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Vor der BundestagswahlLinks liegen gelassen

Essay von Martina Mescher

Die rechte Hegemonie wirkt überwältigend in diesen Zeiten. Wer sie überwinden will, muss sich den eigenen Fehlern stellen.

Hand in Hand gegen die „Remigrationspläne“ der AFD, in Berlin und überall im Land im Februar Foto: Ann-Christine Jansson

W ürde es die Linken nicht geben, müsste man sie erfinden – als Sündenbock für Probleme, die Rechte verursacht haben und Populisten nicht lösen wollen. Vor acht Jahren fing es an, mit dem ersten Wahlsieg von Donald Trump. Der Politologe Mark Lilla und die Philosophin Nancy Fraser identifizierten eine linksliberale Intellektuellenelite als Ursache dafür, dass in den USA weiße Männer ohne College-Abschluss von den Demokraten zu den Republikanern abgewandert waren.

„Progressiver Neoliberalismus“ und Identitätspolitik lauteten die Stichworte. Die dazugehörige These besagte, dass die kulturellen und demokratischen Establishments, also Linke und Linksliberale, die Arbeiterklasse verachten. Linke sollten also Schuld haben am Rechtsruck. Ein Erklärmodell, das hierzulande rasend schnell Abnahme fand – bei AfD-Politiker:innen, bei Rechtskonservativen, bei Medien wie der Welt.

Dass diese Übertragung nicht wirklich passte, weil das amerikanische Parteiensystem gänzlich anders ist, es hier gar kein Hollywood gibt, also eine mächtige, von progressivem Gedankengut geprägte Unterhaltungsindustrie, dafür aber (noch) relativ gut verankerte Gewerkschaften und ein Sozialsystem, in dem man nicht mit dem Jobverlust die Krankenversicherung verliert – geschenkt.

Seit Jahren läuft das so: Nennt man als Wohnort Berlin-Kreuzberg, als Beruf Journalistin („links-grüner Mainstream“), erwähnt man noch dazu weitere Trigger-Faktoren wie Vegetarierin („Grill-Verbot“) und Fahrradfahrerin („Verbrenner-Aus“), kommt sogleich, je nach politischer Weltanschauung des Gegenübers, entweder die Identifizierung als arrogante Vertreterin eines progressiven Neoliberalismus oder als Repräsentantin einer linken Hegemonie, die es nie gab.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Welche Gesellschaft soll das abbilden?

Also als jemand, der rein gar nichts vom „wirklichen Leben“ und den Sorgen der „normalen“ Menschen versteht, auch wenn nach der Mietüberweisung noch sehr viel Monat übrig bleibt. Wenn Friedrich Merz sich der Mittelschicht zuordnet und findet, „nicht Berlin, nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland“ – übrigens kein Ort, sondern ein Jahrmarkts- und Politikspektakel, lautet die Frage: Welche Gesellschaft soll das eigentlich abbilden?

Meine Generation, oder vielleicht genauer: meine linke Blase, die allerdings nicht ganz untypisch für meine Generation ist, wurde durch die von der Union systematisch verharmlosten Baseballschlägerjahre, Antifa und Punkrock politisch sozialisiert. Viele studierten (Aufstiegsversprechen), viele jobbten in den Semesterferien an den Fließbändern der Industrie (gut bezahlt) und kellnerten nebenbei.

Nach dem Studium folgten lange und prinzipiell unbezahlte Praktika, die die Chance erhöhten, sich danach von einem befristeten Job zum nächsten zu hangeln. Wir waren die ersten, deren Berufseinstieg auf dem sogenannten flexibilisierten Arbeitsmarkt begann. Es war die Zeit, in der dank einer stramm neoliberalen Politik das Aufstiegs- und Wohlstandsversprechen zerschellte und die Lebensentwürfe fragil wurden.

