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Bonus fürs AutoabschaffenTraut euch!

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Ausgerechnet das kleine Denzlingen macht es vor: Es belohnt das Autoabschaffen. Warum nur sind GroßstadtpolitikerInnen so zögerlich?

Könnte so schön sein: ohne Autos auf einer neuen Ortsumfahrung in Baden-Württemberg Foto: Andreas Friedrichs/imago

E s ist ein Schritt in die richtige Richtung: Das badische Städtchen Denzlingen will BesitzerInnen von Autos mit Verbrennermotor belohnen, die ihr Fahrzeug abschaffen. Sie bekommen einen Zuschuss von 500 Euro zum Beispiel für eine Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr, ein E-Bike oder Fahrrad oder alternativ dazu einen 200-Euro-Gutschein für den Einzelhandel. Auch wer kein Auto hat, erhält eine Förderung von 60 Euro für eine Carsharing-Mitgliedschaft. Es ist politisch erwünscht, dass die BürgerInnen kein eigenes Auto besitzen, ist die Botschaft der KommunalpolitikerInnen in der 14.000-EinwohnerInnen-Gemeinde. Respekt!

Erstaunlich, dass ausgerechnet eine kleine Ortschaft so eine Initiative ergreift, denn so ein Vorstoß wäre doch von den Verantwortlichen in einer Großstadt wie Berlin, Köln, Hamburg oder München eher zu erwarten. Aber in den großen Städten der Republik trauen sich selbst ökologisch ambitionierte PolitikerInnen so etwas nicht. Zu groß ist die Furcht vor der Lobby von Industrie und Autofahrenden. Dabei leiden gerade die großen Städte nicht nur extrem unter von Autos verstopften Straßen und Flächen. Dort ist es auch viel einfacher, auf Bus, Bahn oder Rad umzusteigen als auf dem Land.

Allerdings: Wegen eines Zuschuss von bis zu 500 Euro wird wohl keineR das Auto abschaffen, der oder die das nicht ohnehin vorhatte. Trotzdem ist der Minianreiz richtig. JedeR verdient eine Belohnung, der oder die einen Beitrag dazu leistet, dass die Zahl der derzeit mehr als 47,7 Millionen Pkws in Deutschland sinkt. Die viel zu vielen Autos sind nicht nur schlecht für die Umwelt und das Klima, sie fordern auch viele Verkehrsopfer und nehmen zu viel Platz weg – beim Fahren und beim Parken. Sie durch E-Fahrzeuge zu ersetzen, ist nicht die richtige Alternative.

Viele Menschen würden gern auf ihr Auto verzichten. Sie fürchten aber, ohne ein eigenes Fahrzeug ihre Mobilität zu verlieren – und da ist, jedenfalls in ländlichen Regionen, auch etwas dran. Der Abschied vom Auto wird für viele Menschen überhaupt erst denkbar, wenn Bus- und Bahnverbindungen im großen Stil ausgebaut sind und individuelle Angebote wie Bringdienste zur Verfügung stehen. Höchste Zeit, damit endlich anzufangen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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29 Kommentare

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  • Absolut dagegen!



    Das wäre die nächste politische Aktion die systematisch die Landbevölkerung benachteiligt.



    Es wird schon lange viel mehr öffentliches Geld im städtischen Umfeld investiert als auf dem Land. Egal ob das große Flughäfen oder Bahnhöfe sind oder es um Schaffung von Wohnraum geht.



    Man sollte generell lieber dafür sorgen, dass die Arbeit zu den Menschen kommt - das hilft der Ökologie, mindert die urbane Wohnraumknappheit und verhindert das Ausbluten ländlicher Regionen.

    • @Navitrolla:

      Was exakt benachteiligt daran die Landbevölkerung wenn Leute in den Städten Autos abschaffen die sie eigentlich nicht bräuchten?

      • @Yodel Diplom:

        Ganz einfach die Tatsache, dass die Städter eine finanzielle Unterstützung bekommen, die jemand auf dem Land nicht in Anspruch nehmen kann, da dort ein Leben ohne Auto teilweise nicht möglich ist.



        Wenn man das vor dem Hintergrund sieht, dass der Großteil der von Bund und Ländern übernommenen Summen an die Großen Städte geht - egal ob es um Infrastruktur, Förderung von Wohnraum oder Hochtechnologie oder um Kultur handelt, muss man zu dem Schluß kommen, dass es ungerecht ist...



        Was bei der Finanzierung der Kommunen ja auch schon der Fall ist. Warum bekommt eine Kommune wie Kronberg im Taunus einen fast doppelt so hohen Anteil Einkommensteuer je Person ausgezahlt wie eine kleine Gemeinde in Ostfriesland? Damit die ostfriesischen Gemeinde auch wirklich nichts tun kann um ihre Attraktivität zu steigern?

      • @Yodel Diplom:

        Ganz einfach: Die Anfahrt zum Arbeitsweg ist fast immer länger als bei Stadtbewohnern. Arbeitsplätze "auf dem Lande" entlasten zudem Land- und! Stadtbevölkerung.

        • 9G
          90946 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Navitrola kommentiert irgendwie ohne diesen (vielleicht einen anderen?) Kommetar gelesen zu haben, Yodel Diplom fragt nach, Sie antworten irgendwas vage an Navitrola angelehnt, immer noch ohne Bezug zum Artikel oder zu Yodel Diplom.... das reine Tollhaus!



          Isses die Hitze?



          So wird das jedenfalls nix mit der Diskussion.

        • @Rudolf Fissner:

          Danke für die Antwort. Jetzt wäre es noch gut zu wissen auf welche Frage Sie antworten, meine ist es nicht

  • Gut für Denzlingen und die Denzlinger, wenn die Gemeinde die Motivation ihrer Bürger mit Geld verbessern kann, weil Appelle an das Umweltbewusstsein anscheinend nicht genügen. Noch besser, wenn die dadurch entstehenden Kosten locker aus der Gemeindekasse beglichen werden können. Die allermeisten Gemeinden in D. könnten es nicht; allen voran die Hauptstadt Berlin mit ihrem Schuldenberg von 60 Mrd. €!



    Wo ist bloß der Goldesel aus dem bekannten Grimmschen Märchen geblieben? Er wird heutzutage dringender denn je gebraucht!

    • @Pfanni:

      Weil die Infrastruktur für Autos ja auch völlig umsonst ist. Genau wie die Maßnahmen gegen Lärmbelästigung und Beseitigung von Schäden die durch Abgase verursacht werden. Unter anderem gesundheitliche Belastung in der Bevölkerung.

      Wenn man eine Veränderung will muss man nunmal auch in diese investieren. Und mir kann niemand erzählen dass ganz genau hierfür kein Geld da wäre wenn man wollte dass hierfür Geld da ist. Alles was es braucht ist eine Entscheidung es zu machen. Es würde viele Probleme lösen die Berlin viel Geld kosten

  • Das ist eine gute Idee.

    Seit einer Weile geistert mir eine etwas radikalere im Kopf herum: Abwrackprämie für den Führerschein.

    - Für entschlossene, die Variante "ganz-oder-gar-nicht": 5000EUR, lappen für immer weg.

    - Für Warmduscher*innen die Probierpackung: ein Jahr ruhen für 500EUR.

    • @tomás zerolo:

      Ich denke nicht dass das irgendjemand annehmen würde, und ich sage das als jemand der seit 8 Jahren kein Auto mehr besitzt.

      Ich würde es nicht annehmen weil es mir z.B. die Möglichkeit verbauen würde für eine begrenzte Zeit oder für einen begrenzten Zweck einen Leihwagen zu nehmen. Es verbaut einem auch eventuelle Berufschancen. Und dafür sind 5k€ schlicht viel zu wenig.

      Auto abschaffen: ja gerne. Führerschein abgeben: Nur wenn ich physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage bin Auto zu fahren

      • @Yodel Diplom:

        Wäre ja nur ein Angebot für Mutige :-)

  • Diese "Auto abschaffen"-Forderung scheitert mM für einen Großteil der nicht im absoluten Stadtzentrum wohnenden Menschen einfach daran, dass das Auto objektive Vorteile für den Einzelnen bietet.

