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Verschwörungsmythen bei Aids und CoronaSchluss mit der Schwurbelei

Kommentar von Jonas Reese

Wird die Wissenschaft geleugnet, hat das fatale Folgen, das zeigte schon die Aids-Pandemie. Daraus haben wir für die Coronazeit leider nichts gelernt.

Protest vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung und vor allem gegen das „Impfen“ im Juli 2022 Foto: Stefan Boness

Wir wollen doch nur eine Debatte.“ Das ist das Lieblingsargument von Aids-Leugner:innen wie der US-Amerikanerin Christine Maggiore Anfang der 1990er Jahre. Sie wollten damals darüber diskutieren, ob das HI-Virus wirklich die Immunschwächekrankheit Aids auslöst. Maggiore und ihre An­hän­ge­r:in­nen hatten von Biologie, von Zellen und Viren kaum einen Schimmer. Aber sie wollten mit hochdekorierten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen diskutieren. Auf Augenhöhe. Und zwar eine Frage, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit zehn Jahren beantwortet war.

Nein, nicht jeder hat einen Anspruch auf eine Debatte. Egal wie laut er oder sie das auch fordert. Und Maggiore und ihre An­hän­ge­r:in­nen waren laut. Sie stürmten Kongresse, beschimpften Wissenschaftler:innen, drohten Journalist:innen. Und sie fluteten das Internet mit ihren kruden Thesen über die sogenannte Aids-Lüge. Nach der war Aids eine Erfindung von Gesundheitsbehörden und der Pharmaindustrie. Maggiore war selbst HIV-positiv. Damals noch ein Todesurteil. Die Leugnung war für sie die einzige Möglichkeit, der Realität zu entkommen.

Lange vor Corona gab es also auch schon Leug­ne­r:in­nen und Querdenker:innen. In der Aids-Pandemie hatte ihr Handeln schwerwiegende Folgen. In Südafrika sind zahlreiche Menschen gestorben, weil ihr Land eine Zeit lang vom Aids-Leugner Thabo Mbeki regiert wurde. Man hätte daraus einiges lernen können. Dass das nicht passiert ist, ist ein großes Versäumnis. Bei Corona darf sich das nicht wiederholen.

Am 23. April 1984, also genau vor 40 Jahren, beruft die US-amerikanische Gesundheitsministerin Margaret Heckler eilig eine Pressekonferenz ein und gibt feierlich bekannt: Die Ursache von Aids sei gefunden. Ein Virus. Der Entdecker: der US-amerikanische Forscher Robert Gallo.

Kein Durchbruch, sondern kommunikatives Desaster

Was eigentlich wie ein Durchbruch klingt, entpuppt sich als kommunikatives Fiasko. Vor Gallo hatten schon französische Forscher dasselbe Virus entdeckt. Erwähnt werden sie auf der Pressekonferenz nicht. Heckler war vorgeprescht, sie wollte den Durchbruch und die mit dem Verkauf der HIV-Tests verbundenen Einnahmen für die USA reklamieren. Das französische Forscherteam klagt. Ein jahrelanger Rechtsstreit und eine diplomatische Krise entbrennen.

Dieser Moment gilt als Stunde null der so genannten Aids-Leugner:innen. Sie sagen, das HI-Virus sei harmlos und Aids eine Erfindung. Der Skandal um die Pressekonferenz ist Wasser auf ihre Mühlen. Denn in ihrer Eile ist Heckler noch ein weiterer Fehler unterlaufen. Zum Zeitpunkt der Verkündigung ist der wissenschaftliche Nachweis noch gar nicht abgeschlossen. Für die Leug­ne­r:in­nen ist damit klar: Hier sollen Fakten geschaffen werden. Jeder, der jetzt noch etwas anderes behaupte, werde als Häretiker gebrandmarkt. Es gibt jetzt eine staatlich vorgegebene Meinung. Man solle mundtot gemacht werden. Aus einer Unstimmigkeit leiten sie gleich die ganz große Verschwörung ab.