Qua Biografie war man antifaschistisch, antirassistisch und kapitalismuskritisch aufgestellt, ohne sich dafür zwangsläufig auf elaborierte intellektuelle Höhenflüge begeben zu müssen. Linksemanzipatorisch zu werden war sozusagen eine vollkommen logische Entwicklung. Und die derzeitigen Debatten um Asyl und Bürgergeld rufen bei uns fatale Erinnerungen an die 90er und Nullerjahre hervor.

Aus jeder Krise gingen die Reichen reicher raus

16 Jahre Merkel-Regierung hießen Schwarze Null, die Straßen und Schienen bröckelten, die Schulgebäude wurden marode. Finanzkrise und Corona dämmten zwar das neoliberale Dogma „Mehr Markt als Staat“ ein, aber aus jeder Krise gingen die Reichen reicher und die Armen ärmer hervor. Linke und Linksliberale wählten die Linkspartei (zumindest bis die Wagenknechtianer so richtig loslegten), Grün (trotz Skepsis gegenüber dem grünen Kapitalismus), oder vielleicht auch SPD (der man allerdings Hartz IV nie verzieh).

Ein Votum also für eine rot-rot-grüne Mehrheit, die es zwar mehrfach gab, aber aus der nie eine Regierung wurde.

Dann kam die Ampel: Fortschrittskoalition mit dem Versprechen, die überfällige sozialökologische Transformation endlich auf den Weg zu bringen. Auch wenn viele im Unterschied zu Olaf Scholz die Performance von Christian Lindner nicht überraschte und der Ökonom Joseph Stiglitz und der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze ja explizit davor gewarnt hatten, den FDP-Chef und Schuldenbremsen-Apologeten zum Finanzminister zu küren, konnte man die Ampel als besser empfinden als die Aussicht auf weitere Jahrzehnte Stillstand mit der Groko.

Corona, Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, den Umbau der Energieversorgung sicherstellen – angesichts einer solchen weltpolitischen Lage gab es Respekt vor den Aufgaben, die sich da türmten. Dass Friedrich Merz und Markus Söder der Ampel das Leben schwer machen würden, war zu erwarten. Dass die Ampel allerdings so dermaßen schnell in die Defensive gehen würde, nicht.

Asylrechtsverschärfungen, Lützerath-Räumung, Klimaschutz-Gesetz mit aufgeweichten Sektorzielen, verschärfte Maßnahmen gegen „Klimakleber“, das Ausbleiben des versprochenen Klimagelds, schärfere Regeln beim Bürgergeld statt Sozialstaat auf Augenhöhe, da schwand das anfängliche Wohlwollen rapide.

Ein wohltuendes Gefühl der Selbstvergewisserung

Aber dann begann das Jahr 2024 mit den größten Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik. Rund 3,6 Millionen Menschen gingen wochenlang gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Das Narrativ, dass sich nur wohlhabende linksliberale Aka­de­mi­ke­r:in­nen mit Eigentumswohnungen in teuren Großstädten antirassistisches Engagement „leisten“ können, lief mit den Bildern der Massen von Menschen, die auch landauf, landab, in kleinen Städten und auf dem Dorf demonstrierten, ins Leere.

Das gab ein wohltuendes Gefühl von Selbstvergewisserung, dass man zusammen weniger allein ist, in diesen Zeiten der permanenten Bewirtschaftung von Ressentiments.

Der Protest sollte ein Druckmittel gegenüber Po­li­ti­ke­r:in­nen der demokratischen Parteien sein, die eigene Abgrenzung zur AfD zu betonen. Die Adressierten stimmten Lobeshymnen auf die Zivilgesellschaft an. Und machten danach weiter wie bisher.

Leute wie ich, aber auch viele aus gänzlich anderen Lebenswelten, die gegen Rechtsextremismus und die Abschiebepläne der AfD demonstriert hatten, wurden links liegen gelassen. Mehr Entmutigung geht kaum: Die Union setzte die Ampel unter Druck, die Ampel-Regierung verschärfte in noch höherer Taktung das Asylrecht, die AfD eilte von Wahlerfolg zu Wahlerfolg.

