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Wenn Grüne und FDP regierenPerverse Politik von Ödipus

Die Grünen haben bei der Wahl grotesk schlecht abgeschnitten. Dabei wäre es nötig, radikale Klimapolitik gegen die FDP durchzusetzen.

Weiter notwendig: große Kundgebung von Fridays for Future am Freitag vor der Wahl in Berlin Foto: Stefan Bones/Ipon

Warum, dachte ich im Frühjahr 2020, wird nur „Die Pest“ und der „Decamerone“ als moralische Antwort auf die Pandemie herangezogen – nicht aber das älteste Pest-Stück der Literaturgeschichte, „König Ödipus“ von Sophokles? Damals, während der ersten Welle, war das Stück wohl zu düster. Jetzt, da die Pandemie zu Ende geht, wird es von Berlin bis Paris und von London bis São Paulo auf Dutzenden der wiedereröffneten Bühnen inszeniert.

Worum geht es? Als in Theben die Pest ausbricht, ruft König Ödipus seine engsten Berater zusammen. Nach und nach muss er erfahren, dass er selbst Ursache der Pandemie ist. Denn er hat seinen Vater, den ehemaligen König, erschlagen. Ödipus wird von Sophokles nicht als irrer Populist gezeichnet, sondern als rationaler Herrscher, eine Art antiker Gutmensch. Gerade weil er gern gut wäre – oder in einer Zivilisation lebt, die von den Regierenden immerhin oberflächliche moralische Reinheit einfordert –, kann er nicht akzeptieren, dass seine Herrschaft in ihrer Wurzel obszön ist.

Qualen, die man selbst erschuf

Damit wird „Ödipus“ zur Allegorie unserer Zeit, zur Tragödie des modernen Bewusstseins. Auch wir haben begriffen, dass der Klimawandel, die daraus folgenden Kriege und Massenfluchten kein objektives Ereignis sind, kein unverdienter Krieg der Natur gegen den Menschen, sondern der Pay-off einer zerstörerischen Lebensweise. Gott ist tot, wie Nietzsche einst sagte; wirklich gestorben ist er aber erst mit der wissenschaftlichen Selbsterkenntnis des Anthropozän. Oder wie Ödipus es formuliert: „Am schmerzlichsten aber sind jene Qualen, die man frei sich selbst erschuf.“

Interessant ist, wie Ödipus auf die schrittweise Aufdeckung reagiert: zuerst mit Misstrauen, dann mit Verdrängung, mit Wut und schließlich mit Verzweiflung und Selbsthass. Sophokles’ Tragödie ist eine Pathologie der Negation, eine Analyse der Emotionen der herrschenden Klasse und ihrer Versuche, trotz aller gemachten Fehler irgendwie an der Macht zu bleiben.

Die Moves der Mächtigen

Die Geschichte ist voll solcher Moves der Mächtigen, und die letzte und – immerhin für mich – besonders bittere Lektion in dieser Disziplin sind die deutschen Bundestagswahlen. Zuerst sei festgehalten: Das historisch schlechteste Ergebnis der CDU und das Wiedererstehen der SPD aus der Asche, die im Ausland für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben, sind ein Nebenschauplatz. Deutschland ist trotz aller Schwankungen im Kern ein Zweiparteiensystem.

Nein, das eigentliche Ereignis des vergangenen Sonntags ist etwas anderes: das grotesk niedrige Ergebnis der Grünen. Noch in einigen Sommerumfragen war Baerbocks Partei auf 30 Prozent Zustimmung gekommen, am Ende landete sie bei der Hälfte. Dass eine Partei, die als einzige glaubwürdig für eine Änderung der Klimapolitik steht, nicht siegen konnte – einen Tag nach dem Weltklimatag, zwei Monate nachdem halb Westdeutschland in apokalyptischem Hochwasser versunken war –, ist als politische Verdrängungsleistung genauso beeindruckend wie final desillusionierend.

Lindner und Wissing wie zwei Manager

Noch absurder ist, dass die neoliberale FDP, die für ungebremstes Wirtschaftswachstum und damit alles steht, was den Klimawandel in den letzten Jahrzehnten verschuldet hat, nun gemeinsam mit den Grünen (und wohl der SPD) eine Koalition bilden wird. Ein erstes Selfie von den Verhandlungen zwischen den Parteien zeigt die neoliberalen FDP-Boys Lindner und Wissing, Haare zurückgegelt und gekleidet wie zwei Wallstreet-Manager aus „American Psycho“, zwischen den Grünen-Chefs Baerbock und Habeck. „Wir loten Brücken über Trennendes aus“, heißt es unter dem Selfie, „spannende Zeiten!“

Die FDP und die Grünen: Die einen stehen für ungehemmtes Wachstum und gegen gesellschaftliche Kontrollen – die anderen für das Gegenteil. Die einen wollen den Planeten, nun ja, retten, die anderen ihn nochmal so richtig ausbeuten, bevor endgültig Schluss ist, unter dem Banner der ökonomischen Rationalität und der politischen Machbarkeit. Dass die Grünen und die FDP nun gemeinsam „Königsmacher“ sind – jene im deutschen Zweiparteiensystem so entscheidende dritte Macht – ist Signum unserer Zeit. Es ist so, als würde Ödipus, nachdem alles aufgedeckt ist, einfach fröhlich mit Iokaste weiterregieren. Regieren um des Regierens willen: „spannende Zeiten“ stehen uns bevor!

„Keine Experimente!“

Das Selfie von den Koalitionsverhandlungen der Grünen mit der FDP wäre noch vor wenigen Jahrzehnten als der finale Verrat wahrgenommen worden – heute führte es innerhalb von Minuten zu Tausenden von Kommentaren, die im Wesentlichen die Kompromissbereitschaft der beiden Parteien lobten, gemäß dem Mantra „So funktioniert eben Demokratie“.

Denn seien wir ehrlich: Wir Westeuropäer hassen seit dem Zweiten Weltkrieg jede Form von politischem Extremismus oder gar staatlicher Bevormundung und lieben es, wenn die Gegensätze sich in einer politischen Leerformel vereinigen. „Keine Experimente!“, hieß der berühmteste und erfolgreichste Wahlkampfslogan in Deutschland nach dem Krieg, mit dem die CDU 1957 das höchste Ergebnis einer Partei bei Bundestagswahlen jemals erzielte. Der Traumatisierte will vor allem eines: Normalität, egal mit welchen Kosten.

Vulgärliberalismus der FDP

Der Unterschied zu den 50ern ist nur, dass wir keine Zeit für „Normalität“ mehr haben. Obwohl es aktuell ungefähr so lebenswichtig ist, eine radikale Klimapolitik gegen alle Widerstände aus der Wirtschaft durchzusetzen, wie in einem leckgeschlagenen Flugzeug die Atemmaske aufzusetzen, diskutierte man in Deutschland, der größten Wirtschaftsnation der EU, in den letzten Monaten ausschließlich über das Grinsen Laschets und den geschönten Lebenslauf Baerbocks.

Und was immer die Grünen sich einreden mögen: Im Kampf gegen den Vulgärliberalismus der FDP werden sie sich in den nächsten vier Jahren aufreiben. Denn dass Freiheit in der Übernahme von Verantwortung besteht, das hat die FDP und mit ihr die deutsche Wirtschaft nie verstanden. Mitten im globalen Klimanotstand verkündet die FDP noch immer Steuersenkungen für Großverdiener und macht Wahlkampf für Klimaziele, die von den Unternehmen selbst festgesetzt werden sollen.

Eine Tragödie als Melodrama

Kurzum: Schaut man in diesen Tagen auf Deutschland, dann ist es, als würde eine Tragödie als Melodrama inszeniert. Die Lage ist nicht „spannend“, also dramatisch, sondern auswegslos, also tragisch. Zu hoffen ist nur, wie seltsamerweise die ausländische Presse glaubt, dass die SPD sich auf wundersame Weise von der Braunkohle- und Autoindustrie-Partei in eine Partei radikaler Klimapolitik verwandelt und Scholz zum Kanzler einer zweiten, klimapolitischen Wende wird. „Nach der Versöhnung von Arbeit und Kapital die Versöhnung von Arbeit und Natur“, wie Die Zeit amerikanische Medien zitiert.

