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Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen„Die Selbstzweifel sind gewachsen“

5,5 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld. Sehr viele wollen arbeiten. Fünf Menschen erzählen, wie sie das Klischee vom faulen Arbeitslosen trifft.

I ch bin gelernter Elektroinstallateur. Ende der 90er Jahre habe ich dann bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Fluggerätemechaniker gemacht und bin in die Luftfahrtbranche gekommen. Als Leiharbeitskraft habe ich für Airbus in Hamburg und Toulouse gearbeitet. 2014 habe ich mein Studium zum Luftfahrttechniker begonnen – ich wollte mich weiter qualifizieren, wollte nicht mehr selbst schrauben. Im März 2018 bin ich nach Berlin gezogen, weil ich eine Arbeit bei Bombardier in der Fertigungssteuerung bekommen habe. Mein letzter Job war dann bei Siemens Energy als Material­disponent. Die Stelle war befristet.

Als mir Ende 2022 gekündigt wurde, habe ich beschlossen, dass ich nicht mehr in der Industrie arbeiten möchte: Ich möchte nicht mehr nachts aufstehen, um arbeiten zu gehen. Ab August 2023 habe ich eine Schulung als Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung gemacht. In dieser siebenmonatigen Weiterbildung habe ich weiter Arbeitslosengeld bekommen. Eigentlich bekommt man für ein Jahr Arbeitslosengeld. Wegen der Weiterbildung habe ich aber für ein Jahr und sieben Monate Geld bekommen, bis Juni 2024. Danach habe ich Bürgergeld beantragt. Der Antrag muss immer vor Beginn des Bürgergeldanspruchs gestellt werden, also nicht rückwirkend.

Für mich war es am schwierigsten, alle Dokumente zusammenzusuchen, die das Amt sehen möchte. Es gibt mindestens eine Bearbeitungszeit von zehn Werktagen. Wenn ein Dokument fehlt, dann beginnt die Bearbeitungszeit von vorn. Das hat dazu geführt, dass ich immer noch kein Bürgergeld bekommen habe. Ich habe dem Jobcenter gesagt, dass ich in einer Notlage bin, weil ich die Miete für den nächsten Monat nicht zahlen kann. Aber eine Notlage besteht laut Amt nur dann, wenn ich kein Essen mehr kaufen kann. Ich musste mir Geld von meinem Vater leihen. Ich habe das Gefühl, dass Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, schneller Hilfe bekommen – das kann nicht sein.

Vor ein paar Wochen hat das Jobcenter einen Nachweis über meine private Altersvorsorge angefordert. Dem Staat wäre es am liebsten, dass man von dem Geld aus der Versicherung lebt. Aber dafür habe ich nicht 20 Jahre gespart, Monat für Monat. Hätte ich Geld auf der hohen Kante oder wenn ich einen Sportwagen fahren würde, dann würde ich das verstehen.

Geld für Bür­ge­r*in­nen

Im Januar 2023 löste das Bürgergeld Hartz IV ab. Die SPD nannte die Umstellung „die größte Sozialreform seit 20 Jahren“. Die Ex-Ampelkoalition verschärfte die Regeln beim Bürgergeld bereits mehrfach. Anfang Oktober entschied die Bundesregierung unter anderem, dass Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r*in­nen ab Januar 2025 schneller sanktioniert werden sollen: Menschen, die eine „zumutbare Arbeit“ ablehnen, sollen die Leistungen für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden. Bislang sanktionieren die Jobcenter stufenweise: Bei einer ersten „Pflichtverletzung“ werden die Bezüge um 10 Prozent für einen Monat gekürzt, danach um 20 Prozent für zwei Monate und schließlich um 30 Prozent für drei Monate. Zudem sollen längere Arbeitswege von täglich insgesamt 3 Stunden als zumutbar gelten. Ausnahmen sollen für Menschen gelten, die Kinder erziehen.

Im Februar 2025 könnte nach den dann anvisierten Neuwahlen sowieso alles noch ein weiteres Mal anders werden. CDU-General­sekretär Carsten Linnemann hat bereits angekündigt, man wolle im Falle einer Regierungsbeteiligung das Bürgergeld abschaffen: Wer arbeitsfähig sei, aber nicht arbeiten gehe, bekomme auch kein Geld vom Staat. Die Union führt derzeit in allen Umfragen und hat Chancen aufs Kanzleramt.

