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Repression an der Columbia UniversityEs wird ein Exempel statuiert

Gastkommentar von Amanda Althoff

Proteste an der US-Universität werden mit Repression durch Trumps Regierung beantwortet: Verbote, Verhaftungen, Ausweisungen. Das Ziel ist Einschüchterung.

Protest in New York nach der Verhaftung des Studenten Mahmoud Khalil durch Einwanderungsbeamte an der Columbia University am 15. 03 Foto: Jeenah Moon/reuters

D ie USA erleben in diesem Moment einen der härtesten Angriffe auf die Grundwerte der Demokratie – und die aktuellen Ereignisse an der Columbia University in New York stehen genau dafür als Beispiel von wachsender Repression und Zensur.

Ich bin Forschungsdoktorandin an der Columbia University, aber gerade weit entfernt von New York. Und trotzdem machen sich Menschen, mit denen ich mich unterhalte, Sorgen um meine Sicherheit. Manchmal wird mir bewusst, wie absurd und dystopisch solche Gespräche sind. Ich bin eine weiße, europäische cis-Frau an einer privaten Universität mit über 13.700 internationalen Studierenden, ich genieße ein hohes Maß an Privilegien. Wieso sollte ich Hilfe oder Schutz brauchen?

Im vergangenen Jahr geriet Columbia in die Schlagzeilen, als Studierende ein Camp errichteten, um gegen die Kriegspolitik Israels zu protestieren. Andere Universitäten folgten, auch in Deutschland. Egal wie man zu den heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt. Bis jetzt. Am 7. März verkündete die Trump-Regierung, dass sie der privaten Columbia University 400 Millionen Dollar an staatlichen Fördergeldern streicht. Grund sei das fehlende Eingreifen angesichts antisemitischer Vorfälle auf dem Campus. Dass das ein Strohmann-Argument ist, wird durch die starke Polizeipräsenz und den geschlossenen Campus ersichtlich, wie auch David Wallace-Wells in der New York Times schrieb.

Amanda Althoff

ist Doktorandin der Archäologie und lebt seit 2020 in den USA. Von 2021 bis 2024 unterrichtete sie als Lehrassistenz Archäologie an der Columbia University.

Tatsächlich wird ein Exempel statuiert: Wo es Proteste gibt, wird die Regierung Repressionen folgen lassen. Diese Realität wurde spätestens am 14. März durch den Forderungskatalog der Regierung an Columbia klar. In diesem wird unter anderem gefordert, dass Uni­ver­si­täts­prä­si­den­t:in­nen Studierende direkt exmatrikulieren können, dass die campuseigene Security Studierende festnehmen darf, dass die Fakultät der Middle Eastern, South Asian and African Studies extern geleitet werden soll, vermutlich durch einen regierungsnahen Angestellten. Diese Forderungen sehen nicht nur Studierende und Uni-Angestellte als beispiellosen Eingriff in die Unabhängigkeit der akademischen Institution.

Absolvent palästinensischer Herkunft verhaftet

Aber nicht nur Columbia an sich steht im Visier der Regierung. Am 8. März wurde Mahmoud ­Khalil, ein Columbia-Absolvent mit palästinensischen Wurzeln und ehemaliger Sprecher der Columbia-Protestbewegung, von Agenten des Immigration and Customs Enforcement (ICE) verhaftet. Man informierte ihn darüber, dass sein Studentenvisum widerrufen wurde – dabei besitzt er gar kein Visum, sondern eine Green Card. Bei einem Radiointerview konnte der neue stellvertretende Sekretär des Department of Homeland Security, Troy Edgar, nicht erklären, welches Gesetz Khalil spezifisch gebrochen habe, um eine Festnahme und Abschiebung zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob Aktivismus genug sei, um abgeschoben zu werden, antwortete er nicht.

Auch der Fall Ranjani Srinivasans zeigt, dass der bloße Verdacht auf Teilnahme an den Protesten reicht, um Visa zu widerrufen. Die Studentin aus Indien wurde am selben Tag wie Khalil von ICE-Agenten aufgesucht. Zwar wurde sie im vergangenen Jahr bei Campusprotesten kurzfristig festgenommen, doch stellte sich schnell heraus, dass sie auf dem Weg nach Hause nur in den Strom der Demonstrierenden geraten war. Ihr Verfahren wurde entsprechend fallen gelassen. Aber ihr Name landete im System in Verbindung mit den Protesten – ihr Visum wurde nun widerrufen, und ICE sollte sie verhaften. Geistesgegenwärtig öffnete ihre Mitbewohnerin nicht die Tür, und Srinivasan schaffte es, nach Kanada zu fliehen, bevor die Agenten zurückkehrten. Aufgrund des Widerrufs ihres Visums wurde sie automatisch exmatrikuliert.

Khalils Verhaftung erfolgte an einem Samstag. Am Montag füllte sich mein E-Mail-Posteingang mit Statements von verschiedenen Ebenen der Universität, von der Interimspräsidentin Katrina Armstrong bis hin zur fakultätseigenen Beauftragten für Doktoranden. Von Floskeln wie „Wir bleiben unseren Werten treu“ bis hin zu Hinweisen, wie man mit ICE-Agenten umgeht. Es wurde darauf hingewiesen, dass mehrere Studierende und Lehrkräfte im Internet „gedoxxt“, also ihre persönlichen Daten inklusive eines Fotos veröffentlicht worden sind. Der Grund: Sie haben im vergangenen Jahr an den Protesten teilgenommen oder offene Briefe unterzeichnet. Manche von ihnen erhielten Drohungen. Seit dem Regierungswechsel Ende Januar nahm Doxxing so stark zu, dass die Universität neue Richtlinien erlassen musste. Hier zeigt sich, wie die repressive Politik der Regierung Einschüchterungsversuchen und Selbstjustiz Aufwind gibt.

Die Angriffe auf die Columbia University sind ein beispielloser Eingriff in die Unabhängigkeit akademischer Institutionen

Auf Social Media wird bereits nach den nächsten internationalen Studierenden mit unerwünschten Meinungen gesucht: Wie Trump im Zuge von Khalils Verhaftung erklärte, sollen „viele Festnahmen“ folgen. Es ist ein „Versprechen“, dass man dieser Regierung durchaus abnehmen sollte. Dabei ist es egal, ob man die Meinung Khalils und der anderen Ak­ti­vis­t:in­nen teilt. Ihre Verhaftungen muss man im Kontext einer sich ausbreitenden Repressionswelle sehen. Verhaftungen und Abschiebungen werden so zum Werkzeug der Regierung, um unerwünschte Stimmen verstummen zu lassen – egal ob es um den Nahost-Konflikt, Rechte für trans*­Men­schen oder die kritische Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes geht. Von staatlichen Webseiten wurden solch unerwünschte Themen bereits entfernt.

Ich selbst bin wie gesagt in Sicherheit, in einem anderen Bundesstaat, um meine Forschung abzuschließen. Danach kehre ich nach Europa zurück, um dort meine Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Falls ich nicht schon vorher ausgewiesen und exmatrikuliert werde.

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16 Kommentare

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  • Gruselig, der Trumpismus! Der Autorin viel Glück und ein frohes Leben in Europa, hoffentlich können wir derartige Zustände vermeiden.



    Mit anti-israelischen Protestierenden solidarisiere ich mich trotzdem nicht. Die postmoderne "Linke" sitzt jetzt in der Falle die sie selbst aufgestellt hat. Traurige Entwicklung, aber vermutlich unausweichlich. Es geht jetzt darum einigermaßen anständig zu bleiben und eine pragmatische, mehrheitsfähige Position zu entwickeln um die rechte Kulturrevolution durch Identitäre, Islamisten und Oligarchen zu überstehen und bestenfalls zurück zu drängen. Das wird schwierig und schmutzig, vergesst die Moral!

  • Hass und Hetze, und nichts anderes sind Pro Hamas Bekundungen, sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, weder hier noch in den USA. Unis, die solche Parolen dulden und die Verursacher decken, müssen dann eben damit leben, dass Gelder gestrichen werden und wer sich antisemitisch äußert und betätigt, wird dann eben auch zurecht ausgewiesen

    • @Christian Deinhart:

      Ekelhaft wie Menschen wie Sie Menschen, die sich gegen die Ermordung unschuldiger Zivilisten einsetzen als Pro-Hamas und antisemitisch diskreditieren. Wenn überhaupt sind Sie es der sich antisemitisch verhält, indem Sie den Begriff antisemitisch missbrauchen gegen Ihnen unliebsame Meinungen.

  • Viele halten ihn für dumm, aber lernfähig ist er auf jeden Fall.



    Schade nur, dass seine Lehrmeister andere Diktatoren sind.

  • Soweit sind wir ja auch nicht mehr davon entfernt, zukünftig kann Doppelstaatlern die Staatsbürgerschaft aberkannt werden, der Antisemitismusbeauftragte fordert den Einsatz vom Verfassungsschutz an Universitäten und die CDU befürwortet Exmatrikulationen bei falschen Ansichten. Demonstranten werden niedergeprügelt, fremde Sprachen auf Demonstrationen verboten und UN-Berichterstatter versucht man durch Repressionen einzuschüchtern. Gleichzeitig legitimieren Journalisten das Töten von Journalisten sowie genozidale Handlungen, während sie sich rechter Quellen bedienen, um ihre Argumente zu untermauern. Wir dürfen uns selbst nicht aus dem Blick verlieren, während wir mit den Finger auf die USA zeigen.

  • „ Egal wie man zu den heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt“

    Nein.

    Sowohl gibt es kein Recht auf Nazi propaganda, noch gibt es ein Recht auf Billigung auf Hamas Genozid.

    Nutzt die Rechte Trump Regierung Vorwände um gegen Gegner vorzugehen? Sicherlich.

    Aber eine Spaltung hätte von Seite der Bewegung schon passieren sollen, hat diese aber seit über einem Jahr emanzipatorische Aufarbeitung verhindert und unterbunden.

    Übrigens war das Problem „der Bewegung“ nicht nur Meinungsäußerung, sondern auch andere Taten.

