einen der beiden Senatorenposten für Colorado Foto: ap

Das Ergebnis der Kongress- und Gouverneurswahlen in den USA ist genauso gespalten wie das Land selbst: Die Demokraten übernehmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus, verlieren aber weitere Sitze im Senat und gewinnen nur wenige Gouverneursposten hinzu. Für Präsident Donald Trump, der in zwei Jahren für eine weitere Amtszeit gewählt werden möchte, bedeutet das: weitermachen, weiter polarisieren.

Tatsächlich ist es nur ihm und seinem großen Einsatz im Wahlkampf zu verdanken, dass die republikanische Basis nahezu genauso enthusiastisch an den Wahlen teilgenommen hat wie die Gegner des Präsidenten. Ohne Trumps unzählige Wahlkampfauftritte, ohne seine permanenten Angriffe und Provokationen, ohne sein Warnen vor der „Invasion“ der zentralamerikanischen Migrant*innen und dem „sozialistischen Albtraum“, in den die Demokraten angeblich die USA verwandeln würden, wären etliche republikanische Wähler*innen wohl zuhause geblieben.

Sicher, die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus wird Trump das Leben schwerer machen als bisher. Haushaltsentwürfe können nur im Repräsentantenhaus verabschiedet werden, mit Hilfe von Untersuchungsausschüssen und Vorladungen können die Demokraten jetzt Trumps Steuerunterlagen einfordern und seine zahlreichen Finanzskandale im Kongress thematisieren. So etwas wie die sogenannte Steuerreform, die er mit der Unterstützung beider Kammern des Kongresses im vergangenen Jahr durchsetzte, wird jetzt nicht mehr ohne weiteres möglich sein.

Aber es ist nicht schwer, sich auszumalen, wie Trump die neue Konstellation rhetorisch verarbeiten wird. Schon in den vergangenen zwei Jahren, als die Demokraten gar nicht über Mehrheiten verfügten, um seiner Politik ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen, warf er ihnen eine Blockadepolitik vor – also das, was die Republikaner unter Präsident Barack Obama tatsächlich praktizierten. Der Vorwurf könnte gerade für einige der moderaten Demokraten politisch gefährlich werden. Denn auch sie haben gesehen, dass jetzt vor allem jene Demokraten ihren Senatssitz verloren, die aus Staaten kamen, in denen Trump 2016 hoch gewonnen hat und die dennoch etwa gegen die Bestätigung von Trumps Richterkandidaten Brett Kavanaugh stimmten.

Die Republikanische Partei ihrerseits ist mit diesem Wahlzyklus endgültig zur Trump-Partei geworden. In den meisten republikanischen Vorwahlen haben sich seine Kandidaten durchgesetzt. Wo er im Wahlkampf auftrat, hinterließ er eine aufgestachelte und engagierte Wählerschaft, und wer Trump zum Gegner hat, wird nicht wirklich glücklich. Von jenen in Budgetfragen Konservativen etwa, die noch unter Obama permanent gegen Neuverschuldung und Defizite kämpften, ist schon lange nichts mehr zu hören – Trump produziert Haushaltslöcher ungeahnter Tiefe, ohne dass das je zum Thema wird. Seine Methode, lautstark und polternd Politik zu betreiben, funktioniert und hat die Grand Old Party schon jetzt auf eine Weise verändert, die über Trump hinaus fortdauern wird.

Trump hat geschafft, was Barack Obama seinerzeit versäumt hat. Auch Obama konnte auf die Energie hoffen, die nur ein Washington-Outsider entfachen kann, der seine eigene Wahl zum Ziel einer Bewegung erklärt, um das verkrustete System zu verändern.

Aber während Obama seit seinem Wahlsieg vor genau zehn Jahren keine direkten Kommunikationslinien mehr mit seiner Basis pflegte, erfolglos die Zusammenarbeit mit den Republikanern suchte und über die E-Mail-Verteiler nurmehr in unregelmäßigen Abständen der Aufruf verschickt wurde, für irgendeinen Wahlkampf 5 Dollar zu spenden, pflegt Trump über Twitter und Großveranstaltungen den direkten Draht zu seinen Wähler*innen und bleibt selbst bei den dümmsten seiner Wahlversprechen. Sein rüpelhaftes Auftreten in Washington ist für seine Anhänger der Beweis, dass ihr Anti-Establishment-Kandidat sich nicht verbogen hat. Dass die andere Hälfte des Landes das ganz furchtbar findet, bestätigt sie nur.

Für die Demokraten wird es eine wirkliche Herausforderung werden, bis zu den Wahlen 2020 nicht nur eine geeignete Person zu finden, die Trump herausfordern kann, sondern vor allem auch eine Strategie. Die Ergebnisse vom Dienstag jedenfalls sind nicht eindeutig genug ausgefallen, um einem der verschiedenen Flügel der Partei – etwa den 2016 unterlegenen Unterstützer*innen des Linken Bernie Sanders – ein klares Mandat zu geben.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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