Sicherheitspaket und Grenzkontrollen: Ampel schottet ab

Innenministerin Faeser verkündet Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Die Ampel-Fraktionen wollen noch diese Woche Gesetzesverschärfungen beschließen.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat sitzt bei einer Pressekonferenz am Mikrofon

Mag jetzt restriktive Asylpolitik: Nancy Faeser Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Jetzt soll es Schlag auf Schlag gehen. Bereits am Donnerstag sollen die Gesetzesverschärfungen in der Migrations- und Sicherheitspolitik, welche die Ampel nach dem islamistischen Attentat von Solingen ankündigte, in erster Lesung in den Bundestag gehen. Und bereits am Montag verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), dass sie bei der Europäischen Kommission Kontrollen an allen deutschen Grenzen für die nächsten sechs Monate notifizierte. Diese sollen ab dem 16. September gelten und zu einer „massiven Ausweitung“ von Zurückweisungen von Geflüchteten führen.

Damit verschärft die Ampel-Regierung nochmals deutlich ihre Migrationspolitik. Denn nicht nur die Grünen, auch Faeser hatte lange die Grenzkontrollen zurückgewiesen, mit Verweis auf die europäische Freizügigkeit oder die Belastung für Pendler*innen. Schon zuletzt aber hatte Faeser Grenzkontrollen zu Österreich, zur Schweiz, zu Tschechien und Polen bis zum Jahresende verhängt. Diese werden nun noch weiter verlängert. Dazu kommen nun auch Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark.

„Wir stärken die innere Sicherheit und setzen unseren harten Kurs gegen die irreguläre Migration fort“, erklärte Faeser am Montagnachmittag. Zugleich kündigte sie an, dass die Zahl der Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze deutlich steigen solle. Man habe dafür europarechtlich konforme Wege gefunden. Welche, das ließ Faeser offen. Sie wolle darüber zunächst am Dienstag mit der Union reden, erklärte sie.

Faeser verwies darauf, dass bereits seit Oktober 2023 mehr als 30.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen erfolgten, bei Personen, die keine gültigen Dokumente vorlegten oder kein Asylgesuch vorbrachten. Die Auswirkungen der künftigen Kontrollen auf Pend­le­r*in­nen sollten „so gering wie möglich“ gehalten werden, versprach Faeser.

Österreich will keine Zurückgewiesenen aufnehmen

Das Europarecht schließt direkte Zurückweisungen an der Grenze allerdings aus: Geflüchtete müssen zunächst ins Land gelassen werden, um dort zu prüfen, welcher EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Und Österreich erklärte bereits, dass es keine zurückgewiesenen Geflüchteten aus Deutschland aufnehmen werde. Auch die Grünen hatten die Zurückweisungen zuletzt als „rechtswidrig“ kritisiert.

Bereits vergangenen Dienstag aber hatte sich die Ampel mit Ver­tre­te­r*in­nen der Union zu Gesprächen über Verschärfungen in der Migrations- und Sicherheitspolitik getroffen. CDU-Chef Friedrich Merz hatte danach ein Ultimatum gestellt: Man werde die Gespräche nur fortführen, wenn es zu Grenzkontrollen und Zurückweisungen komme. Dem kommt die Ampel nun nach. Die zweite Gesprächsrunde soll diesen Dienstag folgen.

Und die Ampel drückt auch anderweitig aufs Tempo. Im Umlaufverfahren beschoss die Regierung am Montag weitere angekündigte Verschärfungen in der Asyl- und Si­cher­heits­po­li­tik. Das Ziel: ­mehr Abschiebungen, Leistungskürzungen für Geflüchtete, Messerverbote, mehr Befugnisse für die Polizei. Nun sollen die Ampel-Fraktionen im Bundestag zügig nachziehen.

Bereits am Wochenende hatten Faesers Innenministerium und das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) Formulierungsvorschläge für die entsprechende Gesetzesänderungen an die Ampelfraktionen verschickt. Diese wollten diese am Montagabend in ihren Fraktionssitzungen beschließen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der taz, man wolle „zügig vorankommen und das Sicherheitspaket noch in dieser Woche in erster Lesung beraten“. Das würde man „ein sehr zeitnahes Inkrafttreten ermöglichen“. Auch Justizminister Buschmann erklärte, er werbe „für hohes Tempo“ und eine Beratung des Pakets noch diese Woche. FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin bekräftigte, man werde das Paket im Bundestag „zügig umsetzen“, damit die Maßnahmen „so schnell wie möglich genutzt werden können“. Das Vorhaben dürfe nun „nicht zerredet werden“.

Grüne pochen auf „ordentliches Verfahren“

Das zielt auf die mitregierenden Grünen, die mit einigen der Asylmaßnahmen hadern. Das Paket noch diese Woche in den Bundestag einzubringen, trägt die Fraktion aber mit. Man wolle für eine „sachgemäße parlamentarische Beratung“ sorgen, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic der taz. Nach der ersten Lesung aber will die Fraktion nochmal intensiver beraten. „Wir wollen in einem ordentlichen Verfahren mit Sachverständigenanhörungen und Ausschussbefassung am Gesetzespaket arbeiten, damit es hält, was es verspricht, nämlich einen realen Zugewinn an Sicherheit.“

Die Gesetzesvorschläge der Ministerien verteilen sich auf zwei Papiere, zusammen rund 80 Seiten stark. Sie liegen der taz vor. Mehrere Maßnahmen sollen ohne Zustimmung des Bundesrats verabschiedet werden. Darunter ein stärkerer Druck auf Geflüchtete mit Dublin-Status, in das Erstaufnahmeland zurückzukehren: Nur noch zwei Wochen sollen sie künftig Asylbewerberleistungen erhalten, danach nur noch Sachleistungen oder Wertgutscheine.

Auch sollen Geflüchtete ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie wegen antisemitischen, rassistischen oder anderweitig menschenverachtenden Straftaten verurteilt werden. Gleiches soll gelten, wenn Straftaten mit Messern begangen werden oder wenn eine Verurteilung für Landfriedensbruch, also Straftaten bei Demonstrationen, von einem Jahr oder mehr erfolgt.

Auch zwischenzeitliche Rückreisen in die Herkunftsländer sollen künftig zur Aberkennung des Schutzstatus führen – es sei denn, dies erfolgt bei Todes- oder schweren Krankheitsfällen von Angehörigen. Jede Rückreise muss der Ausländerbehörde angezeigt werden. Um die Identität von Geflüchteten schneller klären zu können, soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge öffentliche Daten aus dem Internet biometrisch abgleichen dürfen.

Zudem sollen künftig Messer bei öffentlichen Veranstaltungen, an „kriminalitätsbelasteten“ Orten, in Zügen, Bussen oder Haltestellen grundsätzlich verboten werden. Ausnahmen gelten für den Transport eines gekauften Messers nach Hause oder etwa für Markthändler*innen. Die Polizei soll hier mehr Befugnisse für Kontrollen erhalten. Springmesser sollen – unabhängig von der Klingenlänge – generell verboten werden. Ausnahmen gelten nur „im beruflichen und jagdlichen Umfeld“.

Harsche Kritik von Pro Asyl

Auch sollen individuelle Waffenverbote leichter erteilt werden, indem Waffenbehörden hierfür auch in öffentlichen Quellen recherchieren und leichter Daten mit anderen Behörden austauschen dürfen. Zudem sollen Finanzermittlungen des Bundesamt für Verfassungsschutz in der extremistischen Szene verbessert werden – dies soll nun auch für nicht gewaltorientierte Gruppen gelten.

Andere Vorhaben werden noch die Zustimmung des Bundesrats brauchen. Etwa neue Befugnisse für das BKA und die Bundespolizei zur automatisierten Analyse von internen Daten. Oder ein Abgleich von Onlinedaten mit Fotos und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen, der künftig erlaubt werden soll.

Initiativen wie Pro Asyl warnten, mit den geplanten Maßnahmen würden „Grundwerte der Verfassung“ angegriffen, die Debatte sei „sozialpolitisches Gift“. Auch die Grüne Jugend forderte am Wochenende ein Abbruch der Gespräche mit der Union: Die Strategie, aus Angst vor Rechten ihnen immer weiter hinterherzurennen, gehe am Ende stets nach hinten los – und sporne die Rechten nur immer mehr an.

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