Berliner U-Bahn-Verkehr: Ungewisse Zukunft für die U2

Planmäßig soll der abgesackte U-Bahn-Tunnel am Alexanderplatz im August wieder öffnen. Vielleicht sind die Schäden sogar viel größer als gedacht.

Das Bild zeigt einen Blick in den U2-Bahnhof am Alexanderplatz.

Der Blick auf eine verstärkte Tragesäule im U2-Tunnel am Alexanderplatz Foto: imago stock

BERLIN taz | Die Schäden am abgesackten U-Bahn-Tunnel der U2 am Alexanderplatz könnten deutlich größer sein als ursprünglich angenommen. BVG-Pressesprecher Jannes Schwentu bestätigte am Mittwoch gegenüber der taz, dass Wasser von der Decke des Bahnhofs der U5 tropft, der unter dem beschädigten U2-Tunnel liegt.

Bereits am Montag vermuteten Medienberichte, die sich auf Insider beriefen, der Wasserschaden sei ein Zeichen dafür, dass die hervorgerufenen Setzungen des Erdreichs den Tunnel der U2 irreparabel beschädigt hätten. Hervorgerufen wurden die Schäden vermutlich durch die Baugrube der benachbarten Hochhausbaustelle des Immobilienunternehmens Covivio.

Demnach könnte sowohl die Unterseite als auch die Verbindungsfuge zur U5 komplett gebrochen sein, zitiert das ND einen Insider. Dadurch könne Grundwasser ungehindert in den Bahnhof der U5 sickern. Eine schnelle Reparatur des Tunnels sei demnach nicht durchführbar, im schlimmsten Fall müsse der gesamte Bahnhof der U2 abgerissen und neu gebaut werden, so der Insider.

Die BVG lehnte eine Stellungnahme zu den Einschätzungen mit Hinweis auf die laufenden Untersuchungen ab. „Die Ursachenklärung und die Ermittlung von Reparaturmaßnahmen laufen“, sagt BVG-Sprecher Schwentu, „der U-Bahnbetrieb oder die allgemeine Sicherheit sind durch den Wasserschaden nicht beeinträchtigt.“

Erste Sperrung Die U2-Strecke musste im Oktober vergangenen Jahres gesperrt werden. Wegen der Baustelle eines Hochhauses am Alexanderplatz war der U-Bahn-Tunnel um mehrere Zentimeter abgesackt. Die U2 fährt seitdem im Pendelverkehr. Der Bauherr Covivio hatte es scheinbar nicht eilig, die Instandsetzung voranzutreiben.

Das Konzept Zur Instandsetzung stellten die Senatsverwaltung für Mobilität, die BVG und Covivio vier Monate später - Anfang Februar - einen Plan vor. Nach sorgfältiger Prüfung durch Behörden, BVG und externe Prüfungsingenieur:innen wurde er freigegeben. Das Instandsetzungskonzept hat das Ziel, den Tunnel wieder auf seine ursprüngliche Höhe anzuheben.

Die Fertigstellung der Baustelle und Öffnung der U2 könnte noch dauern. Angeblich rollt die U2 ab Ende August wieder. Die Reparaturkosten sollen sich auf knapp zehn Millionen Euro belaufen. (las)

Auch Covivio, die derzeit für die BVG die laufenden Reparaturmaßnahmen am Tunnel der U2 durchführt, beschwichtigt: „Der Zustand des Tunnels wird regelmäßig durch Gutachter und Sachverständige geprüft“, sagt Pressesprecherin Barbara Lipka gegenüber der taz. Sowohl BVG als auch Covivio schätzen den Verlauf der Reparaturarbeiten als „planmäßig“ ein und rechnen weiterhin mit einer Wiedereröffnung der Strecke im August.

Teilstrecke seit Anfang Oktober gesperrt

Seit Anfang Oktober 2022 die Sensoren des U-Bahnhofs eine Absenkung des Tunnels von über drei Zentimetern registrierten, ist ein Teil der Strecke gesperrt. Auf der ansonsten vielbefahrenen Linie gibt es zwischen den Bahnhöfen Senefelderplatz und Klosterstraße nur noch einen Pendelverkehr im 15-Minuten-Takt.

Im Januar stellten der Senat, die BVG und Covivio ihren Plan vor, den beschädigten Bahnhof zu reparieren. So soll durch Betoninjektionen der Tunnel schrittweise wieder angehoben werden. Obwohl das französische Immobilienunternehmen bis heute keine rechtliche Verantwortung für den Schaden übernimmt, ist es gemäß einer sogenannten „nachbarschaftlichen Vereinbarung“ mit der BVG verpflichtet, für etwaige Schäden an den U-Bahn-Anlagen aufzukommen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Bauarbeiten auftreten.

Die Aussicht, dass die Reparaturen deutlich länger dauern und eventuell auch die U5 betreffen könnten, sorgt besonders bei der Opposition für Empörung. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, steht Berlin vor einem verkehrspolitischen Super-GAU“, sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen Antje Kapek in einer Pressemitteilung am Mittwoch. Es sei nicht hinnehmbar, dass private Investoren mit riskanten Bauvorhaben die Mobilität von hunderttausenden Ber­li­ne­r:in­nen einschränken würden.

Mehrere Investoren in der Kritik

Im Fokus der Kritik steht dabei nicht nur Covivio, sondern auch andere Investor:innen, die derzeit in Berlin Großprojekte über U-Bahn-Infrastruktur bauen. So baut der österreichische Investor Signa nur wenige hundert Meter weiter über der U8 ein 130 Meter hohes Hochhaus. Auch Signas aufwendiger Karstadt-Neubau am Hermannplatz könnte zu einer Absenkung der U8 führen, fürchtet die BVG. Die Verkehrsbetriebe fordern deshalb schon seit Monaten von den Investor:innen, die Risiken bei den Planungen besser zu berücksichtigen.

Absenkungen des Erdreichs, sogenannten Setzungen, kann zwar durch verschiedene technische Maßnahmen vorgebeugt werden, ganz ausgeschlossen werden können sie in einer dichtbebauten Umgebung wie Berlin allerdings nie. „Keine Hochhäuser auf U-Bahnen, Punkt“, wiederholte Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion, ihre Forderung nach einem kompletten Bauverbot von Großprojekten auf kritischer Infrastruktur.

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