Vertane Chancen

Es wäre eine Chance gewesen, sich statt des seit Pegida in der politischen Debatte omnipräsenten Sozialcharakters des „besorgten Bürgers“ der Sorge von linken, linksliberalen und liberalkonservativen Milieus vor dem Verlust der offenen und pluralistischen Gesellschaft zu widmen.

Der 6. November ging dann als Tag in die Geschichte ein, an dem morgens mit dem erneuten Wahlsieg von Donald Trump eindrucksvoll vor Augen geführt wurde, wie dominant die rechte Hegemonie ist. Abends kam das Ende der Ampel. Was unterdessen in der Aufmerksamkeitsökonomie unterging: Nachmittags hatte das Bundeskabinett noch zwei asylpolitische Gesetzentwürfe verabschiedet, mit denen sogar Kindern die Inhaftierung droht.

In sieben Wochen steht eine Bundestagswahl an, bei der entscheidend ist, dass die Regierung, die daraus hervorgeht, keinen Mist baut. Denn die Furcht davor, dass bei der übernächsten Wahl die AfD an die Macht kommen könnte, ist berechtigt. Es reicht, einen Blick auf andere europäische Länder zu werfen, in denen rechtsextreme Regierungsparteien längst die Axt an die liberale Demokratie und den Rechtsstaat legen.

Aktuelle Umfragen zur Bundestagswahl zeigen, dass hierzulande die antilinke Konjunktur auch nach der Trump-Erschütterung konstant geblieben ist. Die CDU liegt stabil bei der 30-Prozent-Marke, gefolgt von der AfD bei 19 Prozent. Bei den Parteien Mitte-links und links der Mitte kommt die SPD auf 16, die Grünen auf 12 Prozentpunkte, die Linkspartei liegt unter der 5-Prozenthürde, könnte es aber über Direktmandate in den Bundestag schaffen.

Und wen wählt man jetzt?

Angesichts dessen ist es für Linksliberale und linke Wäh­le­r:in­nen keine gute Idee, aus Frust über die Politik der Ampel nun auf eine der Kleinstparteien zu setzen, die keine Chance auf einen Parlamentseinzug haben.

Nur, wen wählt man da? Die Linkspartei ist seit dem Abgang von Sahra Wagenknecht, ihren Getreuen und der BSW-Gründung noch im Wiederfindungsprozess. SPD und Grüne haben in der Regierungszeit an Glaubwürdigkeit verloren.

Zum Scheitern der Ampel ist oft zu hören: die FDP, die Karlsruher Entscheidung zur Schuldenbremse, die Kampagne gegen das Heizungsgesetz. Was bei SPD und Grünen hingegen eher diskret ausfällt, ist die selbstkritische Aufarbeitung des eigenen Regierungshandelns in der Ampel.

Und jetzt? Weniger Konzessionen an den rechten Zeitgeist wären eine Idee. Dass gerade die Grünen als Feindbild Nummer eins funktionieren, – trotz ihres pragmatischen Agierens bis zu ihrer eigenen Schmerzgrenze – sagt viel über die derzeitige Schwäche linker und linksliberaler Parteien im Allgemeinen und der gesellschaftlichen Linken aus. Aber sie werden alle zwingend gebraucht, um der rechten Hegemonie etwas entgegenzusetzen.

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30 Kommentare

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  • "Wer sie [Die rechte Hegemonie] überwinden will, muss sich den eigenen Fehlern stellen."

    ... sollte aber nich 5 vor Zwölf erst damit anfangen. Heißt: in einem Monat wird nichts passieren nd nach der Wahl auch nicht.. Wahrscheinlich ist es wieder die CDU, die den Karren aus den Dreck zieht wi seinerzeit schon beim Atomaustieg.