Im März schlug die CDU bereits vor, „Totalverweigerern“ die Leistungen komplett zu streichen. Die Gruppe, auf die das zielt, ist überschaubar: Das Jobcenter sanktionierte im vergangenen Jahr 3 Prozent der Bürgergeldempfänger*innen, weil sie eine zumutbare Beschäftigung ablehnten. Das heißt auch: 97 von 100 Emp­fän­ge­r*in­nen wurden nicht sanktioniert.

Ich hoffe, dass ich schnell eine neue Arbeit in der Verwaltung finde. Ich habe viele Bewerbungen laufen. Aber bis ich eine neue Stelle finde, bin ich auf das Bürgergeld angewiesen. Dass ich mir Geld leihen musste, um meine Miete zu zahlen und Essen zu kaufen, ist ein mieses Gefühl.

Ich bekomme die Diskussionen darüber mit, ob es das Bürgergeld weiter geben sollte, und darüber, dass angeblich viele Bürgergeldempfänger faul sind. Bei meinem letzten Job hatte ich einen Arbeitsweg von 75 Minuten. Noch länger zu fahren, jeden Tag drei Stunden zu pendeln – das kann ich mir nicht vorstellen.

Matteo Köchel (Name geändert) ist 50 Jahre alt und lebt in Berlin. Er hat im Juni 2024 Bürgergeld beantragt und bis Mitte September kein Geld vom Jobcenter erhalten. Mittlerweile bekommt er Bürgergeld.

„Ich wünsche mir, unabhängig zu werden“

Ich bekomme seit sieben Jahren Bürgergeld beziehungsweise Hartz IV. Ich bin sehr dankbar, dass der Staat mich unterstützt, aber ich wünsche mir auch, unabhängig zu werden. Meine Kinder sind sieben und dreieinhalb Jahre alt. Dieses Jahr habe ich eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen. Das Geld, das ich in der Ausbildung verdiene, wird mit dem Bürgergeld verrechnet. Ich bekomme also zwar nicht mehr Geld als vor der Ausbildung, aber es ermöglicht mir den Weg hin zur Unabhängigkeit.

Von Juli bis Ende September habe ich kein Bürgergeld bekommen, weil meine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ausgelaufen war. Ich hätte mich früher um einen Termin bei der Ausländerbehörde kümmern müssen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich drei Monate auf einen Termin warten muss. Im August kündigte mein Vermieter den Mietvertrag. Ich wusste nicht, dass das Jobcenter die Miete nicht mehr gezahlt hatte. Vielleicht habe ich etwas übersehen – auf jeden Fall habe ich dann beim Jobcenter angerufen. Die haben mir gesagt, dass ich eine Fiktionsbescheinigung hätte vorlegen müssen, also einen Nachweis darüber, dass ich einen vorläufigen Aufenthaltstitel habe.

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Jetzt habe ich bei der Ausländerbehörde meinen Aufenthalt verlängert und beim Jobcenter meine Unterlagen eingereicht. Um die Miete zu zahlen, musste ich mir Geld von Freunden leihen. Ende September wurde mein Bürgergeld dann rückwirkend ausgezahlt. Ich hoffe, dass ich durch die Ausbildung bald unabhängig werde und nicht länger auf Hilfe angewiesen bin.

Marta Schmidt (Name geändert), 42. Vor acht Jahren ist sie aus Mosambik zu ihrem damaligen Partner nach Deutschland gezogen. Sie ist alleinerziehend und lebt mit ihren zwei Kindern in Hagen, NRW.

„Meine Ausbildung wurde nicht anerkannt“

Ich bin gelernte Lebensmittel­ingenieurin. In diesem Bereich habe ich 16 Jahre in der Ukraine gearbeitet. Mein großer Wunsch ist es, wieder in dieser Branche zu arbeiten. Im Sommer 2022 habe ich meine Zeugnisse zur Anerkennung eingereicht. Es hat fast ein Jahr gedauert: Die Ausbildung als Ingenieurin wurde hier nicht anerkannt, aber ich könnte als Lebensmitteltechnikerin arbeiten. Das Jobcenter hat mir erklärt, dass ich dafür fließend Deutsch sprechen muss. Also auf dem Level C1. Dafür mache ich gerade einen Sprachkurs. Als Lebensmitteltechnikerin muss man viel dokumentieren, ich muss die verschiedenen Fachbegriffe kennen.