Kommunikation entscheidet über Glaubwürdigkeit. Jede Ungenauigkeit und kleinste Fehler torpedieren dieses wertvolle Gut. Wenn Wissenschaft politisch instrumentalisiert wird, wenn Wissenschaft dazu dient, im Nachhinein politische Entscheidungen zu rechtfertigen, kommt zu Recht Misstrauen auf. Gerade in Krisenzeiten sollten beide Bereiche auf eine strikte Trennung achten. Das galt für Aids und das gilt auch für Corona.

Eine entscheidende Rolle spielen in Krisenzeiten auch Medien. Es ist richtig und wichtig, über Leug­ne­r:in­nen und ihre Behauptungen zu berichten. Solche Narrative lassen sich nicht einfach ignorieren. Nur ist es ein Fehler, ihre Aussagen als Beitrag zu einer Debatte einzustufen. Ihre Verschwörungserzählungen dürfen nicht gleichberechtigt neben erwiesenen Fakten stehen. Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen haben nichts in Talkshows verloren. Sie haben nichts zum Diskurs beizutragen. Wer sie einlädt, stellt sie auf eine Bühne, auf die sie nicht gehören.

Leug­ne­r:in­nen wollen predigen

Das hätte man aus der Aids-Pandemie für die Zeit mit Corona längst lernen können. Leug­ne­r:in­nen wollen in Wahrheit nicht debattieren, sie wollen predigen. Sie diskutieren nicht ergebnisoffen, sondern wollen überzeugen. Sie ignorieren Fakten und sie stellen Fragen, die längst beantwortet sind.

Das ganze Phänomen der Krankheitsleugnung ist nichts Neues und nichts Ungewöhnliches. Cholera, Malaria, Spanische Grippe, Tuberkulose – auch da traten schon Zweif­le­r:in­nen und Skep­ti­ke­r:in­nen auf. Sie verschwanden nur schnell wieder, sobald die Ursachen gefunden wurden. Bei Aids und später auch bei Corona war es anders. Das sind die beiden ersten Pandemien in Zeiten des Internets. Durch das Internet erhalten Irrglauben und falsche Behauptungen eine neue Haltbarkeit und Reichweite. Sie wirken größer, als sie sind. Und wirken schnell gleichberechtigt zu Fakten und Realität.

Es hätte sicherlich geholfen, wenn jemand während der Coronapandemie darauf hingewiesen hätte, dass Leugnungsbewegungen zu Beginn neuer Krankheiten immer wieder entstehen. Dass sie meist aus Angst, Unsicherheit und Verzweiflung entstehen. Dass eine inhaltliche Debatte mit ihnen zu nichts führt und dass sie gefährlich werden können. Es hätte auch geholfen, Politik, Wissenschaft und Medien beizeiten daran zu erinnern, dass ihre Glaubwürdigkeit in Krisenzeiten besonders zur Disposition steht. Dass sie klar und transparent kommunizieren müssen, um Brand­stif­te­r:in­nen keinen Raum zu geben. Dass Schlingerkurse und zwielichtige Maskendeals fatale Folgen haben. Dass geschwärzte Sitzungsprotokolle Stoff für neue Verschwörungsmythen sind.

Für alle Beteiligten ist eine neue Pandemie eine extreme Ausnahmesituation. Da werden Fehler gemacht. Die klar zu benennen ist die einzige Möglichkeit, sie nicht zu wiederholen. Irren ist menschlich – das Bekenntnis dazu auch.

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32 Kommentare

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  • Es gab einmal den Ausdruck "Holocaust-Leugner". Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass jemand, der das Jahrhundertverbrechen der Nazis und ihrer willigen Mittäter kleinredet und relativiert, sich aus einem zivilisierten Diskurs verabschiedet hat. Das war eine sinnvolle Ausgrenzung angesichts der Singularität dieses Zivilisationsbruchs.

    Das Verständnis für diese Singularität ist leider völlig abhanden gekommen, seitdem "Leugner" ein beliebiger Kampfbegriff zur Ausgrenzung mißliebiger Anschauungen geworden ist. Schon höre ich, wie Dissenter den Begriff "Leugner" positiv umdeuten im Sinne von "wegen abweichender Meinung diffamiert". - Dem Antifaschismus ist damit ein Bärendienst erwiesen.

