+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: UN-Gericht fordert Ende des Kriegs
Den Haag gibt einer Klage der Ukraine statt. In Mariupol ist offenbar ein Theater bombardiert worden, in dem sich Hunderte Menschen aufgehalten haben sollen.
Ukraine: Angriff auf Theater mit Hunderten Zivilisten in Mariupol
Russische Einheiten haben nach ukrainischen Angaben ein Theater in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol bombardiert, in dem sich Hunderte Menschen aufgehalten haben sollen. Angaben zu möglichen Opfern lagen zunächst nicht vor.
„Ein weiteres entsetzliches Kriegsverbrechen in Mariupol“, twitterte Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch. „Heftiger russischer Angriff auf das Drama-Theater, wo sich Hunderte unschuldiger Zivilisten versteckt haben.“ Das Gebäude sei vollständig zerstört. „Die Russen müssen gewusst haben, dass dies ein ziviler Unterschlupf war.“ Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
„Es ist noch immer unmöglich, das Ausmaß dieser furchtbaren und unmenschlichen Tat zu erfassen“, teilte die Stadtverwaltung bei Telegram mit. Der zentrale Bau und der Eingang zum Schutzkeller in dem Gebäude seien zerstört worden.
Mariupol ist seit Wochen von russischen Truppen eingeschlossen und wird von mehreren Seiten aus beschossen. Hunderttausende Menschen sollen unter katastrophalen Bedingungen in der Stadt am Asowschen Meer eingeschlossen sein. (dpa)
Höchstes UN-Gericht: Russland muss Krieg in Ukraine stoppen
Der Internationale Gerichtshof hat angeordnet, dass Russland sofort die militärische Gewalt in der Ukraine beenden muss. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen gab am Mittwoch in Den Haag einer Klage der Ukraine gegen Russland statt. (dpa)
Medien: Dokumente für mögliche Gespräche von Putin und Selenski
Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über ein Kriegsende werden offensichtlich konkreter. Es würden Dokumente ausgearbeitet für mögliche direkte Gespräche zwischen Staatschef Woloymyr Selenski und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zitierte die russische Staatsagentur Ria Nowosti den ukrainischen Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Mittwoch aus einem Interview mit dem US-Sender PBS.
„Der einzige Weg, diesen Krieg zu beenden, sind direkte Gespräche der beiden Präsidenten. Daran arbeiten wir bei diesen Verhandlungen“, sagte Podoljak demnach. Derzeit würden diese Dokumente ausgearbeitet, welche die Staatschefs dann vereinbaren und unterzeichnen können. „Das könnte schon bald passieren.“
Selenski hatte wiederholt ein Treffen mit Putin angeboten, Moskau reagierte darauf aber stets äußerst zurückhaltend.
Nach Informationen der Zeitung Financial Times arbeiten beide Seiten an einem 15-Punkte-Plan. An erster Stelle stünden die von Russland geforderte Neutralität und Entmilitarisierung der Ukraine sowie der von Kiew verlangte Abzug russischer Truppen. Territoriale Streitfragen sollten demnach erst später diskutiert werden. (dpa)
Nato-“Friedensmission“ stößt in Allianz auf Ablehnung
Keine Nato-“Friedensmission“ in der Ukraine, aber fortgesetzte Waffenlieferungen an das Land: Das zeichnete sich am Mittwoch bei einem Sondertreffen der Verteidigungsminister in Brüssel ab. Dabei ging es auch um „rote Linien“ für Russland, etwa für den befürchteten Einsatz von Chemie- oder Atomwaffen.
Polen hatte vor dem Nato-Rat eine „Friedensmission“ für die Ukraine ins Gespräch gebracht. Diese solle „von Streitkräften geschützt“ werden und „in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen“, wie der polnische Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski am Rande einer Kiew-Reise der polnischen, tschechischen und slowenischen Regierungschefs betonte.
Die Forderung stieß im Bündnis allerdings auf Skepsis bis offene Ablehnung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit gegen eine solche „Friedensmission“ aus. Scholz sei sich mit Frankreich und den USA einig, dass es „keine Nato-Soldaten“ in der Ukraine geben dürfe, betonte der Sprecher.
Auch die Niederlande und Großbritannien äußerten sich zurückhaltend zu dem Vorschlag, der einen einstimmigen Beschluss erfordern würde. Die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren etwa sagte: „Eine Friedensmission ist schwierig, solange der Krieg noch anhält.“ Zuerst müsse Russland seine Truppen vollständig abziehen. (afp)
Nato-Generalsekretär weist Kriegsbeteiligung zurück
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte eine direkte militärische Beteiligung an dem Krieg mehrfach zurückgewiesen, so auch die Forderung der Ukraine nach einer Flugverbotszone. Am Donnerstag reist Stoltenberg zu Scholz nach Berlin.
Einzelne Mitgliedsländer wollen stattdessen ihre Waffenlieferungen an die Ukraine fortsetzen, allen voran die USA. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin betonte in Brüssel, sein Land unterstütze die Ukraine bei der Landesverteidigung, „und wir werden sie auch in Zukunft unterstützen“.
US-Präsident Joe Biden wollte nach Angaben aus dem Weißen Haus noch am Mittwoch weitere „Sicherheitshilfen“ für Kiew über 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro) ankündigen. Im vergangenen Jahr hatte Washington der Ukraine den Angaben zufolge mehr als 600 Stinger-Raketen und etwa 2600 Javelin-Panzerabwehrsysteme geliefert. Dazu kamen Radarsysteme, Hubschrauber, Granatwerfer, Gewehre und Munition.
Biden wird kommende Woche Donnerstag zu einem Nato-Krisengipfel in Brüssel erwartet, den Generalsekretär Stoltenberg kurzfristig einberufen hat. Laut Pentagon-Chef Austin will der US-Präsident dabei den „eisernen Beistand“ der USA für die europäischen Bündnispartner deutlich machen. (afp)
Polen und baltische Staaten fürchten russischen Überfall
Vor allem östliche Nato-Staaten wie Polen oder die baltischen Länder fürchten, der russische Präsident Wladimir Putin könne sie als nächstes ins Visier nehmen. Estland und Luxemburg forderten bei dem Verteidigungsministertreffen eine klare Antwort der Nato für den Fall eines russischen Angriffs mit Atom- oder Chemiewaffen. Der luxemburgische Ressortchef François Bausch sagte, Putin müsse die „rote Linie“ aufgezeigt werden. Diese sei die Grenze zu den Nato-Staaten sowie das Völkerrecht.
Vor dem Nato-Hauptquartier demonstrierten nach Angaben eines AFP-Fotografen rund 50 Aktivisten für die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine und für eine von der Nato kontrollierte Flugverbotszone. Sie stimmten die ukrainische Hymne an und hielten Fotos von Kriegsopfern und Bombenschäden in die Höhe. „Wenn die Ukraine fällt, werden Nato-Verbündete als nächstes an der Reihe sein“, warnte die Gruppe Promote Ukraine auf Facebook. (afp)
Russische Behörde sperrt Websites von mindestens 15 Medien
Russland hat den Zugang zu Internetauftritten von mindestens 15 Medien gesperrt. Russische und ausländische Medien wie die preisgekrönte Enthüllungswebsite Bellingcat, zwei russischsprachige israelische Nachrichtenseiten und regionale Portale wie Permdaily.ru waren am Mittwoch von russischen IP-Adressen aus nicht erreichbar. Die Websites werden auf der offiziellen Sperrliste der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor geführt.
Unter den geblockten Medien sind auch mehrere ukrainische Medien und ein estnisches Portal, das eine russischsprachige Version betreibt. Mit Programmen zur verschlüsselten Kommunikation über sogenannte virtuelle private Netzwerke (VPN) waren die Internetseiten weiterhin zu erreichen.
Seit dem Beginn der Militäroperation in der Ukraine haben die russischen Behörden den Zugang zu Online-Medien massiv eingeschränkt. Betroffen sind auch internationale Online-Netzwerke wie Facebook, Twitter und Instagram. Anfang März hatte Präsident Wladimir Putin zudem ein Gesetz unterzeichnet, das drakonische Haftstrafen bei „Falschinformationen“ über die russische Armee vorsieht. (afp)
Russland nicht mehr Mitglied des Europarats
Russland wird mit sofortiger Wirkung aus dem Europarat ausgeschlossen. Das teilte die internationale Organisation, die der Förderung von Menschenrechten und Demokratie in Europa dient, am Mittwoch in Straßburg mit. Grund ist der russische Angriff auf die Ukraine.
„In einer außerordentlichen Sitzung hat das Ministerkomitee heute Morgen im Rahmen des nach Artikel 8 der Satzung des Europarates eingeleiteten Verfahrens beschlossen, dass die Russische Föderation nach 26 Jahren Mitgliedschaft ab heute nicht mehr Mitglied des Europarates ist“, hieß es auf der Website.
Russland war bereits Ende Februar vom Europarat suspendiert worden. Am Dienstag hatte die Organisation weitere Schritte zum Ausschluss eingeleitet. (epd)
🐾 Grenzenlose Nachbarschaftshilfe
In der Ukraine leben Marina und Emma als Nachbarn. 1994 wandert Emma nach Deutschland aus. Als der Krieg ausbricht, wird Weilheim zum Zufluchtsort. Die Reportage von Marina Klimchuk lesen Sie hier.
Russische TV-Mitarbeiterin fürchtet nach Protest um ihre Sicherheit
Die russische TV-Mitarbeiterin, die vor laufender Kamera gegen den Krieg in der Ukraine protestiert hat, zeigt sich äußerst besorgt um ihre Sicherheit. „Ich glaube an das, was ich getan habe, aber ich verstehe jetzt das Ausmaß der Probleme, mit denen ich fertig werden muss“, sagte Marina Owsjannikowa am Mittwoch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. „Und natürlich sorge ich mich extrem um meine Sicherheit.“ Sie habe aber nicht vor, aus Russland zu fliehen, und hoffe, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werde. Owsjannikowa war am Dienstag mit einem Bußgeld von 30.0000 Rubel (rund 250 Euro) belegt worden, nachdem das Moskauer Präsidialamt wenige Stunden zuvor ihren Protest als Rowdytum kritisiert hatte. (rtr)
Offenbar „schwere Verluste“ bei russischer Armee
Die Lage in einigen ukrainischen Städten wie Isjum im Nordosten des Landes, das von der russischen Armee belagert wird, oder der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol, die seit Tagen vollständig eingeschlossen ist, gilt als katastrophal. In den vergangenen Tagen waren immer wieder Menschen über vereinbarte Fluchtkorridore entkommen. In Mariupol waren mehrere Evakuierungsversuche gescheitert, bis am Dienstag schließlich etwa 20.000 Menschen die Stadt verlassen konnten.
Die russische Armee soll nach Angaben des ukrainischen Generalstabs bereits bis zu 40 Prozent ihrer Einheiten verloren haben, die seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar an Kämpfen beteiligt waren. Diese Truppen seien entweder vollständig zerschlagen worden oder hätten ihre Kampfkraft verloren, teilte der Generalstab in Kiew in der Nacht zu Mittwoch mit. Eine genaue Zahl wurde die nicht genannt. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden. Auch das britische Verteidigungsministeriums sprach von „schweren Verlusten“.