    Zusammen mit den Grünen könnte also wirklich was draus werden,

  • Um eine "überwältigende rechte Hegemonie" in D zu sehen muss man aber schon sehr weit links stehen...

  • "Ein wohltuendes Gefühl der Selbstvergewisserung"

    Es tut mir leid, aber mehr als das habe ich aus dem Artikel nicht mitnehmen können.

  • Die Ampel hat ja ein paar wirkliche Errungenschaften vorzuweisen.



    Eine wichtige davon ist, dass überhaupt wieder Politik in Deutschland stattfindet, also dass über Standpunkte gestritten wird.



    Und dass man als Normala über die gleichen Themen mit den ähnlichen Argumenten streiten kann wie die Spitzenpolitiker.

    Nach 16 Jahren Alternativlosigkeit war nicht nur äußerst befreiend, sondern auch bitter nötig. Es tat und tut gut, wieder echte demokratische Debatten zu erleben.



    Es ist klar, dass manchen bei so vielen Meinungen der Kopf schwirrt.



    Auch dass ist ein Grund, diesmal ein unberechtigter jedoch leider unvermeidbarer, für das schlechte Image der "zerstrittenen" Ampel.

    Und der Autorin scheint es ähnlich zu gehen, wenn auch unter anderen Vorzeichen:



    Sie scheint noch daran zu verdauen zu haben, dass es auch wieder Mehrheiten mit wenig Übereinstimmungen zu ihrer Einstellung in Deutschland gibt.

  • Links sein bedeutet für mich nicht "Gegen Rechts" sondern "Gegen Reich". Und wirklich Reich sind für mich Menschen mit mehr als 100 Millionen Vermögen. Die Konzentration des Reichtums bei den oberen 1% ist das Problem unserer Demokratien, welches für alle Parteien tabu zu sein scheint.

  • "(...) keine gute Idee, aus Frust über die Politik der Ampel nun auf eine der Kleinstparteien zu setzen, die keine Chance auf einen Parlamentseinzug haben."

    Das sehe ich so nicht.



    Erstens ist jede Stimme als eine von über 60 Mio. für sich alleine genommen irrelevant, egal ob man CDU oder Volt o.ä. wählt.



    Zweitens wäre die Gründung neuer Parteien sinnlos wenn jeder so denkt, das schadet der Demokratie, und es gibt genügend Beispiele (Piraten, Grüne, AfD, ...) die bei Null angefangen haben und es in die Parlamente geschafft haben.



    Drittens gibt es Wahlkampfkostenerstattung schon ab 0,5%, nicht erst bei Erreichen der 5% Hürde, und viertens motiviert es die Kleinstpartei sehr, weiterzumachen, wenn sie mal eben von 1% auf 2% aufdoppelt.



    Sie unterstützen also durchaus mit einer Stimmabgabe für kleine Parteien.

  • Nun ist es aber so, dass die rechte Hegemonie aus einer kompromisslosen Weigerung der Rechten erwuchs, sich irgendwie mit ihren eigenen Fehlern auseinanderzusetzen.

  • "Ein Votum also für eine rot-rot-grüne Mehrheit, die es zwar mehrfach gab, aber aus der nie eine Regierung wurde."

    Soll vorkommen. Es gibt auch gelegentlich ein Votum für eine schwarz-blaue Mehrheit. Aus der wird absehbar aber auch nie eine (Landes)Regierung.

  • Bereits im ersten Satz des Artikel wird als Prämisse suggeriert, Linke und Populismus würden sich ausschließen.

    Soll das Ironie sein?

    Die Linkspartei lebt davon, dass sie jedem alles verspricht.

    Gerne auch Dinge, die sich gegenseitig ausschließen.

    In dem einen Bundesland ist man dann für Braunkohletagebau, in dem anderen dagegen.

    Die Linkspartei ist Populismus in Reinkultur.

    Wagenknecht hat auch nicht erst nach ihrem Austritt bei der Linken damit angefangen.