Bevor ich hierhergeflohen bin, konnte ich kein Wort Deutsch. Ich habe schon mehrere Kurse gemacht und ein B2-Niveau erreicht. Zwischenzeitlich habe ich in einer Schule als Köchin gearbeitet. Leider habe ich dort Mobbing erlebt und wieder gekündigt. Zuerst wollte mir das Jobcenter deshalb das Bürgergeld für drei Monate streichen. Zum Glück konnte ich erklären, wie es zu der Kündigung gekommen war, und ich bekomme weiterhin Bürgergeld. Meine Beraterin beim Jobcenter ist sehr lieb. Sie hat mich unterstützt.

Die Debatten darüber, dass Ukrainer kein Bürgergeld mehr bekommen sollen, verstehe ich gut. Deutschland hat schon so viel für uns getan und es sind mehr als zwei Jahre vergangen. Wir müssen arbeiten. Mir wurde auch angeboten, eine Ausbildung zu machen. Das ist natürlich eine Chance, aber ich möchte in meinem alten Job weiterarbeiten. Das Geld ist knapp. Alles wird teurer. Aber ich bin dankbar, dass wir überhaupt Geld bekommen.

Aleksandra Kovalenko (Name geändert), 35. Sie ist im März 2022 wegen des russischen Angriffskrieges mit ihren zwei Kindern aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Später kam auch ihr Mann nach Deutschland. Jetzt leben sie gemeinsam in Leipzig.

„Mein Bekannter glaubt, ich bin faul“

Schon während der Schulzeit und dann nach dem Abitur habe ich im Vertrieb gearbeitet. Später bin ich ins Marketing gewechselt und war dort drei Jahre angestellt. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass ich mich selbstständig machen möchte, habe mich weitergebildet und Aufträge angenommen. Dann bin ich schwanger geworden. Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich einen Kunden, der viel Verständnis für meine Situation als Alleinerziehende hatte. Es lief gut. Aber ich habe verpasst, mich in dieser Zeit um neue Projekte zu kümmern. Das heißt: Ich habe mir immer erst neue Kunden gesucht, wenn ich ein Projekt abgeschlossen hatte. Das hat lange gut funktioniert, aber es gab auch Nullmonate, in denen ich meine Rücklagen anbrechen musste. Meine Tochter war mehrere Monate krank und ich konnte nur nachts arbeiten.

2023 konnte ich dem Druck nicht mehr standhalten. Ich habe sieben Tage die Woche versucht, hinterherzukommen. Irgendwann war ich wie blockiert und hatte keine Einnahmen mehr. Die Selbstzweifel sind gewachsen. An meinem 30. Geburtstag waren meine Dispos überzogen und ich hatte die Wahl, ob ich die Miete überweise oder ob ich Lebensmittel kaufe. Dieses Gefühl, „ich muss ja nur ein paar Kunden gewinnen und dann läuft es ja auch wieder“, das war ganz gefährlich. Da war das Loch schon zu groß – und ich war schon zu erschöpft. Ich hatte Panikattacken. Ich hätte mir viel früher Hilfe suchen müssen, hatte aber große Angst, meine Selbstständigkeit aufzugeben.

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Ich wusste damals nicht, dass Selbstständige Bürgergeld beziehen können. Vor einem Jahr war ich bei einer Beratungsstelle für Selbstständige. Als Selbstständige Bürgergeld zu beantragen, ist mit vielen Formularen und Anträgen verbunden. Man muss die Einnahmen und Ausgaben für die nächsten sechs Monate genau prognostizieren und abschließend innerhalb einer kurzen Frist alles sehr detailliert nachweisen. Der Berater hat mir geholfen, Bürgergeld zu beantragen. Das Jobcenter hat mir sehr schnell geholfen und hat meine Miete bezahlt. Dass es das Bürgergeld für Selbstständige gibt, hat mir geholfen, mein finanzielles Chaos aufzuräumen.

Ich habe einen Bekannten, der glaubt, dass ich den ganzen Tag auf der faulen Haut liege. Mir ist bewusst, dass ich gerade viel Geld vom Staat bekomme, und ich bin auch dankbar dafür, aber ich beziehe nur Bürgergeld, weil es in meiner Situation gerade nicht anders geht.

Ich mag es, zu arbeiten. Ich habe mit 15 Jahren angefangen, zu kellnern. Und es war mir immer wichtig, unabhängig zu sein. Und auch jetzt habe ich bis zur Geburt meines zweiten Kindes gearbeitet. Das hätte ich nicht gemusst. Denn das, was ich verdiene, wird sowieso angerechnet. Von dem Geld, das ich erarbeite, sind 100 Euro anrechnungsfrei. Von allen Einnahmen zwischen 100 bis 520 Euro darf ich 20 Prozent behalten. Ich habe nicht wirklich einen finanziellen Vorteil daraus, weiter zu arbeiten. Aber ich will aus dem Bürgergeld raus und bin überzeugt, dass für mich nur die Selbstständigkeit langfristig infrage kommt.

Scheitern gehört zum Leben dazu, dafür muss sich keiner schämen. Das Bürgergeld gibt mir eine gewisse Sicherheit. Ausruhen kann ich mich darauf aber nicht.

Hannah Ude (Name geändert). 31. Sie wohnt in Hamburg und ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Die Soloselbstständige bezieht seit einem Jahr Bürgergeld.

„Viele haben ein schlimmes Bild von uns“

Ich habe eine Ausbildung zum Umweltschutztechnischen Assistenten gemacht: Das ist eine Mischung aus Biologie, Chemie und Physik. Ich habe in einer Zeitarbeitsfirma angefangen. Kurze Zeit später ist meine Mutter und danach meine Schwester an Krebs erkrankt. Mein Vater ist 2006 an Krebs gestorben. Das hat Erinnerungen hervorgerufen. Es war zu viel für mich. Ich war dann in psychischer Behandlung und bekomme seitdem Sozialleistungen. Meine Mutter und mein Stiefvater haben ein Kind bekommen, das an einer unheilbaren Nervenkrankheit leidet. Es kam immer etwas Neues.

Als ich in Therapie war und auf dem aufsteigenden Ast, hat das Jobcenter versucht, mir neue Optionen aufzuzeigen. Mit meiner Ausbildung war es schwierig, Arbeit zu finden, weil ich auf keinen Bereich spezialisiert bin. Das Jobcenter hat mit mir geschaut, welche Möglichkeiten zur Umschulung ich habe. Die Mitarbeiter dort haben wirklich versucht, mich zu fördern, wo sie nur konnten. Sie meinten, dass ich etwas auf dem Kasten habe, und haben gesagt: „Komm, lass uns das angehen, damit du da wieder rauskommst.“ Ich habe es leider nicht aus der Depression geschafft.

Das Jobcenter hat immer wieder Verständnis gezeigt: Wenn ich es nicht geschafft habe, rauszugehen, und Bescheid gegeben habe, dass ich Angstschübe bekomme, hat die Mitarbeiterin darauf Rücksicht genommen. Sie hat den Termin verschoben oder wir haben stattdessen telefoniert.

Ich wurde noch nie vom Jobcenter sanktioniert. Viel schlimmer finde ich das Bild, das viele Menschen von Bürgergeldempfängern haben. Das Bild, das im „Asi-TV“, wie ich es gerne nenne, bei RTL und Co., gezeigt wird, formt das Bild vieler Menschen. Sie denken, dass Menschen wie ich gerne auf Kosten von Vater Staat leben. Wenn ich es schaffe, engagiere ich mich bei einem Verein in Duisburg, der Menschen hilft, die noch weniger haben als ich. Dort fragt niemand nach, dort werde ich akzeptiert. Ich will gerne wieder arbeiten. Aber das ist momentan nicht möglich. Momentan versuche ich, einen neuen Therapieplatz zu bekommen. Aber es ist schwierig. Alle sind voll. Ich stehe auf Wartelisten.

