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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Geiseln trugen weiße Fahne

Trotz eines erkennbaren Schutzzeichens wurden drei Hamas-Geiseln im Gazastreifen von israelischen Soldaten erschossen. Premier Netanjahu bedauert den Vorfall.

In Tel Aviv fordern die Angehörigen der Geiseln am Freitagabend lautstark eine erneute Übereinkunft mit Hamas Foto: Violeta Santos Moura/reuters

Noch mehr als hundert Geiseln in den Händen der Hamas

Von den rund 250 Geiseln, die bei dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel Anfang Oktober verschleppt wurden, befinden sich nach jüngsten israelischen Angaben noch 129 in der Gewalt der Palästinenserorganisation und ihrer Verbündeten im Gazastreifen. 110 Geiseln wurden mittlerweile freigelassen, zudem brachte die israelische Armee die Leichen von elf Verschleppten zurück ins Land. Unter ihnen sind auch die sterblichen Überreste der drei Männer, die am Freitag im Norden des Gazastreifens „versehentlich“ von israelischen Soldaten getötet wurden.

Nach von der Nachrichtenagentur AFP zusammengestellten Informationen handelt es sich bei den verbliebenen Geiseln größtenteils um Zivilisten und dabei um Männer. Die Hamas hält aber auch 16 Frauen sowie Soldaten in ihrer Gewalt. Zudem sind vermutlich einige der 129 Verschleppten, die Israel offiziell als Geiseln zählt, bereits tot.

AFP-Recherchen zufolge sind rund 110 der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen mutmaßlich noch am Leben. Die anderen wurden entweder während ihrer Gefangenschaft getötet oder bei dem brutalen Großangriff der Hamas am 7. Oktober bereits als Leichen verschleppt. Unter den Überlebenden befinden sind demnach 100 israelische Staatsbürger oder Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Die weiteren mutmaßlich noch lebenden Geiseln sind Ausländer: acht Thailänder, ein Nepalese und eine Franko-Mexikanerin.

Die Hamas hatte kürzlich den Tod der jüngsten Geisel, ein elf Monate altes Baby, dessen vierjährigen Bruder Ariel sowie der Mutter Shiri Bibas gemeldet. Israel hat den Tod dieser drei Geiseln bislang nicht bestätigt. Sollten sich die Angaben bewahrheiten, befinden sich keine minderjährigen Geiseln mehr im Gazastreifen. (afp)

Dritte Geisel rief auf hebräisch um Hilfe

Die am Freitag versehentlich vom israelischen Militär im Gazastreifen erschossenen drei israelischen Geiseln trugen eine weiße Fahne mit sich. Das gehe aus ersten Ermittlungsergebnissen hervor, teilte das israelische Militär am Samstag mit. Eine weiße Flagge gilt nach der Haager Landkriegsordnung als Schutzzeichen und soll etwa die Unverletzlichkeit von Unterhändlern garantieren. Sie ist auch ein Symbol der Kapitulation.

Ein Soldat habe die drei Geiseln in mehreren zehn Metern Entfernung auftauchen sehen, sagt ein Militär-Sprecher. „Sie hatten alle keine Hemden an und hatten ein weißes Tuch an einen Stock gebunden. Der Soldat fühlte sich bedroht und hat geschossen.“ Der Soldat habe angegeben, es seien Terroristen und dann wurde das Feuer von mehreren Soldaten eröffnet. Zwei der Geiseln seien sofort tot gewesen, sagte der Sprecher.

Die dritte Geisel habe verwundet Schutz in einem Gebäude gesucht und auf Hebräisch um Hilfe gerufen, schilderte der Sprecher den Ablauf weiter. Zwar habe der Bataillonskommandeur sofort das Einstellen des Feuers befohlen, aber es sei weiter auf die dritte Geisel geschossen worden, die dann gestorben sei. „Das war gegen unsere Einsatzregeln“, erklärte der Militär-Sprecher. Zu dem Zwischenfall ist es demnach im Bereich von Schedschaija gekommen. (rtr)

Jürgen Trittin fordert mehr humanitäre Hilfe für Gaza

Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, hat die deutsche Unterstützung Israels im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas verteidigt. „Diesen Staat zu verteidigen, ist eine richtige Parteinahme von uns“, sagte Trittin im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk. Dennoch entbinde es Deutschland nicht aus der Verantwortung „auch für das Schicksal der Palästinenserinnen und Palästinenser, also jener fünf, sechs Millionen, die in der Westbank und im Gaza leben“, fügte Trittin hinzu.

Deutschland habe eine Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte ergebe und „diese Verantwortung beinhaltet das Existenzrecht des Staates Israel“. Sie beinhalte jedoch auch eine Verantwortung dafür, „zu einer politischen Lösung für diejenigen fünf Millionen zu kommen, die auch in diesem Gebiet leben. Keiner von diesen Menschen wird und soll dort verschwinden“, betonte Trittin. (epd)

Hunderte vor Israels Verteidigungsministerium

Während sich die Nachricht von der versehentlichen Tötung von drei Geiseln im Gazastreifen durch die israelische Armee verbreitete, versammelten sich am Abend vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv hunderte Demonstranten. Unter ihnen waren Angehörige von Geiseln. Die Protestierenden forderten ein rasches neues Abkommen zur Freilassung der verbliebenen Geiseln. In der Menge wurden israelische Fahnen geschwenkt und Plakate mit Porträts von Geiseln hochgehalten. „Jeden Tag stirbt eine Geisel“ stand auf einem der Plakate.

„Wir sind nach einem niederschmetternden Abend hier versammelt, und ich sterbe vor Angst“, sagte der Demonstrant Merav Svirsky, dessen Bruder als Geisel in den Gazastreifen verschleppt wurde. „Wir fordern, dass es jetzt ein Abkommen gibt.“

Im Rahmen einer zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Feuerpause waren Ende November im Verlauf einer Woche etwa hundert Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen frei. Das Abkommen war von Katar, Ägypten und den USA vermittelt worden. (afp)

Netanjahu bezeichnet Vorfall als „unerträgliche Tragödie“

Die versehentliche Tötung dreier Geiseln im Gazastreifen durch die israelische Armee hat tiefe Erschütterung in Israel ausgelöst. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den Vorfall am Freitag als „unerträgliche Tragödie“ und erklärte: „Der gesamte Staat Israel trauert an diesem Abend.“ Die drei von der radikalislamischen Hamas verschleppten Männer waren von israelischen Soldaten während Kämpfen in Schudschaija im Norden des Gazastreifens erschossen worden.

Die Armee äußerte „tiefstes Bedauern über den tragischen Vorfall“. Dieser werde untersucht, „sofortige Lehren“ seien daraus gezogen und an alle israelischen Einheiten übermittelt worden. Armeesprecher Daniel Hagari versprach eine „transparente Untersuchung“.

Nach seinen Angaben hatten die Soldaten die drei Geiseln „versehentlich als Bedrohung identifiziert“. Daraufhin hätten die Soldaten auf die Geiseln geschossen, „und sie wurden getötet“. Laut Hagari vermutet die israelische Armee, dass die drei Geiseln entweder der Hamas entkommen oder von ihren Entführern freigesetzt worden waren. „Wir kennen die Details noch nicht“, sagte der Armeesprecher.

Die Leichen der drei Geiseln wurden Armeeangaben zufolge nach Israel gebracht. Die israelischen Streitkräfte identifizierten die versehentlich Getöteten als den 26-jährigen Alon Lulu Schamris und den 28-jährigen Heavy-Metal-Schlagzeuger Yotam Haim, die beide aus dem Kibbuz Kfar Asa entführt worden waren, sowie den 25-jährigen Beduinen Samer El-Talalka aus dem Kibbuz Nir Am. Die taz hatte Mitte November über die internationale Soli-Kampagne unter anderem von der Berliner Punkband ZSK zur Freilassung von Yotam Haim berichtet. (afp)

US-Regierung: Tod der drei Geiseln ist „herzzerreißend“

Die US-Regierung hat den Tod von drei Geiseln durch israelische Soldaten als „herzzerreißend“ und „tragisch“ bezeichnet. „Natürlich ist dies kein Ergebnis, das sich irgendjemand gewünscht hat“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Freitag. Er gehe davon aus, dass die Israelis sich den Vorfall genau ansehen würden, um herauszufinden, wie es dazu kommen konnte. Der Fall eigne sich aber nicht, um ein allgemeines Urteil darüber zu fällen, ob das israelische Militär in der Lage sei, im Gazastreifen präzise vorzugehen, sagte Kirby weiter.

Die US-Regierung hatte zuletzt nach Gesprächen mit der israelischen Führung die Erwartung geäußert, dass Israel von einem militärischen Vorgehen mit „hoher Intensität“ im Gazastreifen zu „gezielteren“ Militäroperationen übergehen werde. Einen Zeitraum dafür nannte Washington allerdings nicht. (dpa)

Mossad-Chef trifft auf katarischen Regierungschef

Das Nachrichtenportal „Axios“ berichtete am Freitagabend, dass der Direktor des israelischen Geheimdienstes Mossad, David Barnea, an diesem Wochenende mit dem katarischen Regierungschef Mohammed ben Abdelrahmane Al-Thani in Europa zusammentreffen werde. Dabei solle es um eine zweite Feuerpause zur Freilassung von Geiseln gehen. Angaben zum genauen Ort des Treffens und zur Zahl der Geiseln, die freigelassen werden könnten, machte „Axios“ nicht. (afp)

Hilfslieferungen auch über Kerem Schalom

Am Freitag beschloss das israelische Regierungskabinett, Lkw mit humanitärer Hilfe „vorübergehend“ auch über den Übergang Kerem Schalom in das Küstengebiet fahren zu lassen.

Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, sprach von einem „bedeutenden Schritt“. Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte die „sehr gute Nachricht“. Es müsse nun dafür gesorgt werden, dass die Lkw mit Hilfslieferungen alle Teile des Gazastreifens erreichen könnten, nicht nur den im Vergleich zum Norden weniger von Kämpfen betroffenen Süden. (afp)

Bundesminister fordern Konsequenzen nach Hörsaalbesetzung

Nach der Besetzung des Hörsaals an der Freien Universität Berlin durch die Gruppe „Students for Free Palestine“ fordern Bundesminister Konsequenzen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt ausgesetzt sind“, sagte Wissenschaftsministerin Bettina-Stark Watzinger (FDP) der Welt am Sonntag. Rechtsstaat und Hochschulleitungen seien jetzt gefordert. „Wo rechtlich möglich, darf die Exmatrikulation in besonders schweren Fällen nicht ausgeschlossen sein.“

Justizminister Marco Buschmann (FDP) betonte ebenfalls in der Zeitung: „Universitäten sind Orte geistiger Freiheit.“ Antisemitismus, Judenhass, politischer Islamismus oder religiöser Fanatismus hätten dort nichts verloren. „Das ist eine Frage der Selbstbehauptung geistiger Freiheit“, sagte Buschmann. Er gehe „davon aus, dass strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt und angemessene Strafen verhängt werden.“

Aktivisten der Gruppe „Students for Free Palestine“ hatten am Donnerstag zeitweilig einen Hörsaal der Freien Universität Berlin in Dahlem besetzt. Dabei sei es auch zu antisemitischen Äußerungen und Auseinandersetzungen gekommen, teilte die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft am Freitag mit. Aus Sorge vor einer Eskalation und Gewalt habe sich die Universitätsleitung entschieden, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und die Hörsaalbesetzung durch die Polizei auflösen zu lassen. (epd)

Huthi-Rebellen unterstützen weiter „palästinensische Sache

Die Huthi-Rebellen im Jemen wollen trotz „der Drohungen aus den USA, Israel und dem Westen“ weiterhin „die palästinensische Sache unterstützen“. Ein führendes Mitglied der Rebellen, Ali al-Kahoum, sagte dem arabisch-sprachigen Fernsehsender Al Mayadeen in Beirut, feindliche Handlungen gegen den Jemen würden schwerwiegende Folgen haben. Der US-Sondergesandte für den Jemen, Tim Lenderking, hatte angesichts zunehmender Angriffe auf Schiffe im Roten Meer erklärt, die US-Regierung strebe eine „möglichst breite“ maritime Koalition an, um die Schiffe im Roten Meer zu schützen und den Huthis zu signalisieren, dass die Angriffe nicht toleriert würden. (rtr)

Al-Dschasira-Kameramann getötet

Bei einem israelischen Drohnenangriff in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ist nach Angaben von Al-Dschasira ein Kameramann des Fernsehsenders am Freitag getötet worden. Der Kameramann Samer Abudaqa sei während der Arbeit mit dem in der arabischen Welt bekannten Al-Dschasira-Korrespondenten Wael al-Dahdu bei dem Angriff schwer verletzt worden und starb wenig später, teilte der Fernsehsender mit. Wegen des anhaltenden Bombardements konnten Rettungskräfte zunächst nicht zu Abudaqa vordringen – letztlich konnten sie nur noch seine Leiche bergen, hieß es weiter.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs sind nach Angaben des in den USA ansässigen Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) 63 Journalisten getötet worden. Unter ihnen seien 56 Palästinenser und vier Israelis sowie drei Libanesen, teilte die Nichtregierungsorganisation am Freitag mit. Journalisten sind im Gazastreifen wegen der verheerenden Luftangriffe, unterbrochenen Kommunikationswege, Versorgungsengpässe sowie Stromausfälle besonders gefährdet.

In Ostjerusalem kam es unterdessen zu einem Vorfall, bei dem israelische Sicherheitskräfte einen Journalisten verletzt haben sollen. In den sozialen Medien verbreitete sich am Freitag ein Video, in dem zu sehen ist, wie der Fotograf von den Sicherheitskräften angegriffen wird. Von den Behörden gab es dazu zunächst keine offiziellen Informationen. „Wir sind schockiert von der gewalttätigen Attacke auf das Mitglied unserer Organisation“, teilte die Union israelischer Journalisten auf X (ehemals Twitter) mit. (dpa)

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35 Kommentare

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  • Krieg ist immer ein dreckiges Geschäft.



    Und Soldaten sind auch nur Menschen. Ich wollte nicht in der Haut des Soldaten stecken, der diesen tragischen Fehler begangen hat. Und würde er immer zwei mal überlegen, wäre er selbst wahrscheinlich schon längst tot.



    Klingt schlimm, aber das ist der Preis eines Krieges, und schlaue Reden am warmen Sofa helfen da gar nichts.

  • Das zeigt: töten oder getötet werden. Die israelischen Soldaten haben große Angst um ihr eigenes Leben und schießen auf alles was sich bewegt. Sie handeln also nicht nach einem Plan, sondern instinktiv, dem Selbsterhaltungstrieb folgend. Die meisten Kriegsverbrechen entstehen so.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Ertugrul Gazi:

      „Die meisten Kriegsverbrechen entstehen so." Selbsterhaltungstrieb. Ein Beispiel (Sie werden sicherlich weitere finden):



      de.wikipedia.org/w...von_M%E1%BB%B9_Lai



      Hamas-Mitgliedern ist natürlich zuzutrauen, dass sie unter weißen Fahnen Maschinenpistolen verbergen. Und Volksmund sagt ja: „Besser fünf Unschuldige aufhängen, als eine(n) Schuldige(n) laufen lassen."



      „Die weiße Fahne am Haus seines Vaters war die einzige in der ganzen Straße, und er sah jetzt, dass sie sehr groß war – es schien eins von Mutters riesigen Tischtüchern zu sein, die sie bei Festlichkeiten aus dem Schrank holte. Er lächelte wieder, warf sich aber plötzlich hin und wusste, dass es zu spät war. Sinnlos, dachte er, wie vollkommen sinnlos. Die sechste Granate schlug in den Giebel seines Elternhauses – Steine fielen herunter, Putz bröckelte auf die Straße, und er hörte unten im Keller seine Mutter schreien. Er kroch schnell ans Haus heran, hörte den Abschuss der siebenten Granate und schrie schon, bevor sie einschlug, er schrie sehr laut, einige Sekunden lang, bevor sie einschlug, er schrie sehr laut, einige Sekundenlang, und er wusste plötzlich, dass Sterben nicht das einfachste war – er schrie laut, bis die Granate ihn traf, und er rollte im Tod auf die Schwelle des Hauses. Die Fahnenstange war zerbrochen, und das weiße Tuch fiel über ihn.“ (Heinrich Böll: „Wo warst Du, Adam?“)

    • @Ertugrul Gazi:

      Indeed.

      Rules of engagement auf einem Blatt Papier im Büro des Generalstabs und rules of engagement eines Soldaten im Kampfeinsatz sind zwei Paar Schuhe. Und die Fähigkeit eines Befehlshabers liegt dabei darin, diese Diskrepanz zu überbrücken.

      Gilt für jede Armee und Krieg.

    • @Ertugrul Gazi:

      Sehr steile These. Soldaten handeln meist nicht so wie beschrieben. Dazu kommt es am ehesten, wenn Kollateralschaden als „schon ok“ von der politischen Führung deklariert wird.

  • Die drei Menschen würden noch leben, wenn die Islamofaschisten der Hamas sie nicht entführt hätten.

    Jede andere Aussage zu diesem tragischen Geschehen verdreht Ursache und Wirkung.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Situation: Leute mit nacktem Oberkörper, also ohne Sprengstoff, schwenken eine weiße Flagge. Sie sind einer Terrororganisation entkommen. Das sieht eine Gruppe Soldaten. Zu der Situation wäre es nicht gekommen, vermutlich, ohne 7.10.. Der gehört allerdings nicht zur Ursache.



      Ursache: Kugeln fliegen.



      Wirkung: getroffene Geiseln tot.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Trotzdem extrem suboptimal (euphemistisch: überhaupt nicht gut, sehr ungünstig, besch***), dass die eigene Armee einen erschießt, trotz des Schwenkens einer weißen Fahne.

      Dass die Hamas an allem Schuld ist, wie bspw. auch für die Bombardierung von Krankenhäusern und der Bombardierung der eigenen Zivilbevölkerung, bleibt selbstverständlich weiterhin Staatsräson. Daran besteht kein Zweifel in der deutschen Politik!



      Hilft nur nichts, wenn die Mehrheit der weltweiten Staaten das anders sieht. Eine Strategieänderung hin zu mehr Verhältnismäßigkeit könnte daher durchuas eine Win-win Situation sein. Bspw. weniger Geiseln, die von der eigenen Armee erschossen werden.

      • @Hannah Remark:

        "Hilft nur nichts, wenn die Mehrheit der weltweiten Staaten das anders sieht. Eine Strategieänderung hin zu mehr Verhältnismäßigkeit könnte daher durchuas eine Win-win Situation sein. Bspw. weniger Geiseln, die von der eigenen Armee erschossen werden."

        Fragt sich nur, was die Gründe dafür sind, dass die Mehrheit der weltweiten Staaten das anders sieht.



        Die setzen die Existenz Israels aufs Spiel.

        Ich sehe nicht, dass es dieser Mehrheit um die Menschen in Gaza geht.



        Vielleicht einigen.



        Die meisten davon spielen ihr eigenes Spiel. Wie immer, geht es darum, die eigene Macht zu stabilisieren, indem Gegner geschwächt werden.

        Man muss schon eine Spur zu viel an das Gute im Menschen glauben, wenn man denkt, es habe keinen Preis, im Kampf um Frieden und Gerechtigkeit Unterstützung bei solch einer Mehrheit zu finden. Es wäre leicht, in diesen Resolutionen die Hamas beim Namen zu nennen. Warum geschieht das nicht?

        Viele unterstützen jetzt UN Resolutionen im Glauben daran, dass sie Israel zum Einlenken bewegen können.



        Es ist ihnen wohl wichtig schnell Erfolg zu haben, um das Leid der Palästinenser klein zu halten. Verständlich.

        Dieser Konflikt wird durch radikale Kräft auf beiden Seiten am Laufen gehalten. Nur ist es so: Israel ist ein Staat mit einer heterogenen Zivilgesellschaft.



        Auf palästinensischer Seite sieht das anders aus.



        So lange ich das so wahrnehme, werde ich Israel als Staat unterstützen.

        Es tut mir um die erschossenen Geiseln Leid und auch um die Soldaten, die jetzt damit leben müssen, einen schweren Fehler gemacht zu haben.



        Das als "suboptimal" mit seinen Synonymen zu bezeichnen, weil es sich auf social media wohl nicht so gut macht, ist zynisch.



        Ebenso das:



        "Dass die Hamas an allem Schuld ist, ....., bleibt selbstverständlich weiterhin Staatsräson. Daran besteht kein Zweifel in der deutschen Politik!"

        Zynismus ist keine Stärke, obwohl es sich so anfühlt.



        Niemand hat es in der Hand, die Welt besser zu machen. Niemand gefällt das. Auch mir nicht.

      • @Hannah Remark:

        Sehe ich ähnlich.



        Das ursächlich die Entführer die Kausalkette in Gang gebracht haben entbindet auch in diesem Fall die Armee nicht davon, das Kriegsrecht zu achten. Und ob den Soldaten "nur" die Nerven durchgegangen sind oder die Erschießung bei Gefangenahme mehr oder weniger inzwischen schon verbreitete Praxis ist gehört genau untersucht. Normativ muss der Anspruch einer Armee eines demokratischen Staates höher sein als der einer Terrororganisation.

        • @Waage69:

          Sie können sich also vorstellen, dass die israelische Armee den Befehl herausgibt, Gefangene zu töten?

          Klingt unwahrscheinlich.



          Ich denke, die Armee ist zu heterogen besetzt, als dass dass durchgesetzt werden könnte. Die besteht ja nicht nur aus fanatischen Siedlern.



          Was, wenn das Vorgehen öffentlich würde?

          Unsere unterschiedlichen Sichtweisen darauf speisen sich aus dem unterschiedlichen Maß an Vertrauen, dass Israel entgegengebracht wird.

          Wenn sie schreiben, das den Soldaten "nur", die Nerven durchgehen, wird das deutlich.



          Es verachtet, die extreme Situation, in der sich die Soldaten befinden und macht sie lächerlich.

          Mag sein, dass Sie es generell ablehnen, sich für Krieg zur Verfügung zu stellen.



          Es ist eine ziemlich komfortable Position, die sich nur leisten kann, wer in Sicherkeit ist und nicht betroffen.

          Was ist mit Soldaten in einem autoritären Staat, die zwangsrekrutiert werden? Wäre es ok, wenn denen die Nerven durchgehen, weil das Land eh keinen Anspruch hat, Menschenrechte zu achten?

          Ich finde es richtig, Ideale zu haben.



          Die gelten aber vor Allem für einen selbst.



          Und leider ist es damit verbunden, eine



          Entscheidung zu treffen.



          Wenn andere die eigenen Ideale übernehmen sollen, sehe ich es als Ausdruck davon, sich davor zu drücken.

          • @Onkel Heinz:

            Sie legen mir da ja so allerhand in den Mund.

  • Wie war das noch? Hat Netanjahu nicht gesagt, dass man "..sehr vorsichtig.." mit Zivilisten in Gaza umgehe? Solche "Unfälle" gründen auf dem blanken Hass, der von den Hardlineren geschürt wird.

    • @Perkele:

      Ich weiß nicht, ob es “blanker Hass” war, der die israelischen Soldaten veranlasste, auf die Geiseln zu schiessen. Ich vermute eher, es war schiere Angst, eine ungeheure psychologische Anspannung - wie sie kennzeichnend ist in solchen Extremsituationen - , die die Soldaten dazu veranlasste.



      Es ehrt den Oberkommandierenden der IDF Herzi Halevi, dass er das Fehlverhalten sofort einräumte und auch persönlich die Verantwortung dafür übernahm. Das wäre allerdings Aufgabe des Ministerpräsidenten Netanyahu gewesen, der stattdessen noch markig vom Fortsetzen des Kampfes bis zum Sieg sprach. Ob er den Angehörigen der Geiseln dabei wohl noch in die Augen schauen kann?

  • Soviel zu den sogenannten "Guten". Mich wundert gar nichts mehr......

    • @dator:

      Wer nennt wen "die Guten"?

  • Zitat: "... oder bei dem brutalen Großangriff der Hamas am 7. Oktober bereits als Leichen verschleppt."

    Wie hat man sich das konkret vorzustellen und welchen Sinn sollte dies haben?

    • @Reinhardt Gutsche:

      Es ist makaber, aber die Hamas/palästinensische Seite erhält auch für die Herausgabe der toten Körper Gegenleistungen.

      Ob das umgekehrt auch so ist, weiß ich nicht.

      oct7map.com/women

    • @Reinhardt Gutsche:

      Das hängt mit der jüdischen Bestattungskultur zusammen. Der tote Körper muss schnell und vollständig bestattet werden. Die Mitnahme von Toten durch die Islamofaschisten zielt auf diese Kultur.

      Dazu gibt es viel Information im Internet. Suchen sie mal.

      • @Gnutellabrot Merz:

        "Die Mitnahme von Toten durch die Islamofaschisten zielt auf diese Kultur."

        Ich wüsste, womit man das ausgleichen könnte, aber die jüdischen Menschen/Israel sind dafür, zum Glück der Hamas/palästinensischen Bevölkerung, zu nobel.

        Jedenfalls meine ich, der verwerfliche Umgang der Hamas, sogar mit toten jüdischen Menschen, sollte stärker thematisiert werden, in der Hoffnung, dass vielleicht doch ein paar Unterstützer und Anhänger der Hamas, wenigstens das als Fehlverhalten "ihrer Helden" wahrnehmen und mit den toten jüdischen Menschen Mitgefühl haben, wenn schon nicht mit lebenden jüdischen Menschen.

        oct7map.com/women

    • @Reinhardt Gutsche:

      Es wurden in der Vergangenheit auch die Leichen israelischer Soldaten gegen Hamasterorristen getauscht. Zudem kann man Menschen weiter terrorisieren, wenn sie keine Möglichkeit haben ihre Lieben zu beerdigen und zudem fürchten müssen, dass deren Leichen geschändet werden...

  • Selbst wenn das sich ergebende Hamas-Kämpfer gewesen wären, hätten die Soldaten nicht so einfach schießen dürfen.