  • Es geht ja vom ersten bis zum letzten Absatz des Artikels darum, jetzt doch Grün zu wählen.



    Die Partei mit dem schmerzbereitesten Pragmatismus. Das heißt mit bis fast zur Unkenntlichkeit bereiten Kompromissen.



    Wobei ich 'fast' mit 'fast ganz' (im Prinzip schon 'ganz&gar' ) gleichsetzen würde. Mir fehlt komplett und klar Durchsetzungsfähigkeit:Klimageld z. B., gute Idee, real keine Chance,wenn mächtigere, große Parteien ganz anderes wollen.

    • @poesietotal:

      Und was würde das letztendlich bedeuten?



      Södern ? (sorry, konnt' ich mir nicht verkneifen)



      Oder die GRÜNEN in eine Position hieven, von der aus sie maßgeblich mitreden kann?

  • Sorry. Am Ende ist der Artikel eben dann nur ein Wahlaufruf für die Grünen. Gerade diese jedoch haben die derzeitige sozialökonomische Misere wesentlich mitzuverursacht. Bereits mit der ersten Rot-Grünen Koalition war es wirtschaftlich deutlich bergab gegangen. Nun haben sie als zentraler Teil der Ampel durch die bewusste Verteuerung von Energie die deutsche Wirtschaft in die Rezession geführt und gerade einkommensschwache Bürger über alle Schmerzgrenzen belastet. Zur Schaffung eines positiven Investitionsklimas wird den Grünen regelmäßig nur sehr wenig Vertrauen geschenkt. Stabile politische Verhältnisse gibt es nur mit ausreichender Zuversicht auf eine bessere Zukunft. Die Grünen vermitteln diese gerade nicht.

  • Die Grünen sind also Links?



    Welche Politik der Grünen der letzten ~20 Jahre, könnte man denn als "Sozial Gerecht" ansehen?



    Oder auch der letzten ~30 Jahre?



    Ist das EEG Gesetz, wo man als Mieter ohne eigene Solar Fläche immer Gelder an Besitzer mit Solar Fläche transferiert, Sozial Gerecht?



    War die Ökosteuer auf Benzin Sozial Gerecht? Wen hat das mehr getroffen, den Volvo Fahrer, oder den Porsche Fahrer?



    Hatte Harz 4 irgendetwas mit Sozialer Gerechtigkeit zu tun? (wird oft vergessen das es Rot/GRÜN war, und nicht nur "Rot").



    Wärmegesetz, wer kriegt Geld für die Pumpen, und wer zahlt nur? (Mieter zahlen nur, oder nicht?)



    Ist es nicht auch in Grünen Hochburgen (wie Beispielsweise Hamburg) so, das sich reiche Viertel gekonnt von Flüchtlingsheimen freihalten, während andere (ärmere) Ecken übermäßig stark belastet werden, und langsam der Hass wächst?

    Ich hab mich jetzt mal nur auf die bekanntesten Highlights beschränkt, man könnt das auch noch ausführlicher weiter führen...

  • Als Nichtlinker fehlt es mir bei den Linken an einem echten Profil. Wenn die Linken einfach nur alle sozial Unterpriviligierten gleichermaßen vertreten wollen, dann können sie Abgrenzungen unter den einzelnen Gruppen nicht abbilden. Einfach nur "höhere Steuern für Reiche" reicht halt nicht aus.

