Abschiebung von Pflegekräften: Grenzenlose Dummheit
Im kleinen niedersächsischen Wilstedt zeigt sich, was es wirklich heißt, im großen Stil abzuschieben: Es beschädigt die soziale Infrastruktur.
D ieser Kommentar müsste überflüssig sein. Denn die Meldung, dass die geplante Abschiebung von zehn kolumbianischen Pflegekräften in Wilstedt ein Heim für Demenzkranke lahmlegt, sagt ja alles: Abschiebungen schaden der Daseinsvorsorge. In diesem Fall fügen sie 48 in dem Heim untergebrachten Menschen unmittelbaren Schaden zu: Demenzkranke aus ihrem Alltag zu reißen, bedeutet einen direkten Angriff auf ihre Gesundheit. Gut möglich, dass sie danach nur noch in einer geschlossenen Psychiatrie versorgt werden können.
Wilstedt ist eine stinknormale Gemeinde, gewissermaßen Deutschland, wie überall, nur in klein. Deshalb zeigen sich hier die Folgen pompöser Ankündigungen ganz direkt: So sieht es also aus, wenn wir in großem Stil – und gemessen an 1.781 Einwohnern sind 10 echt großer Stil – abschieben.
Ist es angesichts des verbreiteten Mangels an Fachkräften und ausbildungsfähigem Personal nicht irrational, nein, sogar schreiend dumm, Zuwanderungsbegrenzung und Abschiebung für ein wirksames Mittel zur Lösung überhaupt irgendeines Problems zu halten?
Kein humanitärer Impuls, sondern Eigennutz
Es geht hier nicht um einen humanitären Impuls. Es geht hier um Eigennutz. Deutschland kann es sich nicht leisten, auf Menschen zu verzichten, die etwas können und in diesem seltsam unfreundlichen Land leben wollen, beispielsweise weil Gewalt und organisierte Kriminalität sie aus ihrer Heimat vertrieben haben.
Vorausschauende, verantwortungsvolle Politik wäre, dem Ressentiment etwas entgegenzusetzen, statt sich von ihm zu schädlichem Handeln verleiten zu lassen. Und die Rechtslage so anzupassen, dass die notwendige Immigration nicht illegalisiert wird. Wenn Einwanderung, die zum Wohle des Landes beiträgt, gegen Gesetze verstößt, sind nämlich nicht die Einwanderer schlecht, sondern die Gesetze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland