Bunte Häuser mit Geranien in einer Kleinstadt

Foto: W. Filser/ddp

Flucht aus der Ukraine nach Oberbayern:Grenzenlose Nachbarschaftshilfe

In der Ukraine sind Marina und Emma Nachbarn. 1994 wandert Emma nach Deutschland aus. Durch den Krieg wird Weilheim zum Zufluchtsort.

Ein Artikel von

16.3.2022, 12:20  Uhr

Das Ungeheuerliche auf dem kurzen Streckenabschnitt zwischen den beiden Dörfern Seweryniwka und Makariw, dem Ende eines Belagerungskessels in der Mittel-Ukraine, vollzieht sich in unvorhersehbaren Abläufen. Niemand kann sich vorbereiten. Die Flüchtenden versuchen es trotzdem. Sie befestigen eine weiße Fahne am Auto: als Zeichen des Friedens, falls ihnen russische Soldaten begegnen.

Die Straße ist von den Explosionen aufgeschürft. In den letzten Tagen wurde hier heftig gekämpft. Zu viert sitzen sie im Fahrzeug nach Iwano-Frankiwsk: Marina und die drei Nachbarn, vier Hunde und drei Katzen. Sie fahren so langsam, dass es sich wie Schrittgeschwindigkeit anfühlt. 20 Kilometer wie 2.000.

Plötzlich bäumt sich ein Panzer vor ihnen auf. Die Russen, denken sie sofort. Der Nachbar am Steuer streckt schnell den Arm aus dem Autofenster. „Wir sind nicht bewaffnet!“, will er signalisieren. Doch der Panzer bewegt sich nicht, das Rasseln bleibt aus. Da ist niemand. Aufatmen.

Auf der Fahrbahn begegnen ihnen ausgeglühte Militärfahrzeuge. Sie passieren leere Autos mit aufgeschlitzten Reifen. Am Straßenrand liegen Männerleichen wie hingeworfene Kadaver. Einer von ihnen trägt einen Glatzkopf, Marina sieht aus dem Fenster, wie sein Gesicht die Erde küsst. „Die haben es nicht geschafft“, sagt die Nachbarin.

Marina schafft es. Am Checkpoint in Makariwa kontrolliert das ukrainische Militär ihre Pässe. Erleichterung. Ab hier können ihnen die russischen Soldaten nichts mehr anhaben.

1.500 Kilometer von Seweryniwka nach Weilheim

Vor Marina liegt eine Reise über 1.500 Kilometer. Sie will zu ihrer Freundin Emma nach Weilheim, in Oberbayern. Sonia, ihre Tochter, und Alina, ihre Schwiegertochter, sind mit ihren Kindern schon dort. Emma ist meine Mutter.

Abgefahren sind sie von der Datscha ihres Bruders im Dorf Seweryniwka westlich von Kiew. In der Nacht vor der Abreise träumt Marina, die Nachbarn würden sie im Dunkeln aus dem Auto werfen und sie alleine im Wald zurücklassen. Es ist nur ein Traum, aber die Panik vor der Realität will auch am Morgen nicht weichen. Marina packt eine Thermosflasche mit heißem Wasser und Brühwürfeln ein und bastelt aus einer Plastikflasche einen provisorischen Nachttopf, mit dem sie im Notfall auch im Auto pinkeln könnte. Sie rechnet mit dem Schlimmsten. „Red bloß nicht so viel wie sonst immer“, schärft der Bruder ihr ein. Er selbst bleibt zurück.

Gesamtzahl Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sind mehr als 2,8 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Das ergeben Daten der Vereinten Nationen vom Montag.

Polen Die meisten Menschen haben im Nachbarland Polen Zuflucht gefunden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich dort 1,77 Millionen Menschen in Sicherheit bringen können. Das teilte der polnische Grenzschutz am Montag mit.

Moldau In dem kleinen und besonders armen Land mit rund 2,4 Millionen Einwohnern sind bislang nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin mehr als 300.000 Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen. 100.000 Menschen würden aktuell in Moldau untergebracht und versorgt. Deutschland will 2.500 von ihnen aufnehmen.