  • Noch komischer als den Widerspruch zwischen Teaser und Schluss, der dann auch zu erwartbar ist, finde ich es Wählern von neuen oder einfach noch kleineren Parteien mal so zu unterstellen, aus Frust zu wählen. Sehr schräges Demokratieverständnis und Gesellschaftsbild, vielleicht mal die Nische wechseln. Kann ich absolut nicht nachvollziehen, man ist im Gegenteil schon glücklich und dankbar nicht allein zu sein und verstanden, und i.Ü. auch den Menschen, die das möglich machen. Die Protestparteien sind leider lange gross, und dick und fett im Parlament, man fragt sich eher schon, welche dort eigentlich keine (mehr) ist. Frust seh ich ganz woanders, diesen Versuch einer offenbar auch nicht mehr ganz einfachen oder abgeschlossenen Selbstverortung oder -suche gefühlt eingeschlossen. Mir Rätsel wer damit motiviert oder mobilisiert werden soll, aber der Autorin scheinbar selbst. Bei all den Anekdoten fehlt mir bisschen, dass auch die ehemaligen Grünen damals nicht in den Bundestag einzogen mit Demos oder Punkkonzerten. Sondern weil Leute daran geglaubt haben, nicht mal soviele aber genug. Auch gegen Widerstand und Skeptiker wie du es heute selber bist.

  • Warren Buffett (Vermögen 2022 ca. 118.000.000.000$) sagte 2006: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen."



    Die herrschende Klasse hat diesen Krieg bereits auf ganzer Linie gewonnen.



    Die Zustandsbeschreibung in diesem Artikel ist richtig und wir stehen nicht zufällig an diesem Punkt.



    Linke Ideen und Theorien sind heute aus der Öffentlichkeit verbannt. Die Gesellschaft ist in Individuen aufgespalten, die im Zweifel an ihrer Misere selbst Schuld sind. Wem es (noch) gut geht, der hat was geleistet. Der Leistungsgedanke ist wichtiger als Solidarität.



    Meinungsbildung erfolgt zu nahezu 100% über Medien die den Reichen gehören. Das ist hier in D nicht anders als in den USA oder Russland. Wenn es sinnvoll erscheint wird so ein Meinungsbildungskanal eben mal gekauft. (X)



    Wie soll man das ändern?



    Eine Linke wird es erst wieder geben können, wenn der Wille da ist, die Ursache für die Hegemonie der Reichen zu beseitigen: Man wird darüber reden müssen, ihnen ihr Machtmittel zu nehmen also ihr Eigentum.



    Marx ist zwar lange tot. Aber die Frage des Eigentums der Produktionsmittel ist nun mal eine zentrale.

    • @Nansen:

      Diese Frage wurde bereits beantwortet hat ihre Ergebnisse in den gescheiterten sozialistischen Staaten sowie in Nordkorea gezeigt. Und da wundern Sie sich über so wenig Zuspruch nach weiteren Freifeldversuchen dieser Art?

    • @Nansen:

      Sie leben in einer anderen Welt als ich.

      Welchen Reichen gehören nochmal taz, ARD oder die regionalen Fernsehkanäle?

      Eine Linke wird es vor allem dann wieder geben, wenn sie ein glaubwürdiges Narrativ von Zukunft kreiert hat.

  • Wenn mit jeder Krise die Reichen reicher werden, dann sollten linke Regierungen es eben nicht so weit kommen lassen. Ok, ist jetzt sehr vereinfacht ausgedrückt.

  • 'Die derzeitige Schwäche linker und linksliberaler Parteien ... und der gesellschaftlichen Linken' hat mehr damit zu tun, dass es in Deutschland eine politisch relevante Linke seit 1933 nicht mehr gibt. Dafür hat 1918 die linksliberale SPD gesorgt, der für die eigene Macht und den Erhalt des Reichs der Pakt mit Liberalen und Nationalkonservativen wichtiger war, als den Sozialismus zu wagen. Die aktive Linke und Basisdemokraten wurden zusammengeschossen. Dass der Liberalismus im Kern ein generalisierter Sozialdarwinismus ist, die repräsentative Demokratie nichts mit egalitärer Mitbestimmung zu tun hat und Betriebsräte rein gar nichts zu sagen haben, davon wollten vom steigenden Wohlstand verwöhnte Salonsozialisten nach 1949 nichts mehr wissen. Dass die SED den Sozialismus auch nur im Namen trug, braucht man niemandem mehr zu erklären.

    Typisch für die Linksliberalen heute ist mein grüner Bürgermeister seit 20 Jahren. Eine höchste Form von Glück ist für ihn das Cruisen mit dem Motorrad durch die Toskana. Nach der Jugendrevolte als Hausbesetzer hat er sich den Espresso auf der Terrazza wohl verdient und wünscht mehr hybride Piazza-Erlebnisse im Pedelec-Radius deutscher Innenstädte.

  • In meinem Fall hat es nichts mit Frust zu tun weder SPD noch Grüne zu wählen. Es ist schlicht die Verlogenheit, welche beide an den Tag legen. Ob das die Milliarden sind, welche sie von unten nach oben verteilt haben oder die Umsetzung der Mindestlohnrichtlinie. Auf dem Rücken von Millionen Arbeitnehmern hat man sich ein Wahlkampfthema erhalten, egal was mit den Menschen ist.



    Ziemlich vieles was sie so als wichtig verkauft haben um sozial zu sein wurde dann stümperhaft oder in meinen Augen desinteressiert angegangen. SPD und Grüne erzählen viel, was schön



    Iklingt und doch machen sie Politik wie CDU und FDP nur auf einem etwas anderen Weg.



    Wird es unter CDU besser? Wohl nicht, aber viel schlechter wird es auch nicht.

    Und wenn man sich ansieht wer für SPD und Grüne kandidiert und wieder antritt bekommt man das Gefühl die Parteien sind sehr zufrieden mit dem was geleistet wurde.

    • @Hitchhiker:

      "Wird es unter CDU besser? Wohl nicht, aber viel schlechter wird es auch nicht."

      Außer man ist kein weißer biodeutscher Cismann mit einer erzreaktionären christentümelnden Grundeinstellung.

  • Speziell hinsichtlich der Grünen muss man sich den Tatsachen stellen: bei keiner anderen Partei ist sowohl bei den Mitgliedern als auch den Wählern der Anteil der Akademiker und der Staatsbediensteten so hoch. Heißt: bei keiner anderen Partei ist der Anteil der statistisch besser verdienenden Menschen und vor allem auch derjenigen, deren Job sicher ist, so hoch. Und natürlich bestimmt das Sein das Bewusstsein. Dazu passen auch die guten Wahlergebnisse in SUV-Fahrer-Stadtvierteln wie zB Hamburg-Pöseldorf, die ja schon Fegebank augenzwinkernd als „modernen Ablasshandel“ bezeichnet hat. Die Grünen werden nun mal mit der oberen Mittelschicht assoziiert, weil sie es tatsächlich sind.

    • @Suryo:

      Und die obere Mittelschicht hat in diesem



      Land nun mal die Hegemonie. Alles ist auf sie zugeschnitten, sie dominiert Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Bildungswesen und auch die Medien.

  • Wirklich ein gutgeschriebener und von daher auch gut zu lesender Artikel, wie aus dem Geschichtsbuch, aber nicht von oben herab, sondern eher aus der Froschperspektive der Beteiligten - und vor allem auch wohltuend frei von modischen Worthülsen wie die 'hart arbeitende Bevölkerung'!



    Gut auch, wie ohne die Spur von eitlem Selbstmitleid berichtet wird: "Viele studierten (Aufstiegsversprechen), viele jobbten in den Semesterferien an den Fließbänken der Industrie (gut bezahlt) und kellnerten nebenbei."



    Wohltuend zu lesen für einen, dem noch heute Schröders Anwurf von den "faulen



    Säcken" wie ein Stigma im Ohr klebt... Weil ich (auch) kellnerte und mich als (eher schlecht bezahlter) Chauffeur eines illegalen Teppichhändlers verdingte. Und das war schon bzw. immer noch so auch bei vielen zu meiner Zeit - in den späten 60ern. Durchaus passend zu seinerzeitigen Wahlplakaten mit dem Slogan 'Keine Experimente!' (Dreimal dürfen Sie raten, welch kluge Köpfe schon damals dahintersteckten!)