  • Viele, viel zu viele denken auch, dass der Klimawandel kein Fakt ist und der zukünftige Verzicht auf fossile Stoffe ein Fetisch (Fake) von Grünen sei…😪



    Das von Bild und FDP verbreitete Hoax, die Grünen wollten das Heizen verbieten, hätte eigentlich DIE enttarnen sollen, die das prickelnd finden, einfach Panik zu verbreiten

  • Ich halte es für gewagt, Parallelen zwischen der extrem komplexen Situation in Südafrika mit katastrophalen Auswirkungen durch HIV-Leugnung - und der hiesigen Corona-Pandemie zu ziehen.



    (www.deutschlandfun...eber-als-100.html)



    Menschen wie eiem Mbeki würden in Europa zwar ein paar Aluhüte applaudieren; einen substantiellen Einfluss auf die im Grunde sehr hohen Impfquoten bei den Älteren hätten solche Leute hier kaum. Die Kontroversen während der Pandemie fanden auf einer ganz anderen Ebene statt - kaum einer leugnete das Virus grundsätzlich; es ging um Impfpflicht, Grundrechte, xG-plus, u.s.w...



    "Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen haben nichts in Talkshows verloren. Sie haben nichts zum Diskurs beizutragen. Wer sie einlädt, stellt sie auf eine Bühne, auf die sie nicht gehören." Ja, das mag stimmen; andererseits kann man sie dort aber auch wunderbar demaskieren; nebenbei: Diese Forderung nach einem Verbot stellte schon Herr Böhmermann. Er meinte übrigens den "Leugner" Hendrik Streek.



    P.S. Bei dem französischen HIV-Entdecker und Konkurrenten von Gallo handelt es sich um Luc Montagnier, der leider genau wie der Erfinder der PCR (Kary Mullis) zu wahren Leugnern mutierten. Diese Leute sind allerdings gefährlich, da sie ihren Unsinn im Lichte ihrer wissenschaflichen Reputation (beide Nobelpreisträger) verbreiten.

  • Es gibt Dinge, die will Mensch einfach glauben, obwohl sie längst widerlegt sind. Da sind wir immer noch im finsteren Mittelalter. Ob es Viren gibt oder nicht gibt, die Sonne sich um eine Flacherde dreht, dass (je nach Gusto) ein oder mehrere Götter und nicht die Evolution uns zu denkenden Menschen werden ließ, sich die Naturgesetze durch technologischen Fortschritt überwinden lassen…



    Immer mehr Menschen glauben, es bedarf nur einer rechten Regierung, dann verschwinden Viren, Homosexualität, Klimawandel, Armut, Elend, Grüne, Langhaarige, Feministinnen, Kriege, Hunger ... von ganz alleine.

  • Sorry aber dass die Szene der "Aids-Leugner" der 90er Jahre allesamt aus Laien bestand, ist leider nicht richtig. Wäre es so gewesen, hätten sie nicht so einen Einfluss gehabt.



    Tatsächlich zählten zu der illustren Runde gleich mehrere Nobelpreisträger. Einer von ihnen war Kary Mullis, der Erfinder der PCR, auf der auch der gleichnamige Test basiert. Dafür erhielt er auch den Nobelpreis in Chemie. Er war einer der einflussreichsten Biochemiker des 20. Jahrhunderts. Er hat, wie die meisten anderen aus dem Kreis, übrigens nicht geleugnet, dass es das AID-Syndrom gibt, sondern, dass das HI-Virus der Auslöser davon ist. Er hat sich geirrt, das macht ihn aber nicht zum Keinen-Schimmer-Haber.

