Sondierungen von Union und SPD: So nicht, sagen die Grünen
Die Ex-Regierungspartei lehnt das Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse ab – zumindest wie Schwarz-Rot diese bisher vorschlagen.
Eine Befürchtung der Grünen sowie vieler ÖkonomInnen: Mit dem Sondervermögen könnte die künftige Regierung andere ihrer Pläne finanzieren – etwa eine höhere Pendlerpauschale, die Mütterrente und billigen Diesel für Bauern. Das wäre der Fall, wenn ohnehin geplante Investitionen aus dem regulären Haushalt ins Sondervermögen verschoben würden.
Diese Befürchtung wird dadurch genährt, dass die Sondierer von Schwarz-Rot bisher nicht erklärt haben, wie sie ihre angekündigten Herzensprojekte finanzieren wollen. Die Grünen sprechen von einer „Schatzkiste mit Spielgeld“, die sich Schwarz-Rot so erschaffe, ohne dass mehr Geld als bisher in die Infrastruktur investiert werde.
Zwei weitere Kritikpunkte tragen die Grünen vor: Die Schuldenbremse nur für militärische Zwecke zu lockern, ist ihnen ein zu enger Begriff von Sicherheit. Sie wollen auch andere Posten wie die Ukrainehilfen aufnehmen, die nicht über den Verteidigungsetat laufen.
Merz macht Politik auf der Mailbox
Außerdem reicht es den Grünen nicht, das geplante Sondervermögen für Investitionen ins Klima zu öffnen. Diesen Vorschlag hatte Friedrich Merz der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Wochenende auf der Mailbox hinterlassen.
Damit klingen die Grünen deutlich konfrontativer als in den letzten Jahren. Aber die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie nicht einen eigenen Vorschlag mitgebracht hätten. Sie finden: Der neue Bundestag solle eine Reform der Schuldenbremse beschließen. Die Union müsste dafür mit der Linken ins Gespräch gehen. Dabei wissen die Grünen, dass Friedrich Merz lieber mit Angela Merkel in den Urlaub fahren würde, als das zu tun.
Ganz aus ihrer Haut kommen die Grünen aber nicht heraus. Trotz ihrer sehr grundsätzlich formulierten Absage wollen sie weiter mit Union und SPD verhandeln – und zwar schon am Montagabend. Man habe zwar eine „klare Präferenz“ für eine Lösung im neuen Bundestag, so Bundesvorsitzender Felix Banaszak, und sehe „den Einigungsdruck bei Merz, Söder und Klingbeil“. Das Ziel sei aber, am Ende zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
Eine Abstimmung mit den Mehrheiten des alten Bundestags ist also nicht vom Tisch. Alles andere wäre auch absurd: Schließlich waren es die Grünen selbst, die nach der Wahl diese Option vorschlugen. Ihr Verantwortungsbewusstsein wollen die Grünen auch damit beweisen, dass sie parallel zu den Verhandlungen mit Union und SPD am Montagabend einen eigenen Gesetzentwurf „zur europäischen Sicherheit und Krisenresilienz“ vorlegen wollen.
Wie die CDU sich jetzt einschleimt
Die Sondierer von Union und SPD reagierten auf das Nein der Grünen betont verständnisvoll. „Ich finde das völlig legitim, wenn die Grünen sagen: ‚Wir haben unsere Vorschläge‘“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Die Vorschläge der Grünen bezeichnete er als „konstruktiv“.
Den Vorwurf, mit dem Sondervermögen wolle die Union ihre Wahlgeschenke finanzieren, wies Linnemann dagegen zurück. Er werde sicherstellen, dass dies wirklich für Investitionen eingesetzt würden. Zur Forderung der Grünen, dass die Union mit der Linken Gespräche aufnehmen sollte, sagte Linnemann, das sehe er nicht.
CDU, CSU und SPD wollen von Donnerstag an in 16 Arbeitsgruppen zehn Tage lang über die Bildung einer Koalition verhandeln. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Linnemann.
Auch SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil sagte, man nehme die Bedenken der Grünen ernst. Mehr Geld für die Länder und Kommunen, das kann man sich womöglich auch bei den Sozialdemokraten vorstellen.
Warum es auch auf die Länder ankommt
Am Wochenende hatten drei grüne Landesminister eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie die Zustimmung zur geplanten Grundgesetzänderung von drei Punkten abhängig machen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz, die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Björn Fecker, Finanzsenator aus Bremen, schrieben, auch künftig müssten 1,5 Prozent der Kosten für Verteidigung aus dem Haushalt finanziert werden und nicht nur 1 Prozent. Man dürfe den Druck für Effizienz in der Beschaffung nicht verringern.
Schwer zu kontrollieren wird der zweite Kritikpunkt sein. Die drei Länderminister fordern, das Sondervermögen dürften nur in zusätzliche Infrastrukturprojekte investiert werden, nicht in „Wunschprojekte“ der neuen Koalition. Zuletzt fordern Bayaz, Neubauer und Fecker, dass die Länder mit einem höheren Betrag am Sondervermögen beteiligt werden müssten. Obwohl die Länder und Kommunen über 60 Prozent der Infrastrukturmaßnahmen erbringen, sollten sie nur 100 Milliarden erhalten. Es sollte doppelt so viel sein, verlangen die Landesminister.
Bayaz’ Position, davon kann man ausgehen, wird vom Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geteilt. Falls sich die Länder im Bundesrat enthalten, würde das wie eine Neinstimme gezählt werden. Der Zeitdruck verschafft den Ländern also ein Druckmittel.
Die Verhandlungen zwischen Grünen, SPD und Union dürften indes schwierig werden. Die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta sagte der taz: „Friedrich Merz hat versprochen, nie mit der AfD zu stimmen, und dieses Versprechen gebrochen. Er hat das Beibehalten der Schuldenbremse bis zur Wahl versprochen und dieses Versprechen direkt nach der Wahl gebrochen. Das Wort von Friedrich Merz ist nichts wert.“
Die Grünen müssen sich auf Merz verlassen
Beim Blick in den Gesetzentwurf von Union und SPD wird klar, warum dies die Verhandlungen besonders schwer macht. Zur Frage, wofür das Sondervermögen verwendet wird, steht da der Satz: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Stimmen die Grünen der Grundgesetzänderung also zu, müssten sie sich wohl auf das Wort von Friedrich Merz verlassen, dass dieser seine Pläne nicht ändert.
Die Linke hat unterdessen in einem Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Das teilten die Vorsitzenden der Linkengruppe Heidi Reichnnek und Sören Pellmann mit. Mit der Klage solle erreicht werden, dass der neue Bundestag sich bereits ab dem 14. März konstituiert. Die geplante Grundgesetzänderung verletze nach Auffassung der Linken das Recht auf Ausschöpfung der Wahlperiode, so Pellmann.
Ob auch konkret gegen den Gesetzentwurf von Schwarz-Rot geklagt werden soll, prüfe die Linke noch. „Wir begrüßen, dass die Grünen angekündigt haben, dem nicht zuzustimmen, und hoffen sehr, dass sie dabei bleiben und keinen dreckigen Deal eingehen“, sagte Reichinnek. „Was Union und SPD machen, ist ein Blankoscheck für Aufrüstung. Das lehnen wir ab.“
Die Linke will keinen Blankoscheck für Aufrüstung
Die Linkspartei spricht sich weiter für die komplette Abschaffung der Schuldenbremse aus. Eine mögliche Aufteilung der Verfassungsänderungen unter altem und neuem Bundestag sieht die Partei kritisch: „Wenn es eine zwingende Verknüpfung mit Militärausgaben gibt, werden wir wahrscheinlich nicht zustimmen können“, sagte Pellmann.
Am Donnerstag soll der Bundestag über den Gesetzentwurf debattieren. Mit einer Einigung von SPD, Grünen und CDU bis dahin wird nicht gerechnet. Es bleibt viel zu besprechen, mehr, als auf die Mailbox von Britta Haßelmann passt. Die Grünen müssen sich wohl noch eine Weile im Spagat üben, zwischen ihrer neuen Oppositionsrolle und ihrer Rolle im alten Bundestag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grüne blockieren Milliardenpaket
Nö, so nicht
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Regierungsbildung
Der Koalitionsvertrag als Wille und Vorstellung
Leitantrag für Linken-Parteitag im Mai
„Kultur der revolutionären Freundlichkeit“
Sondierung und Klima
Ein Kapitel aus dem Märchenbuch
Kaffeepreise und Kaffeemänner
Denen sind die Kleinbauern Latte (macchiato)