Daniel Häuser (Name geändert), 32. Aufgrund einer Depression kann er nicht arbeiten. Er bezieht seit zehn Jahren Sozialleistungen und wohnt in Duisburg, NRW.

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17 Kommentare

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  • Ich bin Diplom-Physikerin. Aus finanziellen Gründen brach ich meine Promotion ab und wechselte in die Software-Industrie als Entwicklerin, um meinen Lebensunterhalt und meine Familie zu finanzieren.

    Dort habe ich über 20 Jahre erfolgreich und international gearbeitet mit hohen Sozialabgaben.

    Aufgrund meines Coming-outs als transidentische Person verlor ich meinen Job. War ich einen Monat zuvor gefragt, war ich plötzlich untragbar.

    Ich stellte einen Antrag auf ALG I. Dieser wurde aufgrund Alter, Schwerbehinderung, Alter und Transidentität abgelehnt. Ich wurde in EU-Rente gezwungen, wodurch ich keinerlei Recht mehr auf Integration in Arbeit hatte.

    Es folgten umgehend Mittellosigkeit (mit kurzer Obdachlosigkeit), Scheidung und Kindesentzug. Ich galt plötzlich - je nach Behörde - als geisteskrank oder gemeingefährlich.

    Ich erhalte bis heute (seit 15 Jahren) keinerlei medizinische Hilfe.

    Ich musste dutzende Anträge stellen (mit teilweise drei Jahren Wartezeit). Ich versuchte immer wieder, Fuß in der Arbeitswelt zu fassen. Ich arbeitete Vollzeit für 1,50 €, später 0,80 € pro Stunde - ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung!

    Ich fühle mich inzwischen als unerwünschtes Leben.

    • @Annemarie Paysen:

      Liebe Frau Paysen,



      ich habe obigen Artikel nur überflogen, weil ich mir seinen Inhalt auch so vorstellen kann.



      Ihr Satz: „Ich fühle mich inzwischen als unerwünschtes Leben“, erschreckt mich.



      Mit dem Kapitalismus ist es ja so: Man wird nicht (mehr) gebraucht, aber deswegen gleich unerwünscht? Wer müsste sich nicht alles unerwünscht vorkommen auf dieser Welt? Und da geht’s in die Milliarden. Was übrigens keinen Grund gegen seine Abschaffung darstellt!



      Vielleicht hat Ihr Gefühl aber noch andere Gründe? Und vielleicht gibt es an Ihrem Wohnort Adressen jenseits der Ämtermaschinerie, wo man auf, sagen wir, Geselligkeit trifft. Wenn Sie es nicht schon getan haben, suchen Sie sie auf.



      Viele hat Ihr Beitrag berührt, ich bin einer davon.

  • Danke Ihr Fünf.

    Ihr sprecht wider alle Hetze. Ihr sagt uns, was ist!

    Fünf Stimmen reichen aus, zu zeigen warum das Bürgergeld der richtige Weg ist. Es wichtig, dass immerhin noch in der TAZ (u. in Teilen der Presse) Artikel wie hier der gestochen klare v. Katja Kuttner stehen u. der sorgfältig dokumentierende v. Friederike Gräff. Schnell zu finden.

    Arbeitslosenland – ein Land mit mehr als 5,5 Mio. Ew. Soll „Arbeitslosenland“ kein eines Bundes Land sein? Das GG spricht mit Artikel 20 und 28 vom dt. Staat als einen demokratischen u. sozialen Bundes- und Rechtsstaat.

    Doch Detlef Scheele, SPD, sagt:

    Focus-online, 23.08.24: >Gemessen an der Bevölkerung würden heute rund vier Prozent der Wahlberechtigten Leistungen nach dem Bürgergeldgesetz beziehen. Die SPD habe also jahrelang wahnsinnig viel Energie aufgewendet, um für diesen doch ziemlich kleinen Teil der Menschen Politik zu machen. „Dabei sollte doch klar sein, dass das kein Gewinnerthema ist.“<

    www.focus.de/polit..._id_260247476.html

    Fünf Stimmen sagen etwas ganz anderes!

  • Es ist und bleibt eine Antastung der Menschenwürde und Leben als Zransferleistungsbezieher kostet Lebenszeit. Pauschal 1200 €/ Monat pro Person und 90% der Bürokratiekosten würden eingespart werden, sowie die Würde der Bezieher unangetastet lassen, Unter der Union wird die Stigmatisierung noch schlimmer werden. Auch so spaltet man eine Gesellschaft.

  • Guter Artikel, der dem Klischee etwas entgegen setzt. Allerdings ist es eben auch nicht so, dass die Bürgergeld-Empfänger alle oder mehrheitlich so motiviert oder krank sind, wie es bei den Leuten aus dem Artikel der Fall ist. Selbst bei Leserkommentaren ist immer wieder herauszulesen, dass Leute nicht einsehen, arbeiten zu gehen, weil sie "das System ablehnen" sich "unberbezahlt" fühlen und so weiter...

  • Privat und durch berufliche Tätigkeiten im sozialen Bereich habe ich hautnah erlebt, dass das Bild aus dem „Asi-TV“ in der Realität existiert. "Asi" ist es jedoch oft, da die Personen versuchen Probleme, wie fehlende Selbstwirksamkeit, durch ein Verhalten zu überspielen, dass nach "hinten losgeht". Eigentlich brauchen sie Hilfe und keinen zusätzlichen Stress durch Sanktionen. Es ist sehr löblich von diesem Artikel, auch eine andere Perspektive zu zeigen. Meiner Meinung ist das Problem, was ich auch sehr oft erlebt habe, dass es Menschen gibt, die Sozialleistungsbetrug begehen. Sie arbeiten schwarz, weil sie so mehr Geld haben, da ihre Fixkosten durch die Gemeinschaft bezahlt werden. Dass es auf Kosten der Gemeinschaft ist, interessiert sie nicht. Im Gegenteil finden sie sich deswegen, sogar sehr schlau. Hier sollte gehandelt werden. Um diese Menschen nicht zu schützen, sollte daher das Bild von Sozialleistungsempfänger*innen nicht verallgemeinert werden. Sozialleistungsbetrug (auch in der Pflege usw.) ist einfach zu einfach und verlockend.

    • @rujex:

      „Sozialleistungsbetrug“? Wer müsste denn die Sozialleistungen abführen? Das machen die Arbeitgeber, wenngleich sie auch den Arbeitnehmeranteil (außer in der Unfallversicherung) mit abführen. Also: Gegen wen muss man hier tätig werden?



      Und wo fällt das auf? Statt Hetze gegen die große Mehrheit der ehrlichen Leistungsempfänger:innen sollte man Betriebsprüfungen, Zoll und Steuerfahndung stärken.

      Das sage ich auch als Mitglied der „Gemeinschaft“. Leider gibt es keine Politiker:innen, die ich dafür wählen kann, weil Hetze immer einfacher ist und mit vielen Stimmen belohnt wird. Ich könnte k...!

  • Abhilfe kommt in einer Demokratie nur durch drei Mechanismen: Wählen, wählen und wählen.

  • Diese Beispiele sind bunt und vielschichtig, wie das Leben tatsächlich ist. Das vergessen im Leben etablierte Menschen oft und manche Politiker kultivieren zu ihrem Vorteil, oder im weiteren Sinne zu diesem ihrer Partei, Vorbehalte gegen diese Beispiele. Aus meiner Sicht handelt es sich jedoch nicht immer um persönliche Vorbehalte (inkl. Abneigungen), sondern - noch schlimmer - um ein Vertuschen der durch sie verursachten Fehlsteuerungen der Gesellschaft in Verbindung mit der Manipulation der anderen Teile der Bevölkerung. .. Den Betroffenen wünsche ich alles Gute und uns allen bessere Menschen im Politikbetrieb.

  • Miete, Krankenkassenbeiträge, Heizungskosten werden einfach so übernommen.



    Das nennt man echte Solidargemeinschaft. Fast jeder kann in diese Lage geraten.



    Die Gemeinschaft, die laut Herrn Lindner und Co. durch weitere Umverteilung von unten nach oben gepflegt werden soll, nennt sich exklusiver Club der Vermögenden.



    Vorsicht die AfD gehört auch zu diesen.

    • @OhneNamen:

      Es hilft auch, sich mal anzuschauen, woher diese Vermögen kommen.



