Faire Noten, durchsichtige Tricks: Söders Flugblatt

Das Aiwanger-Pam­phlet und seine Bedeutung nach 35 Jahren mag man unterschiedlich bewerten. Für viele haben Söder und Aiwanger es frisch gedruckt.

Söder schaut wie Aiwanger

Söder gibt den Aiwanger Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Friedrich Merz erwägt höheren Spitzensteuersatz und kritisiert „Hedgefonds-Methoden der Ampel“.

Und was wird besser in dieser?

Es war sein Bruder.

Markus Söder hält an seinem Vize Hubert Aiwanger fest – obwohl der viele der 25 Fragen zu dem antisemitischen Flugblatt in seiner Schultasche unbefriedigend beantwortet habe. Warum?

Methode Haider: Das Kärtner Rechts­idol hatte ein festes Repertoire an Schmutzigkeiten, Zitate über die „Mißgeburt der österreichischen Nation“, die „tolle Kameradschaft bei der Waffen-SS“ und antisemitische Schmähungen. Je nach Publikum distanzierte er sich, leugnete, bestritt den Zusammenhang und beschuldigte jene, die ihm seine Altlasten vorhielten. Ergebnis: Die Gutgläubigen sprachen ihn frei; die Gesinnungsvolksgenossen sahen ihn raunend als einen der ihren. Leider genau so werden Söder und Aiwanger nun Stimmen kassieren von denen, die ihnen das Gefrömmel abkaufen – und jenen, die böse Medien fürs Aufbauschen schmähen. Aiwanger hat damit schon angefangen. Das Pam­phlet und seine 35 Jahre mag man bewerten, wie man will. Für viele haben Söder und Aiwanger es jetzt frisch gedruckt.

Die erbitterte Debatte über die vermeintlich geplante Abschaffung der Bundesjugendspiele hält an. Beklagt wird der potenzielle Untergang der Leistungsgesellschaft. Können wir uns diesen schmählichen Abgang leisten?

Hier schreibt die ehemalige Kassenbrille mit 1 im Rechnen. Außer Musterschülermobbing war das Sportfest Ventil und Tag der Gerechtigkeit für Schülerinnen und Schüler, die leistungsmäßig nach unten wegsortiert wurden. Sport-Asse galten trotzdem was, genossen Respekt und Ansehen gegen die Doktrin aus dem Lehrerzimmer. Okay, das spricht sich in der Klasse eh rum, auch ohne „Siegerurkunde“, doch solange es in den anderen Fächern Noten gibt, ist es im Sport nur fair.

Zwölf Milliarden Euro hatte Familienministerin Lisa Paus einst für die Kindergrundsicherung veranschlagt, 2,4 Milliarden sollen jetzt aber plötzlich auch reichen. Hat Deutschland ein Matheproblem?

Kinder werden in Deutschland sehr geschätzt. Weil man genaue Zahlen nicht kennt. Jede Regierung wirft irgendwelche Überraschungseier ins Kinderzimmer und am Ende zählte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages 150 „familienpolitische Leistungen“. Und Kinderarmut. Also gut, dass die Ampel da mit dem Kamm durchgeht: Erstens einen Garantiebetrag formerly known as Kindergeld. Zweitens viele andere Leistungen gebündelt und sozial gestaffelt. Wo man bisher fromm erduldete, dass viele Eltern unwissend oder überfordert an der Bürokratie scheiterten, soll jetzt der „Familienservice der Bundesagentur für Arbeit“ von sich aus checken und liefern. Und deswegen weiß niemand, ob es 2,4 – oder 12 – oder sonst welche Milliarden werden, wenn allen geholfen wird, denen Hilfe zusteht. Der Rest war Scheidungskrieg Lindner-Paus mit geteiltem Sorgerecht.

Die Ampelkoalition will das Bürgergeld aufgrund der Inflation um mehr als 60 Euro pro Monat erhöhen. Für CDU-Politiker Jens Spahn ist es „das falsche Signal“. Wer arbeite, müsse mehr haben als der, der nicht arbeite, sagt er. Stimmt an dieser Aussage irgendetwas?

Rechnerisch stimmt weder die Höhe des Bürgergelds noch die Unterkante der Verdienste aus Spahns Beispiel. Der sich gegenüber dem „Faktenfinder“ der ARD zu seinen Zahlen auch ausschweigt. Doch er leistet einen wichtigen Beitrag: Um die knickrige Erhöhung als großzügig darzustellen, braucht es wen, der sie als „das falsche Signal“ kritisiert. Das ist das richtige Signal.

Grüne und SPD wollen den Mehrwertsteuersatz auf Milchersatzprodukte senken. Künftig sollen Haferdrink und Co wie Kuhmilch mit 7 statt 19 Prozent besteuert werden. Wird der Ampel dieses Projekt gelingen?

Immerhin gelang der GroKo im Jahr 2020, die „Tamponsteuer“ auf 7 Prozent zu ermäßigen. Damit ist Monatshygiene so unluxuriös wie frische Trüffeln (7 Prozent), Wachteleier (7 Prozent) und günstiger als Apfelsaft und Süßkartoffeln (19 Prozent). Spannend wird, ob künftig Sojamilch (dann 7 Prozent) wieder teurer wird, wenn sie als Babynahrung verkauft wird: 19 Prozent. Der deutsche Mehrwertsteuerdschungel sollte ein Heimspiel sein für Lindners FDP, die kennen sich aus mit 7 Prozent.

Und was machen die Borussen?

Nach 5 Punkten aus drei Spielen betteln die Medien um eine Trainerdebatte. Hier nicht.

Fragen: Eva Keller, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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