Weitere Nachbarstaaten Nach einer Statistik vom 14. März waren bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 255.000 ukrainische Flüchtlinge in Ungarn eingereist. Mehr als 204.000 erreichten die Slowakei, über 84.000 Rumänien. 131.000 Personen sind demnach nach Russland ausgereist. Mehr als 306.000 erreichten andere europäische Staaten. Viele Menschen sind aus den Erstankunftsländern in andere Länder weitergereist, darunter nach Tschechien, Österreich und in die Bundesrepublik Deutschland.

Deutschland Die Zahl der in der Bundesrepublik registrierten Flüchtlinge aus der Ukraine ist am Montag auf rund 147.000 gestiegen. Bis Montag seien 146.989 Menschen von der Bundespolizei verzeichnet worden, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin. Da es keine Kontrollen an der Grenze zu Polen gibt und Menschen mit ukrainischem Pass ohne Visum in die EU einreisen können, liegt die tatsächliche Zahl vermutlich höher. (taz, dpa, rtr)

In den letzten Nächten hatte sie die Wucht der Explosionen im Dorf aus dem Schlaf gerissen. Das Herz flatterte, der Blutdruck sprang auf 160. Zur Senkung nimmt sie täglich eine Filmtablette Triplixam. Eine Frau im Dorf hat ihr 30 Tabletten geschenkt. Zwölf Stunden dauert die Fahrt nach Iwano-Frankiwsk. Von dort nimmt Marina den Zug nach Lwiw und kommt in der Wohnung an, die der Bruder für sie organisiert hat.

Hier kann sie wieder schlafen, wieder essen, vergisst, den Blutdruck zu messen. Es gibt ein stabiles Internet, wir telefonieren. Um ihren roten Lippenstift, den sie zufällig bei der Flucht aus Kiew in der Tasche hatte, tut es ihr leid, der ist in Seweryniwka zurückgeblieben. Sonst ist das Dorf fast leer, nur die ganz Alten und Kranken kommen nicht weg. Russische Soldaten haben den Dorfladen ausgeplündert und sind mit der Beute im Wald verschwunden. „Die hungern ja selbst auch“, sagt Marina.

Morgen um sechs Uhr wird Marina zu dem kleinen Grenzübergang im polnischen Dołhobyczów fahren. Von dort sind es nur noch tausend Kilometer bis nach Weilheim.

Eine Freundschaft, die durch die Trennung nicht beendet ist

Emma aus Weilheim und Marina aus der Ukraine kennen sich schon sehr lange. Eigentlich schon, seit wir Anfang der neunziger Jahre in einem hässlichen Sowjetbau in der westukrainischen Stadt Riwne, Straße Sabornaja 34, lebten. Unsere Familie im achten Stock, Marinas Familie eins drüber, im neunten.

Die Kinder wachsen zusammen auf, meine ältere Schwester Polina ist mit Marinas Sohn Aljosha befreundet, ich mit ihrer Tochter Sonia. Als Aljosha wochenlang ins Krankenhaus muss, passt Emma auf Sonia auf. Dann bricht mit dem Ende der Sowjetunion die Wirtschaft ein. So sehr, dass man plötzlich nicht mehr genug Eier hat, um Piroschki zu machen. Armut schweißt zusammen. Später steigt Marinas Mann auf, macht „Business“, wie man das damals nennt. Marina kommt bei uns vorbei und bringt ein Stück Wassermelone für die Kinder mit oder leiht Polina Schuhe für eine Feier in der Schule aus. „Sie stellte sich an die Haustür und sagte, sie muss gleich los, aber dann haben wir uns immer verquatscht“, erinnert sich meine Mutter drei Jahrzehnte später auf ihrer Terrasse in Weilheim.

Nicht nur Schuhe werden damals verliehen – auch Geld. Meine Mutter Emma schlürft Thymian­tee. Im Garten blühen gerade Schneeglöckchen und Krokusse. Schön hat sie es hier.

1994 wandert meine Familie nach Deutschland aus. Zum letzten Mal fährt Emma zwei Jahre später nach Riwne, zurück zieht es sie nie. Ins Ausland telefonieren ist damals teuer, deshalb schrei­ben Emma und Marina sich Briefe, so lange, bis sie sich irgendwann auf Skype und Whatsapp kostenlos anrufen und Fotos schicken können. Mit dem digitalen Zeitalter kommt die Freundschaft in eine neue Blüte. Längst sind die Kinder erwachsen, aber der Kontakt bricht niemals ab. 28 Jahre lang pflegen sie eine Fernbeziehung, nur einmal, vor acht Jahren, besucht Marina Emma in Deutschland.

Eine Frau hält sich die Kapuze ihres blauen Anoraks gegen die Kält fest, im Hitnergrund ein Grenzübergang

Endlich Polen erreicht: Marina, die alte Nachbarin von Emma, ist unterwegs nach Weilheim Foto: privat

Dann schlagen in Kiew die Raketen ein. Plötzlich kann Emma ihre Freundin nicht mehr erreichen, das Handynetz ist vorübergehend gestört.

Sonias Angst vor der Flucht

„Als Emma zum ersten Mal sagte, wir sollen zu ihr nach Weilheim, ist das bei mir anfangs gar nicht durchgedrungen“, sagt Marina. Sie hält die Idee für Wahnsinn, erwähnt sie aber dennoch ihren Kindern gegenüber. Die reagieren gereizt. Niemand will die Heimat verlassen, Aljosha ist im wehrfähigen Alter. Sonia war noch nie richtig im Ausland, nur in Russland. Einen Reisepass besitzt sie nicht. Sie will mit Nika und Nastya, drei und vier Jahre alt, bei ihrem Mann Dima bleiben. Aber Dima will zur Bürgerwehr und seine Stadt Kiew verteidigen.

In Kiew wird den ganzen Tag über von nah und fern geschossen. Die Kinder können nicht schlafen, nicht spazieren gehen. Die Familie wohnt im dreizehnten Stock. Zeit, bei Sirenenalarm in den Keller zu laufen, hat niemand. „Emma ließ nicht locker, und irgendwann verstand ich, dass sie recht hat“, sagt Marina.

„Mama, hilf mir, soll ich?“, fragt Sonia sie am Telefon. Marina antwortet: „Fahr nach Deutschland!“ „Deine Mutter“, sagt sie zu mir, „ist der herzlichste Mensch, den ich kenne“

Der Handyempfang auf der Datscha in Severyniwka ist schlecht, die Verbindung zwischen Mutter und Tochter unbeständig. Die Explosionen häufen sich. Sonia ruft ihre Mutter aus Riwne an, dorthin waren sie und Dima geflohen, als in Kiew die Explosionen begannen. „Mama, hilf mir, soll ich?“, fragt Sonia sie am Telefon. Marina antwortet: „Fahr nach Deutschland!“ „Deine Mutter“, sagt sie zu mir, „ist der herzlichste Mensch, den ich kenne.“

Seit dem Gespräch zwischen Sonia und Marina sind etwa zehn Tage vergangen, vielleicht etwas mehr, vielleicht weniger. Die Erinnerungen beginnen zu verschwimmen. Sonia weiß nicht, welcher Wochentag heute ist. Nur, dass sie am Freitag gegen Mitternacht im oberbayerischen Weilheim angekommen sind.

Heute ist Donnerstag, ihr sechster Tag hier. Wir stehen an der Schlange vor der Essensausgabe der Weilheimer Tafel an der Apostelkirche. Drei pralle Einkaufstüten für einen Euro. Eine Packung zerquetschter Himbeeren, Mandarinen, Krapfen, zwei Weißwürste, Müllermilch, Schokolade. Sonia ist zufrieden. Ihre Tochter Nastya ist Feuer und Flamme für ein Stickerheft mit Dinosauriern, die dreijährige Nika stiehlt sich davon und isst heimlich ein Überraschungsei, das eine fremde Frau ihr zugesteckt hat. Beide Blondschöpfe tragen pinke Jäckchen und rosa Mützchen.

2 Frauen mittleren Alters von der Seite aufgenommen schauen irgendwo hin

Ein Bild von Marina und Emma, entstanden beim einzigen Treffen in Deutschland 2014 Foto: privat

Sonia ist dünn und blass mit Augenringen und langen Haaren, so glatt, als sei ein Bügeleisen darübergefahren. Im echten Leben in der Ukraine unterrichtet sie Yoga. Wenn sie lächelt, erkenne ich in ihren Gesichtszügen meine Kindheitsfreundin wieder. „Seid ihr schon registriert?“, mischen sich zwei ältere Frauen hinter uns auf Ukrainisch in unser Gespräch ein. Sie sagen, dass sie gestern schon beim Arzt waren und auch ohne Registrierung Insulin bekommen hätten, kostenlos. Insulin ist unbezahlbar.

Wir laufen voll bepackt zurück. Nika fängt an zu plärren, als sie am Hauseingang wieder das Trampolin der Nachbarn sieht. Sie will unbedingt hüpfen, aber Sonia kann die Nachbarn noch nicht darum bitten, sie kennt sie doch gar nicht. Außerdem spricht sie kein Deutsch und nur wenig Englisch.

Sonia erzählt von der Flucht mit den Kindern

Im Haus wärmt sie Borschtsch und Wiener Würstchen für die Kinder auf, dann beginnt sie zu erzählen. Vom nächtlichen Skifahren in Kiew, wo sie drei Tage vor Kriegsausbruch noch bei einem Date mit Dima war. Von der nervigen pro-russisch eingestellten Schwiegermutter, die bis zuletzt noch glaubte, Putin werde die Zivilisten verschonen, und mit der sie unter einem Dach lebt.

Erst vor Kurzem haben sie und Dima sich von ihrem angesparten Geld eine kleine Wohnung, eine Chruschtschowka, in Kiew gekauft, wie man die Wohnungen in den älteren Plattenbauten aus Sowjetzeiten nennt. Sie haben sie erst einmal untervermietet. Sonia erzählt vom lichterlohen Raketenfeuerwerk über den zerschossenen Kleinstädten Irpin und Hostomel, die sie schon in den ersten Kriegstagen von ihren Fenstern im 13. Stock aus beobachten konnten. Sie erzählt von den Zügen auf der Flucht.

„Diese Züge fühlen sich an wie aus der Kriegszeit, von der mir meine Großmutter erzählte, nur dass es plötzlich mein Leben ist“, sagt Sonia. Zwölf Stunden dauert die Zugfahrt von Lwiw über die Grenze ins polnische Przemyśl. Es existieren keine funktionierenden Toiletten, nur Gedränge. Omas, Frauen, brüllende Säuglinge. Zwischendurch stoppt der Zug, es gibt ein Klo und etwas zu essen. Sonia hat für ihre Kleinen zwei Nachttöpfe mitgenommen. Es ist eine ihrer besten Entscheidungen bei der Vorbereitung ihrer Flucht. Aus dem ganzen Zugabteil pinkeln die Kinder nun in Sonias Töpfe.

Sonia schließt sich einer Großmutter mit Tochter und Kleinkind aus dem russischsprachigen Dnipro an, sie werden zu Leidensgefährtinnen. Sie bricht ab und schnauft. Will weitererzählen, bleibt stumm. „Später!“ Atmet aus, dann fließen die Tränen.

Landkarte

Sie erzählt doch. Als sie übermüdet und wie im fiebrigen Delirium endlich in Polen ankommen, ist die Familie aus Dnipro plötzlich verschwunden, als wäre sie nie da gewesen, ohne sich zu verabschieden. Sonia fühlt sich im Stich gelassen. „Bei uns in der Westukraine gibt es solche Menschen nicht, niemand würde so etwas Grausames tun“, sagt sie.

Mit Valentins Wagen nach Deutschland

Als sie endlich ankommen, dürfen sie am Bahnhof in einem überfüllten Raum für Mütter mit Kindern auf Klappliegen schlafen. Sonia zeigt Fotos: Ameisenhaufen gleich türmen sich darin Berge von Spielzeug. Es ist längst nach Mitternacht, die Helfer bringen warmen Tee und Essen.

Sonia muss wieder weinen. Dass jemand so gut zu ihr war, will auch Tage später nicht in ihren Kopf rein.

Endspurt. Am nächsten Morgen wartet Valentin, ein entfernter, in Litauen lebender Verwandter auf sie und fährt die Kleinfamilie die tausend Kilometer bis nach Weilheim. Sonia und Valentin haben sich noch nie gesehen. Als die polnische Polizei sie anhält, weil sie keine Kindersitze haben, kauft er zwei Kindersitze. „Keine billigen, sondern richtig gute“. Sonia weint.

Nika und Nastya haben keine Lust mehr auf den Zeichentrickfilm, sie verlangen jetzt, dass Sonia ihnen einen Hund malt, dann eine Katze. Sonia malt. Ein Auto verlangen sie auch, aber das kann nur Papa malen. Doch Papa ist weit weg. Sonia streckt mir ein Foto von Dima hin. Darauf sitzen sie gemeinsam im Zug von Riwne nach Lwiw, die beiden Mädchen wild kichernd auf seinem Schoß. Das war kurz vor dem Abschied.

Eine Frau sitzt mit zwei Kleinkindern auf einem Sofa

Angekommen in Weilheim: Sonia mit ihren Kindern Foto: Marina Klimchuk

Schließlich kommen sie in Weilheim an. Meine Schwester Polina und ihr Mann stehen auf der Straße vor dem Haus, ihre Kinder schlafen. Die Luft ist eisig kalt. Sonias Kinder weinen. Polina nimmt Nastya auf den Arm und tröstet sie. „Meine Mädchen haben oben Spielzeug vorbereitet. Sie freuen sich auf euch.“ Nastya horcht auf. „Mein Name ist Nastya. Das ist meine Schwester Nika, sie ist immer am Heulen.“

Polina trägt die Kleine zur Dachkammer der Schwiegereltern im Haus nebenan hoch. Dort wartet ihre Unterkunft für die nächsten Nächte. Sie umarmt Sonia, sie trinken oben Schwarztee mit Zitrone und Zucker. Sonia hat keinen Pyjama dabei, Polina leiht ihr einen. Valentin isst unten in der Küche ein Butterbrot. Es ist ihr erstes Treffen nach 28 Jahren. Als wir die Ukraine verließen, war Sonia fünf, Polina vierzehn. Polina kann die halbe Nacht nicht schlafen, sie ist zu aufgewühlt.

Im Spielzeugparadies angekommen

Meine Nichten verstehen Russisch, sprechen es aber nur brockenhaft. Das reicht aus, um Nika und Nastya am nächsten Morgen unter ihre Fittiche zu nehmen. Die Odyssee aus Riwne hat sich gelohnt, sie sind im Spielzeugparadies gelandet. Eisenbahn, Bauernhof, sie fliegen auf dem Riesentrampolin im Garten in die Luft. Sonia steht daneben. Sie erträgt es nicht, alleine zu sein. Weiß nicht, wohin mit sich. Als Polina ihr irgendwann sagt, sie müsse nicht alles mit sich selbst ausmachen, bricht sie zusammen.

Zum Mittagessen gehen sie zu meiner Mutter Emma. Es gibt Buchweizen mit Butter. Nastya und Nika mampfen, meine kleine Nichte macht es ihnen nach – dabei wollte sie das in Deutschland unpopuläre Gericht bisher nie probieren. Jetzt hat sie es sich anders überlegt.

Am nächsten Tag darf Sonia in ihre eigene Wohnung ziehen, die sie über ein Inserat gefunden haben. Bezahlen muss sie nichts. Bald bringt Valentin Alina, die Frau von Sonias Bruder Aljosha, nachts mit ihren zwei Kindern nach Weilheim. Auch sie schlafen bei den Schwiegereltern.

Als ich am Küchentisch in Sonias neuem Zuhause sitze, leitet meine Mutter ein Foto weiter, das Marina gerade vom Grenzübergang Dołhobyczów geschickt hat. Dick eingepackt in einen lilafarbenen Fäustling hat sie darauf ihre Hand aufs Herz gelegt, lächelt in die Kamera. Sie hat es geschafft. Auch Marina wird bald in Weilheim eintreffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.