Abgesackter U-Bahn-Tunnel in Berlin: Denn sie wissen nicht, was sie tun
Die Befürchtungen über einen Totalschaden des Bahnhofs der U2 am Alexanderplatz zeigen: Nicht jedes Hochhaus sollte in Berlin gebaut werden.
D as Leben in einer Großstadt wie Berlin wäre undenkbar ohne ein gewisses Grundvertrauen in die Leistung der zahllosen Ingenieur:innen, die ihre gebaute Umwelt geschaffen haben. Alltägliche Dinge wie eine U-Bahn-Fahrt könnten schnell in einer Panikattacke enden, wenn wir ständig Angst hätten, dass der Tunnel über uns jeden Moment zusammenkrachen könnte. Wir sind uns aber sicher, dass das nicht passiert, weil die Leute, auf die es ankommt, schon wissen werden, was sie tun.
Dass dieses Vertrauen im Alltag praktisch, in Politik und Verwaltung aber umso fahrlässiger ist, zeigt die am Montag durch Medienberichte ausgelöste Debatte über den Zustand des abgesackten Tunnels der U2. Unter Berufung auf einen Insider berichtete das Neue Deutschland zunächst, die Schäden am abgesackten Tunnel der U2 unter dem Alexanderplatz könnten größer sein als bisher gedacht. Grundlage für die Einschätzung: ein Wasserschaden mit bislang ungeklärter Ursache im darunterliegenden Bahnhof der U5. Womöglich müsse der gesamte U-Bahnhof abgerissen und neugebaut werden, so der Kenner.
Wie es um den Zustand des Tunnels tatsächlich bestellt ist, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Die BVG verweist auf laufende Untersuchungen, die mit der Reparatur beauftragte Covivio behauptet, alles sei in Ordnung, bleibt den Nachweis gegenüber der Senatsverwaltung aber noch schuldig. Ob der ursprüngliche Plan gelingt, den Tunnel mit Betoninjektionen wieder anzuheben, ist unklar.
Dabei scheinen im Vorfeld weder Covivio noch der Bezirk Mitte ernsthaft mit der Möglichkeit einer Absenkung gerechnet zu haben. Lediglich die BVG drängte in weiser Voraussicht auf den Abschluss einer sogenannten „nachbarschaftlichen Vereinbarung“, die Covivio nun auch zur Übernahme der Kosten verpflichtet.
Unkalkulierbare Risiken
Zuverlässig vorhersagen oder ausschließen lassen sich solche Setzungen des Erdreichs nicht. Die Ursache dafür ist nicht fachliches Versagen, sondern die Tatsache, dass nicht alle relevanten Faktoren bekannt sind. Dazu gehört, dass die Baupläne der Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten U-Bahn-Tunnel nur noch selten vollständig oder korrekt sind. Zwar lässt sich die Gefahr von Setzungen durch technische Maßnahmen wie Pfahlgründungen oder vorsorgliche Betoninjektionen minimieren, doch ein Restrisiko bleibt immer.
Die Aufgabe der Politik ist, in einem solchen Fall abzuwägen, ob der Nutzen eines Bauprojekts dieses Risiko rechtfertigt. Im Gegensatz zu komplexen statischen Berechnungen ist diese Abwägung auch für Laien einfach durchzuführen.
Auf der Risiko-Seite steht ein verkehrspolitisches Desaster, das jahrelange Bauarbeiten an einem zentralen U-Bahn-Knotenpunkt mit sich bringen würden. Auf der Nutzenseite steht dagegen nur ein weiterer austauschbarer Büroklotz, auf den die Stadtgesellschaft auch mit intakter U-Bahn gut verzichten könnte. Eine klassische Lose-Lose-Situation also.
Der eigentliche Skandal ist also, dass der Senat weiter an den Hochhausplänen für den Alexanderplatz und andere, U-Bahn-Linien gefährdende Standorte festhält. Die U2 sollte ein Weckruf sein, solche Projekte in der Nähe von U-Bahn-Tunneln nicht mehr zu genehmigen. Doch um die Interessen privater Investor:innen zu wahren, nimmt der Senat willentlich die Gefährdung öffentlicher Infrastruktur in Kauf.
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