Altkanzler Schröder hält zu Putin: Ich, ich, ich

Bisher hält der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder schweigend zu Putin. Dieser Starrsinn hat auch mit seiner Aufsteigerbiografie zu tun.

Altkanzler Gerhard Schröder im schwarzen Anzug

Er bleibt an der Seite Putins – die Meinung anderer scheint ihn nicht zu kümmern Foto: Rafael Heygster/Agentur Focus

Die Ampel hat einen „Maßgabenbeschluss“ auf den Weg gebracht. Gerhard Schröder komme seinen Amtsverpflichtungen nicht nach. Daher werden Büro und Mitarbeiter des Altkanzlers „ruhend gestellt“. Das Büro existiert allerdings de facto nicht mehr. Die Mitarbeiter haben wegen der Verstocktheit ihres Ex-Chefs schon vor Wochen gekündigt. Eine Heldentat ist dieser „Maßgabenbeschluss“ aber nicht.

Er ist eher ein Ausdruck des Bedürfnisses der SPD, ein Zeichen zu setzen: Man möchte mit Schröder, dessen Kanäle nach Moskau vor drei Monaten noch viele Sozialdemokraten schätzten, nichts zu tun haben. Schröder allerdings dürfte die Aufgabe seiner Mitgliedschaft bei dem Zweitligisten Hannover 96 tiefer getroffen haben als dieser Beschluss. Es kann allerdings auch sein, dass er mittlerweile, was Gefühle betrifft, in dem zwiespältigen Stadium völliger Schmerzfreiheit angelangt ist.

Schröder hält ungerührt und starrsinnig an seinen Jobs in russischen Staatskonzernen fest. Er paktiert mit Putin und bleibt (fürstlich bezahlt) Teil in dessen Machtapparat. Weder der Angriffskrieg in der Ukraine noch die nackte Diktatur, die in Russland herrscht, kümmert ihn. Das unmoralisch zu nennen, ist untertrieben. Aber ist Moral mehr als Gesetz? Helmut Kohl ignorierte als Altkanzler frech die Frage, woher die Million Spenden stammten, die er illegal zum Ausbau seiner Macht in der Union benutzt hatte. Büro und Mitarbeiter behielt er.

Es gibt ein merkwürdiges Rätsel bei Schröder und Putin. Die Frage nach dem Warum. Ihr Verhalten widerspricht nicht nur jedem rudimentären Verständnis von Moral, sie stellt auch unsere Vorstellungen von zweckmäßigem, eigennützigem Verhalten auf den Kopf. Putin entfesselt einen Angriffskrieg, den er selbst bei militärischen Geländegewinnen politisch und ökonomisch verlieren wird. Schröder, der sich keinen Millimeter von Putin distanziert, macht sich damit selbst zu einer Art sozialem Leprakranken.

Warum ruiniert er seinen Ruf?

Man mag an Erich Honecker nach dem Mauerfall denken. Auf beide schaut man mit einer Mischung aus Abscheu, Ratlosigkeit und jenem Mitleid, das wir für Figuren übrig haben, die hoffnungslos aus der Zeit gefallen sind. Und es noch nicht mal merken. Die Vorstellung, wie kurz die Gästeliste bei Schröders Beerdigung sein wird, hat etwas Beklemmendes.

Warum hält Schröder so altersstarrsinnig an der Männerfreundschaft mit dem Diktator fest? Warum ruiniert er seinen Ruf, vertreibt seine letzten Freunde? Vielleicht klingt in der Weigerung nachzugeben das Drama des sozialen Aufsteigers nach. Schröder hat sich aus subproletarischen Verhältnissen nach ganz oben gearbeitet, um als Kanzler im edlen Mantel zu posieren. Das war jene „Ich-habe-es-geschafft“-Geste, die Bildungsbürger peinlich finden. Sie sollte Zugehörigkeit anzeigen und demonstrierte dabei das Gegenteil.

Die lässige Selbstverständlichkeit im Umgang mit Stil, Macht und Geld, die dem Großbürgertum in die Wiege gelegt ist, steht dem Aufsteiger nicht zur Verfügung. Sie lässt sich aber auch nicht kaufen. Der Aufsteiger ist oft eine prekäre Figur. Die Agendapolitik war vielleicht auch eine symbolische Abgrenzung von dem Unten, aus dem er selbst einmal kam. Auch auf die SPD schaut Schröder vom Gipfel seines sozialen Aufstiegs mit einer kaum verhüllten Arroganz herab. 2017 beim Parteitag in Dortmund bekundete er, das Wahlprogramm nicht gelesen zu haben, obwohl es doch genau darum ging. „Ich habe es euch nicht immer leicht gemacht, aber ganz leise sage ich: ihr mir auch nicht.“ Das war sehr viel Ich für jemand, der seit zwölf Jahren kein Politiker mehr war.

Dass er sich nur ein paar Tage, nachdem er den Job des Kanzlers los war, als Putins Lobbyist verdingte, passte da ins Bild. Schröder gab den Rüpel mit Geld, den die Meinung der anderen so wenig interessiert wie das Koordinatensystem bürgerlicher Moral oder die Empfindlichkeiten der SPD.

Bei Kohl war die Weigerung, die Wahrheit zu sagen, Ausdruck der Hybris der Macht. Er, der Kanzler der Einheit, glaubte zu dürfen, was andere nicht dürfen. Schröders Verstocktheit hat allerdings eine andere Textur. Er glaubt das Recht zu haben, ein Egoist zu sein. Hier spricht – oder genauer hier schweigt – das gepanzerte Ich des Aufsteigers, der es ganz alleine nach ganz oben geschafft hat. Er glaubt absolut niemand etwas zu schulden. Schon gar keine Erklärungen.

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