Atomdebatte und die Grünen: Unnütze Panik

Die Argumentation grüner SpitzenpolitikerInnen gegen Atomenergie ist oft viel zu schwarz-weiß. Das Gebot der Stunde gilt der Grauzone.

Abschalten haben AtomkraftgegnerInnen in Brokdorf in großen Buchstaben aufgestellt

Abschalten – nur wann? Foto: Axel Heimken/dpa

Es sind immer wieder die gleichen Argumente. Atomkraft sei keine Lösung für den drohenden Gasmangel, argumentiert die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge. Das stimmt. Aber sie könnte das Problem ein wenig verkleinern, wo angesichts der aktuellen Versorgungslage doch jede Kilowattstunde zählt.

Die Debatte über eine längere Laufzeit der drei noch nicht abgeschalteten AKWs solle verhindern, Gas zu sparen. Sie sei ein Ablenkungsmanöver, sagt sie. Mag sein, aber das funktioniert nur, wenn man sich ablenken lässt. Richtig ist deshalb, darauf hinzuweisen, dass es nicht um entweder-oder geht, sondern dass beides passieren muss. Richtig ist auch, grundsätzlich daran festzuhalten, dass es niemals einen Wiedereinstieg in die Atomkraft geben wird. Alles andere wäre absurd.

Es geht aber doch jetzt erst einmal nur um einige Monate, bis die Energieversorgung – möglichst durch Erneuerbare – so weit hergestellt ist, dass niemand Angst vor einem kalten Winter haben muss. Die Panik, die bei der Argumentation grüner SpitzenpolitikerInnen, so auch Parteichefin Ricarda Lang, durchklingt, wenn sie mantramäßig vor einem Wiedereinstieg warnen, ist allerdings irreführend, sind es doch die Grünen selbst, die sich im Koalitionsvertrag gemeinsam mit den zwei anderen Regierungsparteien zum Ausstieg verpflichtet haben.

Der Vertrag ist bindend, es sei denn, alle Koalitionsparteien sind sich einig, etwas daran zu verändern. Die Sorge davor, dass die ganze Hand gefressen wird, wenn man jetzt den kleinen Finger reicht, also einem Streckbetrieb zustimmt, ist deshalb völlig unbegründet. Die Grünen sitzen – noch dazu mit Rückendeckung der SPD – an einem deutlich längeren Hebel als die FDP.

Es ist zweifellos bitter, nach dem jahrzehntelangen Kampf, der streckenweise eine Art Raison d’Être der Partei war, ausgerechnet jetzt, wo man politisch stärker ist als je zuvor, gerade bei diesem Thema Abstriche machen zu müssen. Die Sorge um große Teile der Basis mag begründet sein. Aber sie ist kein Grund, sich nicht auf die veränderten Umstände einzustellen und logisch zu entscheiden.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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