Die Vereinten Nationen warnten am Mittwoch auch vor den Folgen des Krieges für die Menschen in der Ukraine. Im Falle einer andauernden Invasion könnten in der Ukraine nach ersten Schätzungen in den kommenden zwölf Monaten rund 90 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen sein. Eine anhaltende russische Invasion könnte das Land wirtschaftlich in diesem Zeitraum um fast zwei Jahrzehnte zurückwerfen, teilte das UN-Entwicklungsprogramms UNDP am Mittwoch mit. „Jeder Tag, den der Frieden auf sich warten lässt, beschleunigt den freien Fall in die Armut für die Ukraine“, warnten die UN. (dpa)
Lawrow „hofft“ auf Einigung bei ukrainisch-russischen Gesprächen
Die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine wegen des Kriegs in dem Land sind aus Sicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow inzwischen von einem „geschäftsmäßigen Geist“ geprägt. „Ein neutraler Status (der Ukraine) wird im Zusammenhang mit Sicherheitsgarantien ernsthaft diskutiert“, sagte Lawrow dem russischen Sender RBK TV. „Es gibt konkrete Formulierungen, die aus meiner Sicht kurz vor einer Einigung stehen.“
Lawrow nannte keine Details, erklärte aber, „der geschäftsmäßige Geist“, der in den Gesprächen zum Vorschein komme, „gibt Hoffnung, dass wir uns in dieser Frage einigen können.“ Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski hatte zuvor mit Blick auf die Gespräche, die am Mittwoch fortgesetzt werden sollten, gesagt, beide Seiten diskutierten einen möglichen Kompromiss, nach dem die Ukraine in der Zukunft ein kleineres, blockfreies Militär haben könnte.
„Eine ganze Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der Größe der ukrainischen Armee wird diskutiert“, sagte er am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Die Ukraine schlage die Option eines neutralen Staates nach dem Vorbild Österreichs oder Schwedens vor, der jedoch über eine eigene Armee und Marine verfüge.
Von ukrainischer Seite lag dazu zunächst keine Stellungnahme vor. Es war unklar, wie eine solche Variante funktionieren würde, wenn das künftige Militär der Ukraine Russland feindlich gesinnt bliebe. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hatte am Dienstag gesagt, sein Land realisiere, dass es der Nato nicht beitreten könne. Der ukrainische Wunsch einer Mitgliedschaft in dem Militärbündnis ist aus russischer Sicht ein wunder Punkt. (ap)
Drei Viertel in Deutschland befürchten Bedrohung aus Moskau
Drei Viertel der Bürger in Deutschland befürchten laut einer Umfrage eine militärische Bedrohung der Bundesrepublik durch Russland. Die Angst ist im Zuge der zunehmenden Spannungen und schließlich des Angriffs auf die Ukraine deutlich gewachsen. Wie eine Langzeiterhebung, das sogenannte Deutsch-Polnische Barometer, ergab, äußerten 2015 – im Jahr nach der russischen Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim – 41 Prozent der Befragten Angst vor einer militärischen Bedrohung Deutschlands durch Russland. Im Februar dieses Jahres, kurz vor dem jetzigen russischen Angriff auf die Ukraine, waren es bereits 55 Prozent. Im März sind es nun 74 Prozent.
In Polen dagegen fürchtet eine große Mehrheit seit langem eine militärische Bedrohung durch Moskau. Dort stieg der Umfrage zufolge der Anteil derer, die sich so äußern, im selben Zeitraum seit 2015 von 76 auf nun 79 Prozent.
Für die Umfrage wurden in beiden Ländern jeweils 1.000 repräsentativ ausgewählte Bürger online befragt. (dpa)
Johnson schließt ukrainischen Nato-Beitritt „in absehbarer Zeit“ aus
Der britische Premierminister Boris Johnson hat einen Nato-Beitritt der Ukraine „in absehbarer Zeit“ ausgeschlossen. Johnson sagte am Mittwoch, die Realität sei, dass „die Ukraine auf keinen Fall in absehbarer Zeit der Nato beitreten wird“. Die Entscheidung müsse jedoch von der Ukraine getroffen werden.
Am Dienstag hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski die Einschätzung geäußert, dass sein Land keine Chance auf eine Mitgliedschaft in dem Militärbündnis habe. Sein Land habe dies realisiert. Es war sein bislang ausdrücklichstes Eingeständnis, dass das auch in der ukrainischen Verfassung verankerte Ziel wahrscheinlich nicht erreicht wird.