Davon abgesehen, dass Kapital und Arbeit global nie unversöhnter waren als heute: Warum sollte der Realpolitiker Scholz diesen extremen Stunt, angesichts des Beinah-Untergangs der SPD vor nur vier Jahren, riskieren? Nein: Die etablierte Politik wird sich auch in Zukunft in publikumswirksamen Kompromissen gefallen, deren tödliche Folgen auf spätere Generationen und vor allem auf den Globalen Süden ausgelagert werden. Denn in den Fluten der steigenden Ozeane werden nicht Deutschland oder Belgien untergehen, sondern Bangladesch und Indonesien.

Greenwashing-Dienstleister

Doch zurück zu Ödipus: Von der ersten Zeile der Tragödie an wird dem gutmütigen König immer wieder erklärt, was er eigentlich schon längst verstanden hat, nämlich seine Schuld an dem, was er als objektives Unglück erlebt. Sophokles zeigt das als Tragödie eines Menschen, der sich schmerzlich bewusst macht, was er längst weiß. Und auch in diesem Text enthält keine einzige Zeile irgendeine Neuigkeit. Wir alle wissen, dass der Klimawandel nicht einfach so geschieht, sondern Folge bewusster politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen ist. Aber es ist, als wären das, was wir wissen, und das, was wir tun, unvereinbar voneinander getrennt.

Die Grüne Partei Deutschlands, bis vor wenigen Tagen Hoffnungsträger Europas, sucht ihr Heil im politischen Überleben um jeden Preis als Greenwashing-Dienstleister einer neoliberalen Koalition. Ödipus, Hardcore-Moralist wie die meisten tragischen Helden, löst das moralische Problem auf etwas andere Weise: Er blendet sich und verlässt Theben, die Stadt selbst versinkt im Bürgerkrieg.

Klimaneutralität, bla, bla, bla

Das ist natürlich für Deutschland nicht zu erwarten und auch nicht zu hoffen. Es gibt aber eine andere Hoffnung. Denn vergessen wir nicht, dass Ödipus, der perverse König, eine Tochter hatte: Antigone. In Sophokles’ berühmtesten Stück erhebt sie sich gegen das System, das Kreon, ihr Onkel und Ödipus’ Schwager, ohne jede Änderung aufrechterhält. Denn mit dem Shitstorm gegen Ödipus ist nichts gelöst, die herrschende Klasse fährt einfach in neuer Konstellation fort, das Richtige zu verkünden und das Falsche zu tun.

Mit den Worten von Greta Thunberg: „Netto-Null bis 2050, bla, bla, bla, Klimaneutralität, bla, bla, bla. Das ist alles, was wir von unseren sogenannten Anführern hören. Worte, die sich toll anhören – denen aber keine Taten folgen werden.“

Ak­ti­vis­t*in­nen Europas, vereinigt euch!

Milo Rau veröffentlichte vor einer Woche die „Kölner Erklärung“ für eine gerechte Migrationspolitik

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46 Kommentare

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  • Man kann Politik als Theaterstück (Oper wäre noch besser!) verstehen. Dann isses etwa so. Sollte man jedoch darin die Realisierung des maximal Machbaren verstehen, dann ist wesentlich mehr drin als Greenwashing. Ist natürlich bei weitem prosaischer.

  • Dear Milo, die CDU hat als Versager-Partei grotesk gut abgeschnitten, die CSU hat als Inbegriff von Vorteilsnahme-Partei trotz vorheriger Umfrage (28%) grotesk gut abgeschnitten mit 31,7%. Verdammt, warum halten sich die Wähler*innen sich nicht an die Umfragen, insbesondere auch bei den Grünen? Sie reden wie die Analysten, die eine Firma abwerten, wenn sie nicht die Gewinnerwartung erfüllen und nur 5,7% mehr Umsatz machen statt der erwarteten 20%. Ist ja schön, dass Sie Kenntnisse der Griechischen Sagen haben, besser wäre es, Fortschritte als Fortschritte zu erkennen.

  • nu ja: mit grönlandeis weg sin die gipfel des teuto die neuen ostfriesischen inseln, mit antarktiseis auch weg dann die höhenzüge des nordschwarzwalds .... münsters höchster "berg" hat grad mal 100 meter, die 100-meter-marke am rhein is in mannheim, und vor der portugiesischen küste liegen steinzeitsiedlungsplätze locker 100 meter unter dem heutigen meeresspiegel. geht schnell sowas. waterworld halt.

  • Interessant ist, dass in Medien, die der FDP wohlgesonnen sind, genau spiegelverkehrt die Gefahr eines Aufreibens der FDP durch die Grünen gesehen wird. Wenn beide Seiten das so sehen, wird es so schlimm nicht werden. Politik muss immer Kompromisse machen. FDP und Grüne an einem Tisch: ein Sinnbild gesellschaftlicher Verständigung. Wichtig ist, dass das Verbindende, nicht das Trennende gesehen wird - von den Menschen, von den Medien und natürlich von den Politiker*innen.

  • Wenn's noch jemand nachlesen wollte: in dem Artikel sind auf ganz wundervolle Art all die Kleinigkeiten konzentriert, die seit Jahrzehnten linke Politik in D zuverlässig verhindern.



    Alles drin: Wählerbeschimpfung, eigene Ergebnisse schlechtreden, mögliche politische Partner als teuflische Agitatoren hinstellen.



    Ach so, und nebenbei natürlich groteske Uminterpretation von Klassikern. Antigone ist ein hoffnungsvolles Beispiel? Hat sich umgebracht, aber gut.



    Ödipus ist ein Perverser? Ähm. Ja. Genau. Vielleicht bei Gelegenheit nochmal diagonal lesen, ein paar Sachen scheinen nicht hängengeblieben zu sein.

  • Eine schöne Inszenierung, der Artikel. Den Ödipus-Mythos als Wahrheit über eine politische Realität zu legen ergibt indes keine politische Abbildung, sondern eine theatralische. Ödipus ist eine Idee von tausenden, keine Wahrheit. Da mag man zwar manches Ähnliche wiederfinden. Die Kunst kann Ideen synonym als Wahrheiten benutzen, die Politik endet gerne in Katastrophen, wenn sie das tut. Weil sie bestenfalls plurale Ideen vertreten muss, um nicht in Ideologie zu münden. Mit und ohne Klimawandel.



    Die Energie der Ödipus-Idee in politisches Handeln zu transformieren (was ich durchaus zu beobachten glaube bei den Bemühungen von Baerbock und Habeck) wäre mir sympathischer und zielführender, als die Ausschlachtung ihrer theatralischen Optionen, hinter denen (sicnr) nicht selten ein Torquato Tasso vermutet werden kann.

  • Vielleicht sollte sich der Verfasser ein neues Volk wählen? Klar kann man verzweifeln, dass die Wahlen die klimabewussten Parteien nicht so gestärkt haben, so dass der notwendige radikale Umbau nicht stattfinden wird. Sollten deswegen die Grünen darauf antworten, "dann macht doch Euren Mist alleine" und in der Opposition verschwinden? Weiteren vier Jahre Groko und Nichtstun zu sehen? Oder zumindest ausloten, was noch möglich ist, was wenigsten im Miniumum noch getan werden kann, damit die nächsten vier Jahre nicht völlig umsonst verwartet werden? Ist nicht schön, aber eine Revolution mit anschließender Klimaautokratie gab es bei den Wahlen nicht.

    • @Hans aus Jena:

      Sie missverstehen. Der Autor intendiert, dass ab jetzt nur noch die Radikalisierung außerhalb und ohne die Grünen denkbar ist. Er hält sie gegenwärtig für verloren, deshalb das Ödipus-Gleichnis. Eine Bemühung des Autors um die Grünen lese ich im Artikel nicht heraus. Eine wirkliche Tragik aber richtige Schlussfolgerung.

      • @zeroton :

        Die Wählerinnen und Wähler haben am 26. September gesprochen. Sie werden eh nur alle 4 Jahre gefragt.

        "Grotesk schlecht abgeschnitten" haben die Grünen ganz und gar nicht. Sie haben deutlich Stimmen dazugewonnen und liegen deutlich vor der FDP in der Wählergunst. Sie werden sich nicht zu verstecken brauchen - in welcher Koalition auch immer. Da kann und muss schon mehr rauskommen als nur eine unscheinbare Existenz als grünes Feigenblatt. Die Grünen haben die Macht, den kleinsten Koalitionspartner in die Schranken zu weisen, wenn es darauf ankommt.

        • @Winnetaz:

          Gemessen an den 27% vor ein par Monaten ist das Ergebnis selbstverständlich grottenschlecht. Und angesichts der Qualität der beiden Kandidaten von CDU und SPD einerseits, sowie der Ereignisse (Flut im Westen) andererseits, kann man IMHO getrost das Wort katastrophal in benutzen.



          Wahlwerbespots und Plakate waren IMHO ein Desaster, die Wahlkampfführung geradezu dilettantisch. Alles IMHO

        • @Winnetaz:

          Da verkennen Sie den NICHT-UM-JEDEN-PREIS-REGIEREN-Lindner, der auch noch nach schwarz schielt. Er ist der geborene Erp... sag ich lieber nicht, sonst Beitrag fort.



          Dass die Grünen schlecht abschnitten, ist auch nicht meins.

  • "Die Lage ist nicht „spannend“, also dramatisch, sondern auswegslos, also tragisch."



    Tragisch ist, wenn der "Wille zum Guten" scheitert. Wie in der Erzählung von König Ödipus. Dieser Wille zum Guten ist aber nirgendwo vorhanden, auch bei den Grünen nicht. In der rot-grünen NRW-Koalition winkten sie die Erweiterung des Braunkohlentagebaus durch. Die Politik ist sowieso nur ein Spiegel der Gesellschaft. Die Bürger wollen genau die Parteien, die im Bundestag sitzen.



    Und was folgt, ist nicht Tragik sondern die gerechte Strafe fürs bewusste Ignorieren relativ einfacher physikalischer Prozesse.

    • @Seibt Matthias:

      Gerechte Strafe für wen? Für das verdurstende Sahel-Kind ? Obdachlose Bauern in Bangladesh? Unterwasser-Friesen in 100 Jahren ?

    • @Seibt Matthias:

      Die Bürger wollen genau die Parteien, die im Bundestag sitzen.

      Das nennt man Demokratie.

  • "Die Grünen haben bei der Wahl grotesk schlecht abgeschnitten."

    Das Wahlergebnis von 2017 verdoppelt und ziemlich sicher Teil einer neuen Regierung ist also "grotesk schlecht". Und das, weils kurz nach dem Maskenskandal der Union mal für ein paar Wochen ein Umfragehoch gab.

    Dass die "Volksparteien" im Gegensatz zu den Grünen traditionell bei Wahlen besser abschneiden als in Umfragen, ist aber eigentlich nichts Neues.

    Und selbst dann wäre man mit einer ähnlich starken Union in einem Bündnis gewesen, das nicht grüner wäre, als eine mögliche Ampel.

    Und dass der Druck natürlich weiter von der Straße kommen muss und man sich nicht auf die Politik verlassen kann, da stimm ich absolut zu. Unabhängig von irgendwelchen Wahlergebnissen.

    Aber diese fast schon apokalpyptischen Untergangserzählungen, als wäre jetzt nach der Wahl alles verloren ("...nichts zu erwarten und auch nichts zu hoffen.."), aufbaut auf realitätsfremden Erwartungen nerven mich aber ebenso, wie das mangelnde Problembewußtsein der Politik.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Der Anteil Deutschlands von 2% , bzw. dessen möglicheSenkung auf 1, 6% am Klimawandel, wenn sofort damit aufgehört wird, Millionen zusätzliche Menschen auf westliches Konsumniveau zu heben, wird nicht verhindern, daß es in 40 Jahren wegen bewölkten Himmels im Sommer über Kassel im Radio heißt: " das letzte Jahrzehnt war im Sommer das sonnenärmste und kühlste der letzten 100 Jahre" . Im März dann," der mildeste Winter seit 100 Jahren, mit Durchnittsteperaturen von 9 Grad geht zu Ende.

  • "Ak­ti­vis­t*in­nen Europas, vereinigt euch!"



    Ja, doch nicht nur gegen die Klimaschutz- heuchelnde Politik, sondern konsequenterweise auch gegen die selbstgefällige Verblödungsneigung eines Teils der Wählerschaft.



    König Ödipus entschuldigt allerdings, dass er Vater und Mutter nicht erkennen konnte.

  • Ich habe unter anderem deswegen nicht die Grünen gewählt, weil mir klar war, dass die auch mit der FDP ins Bett steigen, um an die Macht zu kommen.