  • Kann bei allem zustimmen

    - es ist natürlich lächerlich, der Masse an prekär mehr oder weniger beschäftigten großstädtischen Menschen "Elitismus" vorzuwerfen -

    bis auf dem Aufruf zur Wahl der Grünen:

    Die grüne Partei ist sicher im Bundestag.

    Sie und die SPD brauchen Druck von links.

    Die Linkspartei ist (wieder) auf dem richtigen Weg.

    Es braucht im neuen Parlament eine grüne UND linke Opposition.

  • Ich stimme der Autorin zu, es war ermutigend und großartig zu sehen, wie viele Menschen auf die Straße gegangen sind nachdem die widerlichen Planspiele von Potsdam bekannt geworden sind. Aber die Autorin liegt meines Erachtens daneben, wenn sie daraus auf eine linke Mehrheit schließt. Nein, da sind viele schlicht anständige Menschen auf die Straße gegangen, was sicher auch einen großen Teil von Union- und FDP-Wählern einschließt, die gegen die völkischen Remigrationspläne ein Zeichen setzen wollten. Es war aber ganz sicher keine Mehrheit gegen eine Änderung, sprich Verschärfung, der bisherigen Migrationspolitik. Hier macht sich die Autorin etwas vor. Es wählen viele anständige Leute nicht die AfD und sind gleichzeitig der Meinung, dass etwas geändert werden muss und es so nicht weitergehen kann. Ganz offensichtlich gibt es für ein einfaches Weiter so keine Mehrheit und wenn die Linke wieder wachsen will, dann täte sie gut daran dies anzuerkennen, nachhaltige, humane Konzepte zu entwickeln um mit dem Problem umzugehen als Probleme schlicht zu verneinen oder über angebliche linke Mehrheiten zu fabulieren. Der Erfolg der Rechten ist IMMER auch ein Versagen der Linken.

  • Gute Beschreibung. Zur Analyse des linken Niedergangs sind allerdings noch die heftigen Auseinandersetzungen zu außenpolitischen Kontroversen wie Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel zu nennen, da hier die elementaren Pfeiler linker Identität - internationale Solidarität mit dem Opfer und den Unterdrückten - plötzlich in Wanken gerieten. Ein großer Teil der Linken verwehrte der Ukraine aus ideologischen Gründen ihre Solidarität mit dem Recht auf Selbstverteidigung, ein anderer links-grüner Teil rechtfertigte oder verstand die völlig unverhältnismäßige Kriegsführung mit systematischen Kriegsverbrechen einer rechtsextremen Regierung Netanjahu und bewilligte dazu noch Waffenlieferungen für das Gemetzel in Gaza. Dies sind nicht nur Randerscheinungen, sondern betreffen das gesamte Gebäude einer links-grüner Identität. Ich kann heute mit früheren Gleichgesinnten/Genossen zu Palestine einer Meinung sein, zur Ukraineunterstützung dagegen uns die Köpfe einschlagen. Das Abhandenkommen eines moralischen Grundkonsens liegt in der Luft. Dagegen hilft nur, Konflikte auf der Basis von Menschenrechten und dem Internationalen Recht zu beurteilen und lösen zu wollen.

  • Und wen wählt man jetzt? Wahlempfehlung eines Antifaschisten:



    -Kleinparteien bringen nix



    -BSW kacke



    -SPD und Grüne verloren an Glaubwürdigkeit



    -Die arme FDP

    Aber hey, Nichtwählen wurde bislang per se nicht verurteilt. Schließlich kann man das Gewissen bei einer Wahl nicht belasten. Was, wenn die eigene Stimme mit beigetragen hat, Asyl noch mehr einzuschränken? CDU/CSU?

    • @Troll Eulenspiegel:

      Die Stimmen der Nichtwähler tragen dazu bei, dass alle Parteien weniger absolute Stimmen benötigen, um bestimmte prozentuale Werte zu erreichen.