    Sorry, aber mir kann keiner mehr erzählen, dass diese Art der Kriegsführung noch was mit Selbstverteidigung unter Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu tun hat. Mal abgesehen vom unermesslichen Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung, so treibt Israel die Palästinenser:innen in die Arme der Terroristen. Schaut euch nur mal die krass gestiegene Zustimmung für Hamas in Gaza und der Westbank an! Wie das Israel in Zukunft Sicherheit bringen soll ist mir schleierhaft.

    • @~Toni~:

      Dafür gibt es ein Wort: Kriegsverbrechen - wenn auch womöglich strafmildernd "im Affekt begangen". Vorsätzliche Kriegsverbrechen sehen eher anders aus. "In Unehren aus dem Militärdienst entlassen" wäre ein denkbares Urteil. Erschwerend kommt ja die Bürde, das Verbrechen gegen die dienstlich zu verteidigenden Landsleute begangen zu haben. Die Schuldigen können nur noch auswandern.

      Den einzigen ernsthaften Polizeieinsatz bei einer Demo, den ich erlebt hab - da mussten PolizistInnEn nur stundenlang Spalier stehen, um zwei gegeneinander gepolte Demonstrationen zu trennen. Der Verlauf war zu keiner Zeit kritisch, aber dennoch beobachtete ich eine Polizistin, der die Angst ins Gesicht geschrieben stand.

      Genau diese irrationale Angst muss auch der Soldat, der das Feuer auf eigene Faust eröffnet hatte, gehabt haben. Weiße Fahne missachtet, geschossen, schuldig. Nix "versehentlich". Angstgetriebener Affekt. Ansehen der Armee lädiert.

    • @~Toni~:

      Mich würde eher interessieren, wie man eine seriöse Meinungsumfrage unter diesen Kriegsbedingungen durchführen will...



      Btw.: beim Angriff der Hamas am 07.10. haben sich Terroristen als IDF-Soldaten getarnt. Und Hebräisch sprechen können viele auch.

      • @Kai Ayadi:

        Die Umfrage wurde während des Waffenstillstands durchgeführt und hat - bei allen Unsicherheiten, die jede Umfrage mit sich bringt - eine gewisse Aussagekraft.

        Und ganz ehrlich, solange Menschen dort so



        www.theguardian.co...ank-october-attack



        behandelt werden, wundert mich das auch nicht.

  • „Die US-Regierung hat den Tod von drei Geiseln durch israelische Soldaten als „herzzerreißend“ und „tragisch“ bezeichnet. „Natürlich ist dies kein Ergebnis, das sich irgendjemand gewünscht hat““ Ich hoffe doch, das gilt ebenso für die tausenden getöteten palästinensischen Zivilisten, insbesondere die Kinder.

    • @guzman:

      Der moralische Schaden für Israel ist schon jetzt immens. Ich hoffe inständig, dass die israelische Öffentlichkeit die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht, wenn der Wahnsinn erst einmal vorbei ist.



      Und es dann eine politische Lösung des Konflikts geben wird, so dass weder Terroristen wie die der Hamas noch die Hardliner im israelischen Lager eine Chance haben. Schlicht formuliert: dass die Menschen einfach die Schnauze voll haben von ihren Sinwars und “Bibis”, nach so viel Blutvergiessen und Zerstörung.

    • @guzman:

      "„Natürlich ist dies kein Ergebnis, das sich irgendjemand gewünscht hat““ Ich hoffe doch, das gilt ebenso für die tausenden getöteten palästinensischen Zivilisten, insbesondere die Kinder."

      Ich nehme an, dass sich den gesamten Krieg, außer der Hamas und deren Anhänger und Unterstützer, niemand gewünscht hat.

      Hoffentlich ist dieser Albtraum bald vorbei. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, hoffe ich, dass die Hamas sich in der Nacht ergeben und die Geiseln freigelassen hat.

      oct7map.com/women

  • Alles, was derzeit dort passiert, ist "herzzerreißend".

    • @Ertugrul Gazi:

      Alles was dort passiert ist Krieg.



      Kriege sind so! überall