  • Mal an die Meinungsfreiheit-Rufer:innen: Meinungsfreiheit ist nicht die Verpflichtung, alle Meinungen in Talkshows oder auf dem Panel vorzuhalten. Es gibt ja immer noch den Marktplatz oder das geneigte Internetforum auf dem Menschen so ziemlich alles von sich geben können. Oder in der Kneipe. Wo auch immer. Als Flugblatt, wenn es sein muss. Und wenn mensch dann nicht eingekerkert wird, dass nennt sich Meinungsfreiheit.

    • @Ijon Tichy:

      Da stellen die sogenannten sozialen Medien wohl das Problem dar, denn was der Dorfdepp früher in der Kneipe für einen Blödsinn in sein Bier geprabbelt hat wird jetzt in Echtzeit in die Welt hinaus geblasen und die anderen Dorfdeppen verbreiten es weiter.

  • Sehr erhellend, die Geschichte des AIDS-Leugnens. Wir haben das seitdem bei so vielen weiteren Reizthemen erlebt, Corona, Klimazerstörung - und topaktuell natürlich in Sachen Russlandverklärung und verschwurbelter Friedensillusionen.



    Behauptung gegen Wissenschaft.



    Mützenich gegen H A Winkler.

  • "Wird die Wissenschaft geleugnet, hat das fatale Folgen" - welch wahre Worte, vollstes Zustimmung.



    Trotzdem ist es nicht so einfach mit dem 'Verbieten einer Meinung' oder das man einer Gruppe einfach das Recht abspricht am Diskurs teilzunehmen, wie im Artikel gefordert: "Co­ro­naleug­ne­r:in­nen haben nichts in Talkshows verloren. Sie haben nichts zum Diskurs beizutragen. Wer sie einlädt, stellt sie auf eine Bühne, auf die sie nicht gehören."



    Wir leben nun mal in einer Demokratie, da dürfen Menschen auch unwissenschaftliche Meinungen vertreten - wer mir hier widersprechen möchte erkläre mir bitte direkt, wieso Globuli weiterhin Kassenleistung sind und wieso vor allem die Anhänger dieser erwiesenermaßen unwirksamen 'Mittelchen' weiterhin und schon immer am Diskurs teilnehmen dürfen... 🤷‍♂️



    Eben, genau. Eine Demokratie heißt zuallererst anderer Meinungen aushalten, auch wenn man die Augen darüber verdreht 🙄 - verbieten und ausschließen kann immer nur die ultima ratio sein, denn auf Dauer schadet das der Gesellschaft deutlich mehr als ein paar sinnfreie Meinungen.

    • @Farang:

      "Trotzdem ist es nicht so einfach mit dem 'Verbieten einer Meinung' oder das man einer Gruppe einfach das Recht abspricht am Diskurs teilzunehmen, wie im Artikel gefordert: "Co­ro­naleug­ne­r:in­nen haben nichts in Talkshows verloren. Sie haben nichts zum Diskurs beizutragen. Wer sie einlädt, stellt sie auf eine Bühne, auf die sie nicht gehören.""

      Die Forderung diesen Deppen, nicht auch noch ein Forum im Fernsehen zu geben, ist doch nicht gleichzusetzen mit dem Verbot einer Meinung. Die Meinung dürfen sie ja ruhig haben. Sie muss jedoch nicht über alle möglichen Medien verbreitet werden.

    • @Farang:

      Auch wenn ich ihnen nicht ganz Unrecht geben kann, so finde ich der Vergleich mit Globuli (an die ich nicht glaube) hinkt. Für gewöhnlich tötet ein Glaube oder Nichtglaube an Globuli nicht und kostet auch niemand anderen das Leben. Das sieht bei Corona und Aids schon ganz anders aus. Da wird es dann eben auch unter Umständen gefährlich für die Allgemeinheit wenn Lügen verbreitet werden, Menschen diese glauben und nicht die empfohlenen Vorsichtmaßnahmen ergreifen und sich infizieren und vielleicht noch andere infizieren.

    • @Farang:

      So gesehen müssen auch Menschen, die glauben die Erde wäre eine Scheibe, am öffentlichen Diskurs beteiligt werden.

      Was ist mit Ansichten, die glauben, es würde qualitative Unterschiede zwischen "Rassen"?

      Wo ist die Grenze?

      Ist es völlig wurscht, dass es wissenschaftliche Sphären gibt, die über Jahrzehnte, teilweise Jahrhunderte Standards entwickelt haben, die das Eichmaß darstellen?

      Kann einfach jeder Kannitverstan daherkommen und postulieren zwei mal zwei sind zweitausend?

      Und alle müssen sagen, tja, das müssen wir jetzt diskutieren?

      • @Jim Hawkins:

        Bin ich voll und ganz bei Ihnen und keine Ahnung wo man die Grenze ziehen soll und muss - sicherlich weit vor irgendwelchen Absurditäten a la Rassentheorien oder flat earth - der Ruf nach Ausschluss vom Diskurs sollte trotzdem immer das letzte Mittel sein.

      • @Jim Hawkins:

        Goldrichtiger Einwand, Jim. Es muss Relevanzfilter geben in den Medien (und nein: das ist kein Verstoß gegen Meinungsfreiheit, denn es gibt kein verbrieftes Recht, seine Einzelmeinung immer und überall vortragen zu dürfen) -- und es muss eine informierte Einordnung von Einzelmeinungen stattfinden, wenn sie denn medial präsentiert werden.



        Die Möglichkeit, kritischen Widerspruch zu äußern, ist das wahre Markenzeichen der Demokratie, und nicht die fundamentalistische Forderung, immer überall alles sagen zu dürfen. Diese letztere Forderung wird allzu oft von denen geäußert, die kritischen Widerspruch sofort verbieten würden, sobald sie die Macht dazu hätten.



        Und an das, was Kritik ist, gibt es Anforderungen, die gesellschaftlich anerkannt sind. "Ich bin nicht der gängigen Meinung, dass die Erde eine Kugel ist, weil ich meine, dass die Erde eine Scheibe ist" ist keine Kritik. Sollte darüber kein gesellschaftlicher Konsens mehr bestehen, dann Gnade uns Gott (bzw. jenes höhere Wesen, das wir verehren).

    • @Farang:

      Meiner Ansicht nach sind Fakten und Meinungen verschiedene Dinge, auch wenn Radikalinskis wie Musk das anders sehen. Und im Grundgesetz findet sich zwar das Recht auf Meinungsfreiheit, aber nicht das auf Faktenfreiheit. Deshalb tauchen z.B. Flatearther auch nicht Talkshows auf. Und das ist gut so.

      • @Kaboom:

        Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schließt Faktenfreiheit ein. Es bedeutet aber nur, dass man in Deutschland bis auf ganz wenige Ausnahmen (z. B. Volksverhetzung) jeden Unsinn äußern und verbreiten darf, ohne juristisch belangt zu werden . Die Mittel zur Verbreitung muss man selbst beschaffen. Keine Zeitung muss irgendwas drucken, kein Fernsehsender irgendwas senden, irgendwen einladen, nur wegen der Meinungsfreiheit. Seit mit dem Internet die Kosten quasi bei Null liegen und die Reichweite extrem hoch ist, kommen leider Meinungen auf eine sehr hohe Verbreitung, die vor 30 Jahren noch auf ein paar Hundert Flugblätter reduziert geblieben wären.

        • @LeSti:

          Falsche Tatsachenbehauptungen sind hierzulande keineswegs straffrei. Üble Nachrede, Beleidigung, Verleumdung etc. Dann gibts da noch Dinge wie Aufforderung zu einer Straftat und vieles mehr.



          Im Übrigen: Wo, wenn nicht in D sollte jedem klar sein, wohin Hetze, die unter dem Label Meinungsfreiheit firmiert, führen kann.



          Aber zugegeben, nicht jeder kapiert das. Musk beispielsweise war in Auschwitz, und kapiert es immer noch nicht.

    • @Farang:

      Vielen Dank für Ihren Beitrag, er spricht mir aus der Seele.



      Zumal auch diejenigen, die die Grundrechtseingriffe wegen Corona kritisieren, der Einfachheit halber ebenfalls gerne als Schwurbler dargestellt werden. Und über diese Eingriffe ist aus meiner Sicht dringend zu diskutieren (und zwar aus beiden Perspektiven).

