Repression an der Columbia University: Es wird ein Exempel statuiert
Proteste an der US-Universität werden mit Repression durch Trumps Regierung beantwortet: Verbote, Verhaftungen, Ausweisungen. Das Ziel ist Einschüchterung.

D ie USA erleben in diesem Moment einen der härtesten Angriffe auf die Grundwerte der Demokratie – und die aktuellen Ereignisse an der Columbia University in New York stehen genau dafür als Beispiel von wachsender Repression und Zensur.
Ich bin Forschungsdoktorandin an der Columbia University, aber gerade weit entfernt von New York. Und trotzdem machen sich Menschen, mit denen ich mich unterhalte, Sorgen um meine Sicherheit. Manchmal wird mir bewusst, wie absurd und dystopisch solche Gespräche sind. Ich bin eine weiße, europäische cis-Frau an einer privaten Universität mit über 13.700 internationalen Studierenden, ich genieße ein hohes Maß an Privilegien. Wieso sollte ich Hilfe oder Schutz brauchen?
Im vergangenen Jahr geriet Columbia in die Schlagzeilen, als Studierende ein Camp errichteten, um gegen die Kriegspolitik Israels zu protestieren. Andere Universitäten folgten, auch in Deutschland. Egal wie man zu den heterogenen Forderungen und Äußerungen dieser Protestbewegung steht, so sind sie doch durch die freie Meinungsäußerung geschützt. Bis jetzt. Am 7. März verkündete die Trump-Regierung, dass sie der privaten Columbia University 400 Millionen Dollar an staatlichen Fördergeldern streicht. Grund sei das fehlende Eingreifen angesichts antisemitischer Vorfälle auf dem Campus. Dass das ein Strohmann-Argument ist, wird durch die starke Polizeipräsenz und den geschlossenen Campus ersichtlich, wie auch David Wallace-Wells in der New York Times schrieb.
ist Doktorandin der Archäologie und lebt seit 2020 in den USA. Von 2021 bis 2024 unterrichtete sie als Lehrassistenz Archäologie an der Columbia University.
Tatsächlich wird ein Exempel statuiert: Wo es Proteste gibt, wird die Regierung Repressionen folgen lassen. Diese Realität wurde spätestens am 14. März durch den Forderungskatalog der Regierung an Columbia klar. In diesem wird unter anderem gefordert, dass Universitätspräsident:innen Studierende direkt exmatrikulieren können, dass die campuseigene Security Studierende festnehmen darf, dass die Fakultät der Middle Eastern, South Asian and African Studies extern geleitet werden soll, vermutlich durch einen regierungsnahen Angestellten. Diese Forderungen sehen nicht nur Studierende und Uni-Angestellte als beispiellosen Eingriff in die Unabhängigkeit der akademischen Institution.
Absolvent palästinensischer Herkunft verhaftet
Aber nicht nur Columbia an sich steht im Visier der Regierung. Am 8. März wurde Mahmoud Khalil, ein Columbia-Absolvent mit palästinensischen Wurzeln und ehemaliger Sprecher der Columbia-Protestbewegung, von Agenten des Immigration and Customs Enforcement (ICE) verhaftet. Man informierte ihn darüber, dass sein Studentenvisum widerrufen wurde – dabei besitzt er gar kein Visum, sondern eine Green Card. Bei einem Radiointerview konnte der neue stellvertretende Sekretär des Department of Homeland Security, Troy Edgar, nicht erklären, welches Gesetz Khalil spezifisch gebrochen habe, um eine Festnahme und Abschiebung zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob Aktivismus genug sei, um abgeschoben zu werden, antwortete er nicht.
Auch der Fall Ranjani Srinivasans zeigt, dass der bloße Verdacht auf Teilnahme an den Protesten reicht, um Visa zu widerrufen. Die Studentin aus Indien wurde am selben Tag wie Khalil von ICE-Agenten aufgesucht. Zwar wurde sie im vergangenen Jahr bei Campusprotesten kurzfristig festgenommen, doch stellte sich schnell heraus, dass sie auf dem Weg nach Hause nur in den Strom der Demonstrierenden geraten war. Ihr Verfahren wurde entsprechend fallen gelassen. Aber ihr Name landete im System in Verbindung mit den Protesten – ihr Visum wurde nun widerrufen, und ICE sollte sie verhaften. Geistesgegenwärtig öffnete ihre Mitbewohnerin nicht die Tür, und Srinivasan schaffte es, nach Kanada zu fliehen, bevor die Agenten zurückkehrten. Aufgrund des Widerrufs ihres Visums wurde sie automatisch exmatrikuliert.
Khalils Verhaftung erfolgte an einem Samstag. Am Montag füllte sich mein E-Mail-Posteingang mit Statements von verschiedenen Ebenen der Universität, von der Interimspräsidentin Katrina Armstrong bis hin zur fakultätseigenen Beauftragten für Doktoranden. Von Floskeln wie „Wir bleiben unseren Werten treu“ bis hin zu Hinweisen, wie man mit ICE-Agenten umgeht. Es wurde darauf hingewiesen, dass mehrere Studierende und Lehrkräfte im Internet „gedoxxt“, also ihre persönlichen Daten inklusive eines Fotos veröffentlicht worden sind. Der Grund: Sie haben im vergangenen Jahr an den Protesten teilgenommen oder offene Briefe unterzeichnet. Manche von ihnen erhielten Drohungen. Seit dem Regierungswechsel Ende Januar nahm Doxxing so stark zu, dass die Universität neue Richtlinien erlassen musste. Hier zeigt sich, wie die repressive Politik der Regierung Einschüchterungsversuchen und Selbstjustiz Aufwind gibt.
Auf Social Media wird bereits nach den nächsten internationalen Studierenden mit unerwünschten Meinungen gesucht: Wie Trump im Zuge von Khalils Verhaftung erklärte, sollen „viele Festnahmen“ folgen. Es ist ein „Versprechen“, dass man dieser Regierung durchaus abnehmen sollte. Dabei ist es egal, ob man die Meinung Khalils und der anderen Aktivist:innen teilt. Ihre Verhaftungen muss man im Kontext einer sich ausbreitenden Repressionswelle sehen. Verhaftungen und Abschiebungen werden so zum Werkzeug der Regierung, um unerwünschte Stimmen verstummen zu lassen – egal ob es um den Nahost-Konflikt, Rechte für trans*Menschen oder die kritische Aufarbeitung der kolonialen Geschichte des Landes geht. Von staatlichen Webseiten wurden solch unerwünschte Themen bereits entfernt.
Ich selbst bin wie gesagt in Sicherheit, in einem anderen Bundesstaat, um meine Forschung abzuschließen. Danach kehre ich nach Europa zurück, um dort meine Doktorarbeit zu Ende zu schreiben. Falls ich nicht schon vorher ausgewiesen und exmatrikuliert werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Repression an der Columbia University
Es wird ein Exempel statuiert
Brief an Merz
Unions-Frauen wollen die Hälfte der Macht
Vor der Abstimmung zum Sondervermögen
Befreiungsschlag in Sicht
Schauspielerin Rachel Zegler
Rassismus gegen Schneewittchen
Einigung zum Schuldenpaket
Merz-Milliarden sind verkraftbar
Donald Trumps ständige Rechtsbrüche
Zerstörung einer scheinbar starken Demokratie