Am Mittwoch sah Selenski mit Blick auf die jüngste Gesprächsrunde zwischen Russland und der Ukraine wegen des Kriegs in der Ukraine eine leicht positive Entwicklung in den Gesprächen. Er erklärte, die russischen Forderungen klängen inzwischen realistischer.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat das ukrainische Ziel eines Nato-Beitritts seit langem als Bedrohung für Russland dargestellt. Die Nato stellt dies in Abrede. (ap)
🐾 Boykottiert Öl – nicht die Kultur
Die Autor*innen aus dem östlichen Europa gehören in die Schaufenster der Bücherläden. Sie liefern eine ehrliche gesellschaftliche Selbstbeschreibung, findet taz-Redakteur Dirk Knipphals. Alle Texte der Literatur-Sonderausgabe “Literataz“ finden Sie hier.
Estland bekräftigt Forderung nach Flugverbotszone
Estland hat bei einem Nato-Treffen die Forderung nach einer Flugverbotszone über der Ukraine erneuert. „All diese Staaten, die eine Flugverbotszone kontrollieren können, müssen handeln“, sagte Verteidigungsminister Kalle Laanet am Mittwoch am Rande von Beratungen in der Nato-Zentrale in Brüssel. Er betonte zudem, dass Estland die Ukraine mit allen Mitteln unterstütze. Die Durchsetzung einer Flugverbotszone durch die Nato gilt allerdings als derzeit ausgeschlossen.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte immer wieder gefordert, dass eine Flugverbotszone über der Ukraine eingerichtet wird. „Schließen Sie den Luftraum, bitte beenden Sie diese Bombardements“, sagte Selenski erst am Dienstag bei einer Video-Ansprache vor dem Parlament in Ottawa. Wie viele Marschflugkörper müssen noch auf unsere Städte fallen, bevor Sie das umsetzen?“ Bisher hätten ihn seine westlichen Partner als Reaktion auf diese Bitte immer nur vertröstet, sagte Selenski weiter.
Die Nato lehnt eine Flugverbotszone bislang ab, um nicht in einen direkten Konflikt mit Russland verwickelt zu werden. Man verstehe die Verzweiflung der Ukraine, man sei aber überzeugt, dass ein solcher Schritt zu einem großen Krieg in ganz Europa führen könnte, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zuletzt. Für die Durchsetzung einer Flugverbotszone müssten Nato-Kampfflugzeuge in den ukrainischen Luftraum fliegen und russische Flugzeuge abschießen. (dpa)
USA wollen weitere Hilfen bewilligen
US-Präsident Joe Biden will einem Beamten des Weißen Hauses zufolge am Mittwoch weitere “Sicherheitshilfen“ für die Ukraine über 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro) ankündigen. Die Ankündigung, die für 16.45 Uhr MEZ erwartet wird, bringt „die gesamte (Hilfe), die allein in der letzten Woche angekündigt wurde, auf eine Milliarde Dollar“, sagte der Beamte am Dienstagabend (Ortszeit). Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird am Mittwoch vor dem US-Kongress sprechen.
Biden hatte bereits am Samstag 200 Millionen Dollar für zusätzliche militärische Ausrüstung für die Ukraine genehmigt. Zuvor hatten die USA bereits nach der russischen Invasion Ende Februar 350 Millionen Dollar Militärhilfen für die Ukraine angekündigt. Wofür die neuen Mittel verwendet werden sollen, sagte der Beamte am Dienstag nicht.
Im vergangenen Jahr haben die USA der Ukraine dem Beamten zufolge mehr als 600 Stinger-Raketen und etwa 2.600 Javelin-Panzerabwehrsysteme geliefert. Dazu kämen Radarsysteme, Hubschrauber, Granatenwerfer, Gewehre und Munition, sagte der Beamte. „Die USA sind nach wie vor der mit Abstand größte Einzelgeber von Sicherheitshilfe für die Ukraine“, betonte der Beamte.