    Aus demselben Grund habe ich natürlich auch nicht CDU oder SPD gewählt (mal davon abgesehen, dass die seit Jahrzehnten zeigen, dass sie nichts ändern wollen. Können könnten sie ja...).

  • Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern! Passt auch zu den Grünen, wetten?

    • @joaquim:

      Was hindert mich daran, klüger zu werden?. Sollte doch für jedermann gelten.

  • Absolut angemessener Text, vielen Dank.

  • Der Anteil am weltweiten CO2 Ausstoß von Deutschland liegt deutlich unter 3 %.



    Wenn in diesem Jahrhundert die Welt Bevölkerung um weitere 3 Milliarden Menschen wächst, wird dieser Anteil, relativ zum Gesamtausstoß, noch mal deutlich sinken.



    Relativ zum eigenen Bruttosozialprodukt ist der CO2 Ausstoß der Deutschen übrigens die letzten 20 Jahre kontinuierlich Linear gesunken, Damit es Deutschland einer der wenigen Länder auf der Erde die das eigene BruttoSozialprodukt und den CO2 Ausstoß erfolgreich entkoppelt haben.

    Vor dem Hintergrund dieser objektiven Fakten:



    Wieso braucht man da einen radikalen Umbau Deutschlands, wieso reicht nicht ein gemäßigter Umbau der den Wohlstand erhält und die Menschen mitnimmt ?

    Ich denke diese Fakten werden in Koalitionsverhandlungen zwischen gelb und grün noch eine wichtige Rolle spielen.

  • seltsame Sicht auf die Welt hat der Autor. Will er etwa bestreiten, dass der Fortschritt der letzten 200 Jahre die Erde zu einem besseren Ort gemacht hat.

    Mit unserem Kind haben wir ab und zu mal so "Freilichtmuseen" besucht, wo die Welt vor 100 oder 200 Jahren noch bewahrt wurde. Operation ohne Betäubung, Tod durch ungefähr jede Krankheit, die man kriegen konnte. Richtig attraktiv ist das nicht.

    • @Dr. McSchreck:

      Ja, manches ist besser geworden. Aber man hätte dafür keine KKW bauen, unfassbar viel Wald roden und die Meere verseuchen müssen.

  • "Die Krise der Umwelt ist weltweit. Indem wir sie national angehen, wollen wir das international Notwendige vorantreiben. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Die fortschreitende Zerstörung der Erdatmosphäre, die Vergiftung der Meere und eine drohende Klimakatastrophe, Waldsterben, Grundwasserbelastung, umweltbedingte Krankheiten und die hohen Aussterberaten der Tier- und Pflanzenarten sind die dramatischsten Zeichen einer umfassenden Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Der ökologische Umbau unserer Industriegesellschaft ist zur Frage des Überlebens geworden.



    Vor allem die Industriestaaten haben diese Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen weit vorangetrieben. Mit der Fernwirkung ihrer Produktion und ihres Konsums schädigen sie die Meere, vernichten sie weltweit Tier- und Pflanzenarten und zerstören die Erdatmosphäre. Deshalb haben die Industriestaaten die Hauptverantwortung und damit die Kosten für die weltweite Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen zu tragen. Sie müssen mit dem ökologischen Umbau ihrer Gesellschaft vorangehen und der Verschwendung von Energie, Rohstoffen und Flächen ein Ende setzen. Sie müssen die Völker der Dritten Welt in die Lage versetzen, ihren Beitrag zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten."



    Zitat aus dem Berliner Programm der SPD von 1989 unter dem Punkt Ökologie.



    Darin stehen noch viele andere Forderungen, die inzwischen Realität geworden sind.

    Die erste Partei, die Umwelt als Thema definierte, war in den siebziger Jahren die FDP; als die FDP sich noch über ihre Freiburger Thesen definierte, die einen Sozialstaat für wesentlich erachtete.



    Die Anfänge der Grünen speisten sich aus APO, Friedensbewegung und der SPD.

    • @louisa:

      "Die Anfänge der Grünen speisten sich aus APO, Friedensbewegung und der SPD."

      Das hätten die Grünen gerne. Die Anfänge der Grünen speisten sich neben den genannten auch aus so obskuren Figuren wie Herbert Gruhl und seiner Grünen Aktion Zukunft. Und obwohl die nach ein paar Jahren in die ÖDP abgewandert sind, haben sie den Grünen ein Erbe hinterlassen, das sie über Jahrzehnte geprägt hat, nämlich eine ziemlich radikale Technikfeindlichkeit.

    • @louisa:

      Es werden in Zukunft aber nicht die Industriestaaten sondern die (ehemaligen..) Schwellenländer sein (allen voran China) welche den Löwenanteil des Klimawandels bzw. Naturzerstörung verursachen, insbesondere wenn man zukünftiges Bevölkerungswachstum mit einbezieht (das dann nicht China, aber z.B. Indien oder Indonesien betrifft)



      Der Rohstoffeinsatz / CO2 Ausstoß pro BIP sinkt im Westen, aber nicht z.B. in Asien.

    • @louisa:

      "Die Anfänge der Grünen speisten sich aus APO, Friedensbewegung und der SPD."

      Aus der ehemals Friedensbewegten wurde NATO-OLIVE-GRÜN mit strammer Transatlantik-Agenda.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @louisa:

      „Die Anfänge der Grünen speisten sich aus APO, Friedensbewegung und der SPD.“



      Schön, wenn aus den Quellen sauberes Wasser sprudelt. Leider geht es anschließend den Bach runter.

  • Das Beruhigende dabei ist, dass es das Schicksal (a.k.a. der Souverän) so wollte, dass sich Milo Rau nun wohl die nächsten 4 Jahre mit der FDP als Partner der Grünen rumschlagen muss.

  • In der Print-Ausgabe steht "wäre es lebenswichtig" statt -wie hier: online - "wäre es nötig"!? in der Unter-Überschrift?



    Was trifft den Tenor von Milo Rau wohl besser?

  • Es ist traurig mitanzusehen, wie sehr ein Teil der deutschen Jugend auf dem Weltuntergang besteht. Aber immerhin gibt er einem das Gefühl, irgendwo dazuzugehören weil Patriotismus ja out und böse ist. Da holt man sich das Gemeinschaftsgefühl halt woanders. Obszön wird es aber, wenn man partout nicht kapiert, dass die „Aktivist*innen“ sich gegen die deutschen Wähler*innen vereinigen sollen. Denn es sind ja nicht die Politiker alleine, die Politik machen. Sondern sie werden gewählt, damit sie die Politik machen, die den Apokalypse-„Aktivist*innen“ nicht gefällt.

    • @sandoftime:

      FFF fordern geradezu ,,patriotisch", dass Deutschland im Klimaschutz vorangehen möge. Zum einen wg der industriellen Klimaschulden, aber zum anderen auch, weil es es kann! Mangelnden,, Patriotismus'' sehe ich, wenn überhaupt, bei denen, die das verneinen.

  • Wenn man es so klar sieht, wie Milo Rau, muss man auch viel radikaler und klarer in der Politik und der Gesellschaft vorgehen und weniger, eigentlich gar keine, Kompromisse eingehen. Sonst ist es ja auch wieder nur Gerede.

    In wirklich tragischen, ausweglosen Situationen der totalen Apokalypse für die gesamte Menschheit, braucht es die Helden, die durchmarschieren, bis sie entweder an irgendeiner Wand zerschellen oder das Gute doch noch erreichen und die Apokalypse für alle abwehren.

    So war das zumindest mit den Apokalypsen die letzten Jahrtausende. Die meisten Helden sind allerdings zerschellt, muss man sagen. Einige kämpfen noch. Der Rest bastelt an Kompromissen.

  • Ein "yet another taz fdp bashing", soweit nicht überraschend, nicht der erste, nicht der letzte.

    Problematisch die Sicht auf Wahlen, leicht versteckt hier: "Obwohl es aktuell ungefähr so lebenswichtig ist, eine radikale Klimapolitik gegen alle Widerstände aus der Wirtschaft durchzusetzen,..." Die freie, gleiche und geheime Wahl war doch sehr deutlich: ~50% haben einen Grokoflügel gewählt, die Groko hat das Thema sträflich vernachlässigt.



    Dann mag jeder mal die Ergebnisse von Parteien addieren, die er Contra "radikale Klimapolitik" einordnet.

    "Ak­ti­vis­t*in­nen Europas, vereinigt euch!" - um das zu ändern, was Wählende mit deutlicher Mehrheit wollten? Um Wahlen abzuschaffen, die solche Ergebnisse produzieren? Oder ist das nur der Versuch, sich bei yet-another-bashing verbal hervorzuheben?