  • Geht es um Leute, die behaupten, den Corona-Virus gebe es nicht? Oder Corona werde irgendwie anderss verursacht?

    Oder geht es um Leute, die behaupten, der Umgang mit der Pandemie sei unprofessionell, unwissenschaftlich und autoritär gewesen?

    Mir scheint da ein gewisser Unterschied zu bestehen.

    • @Huck :

      Es geht um Leute, die nie die Verantwortung getragen haben und hinterher meinen, vorher alles besser gewusst zu haben.

    • @Huck :

      Das Spektrum ist fließend und oft auch widersprüchlich. Kern ist die gewollte Kultivierung eines (oft grotesk) übertriebenen Misstrauens gegenüber amtlichen und wissenschaftlichen Akteuren.

  • Sicher Covidioten gab es ne Menge. Aber was will uns der Text wissenschaftliches über die Verbote sagen, alleine auf einer Parkbank zu sitzen um ein Buch zu lesen?

    • @Rudolf Fissner:

      Den Covidioten ging es jedoch nie nur um diesen einen Punkt. Von Anfang an wurde grundsätzlich alles geleugnet. Erst war es nur ein Schnupfen, dann war es eine Grippe, Masken helfen nicht, social distance ist sinnlos, Impfungen helfen nicht nur nicht, sondern sind auch schädlich usw.

    • @Rudolf Fissner:

      Mir kommt es so vor als wäre es ein Appell, die Nachrichten noch mehr zu filtern, wer zu Wort kommt und wer nicht.



      Allerdings funktioniert das in Zeiten des Internet sowieso nicht mehr und zum anderen hätte ich mich ungern nur von zum Beispiel Frau Brinkmann und Frau Priesemann informieren lassen mit ihren "Zero-Covid"-Theorien (oder war es no-covid?)

  • Interessant geschrieben und aufschlussreich, aber irgendwie aus der Zeit gefallen. Das Thema ist doch längst vorbei.



    Erinnere mich gut an die allerersten Erwähnungen eines Dr. Wodarg im Frühjahr 2020. Heute denkt man mit eher nostalgischen Gefühlen daran zurück, Relevanz hat das nicht mehr.

  • "Ihre Verschwörungserzählungen dürfen nicht gleichberechtigt neben erwiesenen Fakten stehen. Co­ro­nal­eug­ne­r:in­nen haben nichts in Talkshows verloren."

    --> Steile These. Nicht alles, was Coronaleugner und -zweifler behauptet haben, ist falsch und eine Verschwörungserzählung. Ich erinnere mich an einen (jetzigen) Gesundheitsminister, der steif und fest sagte: Die Impfung ist risiko- und nebenwirkungsfrei. Nebenwirkungsfrei nicht nebenwirkungsarm, nicht "Das Risiko von Corona überwiegt die Risiken der Impfung um Längen.". Exakt diese Person, die nachweislichen Unsinn behauptete saß zu Corona aber gefühlt in jeder zweiten Talkshow, auch als seine Aussagen bereits eindeutig widerlegt waren.

    Was richtig und was falsch ist, stellt sich oftmals erst im Nachhinein heraus. Deshalb ist

    "Nein, nicht jeder hat einen Anspruch auf eine Debatte."

    demokratiefeindlich. Das Gegenteil ist der Fall. Freie Meinungsäußerung und die sich daraus entspinnende Debatte ist das Wesen der freien Demokratie. Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht bei der Meinungsfreiheit auch besonders pingelig (zu Recht). Die Demokratie geht davon aus, dass sich das beste Argument durchsetzt. Dazu müssen aber auch alle Argumente gehört werden.

    Jeder, der sich gegen diese Meinungsfreiheit wendet - egal mit welchen guten Absichten auch immer - versündigt sich gegen die Demokratie selbst und ist (zumindest teilweise) ein Verfassungsfeind. Die Debatte und die Meinungsfreiheit ist der Kern und das Wesen der Demokratie. Deshalb ist auch Schwachsinn geschützt, denn die Meinungsfreiheit heißt auch andere Meinungen aushalten.