      Es ist erhellend, zu sehen wer diese irgendwann erarbeitet hat bzw. wie die Aneignung erfolgte.



      Die Erfindungen von "Neiddiskussion, "Faulheit" etc. kommen aus diesem Club.

  • Wir brauchen mehr realistische Berichte wie diesen und dürfen und nicht auf öffentlich-rechtliche Medien verlassen. So ist es leider.

    Das Gesicht der deutschen Wirtschaft, Ihrer Diskriminierung, dummfauler AI-Methodik und des Rassismus konsequent entlarven.

    Alle Betroffenen sollten den Tätern aus der Politik, Tätern mit wirtschaftlichen Beziehungen, die den Ruf schädigen Briefe und Bewerbungen schreiben. Alle werden merken, dass diese großmäuligen Verbaltäter plötzlich nichts zu sagen und auch keine Arbeit in ihren Netzwerken anbieten. Mit Schweigen fühlen sich diese Feiglinge überlegen.

  • Ich finde es schon krass, dass die Miete, die Krankenkassenbeiträge und die Heizungskosten einfach so übernommen werden. Was ein Luxus - gerade in diesen harten Zeiten.

    • @casio:

      "Einfach so" ist ja wohl ein Tippfehler. Das Konzept von Hartz IV beinhaltete ortsgemäße Mietobergrenzen, die man durchaus auch mit zu hohen Betriebskosten überschreiten konnte. Im Ergebnis wurden Teile der Miete und Betriebskostennachzahlungen (auf Dauer) nicht übernommen. Auch deswegen oder wenn sich die Ämter einfach mal wieder Zeit mit den Bescheiden ließen, gab es hinreichend viel Bezieher mit Mietschulden, Räumungsklagen und dem ganzen Schwanz hintendran. Waren Kinder dabei, stand am Ende auch das Jugendamt mit der Inobhutnahme auf der Matte. Wer das für "Schlaraffenland" hält ...

  • Es hat viel Kraft gekostet, aus Hartz IV wieder herauszukommen.



    Ich empfehle allen Beziehern von Bürgergeld, jedes eingereichte oder einzureichende Dokument zu kopieren und die Kopie bei Einreichung der Dokumente mit einem Eingangsstempel und Handzeichen der BearbeiterInnen am Schalter versehen zu lassen. Dokumente immer vor Ort einzureichen habe ich als am sichersten empfunden. Für die Wartezeit bei der Bearbeitung kann ggf. das Sozialamt mit Überbrückungsgeld helfen.



    Ansonsten muss man sich vor Augen halten, dass die Arbeit in dieser Gesellschaft oft genug keinen wirklichen praktischen Wert hat und man seinen Selbstwert nicht so stark davon abhängig machen sollte, auch wenn das manchmal schwer fällt. Lassen Sie sich nicht unterkriegen.

    • @aujau:

      Im Bezug hatte ich mir angewöhnt, alle Anträge vom Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Das hat zwar gekostet, aber die Nerven geschont. Da konnte man es aussitzen, wenn das "Amt" im Grunde dem GV unterstellte, Unterlagen unterschlagen zu haben (die trotzdem irgendwie als Kopie in die Akte gelangt waren). Da verlor das Amt auch mal einen Prozeß beim Sozialgericht.



      Das war zwar alles noch Hartz IV, aber nach der Umbenennung in Bürgergeld saßen ja immer noch dieselben Leute im Amt. Das ist es wenig verwunderlich, daß sich im Umgang mit den Betroffenen kaum etwas geändert hat.

      Um das einmal deutlich zu sagen: Jede oder jeder, der gekündigt werden kann, ist stets nur ein Jahr (zuzüglich der Kündigungsfrist) vom Bezug entfernt. Egal, wie der gerade genannt wird. Das wars dann mit dem großen Haus und dem dicken Auto. Wer also heute meint, Arbeitslosen auf den Kopf spucken zu müssen, sollte aufpassen, daß er nicht schon morgen drunter steht.

      • @dtx:

        "Im Bezug hatte ich mir angewöhnt, alle Anträge vom Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Das hat zwar gekostet"

        Einschreiben mit Rückschein hätte völlig ausgereicht.