Aiwanger-Affäre in Bayern: Söder hält an Aiwanger fest
Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) setzt seinen Vize Aiwanger nicht vor die Tür. Trotz des antisemitischen Flugblatts darf er Minister bleiben.
Er habe sich die Entscheidung über Aiwanger nicht leicht gemacht, betonte Söder zu Beginn. Antisemitismus habe in Bayern keinen Platz. „Bayern ist ein Bollwerk gegen Rassismus und Antisemitismus“, sagte Söder. Das garantiere er persönlich als Ministerpräsident. Das Flugblatt sei „besonders ekelig, menschenverachtend und absoluter Nazijargon“.
Empfohlener externer Inhalt
Söder zu Aiwanger
Aiwangers Krisenmanagement sei nicht glücklich gewesen, erklärte Söder weiter. Aber es habe eine späte, aber nicht zu späte Entschuldigung von Aiwanger gegeben. Die sei notwendig gewesen.
Söders Fragen und Aiwangers Antworten wurden nach der Pressekonferenz online veröffentlicht. Nicht alle Antworten seien befriedigend, sagte Söder. Aber er habe sich erneut von dem Flugblatt distanziert und glaubhaft versichert, dass er nicht Autor des Papiers sei. Das müsse und wolle er zu Aiwangers Gunsten auslegen, so Söder.
Seit dem Vorfall habe es nichts Vergleichbares bei Aiwanger gegeben. Und die Sache sei 35 Jahre her. Daher sei in der Gesamtabwägung eine Entlassung aus dem Amt nicht verhältnismäßig, so Söder.
Gespräche mit jüdischen Gemeinden
Aber ein einfaches „Schwamm drüber“ könne es auch nicht geben. Nur wer ernsthaft bereue, könne auf Verzeihung hoffen. Man habe besprochen, dass Aiwanger zum Beispiel das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen solle. Das sei bereits am Sonntagmorgen auch mit „Frau Knobloch und Herren Schuster besprochen“ worden. Charlotte Knobloch ist die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Josef Schuster ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken.
Damit stehe auch fest, dass die CSU die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen könne, sagte Söder. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen schloss er erneut aus.
„Ich bedaure diese Angelegenheit“, erklärte Söder. Für ihn sei die Sache damit aber abgeschlossen.
Eine Woche Debatte
Zuvor war es seit gut einer Woche um die Aufarbeitung der Affäre um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten gegangen. Der Freie-Wähler-Chef hatte zuletzt einen umfangreichen Fragenkatalog Söders zu den Vorwürfen schriftlich beantworten müssen. Danach werde er eine abschließende Bewertung treffen, hatte Söder vorab angekündigt.
Gegen Aiwanger waren seit einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu haben.
Am Donnerstag entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen – insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. Auf X (ehemals Twitter) wies er zudem den Vorwurf, er habe Hitlers „Mein Kampf“ in der Schultasche gehabt, als „Unsinn“ zurück. Zu weiteren Vorwürfen äußerte er sich entweder nicht oder sagte, er könne diese aus seiner Erinnerung weder dementieren noch bestätigen.
Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei – was ihm sofort neue Vorwürfe etwa des Zentralrats der Juden einbrachte.
Hofreiter kritisiert Aiwanger
Wegen der Affäre um das antisemitische Flugblatt hält der Grünen-Politiker Anton Hofreiter den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger nicht mehr für tragbar. „Das zentrale Problem am Verhalten von Herrn Aiwanger sind weniger die antisemitischen und zutiefst menschenverachtenden Aussagen, die er damals in seiner Tasche hatte, sondern der heutige Umgang damit“, sagte Hofreiter den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Sonntag). „Statt klar um Entschuldigung zu bitten, tut er so, als wäre er selbst das Opfer.“
Hinweis: Der Text wurde nach der Pressekonferenz aktualisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken