Familienreservierungen bei der Bahn: Völlig überzogene Kritik
Die Kritik an den höheren Reservierungskosten ist maßlos. Die Bahn ist kein Wünsch-Dir-was – und Kinder können ohnehin kostenlos mitreisen.

D ie Debatte über die steigenden Preise einer Familienreservierung bei Bahnreisen ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Inzwischen läuft eine Onlinepetition für den Erhalt der kostengünstigen Pauschalreservierung für Familien – klar, kann man machen.
Nun aber haben sich allen Ernstes drei SpitzenpolitikerInnen zu Wort gemeldet: SPD-Fraktionschef Miersch, Umweltminister Schneider und Verbraucherschutzministerin Hubig fordern, dass die Bahn ihre Entscheidung rückgängig macht, wonach künftig für jedes Kind Reservierungskosten fällig werden. Wahrscheinlich war die Kombination aus „Deutsche Bahn“ (Bahnkritik geht immer und bringt Beliebtheitspunkte) und „Familien mit Kindern“ (Achtung, Emotionen!) für die drei zu verlockend, um nicht auf den populistischen Zug zu springen.
Mal kurz durchatmen: Kinder bis 14 Jahren können bei der Bahn weiterhin kostenlos mitreisen, was die Bahn zu einer sehr attraktiven und stressfreien Alternative zum Auto macht. Kühl betriebswirtschaftlich gesehen ist das ziemlich großzügig, weil die Bahn den für lau abgegebenen Platz nicht mehr anderweitig verkaufen kann.
Die Bahn steckt in einem Dilemma: Als Aktiengesellschaft muss sie wirtschaftlich rechnen. Der Eigner, der Bund, redet natürlich auch ein Wort mit und hat seine Wünsche. Familienpolitik wird von ihr auch erwartet – aber man sollte die Details bitte der Bahn überlassen. Und die PolitikerInnen, am besten der Verkehrsminister und diejenigen, die im Aufsichtsrat sitzen, sollten sich besser Gedanken machen, wie und wo die Zuschüsse des Bundes für das Schienennetz sinnvoll und effizient eingesetzt werden können.

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Übrigens, als ganz verwegener Tipp: Man kann mit Kindern auch ohne Reservierung einen Fernzug besteigen. Und wenn es gar nicht anders geht, trennt man sich. Es ist keine Menschenrechtsverletzung, wenn der oder die Zwölfjährige mal für ein paar Stunden allein sitzt. Und es soll tatsächlich möglich sein, dass man seine Mitreisenden nett fragt, ob man Plätze tauschen kann – sogar in Deutschland.
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