Selenski hatte in den vergangenen Wochen wiederholt die Einrichtung einer Flugverbotszone sowie die Lieferung von Kampfflugzeugen gefordert. Die USA und ihre Nato-Verbündeten sind davor bislang zurückgeschreckt, da sie eine direkte Konfrontation mit der Atommacht Russland fürchten. Nato-Mitgliedsland Polen hatte am Dienstag jedoch eine Nato-“Friedensmission“ gefordert, die die Entsendung von Nato-Streitkräften in die Ukraine beinhalten soll. Der US-Kongress hatte am vergangenen Donnerstag einen neuen Bundeshaushalt verabschiedet, der auch ein Hilfspaket von fast 14 Milliarden Dollar für militärische und humanitäre Hilfen für die Ukraine sowie die Bewältigung der mit dem Krieg verbundenen Krisenmaßnahmen vorsieht. (afp)
🐾 Eine Stadt zum kurz Durchatmen
Bis Kriegsbeginn war das westukrainische Lemberg ein Touristenmagnet. Jetzt ist das Zentrum leer, die Stadt aber ist voller Flüchtlinge. Ein Text aus unserer Tagebuch-Reihe “Krieg und Frieden“ von Kolumnist Rostyslav Averchuk.
Wie wird der Krieg in den Ländern der ehemaligen UDSSR wahrgenommen? Die taz glaubt daran, dass jede:r das Recht auf diese Informationen hat. Damit möglichst viele Menschen von den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine lesen können, veröffentlichen wir die Texte unserer Kolumne „Krieg und Frieden“ daher auf Deutsch und auch auf Russisch.
Warschau fordert “Friedensmission“ in der Ukraine
Polen hat eine „Friedensmission“ der Nato zur Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland gefordert. „Ich glaube, wir brauchen eine Friedensmission der Nato oder möglicherweise einer breiteren internationalen Struktur“, zitierte die Nachrichtenagentur PAP den polnischen Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, der am Dienstag mit den Regierungschefs von Polen, Slowenien und Tschechien nach Kiew gereist war. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte in Berlin unterdessen sein Nein für einen Nato-Militäreinsatz in der Ukraine.
Nach den Vorstellungen Polens sollte eine Nato-Mission mit „Zustimmung des ukrainischen Präsidenten“ auf „ukrainischem Territorium agieren“ und „humanitäre und friedliche Hilfe“ leisten. Dabei solle sie allerdings „von Streitkräften geschützt“ werden und „in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen“, betonte der Vorsitzende der regierenden konservativen Partei in Polen.
Der Besuch der drei Ministerpräsidenten war der erste von ausländischen Regierungschefs in der belagerten ukrainischen Hauptstadt seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte zuvor immer wieder von der Nato die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert.
Bundeskanzler Scholz schloss am Dienstag jedoch erneut ein militärisches Eingreifen der Nato im Ukraine-Krieg aus. „Wir werden keine Flugverbotszonen über der Ukraine einrichten. Das würde eine direkte militärische Konfrontation mit Russland, mit russischen Kampfflugzeugen bedeuten“, bekräftigte er. „Mit US-Präsident Joe Biden, mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und den anderen Verbündeten bin ich mir einig, dass es keine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Nato und Russland geben darf.“ (afp)
🐾 Kaukasus-Experte über Putins Invasion
Der Politologe Emil Aslan sieht Parallelen zwischen den Tschetschenien-Kriege und Putins Vorgehen in der Ukraine. In der taz wirft er dem russischen Präsidenten vor, seit etwa zwanzig Jahren die freien Medien loszuwerden.
Polen fordert EU-Beitrittskandidaten-Status für Ukraine
Laut einer auf der Internetseite der polnischen Regierung veröffentlichten Erklärung soll die Reise der drei Regierungschefs zudem die „eindeutige Unterstützung“ der EU für die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine bekräftigen. Außerdem wollten sie ein „umfassendes Paket von Maßnahmen zur Unterstützung des ukrainischen Staates und der ukrainischen Gesellschaft“ vorstellen.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte die EU in Kiew erneut auf, „der Ukraine sehr schnell den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen“. Er fügte hinzu: „Wir werden versuchen, Verteidigungswaffen zu organisieren“.