    • @xf01213:

      Guter Kommentar. Die Wählenden haben entschieden, nun müssen die Parteien mit dem Ergebnis umgehen. So ist das eben in der Demokratie.

      Mensch kann sich dem Eindruck nicht erwehren, dass gewisse Kräfte (FFF & Co) der Ansicht sind, wenn die Grünen (die ihnen ja nicht radikal genug sind) nicht 30%+ bekommen müsse man die parlamentarische Demokratie in ihrer aktuellen Form- zumindest beschneiden. Das halte ich für sehr gefährlich!

      • @MEYER_Kurt:

        was das problem : mittelfristig verdursten oder absaufen, mit und wegen demokratie, halt auch nich löst ....

    • @xf01213:

      wir müssen unser Leben ändern, wer das immernochnicht versteht, sorry kann NUR dumm sein!

    • @xf01213:

      Klimapolitik wird angenommen, wenn die, die viel Treibhausgase einsparen auch viel profitieren. Entweder wird eine Treibhausgassenkungsleistung des Bürgers direkt vergütet oder es müssen Belastungsehöhungen in einem Bereich mit Belastungssenkungen in einem anderen einhergehen.

    • @xf01213:

      Ich rate Ihnen dringend, bevor Sie bei anderen ein Demokratiedefizit attestieren, sich über das Zustandekommen unserer heute als sakrosankt geltenden Demokratie zu informieren. Ein guter erster Schritt ist das Interview der Historikerin Ute Daniel "Demokratiegeschichte von oben - Die Mechanik der Macht" in der Sendung Tacheles im Deutschlandfunk Kultur.

      Was so manche*r Mitläufer*in nie einfallen würde: Widerstand ist notwendig, wenn die sogenannte Mehrheit im Namen der Mehrheit absoluten Bockmist verzapft.

    • @xf01213:

      für viele Klimaschützer ist inzwischen die "Demokratie ein Problem". Weil sie zu langsam reagiere....

      Hab ich als junger Mensch auch geglaubt, inzwischen aber gemerkt, dass die Panikmacher auch für "zu früh" den Untergang angekündigt haben.

      • @Dr. McSchreck:

        Ja, solange man nicht grade selbst auf Madagaskar verhungert, ist man mit solchen Sprüchlein schnell dabei.

  • So eine Sommerumfrage ist halt noch mal was anderes als eine Bundestagswahl. Kann man höchstens wegen des dramaturgischen Effektes anführen, wie auch alle nie müde werden zu tun.



    Mir fällt wieder auf wie schlecht ich mich kit griechischer mytheologie auskenne, bei mir steht ödipus nur in Verbindung mit inzest, von pest hatte ich keine ahnung.

  • "Die Grünen haben bei der Wahl grotesk schlecht abgeschnitten"

    Häh?



    Die Linke bei der Wahl grotesk schlecht abgeschnitten.



    Die Grünen haben das beste Bundestagswahlergebnis aller Zeiten eingefahren.



    Die Verlierer heißen ganz klar: Linke, CDU, AfD.



    Schon interessant, wie man hier Sieger zu Verlierern küren will.

  • Nichts gegen eine gepflegte Polemik, aber mit "American Psycho"-Vergleichen wird das wohl nix mehr mit dem Dialog mit der FDP. Fragt sich, ob das tatsächlich so eine gute Idee ist - oder ob es nicht doch eher zum Ziel führt, auch mit dem politischen Gegner zu sprechen, falls so eine Regierung zustande kommt, die zumindestens die Chance hat etwas im Sinne von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu erreichen.



    Antigone zur "anderen Hoffnung" zu verklären ist ja auch ein eher eigenwilliger Vorschlag - die hat sich schließlich umgebracht.

  • RS
    Ria Sauter

    Die Grünen als Hoffnungsträger?



    Das ist, gelinde gesagt, naiv.



    Die Gutbetuchten, mit ihrem Tesla in der Garage und Solar auf dem Dach, möchten keinesfalls ihren Status verlieren. Das wissen auch die grünen Politiker/innen sehr genau.



    Ist Baden/Württemb. grün? Klimaneutral? Wie schaut es in Hessen aus?