Artenschutz in Kriegszeiten: Sorry, liebe Schweinswale!
Schweinswale brauchen Schutz. Trotzdem liegt die Deutsche Umwelthilfe mit ihrer Klage gegen das geplante Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven falsch.
S ie sind bedroht. Schweinswale werden in der Nordsee durch die Rammschläge für Offshore-Windanlagen oder Pipelines, die Sprengung von Munition oder Speedboatlärm verjagt und verletzt. Sie ertrinken, weil sie in den Stellnetzen der Fischer hängen bleiben, die ihre Nahrung rauben. Sie leiden unter Öl und Chemieabfällen aus Schiffen und Flüssen, an Mikroplastik, am Tourismus. Kurz: an der Bestie Zivilisation. In der Nordsee ist die Schweinswalpopulation von 2002 bis 2019 jedes Jahr um 1,8 Prozent auf nur noch 23.000 Exemplare gesunken.
Eine bedrückende Tendenz. Deshalb ist es richtig, wenn sich Umweltverbände für Phocoena phocoena einsetzen – und entsprechende Schutzmaßnahmen beim Bau von Windrädern im Meer oder beim Fehmarnbelttunnel durchdrücken. Allerdings: Wenn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jetzt Widerspruch gegen den Bau eines schwimmenden Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven einlegt, ist das ein Fehler. Geplant ist die Inbetriebnahme zweier schwimmender Anlagen bereits zur Jahreswende, die etwa 20 Prozent des deutschen Gasbedarfs decken könnten.
Damit könnte man gut die Hälfte des russischen Gases ersetzen, das derzeit noch fließt. Ein wichtiger Beitrag, um sich aus Putins Klammergriff zu lösen. Um einen Kollaps von Lieferketten zu verhindern oder abzufedern. Um dem Despoten in Moskau zu zeigen, dass der Westen nicht auf ihn angewiesen ist. Die DUH mahnt Transparenz und Rechtsstaatsprinzip an: Der Bedarf der klimaschädlichen LNG-Terminals sei nicht genügend nachgewiesen, das Wirtschaftsministerium habe dazu keine Zahlen und Daten vorgelegt. Hoffentlich geschieht das schnell – und die DUH überdenkt ihr Tun.
Ein juristisches Verfahren würde den Bau der Terminals unnötig verlängern. Sorry, liebe Schweinswale, es ist Krieg, diese Ausnahme muss sein. Gleichwohl darf es keinen Wildwuchs bei LNG-Terminals geben. Alle Anlagen, die erst nach 2025 fertig werden, sind unnötig, weil ab dann genug Gas eingespart, ersetzt und umgeleitet werden kann, um die Versorgung sicherzustellen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument