Polizei fixiert Unschuldige in Köln: Rennende Muslime? Gefährlich!
In Köln wurden zehn Muslime in der Wahrnehmung von Fahrgästen am Bahnhof zur Terrorgefahr. Dabei wollten sie nur ihren Zug erreichen.
Ja, alle kennen das. Aber nicht alle machen dieselbe Erfahrung, wenn sie es eilig haben. Zumindest nicht in Deutschland. So sperrte am Dienstag die Polizei beide Ausgänge des Kölner Hauptbahnhofs und fixierte zehn „verdächtigte“ Männer auf dem Boden, nur um herauszufinden, dass es keine Terroristen sondern ganz normale Typen waren. In einem Tweet erwähnt die Polizei Köln, dass die Männer „im Laufschritt“ unterwegs waren. Warum soll das Rennen an einem Bahnhof verdächtig sein? Weil es Muslime sind, die rennen und dabei noch weiße Gewänder tragen. Mehr trägt die Polizei zur Begründung nicht vor. Ganz so als wäre es selbsterklärend, worin das „Missverständnis“ liegen könnte.
An jenem Tag handelte es sich um den ersten Tag des Ramadan-Festes am Ende der Fastenzeit in einem der drei Heiligen Monate des Islams. Es ist Tradition, sich an Festtagen schick anzuziehen und Verwandte zu besuchen. In meiner Kindheit war es üblich, dass Kinder „Bayramlık“ geschenkt bekamen – schicke Kleidung extra für die Festtage. Ein Blick auf die betroffenen Männer reicht aus zu verstehen, dass es genau darum ging. Auf dem Foto, das die Bild in ihrer Meldung einbettete, sieht man einen jungen Mann von hinten, der mühsam frisiert, und sauber und frisch angezogen ist. Er trägt eine traditionelle Weste, die man von Festtagen und Hochzeiten kennt.
Stellen Sie sich vor: Sie machen sich schick für einen festlichen Besuch und werden gerade deshalb mit Gewalt auf den Boden geschmissen. Es sollen andere Bahnfahrer*innen gewesen sein, die die Polizei alarmierten. Sie sahen also festlich gekleidete Männer und dachten gleich an Terroristen. Wir wissen nicht, wer diese Männer sind. Es ist gut möglich, dass es Deutsche sind. Deutsche, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, arbeiten gehen, Steuern zahlen.
Rassistische Karikatur
Laut einer Rechnung des Bamf aus 2015 lebten dato circa 4,7 Millionen Muslim*innen in Deutschland, darunter auch Deutsche. Auch wenn das Grundgesetz das Deutschsein mit der Staatsangehörigkeit begründet, herrscht in der Mehrheitsgesellschaft ein anderes Bild: Deutsche sind jene mit blonden Haaren, blauen Augen, heller Haut und angeblich keiner Zuwanderungsgeschichte. Wer außerhalb dieser Beschreibung bleibt, ist entweder minderwertig oder gefährlich. Rassismus wie aus dem Schulbuch.
Der gefährliche Mann mit dickem Bart, weißem Gewand, Granatenweste und Ziege als Haustier ist spätestens seit 9/11 das Bild von Muslim*innen weltweit, seit Pegida und AfD auch in Deutschland. So wird eine rassistische Karikatur von einer nicht wirklich definierbaren Gruppe gezeichnet, die jegliche Gewalt gegen alle, die angeblich zu dieser diffusen Gruppe gehören, rechtfertigt. Man kennt die jeweiligen Gruppen, Länder, Gesellschaften und Kulturen kaum oder gar nicht, und das braucht man auch nicht: Es sind doch schließlich alle gleich.
Es ist nicht neu, dass Polizeibeamte mehrheitlich rechts gesinnt sind und immer rechter werden. Dass sie sich so auf die betroffenen Männer schmeißen, ist weniger verwunderlich als Bahnfahrer*innen, die diese alarmierten. Es ist unfassbar, was für rassistischer Gewalt Muslim*innen und als muslimisch markierte Menschen in Deutschland ausgesetzt sind – tagein tagaus. Offensichtlich kann für sie etwas Banales wie Bahnfahren lebensgefährlich werden. Es ist beschämend, dass Menschen unfähig sind, sich selbst ein Bild von jenen zu machen, die seit Generationen in Deutschland leben und teilweise Deutsche sind, und sich stattdessen bei rassistischen Klischees bedienen. Oder ist es etwa nicht so? Werden blonde Johannesse und Andreasse auch von Polizeibeamten fixiert, wenn sie der Bahn hinterherrennen? Ich denke nicht.
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