    Negieren von sexueller Gewalt gegen Frauen, negieren von Genozid, Antisemitismus, um nur einige zu nennen und die KZ Dreiecke zu Feind Markierung und Sachbeschädigung zu ignorieren.

  • „ Egal wie man zu den heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt“

    Nein.

    Sowohl gibt es kein Recht auf Nazi propaganda, noch gibt es ein Recht auf Billigung auf Hamas Genozid.

    Nutzt die Rechte Trump Regierung Vorwände um gegen Gegner vorzugehen? Sicherlich.

    Aber eine Spaltung hätte von Seite der Bewegung schon passieren sollen, hat diese aber seit über einem Jahr emanzipatorische Aufarbeitung verhindert und unterbunden.

    Übrigens war das Problem „der Bewegung“ nicht nur Meinungsäußerung, sondern auch andere Taten.

    Negieren von sexueller Gewalt gegen Frauen, negieren von Genozid, Antisemitismus, um nur einige zu nennen und die KZ Dreiecke zu Feind Markierung und Sachbeschädigung zu ignorieren.

    • @AlHozo Hoto:

      Zu Ihrem "Nein":

      Doch!

      "In den USA gehört die Redefreiheit (englisch freedom of speech) als 1. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zu der Bill of Rights der Verfassung der Vereinigten Staaten. Dieses Recht wird dort traditionell sehr weit ausgelegt und schützt teilweise auch Äußerungen, die in anderen Ländern als Volksverhetzung, Angriff auf die Verfassung oder Anstiftung zu Straftaten gelten würden. Im Gegensatz zur Meinungsfreiheit schützt die Redefreiheit auch unwahre Tatsachenbehauptungen."

      Vielleicht liegt hier nur eine Verwechslung Ihrerseits vor: der Gastkommentar bezieht sich auf Geschehnisse etc in den USA.

  • All das zeigt doch sehr anschaulich wie fragil die Mechanismen der Demokratie sind.



    Das nicht zuletzt, weil sie an das Gute im Menschen glauben.

    Umso wichtiger ist, undemokratische und zweifelhafte Mechanismen schon an der Wurzel zu verhindern.

    Wie z.B. intransparente Parteienfinanzierung und instransparente Entscheidungsfindung. Oder auch jede Form von Druck auf die Abgeordneten. Stichwort: Faktionszwang.

    Und das gilt natürlich insbesondere für das System hier bei uns.



    Denn nur darauf haben wir Einfluß.

  • Solange die Mehrheit der AmerikanerInnen das so will, kann man recht wenig machen.

    Erst wenn die Mehrheit sich gegen Trump stellt, wird sich etwas ändern.

    Das ist alles sehr traurig und furchtbar, aber am Ende können Minderheiten gegen große Mehrheiten nichts machen. Wenn die großen Mehrheiten intolerant werden, dann geht es gegen die Minderheiten. Leider.

  • Keine Frage, all diese Schilderungen klingen ungerecht, falsch, diskriminierend usw. ohne Wenn und Aber.

    Zwei Fragen bleiben aber im Text für mich unbeantwortet:

    1.) Warum fliehen die im Artikel angesprochenen Studenten? Kann man gegen diese Beschlüsse nicht klagen? Wofür gibt es denn Gerichte?



    2.) Ein Unijahr kostet den Studierenden All in All $93,417! Damit ist sie eine der teuersten Privatunis des Landes. Da kann man sich, finde ich, schon fragen warum der Staat eine solche Institution mit über 400 Millionen Dollar pro Jahr bezuschussen soll. Ich würde gerne mal den TAZ-Artikel lesen, wenn vergleichbares HIERZULANDE passieren würde...

    Trotzdem bleiben die Schilderungen natürlich erschreckend.

  • Das erinnert stark an die Machtübernahme Adolf Hitlers. Unliebsame Meinungen bzw. deren Verfasser werden weggesperrt oder ausgewiesen. Man kann nur hoffen, daß es genug Widerstand in den USA geben wird, der eine Umkehr zu demokratischen Prinzipien einleiten wird. Aktuell sieht es aber eher nach Schockstarre aus. Wir müssen in Europa solche rechten reaktionären Regierungen verhindern, wenn wir nicht Ähnliches erleben wollen.

  • Alles Gute, halte durch.



    Erschreckend, die vielen Eingriffe in alle Bereiche. Und das sie auf breite Zustimmung stossen.

  • Dies alles passiert im Namen einer deutlichen Mehrheit der US-Amerikaner. Die wachen erst auf, wenn sie selber "dran" sind.

  • „Falls ich nicht schon vorher ausgewiesen und exmatrikuliert werde.“

    keine Sorge, denn du bist in diesem Fall nicht wirklich betroffen, sondern:

    „eine weiße, europäische cis-Frau […], ich genieße ein hohes Maß an Privilegien.“

  • Hat man in den USA einen demokratischen Präsidenten gewählt oder einen absoluten Monarchen, der schalten und walten kann wie er will? Sollten wir nicht langsam von König Donald I. sprechen?