Aus EU-Kreisen in Brüssel hieß es jedoch, dass die Regierungschefs nicht im Auftrag ihrer EU-Kollegen nach Kiew gereist sind. Sie hätten ihre Pläne zwar der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel am Rande des jüngsten Gipfels in Versailles mitgeteilt – es sei jedoch kein offizielles Mandat der EU beschlossen worden. Von Morawieckis Büro hieß es, dieser habe sich zuletzt in der Nacht auf Dienstag mit von der Leyen und Michel beraten.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte seinen Angriff auf die Ukraine selbst als Mission zum Erhalt des „Friedens“ bezeichnet. Er hatte der Nato vorgeworfen, dass sie einen Beitritt der Ukraine nicht ausschließen wollte und verlangt, dass sie die Unterstützung für Selenskis Regierung mit Waffen und Geld einstellt. (afp)
Putin sucht die Schuld für den Krieg weiter bei der Ukraine
Während die Kämpfe in der Ukraine weiter tobten, setzten die Kriegsparteien am Dienstag ihre Gespräche fort. In den Verhandlungen bestünden weiterhin „fundamentale Gegensätze“, erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak. Einen Kompromiss hielt er dennoch für möglich. „Wir werden morgen weitermachen.“
Putin sagte hingegen bei einem Telefonat mit Michel, Kiew zeige „kein ernsthaftes Engagement, um für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden“.
Selenski beschuldigte Russland wiederum, die Angriffe auszuweiten. „Sie bombardieren überall. Nicht nur Kiew, sondern auch die westlichen Gebiete“, sagte er in einem auf seinem Telegramm-Account veröffentlichten Video.
Der ukrainische Präsident schien indessen in der strittigen Frage eines Nato-Beitritts seines Landes zu einem wichtigen Zugeständnis bereit zu sein. „Wir haben jahrelang gehört, dass die Türen offen sind, aber wir haben auch gehört, dass wir nicht beitreten können. Das ist die Wahrheit und wir müssen das anerkennen“, sagte er bei einer Videokonferenz mit westlichen Staats- und Regierungschefs am Dienstag. (afp)
EU-Regierungschefs treffen Selenski in Kiew
Die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien haben dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bei einem Treffen im umkämpften Kiew Solidarität und Unterstützung zugesagt.
„Hier, im vom Krieg zerrissenen Kiew, wird Geschichte geschrieben“, betonte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. „Hier kämpft die Freiheit gegen die Welt der Tyrannei. Hier hängt die Zukunft von uns allen in der Schwebe“, teilte er per Twitter mit.
Morawieckis Stellvertreter Jaroslaw Kaczynski sprach sich der PiS-Partei zufolge für eine internationale Friedensmission etwa der Nato aus, die in der Lage sein sollte, sich zu verteidigen.
„Wir bewundern euren mutigen Kampf“, erklärte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala bei dem Treffen am Dienstagabend. „Ihr kämpft um euer Leben, euer Land und eure Freiheit. Wir wissen, dass ihr auch um unser Leben kämpft. Ihr seid nicht allein.“ (dpa)
🐾 Der Schlüssel zur Flüchtlingshilfe
Täglich kommen Tausende Ukrainer:innen in Großstädten wie Berlin und Hamburg an. Nun sollen die Menschen auf die Länder verteilt werden. Das Feature der taz-Redakteur:innen Dinah Riese und Konrad Litschko lesen Sie hier.