  • Das finstere Muster hat ja viel mehr Tradition als die erwähnten Beispiele [1]. Und ja -- der Missbrauch solcher "Gelegenheiten" durch die Politik (Foucault lässt grüssen) füttert geradezu diese furchtbaren Verschwörungserzählungen. Auch schön bei der Covid-Pandemie zu beobachten. Plus die Unfähigkeit der Politik, anfängliche Fehleinschätzung (shit happens!) zeitnah zu korrigieren.

    Bildung, Bildung, Bildung: das ist die beste Investition, die unsere Gesellschaft tätigen könnte. Und immer wieder verpasst. Und... wo bleibt eigentlich die Aufstockung des Gesundheitspersonals? Kein Geld? Aber uns die geschuldete Steuer durch CumEx durch die Lappen gehen zu lassen, das können wir uns leisten?

    [1] en.wikipedia.org/w...ng_the_Black_Death

  • So einfach ist es nicht. Nach vier Jahren Trump in den USA und seiner fast Wiederwahl war ich überzeugt, das wir in Europa nicht so dumm sind. Corona hat mich eines besseren belehrt. Die Hamsterkäufe von Toilettenpapier belegen doch, das Ängste jedwede sachliche Herangehensweise unterdrücken. Der Herdentrieb tut sein übriges. Die Fassade der Vernunft ist sehr sehr dünn.



    Die zusätzlich weltweit ständig verfügbaren Schwurbeleien im Internet und den (a)sozialen Medien tun ihr übriges. Das ist auch ein Erfolgsgeheimnis der braunen Brüder vom rechten Rand. Es müssten Gesetze geschaffen werden, die das verbreiten solcher Schwurbeleien unter Strafe stellt -was kaum zu schaffen ist, wenn solche Dinge als Meinungsfreiheit deklariert werden.

  • Das klingt jetzt hart, aber die Erde kann nur eine begrenzte Anzahl jeder Art von Lebewesen ertragen und es braucht Viefalt, das ist ein Kern des Lebens.



    Für Menschen gilt das auch. Sie stehen nicht außerhalb oder über dem System, das immer Wege findet, sich selbst zu regulieren. Das können Krankheiten, Fehlverhalten oder auch Atomwaffen sein.

    • @Matt Gekachelt:

      Zum zweiten Absatz:



      Gerade das wurde einem großen Teil der Menschheit von Organisationen eingetrichtert, die selbst das große Sagen haben wollten: "Machet euch die Erde untertan."



      Kulturen, die im Einklang mit der Natur lebten, wurden gnadenlos unter den Teppich gekehrt - Indianer, Aborigines, Innuit und und und...

  • Erstmal gelungener Kommentar.



    "Dass sie klar und transparent kommunizieren müssen, um Brand­stif­te­r:in­nen keinen Raum zu geben. Dass Schlingerkurse und zwielichtige Maskendeals fatale Folgen haben. Dass geschwärzte Sitzungsprotokolle Stoff für neue Verschwörungsmythen sind." Das heißt bei der nächsten Pandemie blüht uns das Gleiche nochmal und eventuell müssen Journalisten*innen auch nochmal Nachhilfe in Sachen Wissentschaftskommunikation bekommen. Das Problem ist halt auch das Verschwörungsmythen einen scheinbar Grundbedürfnisse von Menschen zu bedienen scheinen

    "Das ganze Phänomen der Krankheitsleugnung ist nichts Neues und nichts Ungewöhnliches. Cholera, Malaria, Spanische Grippe, Tuberkulose – auch da traten schon Zweif­le­r:in­nen und Skep­ti­ke­r:in­nen auf." Den Begriff der Skeptiker*innen würde ich den Leugnern nicht überlassen wollen, begründete Skepsis ist eins der Kernelemente guter Wissenschaft und Philosophie. Das was da großflächig betrieben wurde ist einfach Leugnung, Schüren diffuser Ängste etc.