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Parteichef unter DruckLokale CDU-Verbände kritisieren Merz

In Umfragen liegt die CDU nur knapp vor der AfD. Intern regt sich Widerstand gegen Parteichef Friedrich Merz. Vor allem in Köln steht er unter Beschuss.

Bekommt Kritik aus den eigenen Reihen: Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender Foto: Michael Kappeler/dpa

Die CDU steht unter großem Druck. Nachdem die Partei laut aktuellen Umfragen nur noch zwei Prozentpunkte vor der AfD liegt, üben auch mehrere Parteiverbände Kritik am Bundesvorsitzenden Friedrich Merz. Der Kölner Kreisverband und die dortige Junge Union werfen ihm „opportunistische Deals“ vor und, dass er das Vertrauen in die CDU zerstöre. In Mecklenburg-Vorpommern hat sich sogar ein Stadtverband aus Protest gegen Merz aufgelöst.

Migration, Schuldenbremse, Verteidigung und mögliche Quotenregelungen stehen im Zentrum der Kritik innerhalb der CDU. Die Kölner JU und der Kreisverband wandten sich am Samstag in einem offenen Brief auf X an Friedrich Merz und die Bundestagsfraktion, in dem sie die „Enttäuschung“ vieler Mitglieder zum Ausdruck bringen.

„Was wir derzeit aus Berlin vernehmen, ist ein politisches Desaster“, heißt es in dem Brief. Gemeint sind mögliche Kompromisse innerhalb der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.

Diese sind vor allem den eigentlichen Merz-Ultras, konservativen und wirtschaftsliberalen CDUler:innen, ein Dorn im Auge. Die CDU unterwerfe sich „dem linken Mainstream“, schreiben die JU Köln und der Kölner Kreisverband weiter. Einen Punkt heben sie besonders hervor: eine mögliche Quotierung bei der Ministerienbesetzung. Posten sowohl geschlechtergerecht als auch nach CDU-Landesverbänden zu verteilen, kritisieren sie als das Ende des Leistungsprinzips.

Sorge vor weiterem Stimmgewinn der AfD

Zuvor traten Ende März im mecklenburg-vorpommerischen Kühlungsborn große Teile des CDU-Stadtverbands aus Protest aus der Partei aus. Der Kurswechsel in der Schuldenpolitik sei für viele Mitglieder eine rote Linie gewesen. „Die Schuldenbremse ist die DNA der CDU“, heißt es in der Pressemitteilung.

Im Winter habe man noch engagiert unter CDU-Flagge Wahlkampf betrieben. Aber etwaige Zugeständnisse in den Koalitionsverhandlungen, Kompromisse bei den Wahlversprechen, gehen für manche Mitglieder zu weit. „Kühlungsborn ist ein Dorf und wir stehen hier mit unserem Namen gerade“, sagt Stephan Krauleidis, ehemaliger stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Stadtverband der taz. Auch er ist Ende März ausgetreten. „Dadurch haben auch wir als Privatpersonen das Vertrauen vieler Wähler verloren.“

Auch die Kölner JU und der Kreisverband sorgen sich darum, „vor Ort als Lügner“ dazustehen. Dahinter steht die Sorge vor dem weiteren Stimmgewinn der AfD: Wenn die „klaren Botschaften“ aus dem Wahlkampf nicht umgesetzt werden, werde das der CDU spätestens bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen 2025 „auf die Füße fallen“. JU und Kreisverband drohen, eine Regierung mit der CDU werde es nicht geben, wenn nicht alle Wahlversprechen eingelöst werden.

Aus dem Südwesten kommt dagegen, wenn überhaupt, nur sehr verhaltene Kritik an der CDU-Führung. Nach einem Aufstand gegen Merz sieht es schon deshalb nicht aus, weil mit dem omnipräsenten CDU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei ein Baden-Württemberger den Koalitionsvertrag an wichtigster Position hinter dem CDU-Chef mitverhandelt.

Auch Hagels Team macht sich keine Illusionen

Andererseits ist man in der Stuttgarter Parteizentrale auch nervös. Seit Monaten sieht es in den Umfragen gut für die Union im Südwesten aus. Der noch nicht ganz 37-jährige Manuel Hagel wurde vor einer Woche von den Funktionsträgern der Partei per Akklamation zum Spitzenkandidaten gemacht.

Aber die Zustimmung der CDU im Land, da macht sich auch Hagels Team keine Illusionen, liegt eher in der Ablehnung der ehemaligen Ampel-Regierung als an der Beliebtheit des Spitzenkandidaten. Vom Erfolg der CDU in Berlin hängt auch die Mission vom Landesvorsitzenden Hagel ab, den Grünen Winfried Kretschmann in einem Jahr an der Landesspitze abzulösen.

Hagel, der es sonst geschickt vermeidet, sich bei strittigen Punkten festzulegen, hatte im Wahlkampf eine Ewigkeitsgarantie für die Schuldenbremse verlangt – eine Forderung, die angesichts der von der Union vorangetriebenen milliardenschweren Neuverschuldung schlecht gealtert ist. Auch wenn Hagel immer eher Team Jens Spahn als Team Merz bei der Nachfolge in der CDU war, hat er sich früh mit dem Sauerländer arrangiert.

Serap Güler, seit Samstag die neue Vorsitzende des Kölner Kreisverbandes, bemüht sich derweil um versöhnliche Worte: Sie sei sicher, dass sowohl Merz als auch seine Kri­ti­ke­r:in­nen „im Sinne unseres Landes ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden“.

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8 Kommentare

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  • Was haben wir für eine Demokratie, wo Wahlkampf- Versprechen und gelieferte Politik nichts mehr mit einander zu tun haben?

  • Hauptsache Kanzler sein geht nicht Herr Merz.



    Koalieren um jeden Preis, auch wenn man die meisten Wahlversprechen dafür einfach aufgibt? Ich nenne so etwas den Wähler belügen. Bürgerlich konservative Strömungen in der CDU/CSU kehren ihrer Partei den Rücken, die Austritte nehmen rasant Fahrt auf.



    Die SPD mag stolz sein, wie viel Kreide Merz frisst, damit er endlich Kanzler werden kann und wie viel sie ihm abringen konnte. Doch was ist der Preis dafür, dass immer mehr konservative Wähler sich abwenden und (falscher weise) den Blauen zuwenden?



    Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wann man ohne AfD gar keine Regierung mehr bilden kann, das kann es doch wirklich nicht sein.



    SPD und CDU/CSU werden zum Toröffner der AfD - echt schlimm!

  • Ja wie! Kölle - Homeoffice vom leeven Jot!



    “ Diese sind vor allem den eigentlichen Merz-Ultras, konservativen und wirtschaftsliberalen CDUler:innen, ein Dorn im Auge. Die CDU unterwerfe sich „dem linken Mainstream“, schreiben die JU Köln und der Kölner Kreisverband weiter. Einen Punkt heben sie besonders hervor: eine mögliche Quotierung bei der Ministerienbesetzung. Posten sowohl geschlechtergerecht als auch nach CDU-Landesverbänden zu verteilen, kritisieren sie als das Ende des Leistungsprinzips.…



    & Däh



    Auch die Kölner JU und der Kreisverband sorgen sich darum, „vor Ort als Lügner“ dazustehen.

    Es geht gar nicht um Meißner Schwaadlapp Wölki & Co ?!!



    Ach so. Es geht um Schwarzkittel aussem Hahnwald & Hodenkirchenkirchen! Newahr



    Normal

  • Wie alle* Parteien und PolitikerInnen in der repräsentativen Demokratie werden auch Friedrich Merz und seine KritikerInnen fast alles tun, um die staatspolitischen Verantwortung in unserem Landes zu übernehmen. Ohne opportunistischen Willen zur Macht, geht in der repräsentativen Demokratie nämlich gar nichts. Erfolgreich sind nur die PolitikerInnen, die bei jeder Gelegenheit, ob innerparteilich, im Wahlkampf, bei Koalitionsverhandlungen oder in der Talkrunde, die passende Drehung hinkriegen und diese gegenüber Kritikern noch als realpolitische Notwendigkeit verkaufen. Darauf können sich die WählerInnen allemal verlassen, dass man sie für dumm verkaufen kann. Der aus dem Fernsehen bekannte Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte nennt das „die Sensibilität der Wähler und WählerInnen für die Notwendigkeiten demokratischer Politik“.

    * Wirklich alle.

  • Was soll man von einer Partei halten, die ihren Vorsitzenden schon demontiert, bevor er einen Tag Kanzler war? Mit ein wenig Anstand könnte man damit bis nach dem Antrittsbesuch bei Donald Trump warten.

  • „Never Change a winning Team“ - diese Regel gilt nicht nur im Fußball, auch in der Politik. Aber was, wenn ein Team nur aus Losern besteht? Neue Köpfe braucht das Land, sonst gibts keine neue Politik.

  • Die Unions-Provinzler*innen werden auch zu denen gehören, die in großen Mengen Elektrofahrzeuge kaufen, sobald Friedrich Merz (und Carsten Linnemann als Wirtschaftsminister) die Strompreise massiv senken lassen, weil sie bemerken werden, dass unendlich viel EE-Strom ungenutzt in der Gegend rumsteht.



    Von B90/Die Grünen lernen heißt siegen lernen.

  • Die vornehmste Aufgabe eines Kanzlers besteht darin (s)ein Land zu *einen*. Und dafür fehlt es Merz nicht nur an Erfahrung, sondern er hat einfach nicht das Format.



    Im Moment zeigt sich, daß er nicht nur die Bevölkerung gegeinander aufbringt (Arm gegen Reich..In- vs. Ausländer..fleißig vs Faul etc.), sondern sogar seine eigene Partei in mehrere Lager (zer-)teilt.







    Und wenn ich mir ausmale wie dieser Kanzler in spe sich in oportunistische Deals mit der Trump Administration verstrickt..dann wird mir irgendwie mulmig..







    Sorry liebe CDU..aber dieser Mann kann nicht Kanzler..und wenn ihr verhindern wollt, daß die afd weiter überhand gewinnt..und die CDU ihren Status als Volkspartei verliert, dann tut das richtige und findet einen besseren Kandidaten..z.B. den momentan beliebtesten Politiker dieses Landes..