Selenksi lobt „mutigen Schritt“ der EU-Regierungschefs
Sein slowenischer Kollege Janez Jansa meinte, man habe in den vergangenen zwei Jahren viel über europäische Werte gesprochen – meist theoretisch. „Dann haben wir aber bemerkt, dass es europäische Grundwerte tatsächlich gibt. Und dass sie gefährdet sind. Und dass Europäer diese verteidigen. Mit ihrem Leben. In der Ukraine.“
Selenski bezeichnete den Besuch nach ukrainischen Medienberichten als großen und mutigen Schritt. In einer Zeit, in der viele ausländische Botschaften wegen des russischen Einmarschs die Ukraine verlassen hätten, würden „diese Führer unabhängiger europäischer Staaten“ zeigen, dass sie keine Angst hätten. „Sie sind hier, um uns zu unterstützen. Ich bin sicher, dass wir mit solchen Freunden, mit solchen Ländern, Nachbarn und Partnern wirklich gewinnen können.“
Die Politiker aus Polen, Tschechien und Slowenien waren mit einem Zug nach Kiew gereist. Der Besuch war nach Darstellung eines polnischen Regierungssprechers unter strengster Geheimhaltung in Absprache mit EU und Nato geplant worden. Die ukrainische Hauptstadt wird seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar immer wieder beschossen.
Es galt als möglich, dass die drei Politiker schon kurz nach dem Treffen mit Selenski wieder zurückreisten. Für Mittwochvormittag kündigte Fiala ein Briefing auf dem Militärflugplatz Prag-Kbely an. (dpa)
Scholz bekräftigt Nein zu Nato-Flugverbotszone im Ukraine-Krieg
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat ein militärisches Eingreifen der Nato im Ukraine-Krieg erneut ausgeschlossen. Der Westen setze weiter auf die gegen Russland verhängten Sanktionen, sagte Scholz auf einer Veranstaltung der „Welt“ in Berlin. „Wir werden keine Flugverbotszonen über der Ukraine einrichten. Das würde eine direkte militärische Konfrontation mit Russland, mit russischen Kampfflugzeugen bedeuten“, bekräftigte er.
„Mit US-Präsident Joe Biden, mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und den anderen Verbündeten bin ich mir einig, dass es keine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Nato und Russland geben darf. Das kann niemand wollen.“
Das westliche Bündnis vertraue weiter auf die Wirkung von Maßnahmen, die vor allem auf die russische Wirtschaft abzielen. „Gemeinsam mit unseren Verbündeten in Europa und den USA haben wir sehr präzise Sanktionen vorbereitet“, sagte der Bundeskanzler.
„Präsident Wladimir Putin mag diesen Krieg ein Jahr geplant und sich auf wirtschaftliche Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft eingestellt haben – doch er hat unsere Entschlossenheit unterschätzt: Die Sanktionen haben stärkere Auswirkungen, als es sich Russland je vorgestellt hat.“ (afp)
Scholz setzt auf erneuerbare Energien
Der Kanzler erklärte aber auch, die Maßnahmen würden Auswirkungen auf Deutschland und die Bundesbürger haben. „Das sage ich mit Blick auf unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung, auf Lieferketten, auf die Handelsbeziehungen. Noch lässt sich das nicht präzise berechnen, umso wichtiger ist es, dass wir unsere Maßnahmen dauerhaft durchhalten können.“
Die Ampel-Koalition plant als Reaktion auf den russischen Angriff gegen die Ukraine eine beispiellose Aufstockung der Mittel für die Bundeswehr sowie eine Verringerung der Abhängigkeit von russischen Rohstoff-Lieferungen. „Unsere Versorgungsstruktur muss so ausgelegt werden, dass wir auf unterschiedliche Quellen zugreifen können“, sagte Scholz.
„Wir kaufen mehr Flüssiggas, erhöhen die Speicherstände von Erdgas und füllen unsere Kohlereserven auf.“ Vor allem aber müsse Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, um dauerhaft auf fossile Brennstoffe zu verzichten. „In diesem Jahr müssen wir die rechtlichen Hürden beseitigen, damit wir die Ausbauziele bei Windkraft und Sonne schaffen“, erklärte der Kanzler. (afp)
Hier lesen Sie die Nachrichten zum Ukrainekrieg von Dienstag.
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