Auslieferung von Antifaschistin: Fall Maja T. wird aufgearbeitet

Die Auslieferung von Maja T. nach Ungarn hat ein Nachspiel: Die Anwälte wollen Verfassungsbeschwerde einreichen, die Politik will aufarbeiten.

Protest zum Tag der politischen Gefangenen

Demonstranten protestieren gegen die Auslieferung von Antifas nach Ungarn Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Es ist ein Gefängnis in Budapest, in dem Maja T. jetzt sitzt. Ein ungarisches Gericht hatte einen Haftbefehl erlassen, nachdem die 23-jährige nonbinäre Thü­rin­ge­r*in am vergangenen Freitag von der JVA Dresden nach Ungarn ausgeliefert wurde. Und die ungarische Justiz soll einen schnellen Prozessbeginn gegen Maja T. anstreben. In Deutschland aber sorgt die Entscheidung, T. nach Ungarn auszuliefern, weiter für politischen Unmut.

Am Mittwoch will der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg die Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Fall befragen. „Die zentrale Frage bleibt, warum die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung durchzog, obwohl sie wusste, dass beim Bundesverfassungsgericht noch ein Eilantrag dagegen lief“, sagte Schlüsselburg der taz.

Linken-Parteichef Martin Schirdewan hatte bereits zuvor „Konsequenzen“ in dem Fall eingefordert. Dieser sei „ein offener Angriff auf den Rechtsstaat“, die Auslieferung eine „Schande für Deutschland“. Und auch der Grünen-Rechtsexperte Helge Limburg sprach von einem „inakzeptablen Vorgehen“, zu dem Badenberg Stellung nehmen müsse.

Sven Richwin, Anwalt von Maja T., kündigte an, alle Mittel zu prüfen, um T. zurück nach Deutschland zu holen. Zudem kündigte er an, gegen die Auslieferung von Maja T. Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dieses Verfahren ist allerdings langwierig. „Uns geht es aber auch um den Stopp der generellen Lieferdienste Deutschlands in das ungarische Haftsystem“, so Richwin zur taz.

Maja T. von Auslieferung „völlig überrumpelt“

Zugleich werde versucht, die bestmöglichen Sicherheiten für Maja T. in der Haft in Budapest zu erreichen, sagte Richwin. Maja T. selbst sei von der Auslieferung „völlig überrumpelt“ worden. T. sei „in großer Sorge“, wie es nun weitergehe.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass die Botschaft in Budapest für eine konsularische Betreuung im Fall Maja T. bereitstünde, wenn dies gewünscht sei. Man stehe dazu „in engem Kontakt mit den ungarischen Behörden“. Am Auslieferungsverfahren selbst sei man nicht beteiligt gewesen und auch vom Berliner Kammergericht nicht um eine Einschätzung gebeten worden.

Maja T. wird vorgeworfen, sich mit anderen Linken im Februar 2023 an schweren Angriffen auf Rechtsextreme in Ungarn beteiligt zu haben. Im Dezember war T. in Berlin festgenommen worden, nach einer Fahndung von ungarischen Behörden und der „Soko Linx“ des LKA Sachsen. Inhaftiert war Maja T. seitdem in der JVA Dresden – bis am späten Nachmittag des vergangenen Donnerstags das Berliner Kammergericht einem Auslieferungsantrag Ungarns für Maja T. stattgab.

Ungewöhnlich schnelle Kooperation der Behörden

Was darauf folgte, erscheint als ungewöhnlich reibungslose Kooperation verschiedenster deutscher, österreichischer und ungarischer Behörden, um Maja T. schnellstmöglich nach Ungarn zu schaffen. Bereits in der Nacht zu Freitag holte das sächsische LKA Maja T. aus der JVA Dresden ab. Um 6:50 Uhr am Freitagmorgen soll T. laut Behörden bereits an der österreichischen Grenze übergeben worden sein, um 10 Uhr habe sich T. schon auf ungarischem Boden befunden.

Derweil reichten T.s Anwälte um 7:38 Uhr morgens einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht ein, die Auslieferung zu stoppen. Tatsächlich verfügte das höchste Gericht bereits um 10:50 Uhr, dass die Auslieferung vorerst zu unterlassen und notfalls „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen seien, um eine „Rückführung in die Bundesrepublik Deutschland zu erwirken“.

Laut der Berliner Generalstaatsanwaltschaft kam diese Aufforderung allerdings zu spät. Da sich Maja T. bereits auf ungarischem Boden befand, gab und gebe es weiter keine Möglichkeit mehr, eine Rückführung zu erlassen.

Fragwürdig erscheint jedoch, warum die Generalstaatsanwaltschaft die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht abgewartet hat. Denn bereits nachts während ihrer Verhaftung hatte Maja T. ihre Anwälte kontaktiert, die nach eigenen Angaben dem LKA Sachsen mitteilten, rechtliche Schritte einleiten zu wollen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigte gegenüber der taz, vom LKA Sachsen informiert worden zu sein, dass T.s Anwalt sich „bei der Justiz beschweren“ wolle. Laut der Behörde habe sich daraus aber keine aufschiebende Wirkung abgeleitet. „Ob er dies tatsächlich umsetzen würde und in welcher Weise, blieb offen“, so der Sprecher zur taz.