    Bei Regen schnell das eigene Kind zum Arzt fahren/abends noch zum Supermarkt fahren. Solche Annehmlichkeiten können ÖPNV/Car-Sharing nicht ersetzen. Diese Alternativen sind immer mit einer oder mehreren Einschränkungen verbunden.

    • @gyakusou:

      Richtig, aber was spricht dagegen den Anreiz dennoch zu setzen? Man muss ihn ja nicht annehmen wenn man der Meinung ist dass das in der eigenen Lebenssituation nicht sinnvoll ist.

      Nur so als Denkanstoß: Ich lebe seit 2012 ohne Auto, und bei dem was ich an Kosten spare kann ich mir durchaus ab und zu ein Taxi leisten wenn es die Situation erfordert.

      Man muss es halt wirklich mal schonungslos durchrechnen, inklusive _aller_ Kosten die beim Autobesitz aufkommen. Und man muss betrachten was man wirklich braucht, und wie oft was vorkommt. Zu oft lassen sich Leute von den "edge cases" leiten, die eventuell 1-2 Mal im Jahr vorkommen

    • @gyakusou:

      Zumal sich auch Carsharing nur auf Bruchteile, meist den Innenstadtbereich, bezieht und große Teile von Städten (wenn dort überhaupt vorhanden) nicht bedient.

  • Auto abschaffen? Wie naiv ist das denn? Zu den Leuten in der Pampa soll der Arzt wohl hinreiten, oder was? Der Klempner kommt auf dem Pony und der Supermarkt in Hengasch wird morgens früh mit dem Pferdewagen beliefert? In einem Asterix gibt es eine schöne Stelle, wo ein Geschäfstman zu Asterix sagt, daß die Fische ganz frisch mit dem Ochsenwagen von Marseille nach Paris gekommen seien. Träumereien. Wir können ja alle wieder fellbehangen durch die Pampa ziehen und Gräser und Beeren futtern.

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Entschuldige die naive Frage, aber ich muss mir jetzt kein Auto zulegen weil der Fischhändler nicht mit dem Ochsenkarren ausliefern will, oder?

    • @Thomas Schöffel:

      Und weil ein Arzt in der Pampa ein Auto benötigt braucht in "Berlin, Köln, Hamburg oder München" jeder eins?

      Zumal ja der Artikel nicht fordert Autos (insbesondere LKWs) zu verbieten. Die "Vergleiche" muten daher eher lächerlich an.

      Was jetzt dagegen spräche Anreize zu setzen die Leuten zugute kämen, die freiwillig auf ein Auto mit Verbrennungsmotor verzichten, weil sie es können, verstehe ich nicht. Die eigene Mobilität zu überdenken und zu erkennen dass man ein Auto nicht zwingend bräuchte scheint für Sie ja ein regelrechter Albtraum zu sein...

    • @Thomas Schöffel:

      Auch wenn ich Ihnen inhaltlich nicht zustimme, so teile ich doch Ihre Vorliebe zu "Mord mit Aussicht".



      Ich wohne übrigens selbst nicht in einer Stadt und habe selber kein Auto, wobei ich zugeben muss, dass die nächste Stadt nicht allzu weit weg ist (15-20 min mit Bus oder Fahrrad) und der Nahverkehr wirklich gut funktioniert. Ich denke wenn Carsharing Angebote vorhanden und bezahlbar sind (ob mit Zuschuss oder ohne) könnte sich das auch zunehmend für Leute rentieren die weiter weg von der Stadt wohnen.



      Klar wird das nie für alle eine Option sein, aber ich glaube es bräuchte gar nicht allzu umfassende angebote um 50 % der jetzigen Autos abzuschaffen... insbesondere die ganzen Zweitwägen.

    • @Thomas Schöffel:

      Ach ja, "Auto".. Ist das nicht dieses Relikt aus längst vergangenen Zeit, als Leute sich noch in Massen physisch fortgewegten?

      • @Bunte Kuh:

        Komisch, wenn ich aus dem Fenster gucke, bewegen sich die Massen in aktuellen Zeiten immer noch in Massen mit dem Auto.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @Thomas Schöffel:

      Genau! Arzt und Klempner reiten das Pony, Thomas Schöffel reitet die nackte Panik.



      Diese Angst ist mir z.B. völlig fremd. Was ich fürchte, ist, von einem der großen Geländewagen auf einer städtischen Fahrradstraße plattgemacht zu werden noch bevor ich das Rentenalter erreiche.



      Insofern: was den verkehr reduziert, ist allemal unterstützendwert.

      • @90946 (Profil gelöscht):

        Wieso habe ich Angst? Ich beschreibe einfach die Realität ohne Auto. Sie machen sich lustig über mich, lassen aber die Frage offen, wie denn der Arzt tatsächlich denn mal zu einem Notfall in die Eifel fährt.

        • 9G
          90946 (Profil gelöscht)
          @Thomas Schöffel:

          Sie beschreiben die Realität ohne Auto? Aber warum denn bloß? Und so überzogen?



          In dem Kommentar, auf den Sie so seltsam reagierten, werden Anreize für Bürger, ihren Privatwagen zugunsten der Umwelt und Lebensqualität abzuschaffen, befürwortet.



          Nur das. Von einer Abschaffung aller Autos war gar nicht die Rede.



          Trotzdem kommen Sie mit Ponys für den Arzt, Pferdewagen für Fischlieferanten und fellbehangenen Beerensammlern um die Ecke. DArüber (nicht über Sie persönlich, denn ich kenne sie ja nicht) musste ich lachen, weil es so panisch klingt.



          Mit der Realität autoverstopfter Städte und vermeidbarer Verkehrsopfer haben Sie dagegen kein Problem?



          Sollte mit dem Auto wirklich nur noch der Arzt zum Notfall in der Eifel fahren, dazu noch Handwerker, Lieferanten, Geheingeschränkte und ÖPNV, und keine Radfahrer und Fußgänger mehr verletzt werden, bin ich ganz und gar zufrieden!

    • @Thomas Schöffel:

      Sie nenen nur Beispiele, in denen das Fahrzeug geschäftlich gebraucht wird, was in Deutschland die Ausnahme ist.

      Tatsächlich fahren die meisten Leute selbst für Strecken von unter 5 Kilometern privat mit dem Auto, egal wo sie wohnen.

    • @Thomas Schöffel:

      Sie übertreiben, fast maßlos. Immer ein Zeichen von manipulativer "Meinungssetzung". Es würden viele Zustände einfach nur regionaler. Arbeitsplätze könnten so sogar zusätzlich entstehen. Allerdings, aus jetziger Sicht betrachtet, müssten die Einkommen steigen, Ausbildung/Bildung anders organisiert werden, Strukturen (zB das Öffentliche, Privates [zB Geschäfte]) müssten zusätzlich entstehen (würde zunächst die Umwelt wohl wieder stärker belasten).

    • @Thomas Schöffel:

      Denzlingen liegt nicht in der Pampa. Für Ortschaften in Großstadtnähe mit guter Anbindung ist die Idee gut.

    • @Thomas Schöffel:

      kein Mensch hier redet davon dass das Auto für alle abgeschafft werden soll. Es geht darum, ob jede Privatperson ein Fahrzeug braucht, das anschließend 90% der Zeit steht. Ich habe bereits letztes Jahr mein Auto verkauft. Mit Fahrrad, Lastenrad-Sharing, ÖPNV und ab und zu Carsharing bekomme ich stressfrei alles geregelt, vom Arbeitsweg über den Möbeltransport bis zur Auslandsreise. Ich habe Glück, dass es all diese Angebote gibt .. zurück zum Auto wäre für mich allerdings inzwischen keine Option mehr

    • @Thomas Schöffel:

      Das wollen ja nur wenige. Aber einen Zustand, in dem die Strecken unter 3 km (und das sind mehr als 50 % der aktuellen Autostrecken) nur noch im Ausnahmefall mit dem Auto zurückgelegt werden, das ist keine naive Spinnerei sondern schon eine konkrete Utopie.

  • Gute Idee. Umsetzung scheitert an fehlender Unterstützung (Bund, Gewerkschaften). Dies kann auch nur ein erster Schritt sein, denn eine Veränderung greift in die nächste, Stichwort Absatzkrise/Zukunftsgestaltung. Und und und..