Um 8:30 Uhr – Maja T. befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich – informierte schließlich das Bundesverfassungsgericht die Generalstaatsanwaltschaft telefonisch über den Eingang des Eilantrags. Nun stellte sich die Behörde auf einen neuen Standpunkt, wie ein Sprecher der taz erläuterte: Da nicht Deutschland, sondern Ungarn die österreichischen Behörden mit der Überstellung beauftragt hätten, habe man seit T.s Überstellung nach Österreich um 6:50 Uhr keinerlei Handhabe mehr gehabt, „auf das Geschehen Einfluss zu nehmen“.

Generalstaatsanwaltschaft sieht Fall als abgeschlossen

Die Generalstaatsanwaltschaft sieht den Fall nun als abgeschlossen an. „Es gibt keine geeigneten Maßnahmen, eine Rückführung noch zu erreichen“, so ein Sprecher zur taz. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte aber dennoch das Bundesverfassungsgericht um einen Hinweis gebeten, ob der dortige Senat diese Rechtsauffassung teilt. Dort wurde dem nicht widersprochen.

Für Anwalt Richwin ist der Vorgang weiter nicht nachvollziehbar. Es sei „äußerst ungewöhnlich, dass trotz noch nachts angekündigter Rechtsmittel diese nicht abgewartet, sondern einfach Fakten geschaffen wurden“, sagte er der taz. Dass die Auslieferung trotzdem vollzogen wurde, wirke „wie eine Machtdemonstration“, so der Anwalt. „Das hätte so nicht erfolgen dürfen.“

Laut T.s Anwalt Richwin sei auch zu klären, ob deutsche Beamte die Auslieferung nicht auch in Österreich noch hätten stoppen können. Auf einem Video der ungarischen Polizei wird Maja T. an der Grenze zusammen auch mit Beamten gezeigt, auf deren Uniform „Polizei“ steht.

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erklärte hierzu, deutsche Beamte seien nicht bis zur ungarischen Grenze gefahren, sondern nur bis zur österreichischen. Ohnehin hätte die Auslieferung nicht mehr gestoppt werden können, so ein Sprecher zur taz. „Begleitende deutsche Polizeibeamte hätten auf österreichischem oder ungarischen Staatsgebiet keine eigenen Befugnisse.“

Scharfe Kritik von Verbänden

Mehrere Verbände kritisieren den Vorgang inzwischen scharf, darunter der Republikanische Anwält*innenverein, Amnesty International Deutschland oder die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen. Letztere wirft der Berliner Generalstaatsanwaltschaft vor, in ein Verfahren eingebunden gewesen zu sein, das „offenbar auf die Vereitelung von Rechtsschutz einer deutschen Person gerichtet war“.

Zudem werfen die Ju­ris­t:in­nen den Behörden vor, ein „Exempel“ statuieren zu wollen, um Geständnisse weiterer untergetauchter Antifas gegen Nichtauslieferung nach Ungarn zu erpressen.

Die Generalstaatsanwaltschaft habe eigentlich eine „Aufsichtsfunktion mit Blick auf die Wahrung von Grundrechten“, so die Vereinigung Berliner Straf­ver­tei­di­ge­r*in­nen weiter. Hier aber verstehe sich die Behörde offenbar als „Dienstleister für andere Staaten“ und verstecke sich hinter der Formalie, dass bei einem absehbaren Beschluss vom Verfassungsgericht eine aufschiebende Wirkung nicht explizit rechtlich geregelt ist. Und weiter: „Tricksereien zur Verhinderung der Anrufung von (Verfassungs-)Gerichten kennt man eigentlich aus Staaten, die gemeinhin nicht als Rechtsstaaten angesehen werden.“

Mehrfach hatten die Anwälte von Maja T. vor einer Auslieferung nach Ungarn gewarnt, weil nonbinäre und antifaschistische Menschen dort nicht sicher seien und keinen fairen Prozess erwarten dürften. Die Haftbedingungen in Ungarn werden etwa von der Menschenrechtsorganisation Helsinki Committee for Human Rights deutlich kritisiert. Das EU-Parlament beklagte zuletzt einen Zerfall der Rechtsstaatlichkeit im von Ministerpräsident Viktor Orbán regierten Land.

Linke Gruppen kündigten derweil Proteste gegen die Auslieferung von Maja T. an. In Berlin rufen antifaschistische Gruppen auf, am Freitag um 19 Uhr auf den Lausitzer Platz zu kommen. In Leipzig sind am Samstag um 15 Uhr Proteste geplant, die am Bayerischen Bahnhof starten sollen.

Im Aufruf heißt es, man sei „traurig, entsetzt und unfassbar wütend“ über die Auslieferung. Man werde jedoch „nicht aufgeben“, sich „nicht vereinzeln lassen und weiter – gemeinsam – kämpfen“. Auch Familienangehörigen von Maja T. soll in Leipzig die Möglichkeit zum Protest gegeben werden.

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