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Linksliberale und die HamasWelche Linke?

Gastkommentar von Claus Leggewie und Daniel Cohn-Bendit

Die Sympathie linker Intellektueller mit der Hamas hat mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wenig zu tun. Nicht alle lassen sich blenden.

Pro-Palästina-Protest am 26. Oktober in New York Foto: Eduardo Munoz/reuters

A nlässlich der kaum erträglichen Solidaritätsbekundungen von Intellektuellen, die in der öffentlichen Debatte links verortet werden, heißt es, „die Linke“ habe kollektiv versagt. Einspruch: Da muss man schon genauer sagen, wer damit gemeint ist. Die organisierte Parteilinke, die sich in Deutschland gerade selbst abschafft. Die sozial-emanzipatorischen Bewegungen, die ganz diverse Ziele verfolgen.

Eine diffuse „linksliberale Öffentlichkeit“, für die dann prominente Sprecher wie Slavoj Žižek oder Judith Butler stehen sollen, die eine antisemitisch und genozidal ausgerichtete Terrorgruppe mehr oder weniger in ihren Kampf gegen das Empire einschließt. Was bitte soll daran links sein? Die Linke steht in der parlamentarischen Sitzordnung seit dem frühen 19. Jahrhundert für Freiheit, Gleichheit und Solidarität und gegen alle Verhältnisse, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx).

Das tat die als Partei, Gewerkschaft und Genossenschaft organisierte Arbeiterbewegung im Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung. Das ergänzten neue soziale Bewegungen um andere, im linken Mainstream vernachlässigte emanzipatorische Ziele, darunter die Gleichstellung der Frauen und ethnisch-kulturellen Minderheiten sowie heute vor allem die sexuelle Selbstbestimmung.

Auf diesen Fundamenten machten diverse Strömungen der Linken, deren Hauptunterschiede die legitime Anwendung von Gewalt und die Zulassung innerer Demokratie waren, Politik. Hier hat sich schon in der Sozialdemokratie des 19. Jahrhunderts und vor allem in den kommunistischen Flügeln ein autoritäres Kommando­muster durchgesetzt, das den proklamierten emanzipatorischen Zielen völlig entgegenstand. Stalinismus und Maoismus an der Macht waren die logischen Endstufen dieses totalitären Umschlags.

Blankoscheck für Antiamerikanismus

Bild: Wolfgang Borrs
Claus Leggewie

ist Politologe und war Ludwig-Börne-Professor an der Universität Gießen. Von 2007 bis 2015 leitete er das Kulturwissenschaftliche Institut in Essen.

Dagegen hat sich im 20. Jahrhundert eine „zweite Linke“ gebildet, die antiautoritär und antitotalitär gesinnt war und die Grundpfeiler pluralistischer Demokratie anerkannte. Und mit Blick auf die ökologische Problematik sagte man einem idealisierten Proletariat Adieu. Die aktuelle Verwirrung und Verirrung, die in der Hamas-Freundlichkeit zum Ausdruck kommt, hat ihre Vorgeschichte.

Der Geburtsfehler der nach 1945 unter dem Motto „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ versammelten Linken bestand in der Negation der „westlichen Werte“ von Demokratie und Menschenrechten, die es dem Sowjetkommunismus leicht machte, politische und soziale Proteste im Westen zu kapern. Gewiss waren die westlichen Bündnisse – Nato, EWG – gerade im Hinblick auf den fortbestehenden Kolonialismus, das Wettrüsten und eine neoliberale Wirtschaftspolitik problematisch.

Bild: imago
Daniel Cohn-Bendit

wurde 1945 in Frankreich geboren. Er ist Publizist und Politiker der Grünen und lebt in Paris und Frankfurt am Main.

Aber das hätte kein Blankoscheck für einen kruden Antiamerikanismus und nationalneutralistische „Dritte Wege“ sein dürfen, die im organisierten Pazifismus von den 1950er bis in die 1990er Jahre (und heute wieder in Hinsicht auf die Aggression gegen die Ukraine) zur faktischen Allianz mit (sowjet)russischen Zielen führte – ganz abgesehen vom unsäglichen Schulterschluss westlicher K-Gruppen mit der maoistischen Diktatur in China und Terrorregimen in Südostasien.

Dahin führte die problematische Auslegung der faschistischen Vergangenheit, die in den 1990er Jahren ethnische Säuberungen in Bosnien geschehen ließ, weil einmal die Wehrmacht in Serbien Unheil angerichtet hatte. Zwar hieß die Parole „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz!“, aber eine aktive Verhinderung genozidaler Vernichtung war darin nicht einmal eingeschlossen, als nach 1990 wieder Juden deren bevorzugte Ziele wurden.

Wende vom Klassen- zum Kulturkampf

Hier wirkt die Erbschaft des „Tiersmondisme“ fort, der uneingeschränkten Parteinahme für antikoloniale Bewegungen, die auch nicht zerfiel, als sich diese Befreiungsbewegungen mit Russland und China verbündeten und in Staatsklassen verwandelten, die ihre Völker ausplünderten und malträtierten.

So haben viele linke „Antiimperialisten“, die aus nachvollziehbaren Gründen Solidarität mit dem palästinensischen Volk bekunden wollten, die Augen verschlossen vor einem anfangs in der PLO und dann vor allem in ihren radikalen Abspaltungen weit verbreiteten, letztlich exterministischen Judenhass. Diese Verirrung hat wiederum mit der verhängnisvollen Wende vom Klassen- zum Kulturkampf zu tun, die Linke seit den 1970er Jahren vollzogen haben.

Vom überfälligen „Adieu au Prolétariat“ (André Gorz) war schon die Rede, aber die Konsequenz hätte nicht sein dürfen, soziale Ungleichheitsverhältnisse „intersektional“ aufzuspalten, womit Identitätsfragen – bekanntlich die Domäne des Ethno-Nationalismus der Neuen Rechten! – ins Zentrum rückten. Die diversen Anliegen des „Patchworks der Minderheiten“ sind durchaus berechtigt, aber dass (identitär gesprochen) nur noch Betroffene für sich sprechen sollen, hat der übergreifenden Solidarität der Bürger- und Menschenrechtsbewegungen die Basis entzogen.

Das Durchschlagen linken Antisemitismus in der BDS-Bewegung gegen den „Apartheidstaat“ Israel, im in der französischen Linken sehr verbreiteten „Islamo-Gauchisme“, der die Irrtümer des Tiersmondisme fortsetzt und nun zur verdrucksten oder ganz offenen Sympathie mit der Hamas steigert, ist eine moralische Bankrott-Erklärung. Aber nicht pauschal „der Linken“, die sich von der genozidalen Politik Russlands und der Islamisten nicht durchweg täuschen lässt.

Putin und die Hamas verfolgen ähnliche exterministische Ziele und machen sich die Naivität eines abstrakten Antifaschismus und Antiimperialismus zunutze. Sie verraten sämtliche Grundprinzipien von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und wollen dafür sorgen, dass die Ukraine und Israel von der Landkarte verschwinden und die dort leben­den Menschen erniedrigt, geknechtet, verlassen und verächtlich gemacht werden.

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37 Kommentare

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  • Kennt man alles. Ob es jetzt polemisch zugespitzt ist oder nur auf den Punkt gebracht? Geschenkt. Von meiner Seite nur der Hinweis: In der postkolonialen Theorie ist Identität (deren Zentralstellung mir mindestens suspekt ist) ein relationales Phänomen (BIPoc im Kontext A, Unterdrücker im Kontext B), bei den Identitären ist das Verständnis von Identität völkisch festgeschrieben. Es gibt einen Unterschied zwischen Identität (politisch/positional) und Identität (völkisch/substanziell). Herr Leggewie (ich schätze ihn sehr) hätte das wissen können (oder er weiß es und schreibt es nicht), Herr Cohn-Bendit hat wahrscheinlich anderes zu tun als viel kulturwissenschaftlichen Kram zu lesen.

    • @My Sharona:

      Das Problem ist, dass sich die Postkolonialen als politische Aktivisten eben vor allem der Antidiskriminierung verschriebne haben und deshalb Identität in ihrem Sinne zwar anders verstanden, aber gleich definiert wird wie von den Diskriminierern. Und, sorry, die Relationalität ist graue Theorie. In der Praxis gilt häufig genug "Einmal Opfer(-gruppenmitgliedschaft), immer Opfer", egal wie unterdrückerisch sich jemand verhält. Die einzige Ausnahme, die mir da spontan einfällt und die trotz einzigartig intensiver Opfer-Geschichte in den Augen der Postkolonialen geradezu in Richtung Täterkategorie gravitiert, sind Israel und das Judentum. Warum bloß...

      • @Normalo:

        Die Antwort auf Ihre abschließende Frage würde mich auch interessieren.

    • @My Sharona:

      Danke für diese Einordnung!

    • @My Sharona:

      "In der postkolonialen Theorie ist Identität [...] ein relationales Phänomen"

      Das ist zumindest die Behauptung von postkolonialen Theoretikern und Aktivisten. In der Realität von Theorie und Praxis ist der Unterschied zwischen postkolonialer und völkischet Identität eben häufig marginal....

  • Ja. Schön zu lesen: es gibt Linke die in der Wolle gefärbte Demokraten sind und ihr Denken und Tun aus/auf Freiheit, Gleichheit und Solidarität (Brüderlichkeit) als Grundparameter + ff her&ableiten. Und sich wohltuend den Kommandoton-Apologeten und folgend verrannten K & // AO-lern und ff-lern - aber auch den rinkslechts-verwechslern loßgerissenen Kanonen - jeglicher Couleur!! - wohltuend unterscheiden!



    Dank dafür ihr alten Sauseln.



    Insgesamt - Gut zu lesen. Chapeau •

    ps Ooch klar: Daß - erwartbar - Spitzkopfaspiranten und sonst verrannte - ihr Faß aufmachen und die ein oder andere Kelle - meist schwer verdaulich ungenießbares austun! Woll



    Stört dabei nicht weiter! Gelle

    Nö. Mit Angie Domdy & Schneewittchen trotzalledem gesprochen - 🎶🎶🎶🎶 -



    “Unter dem Pflaster - da liegt der Strand.



    www.youtube.com/wa...IGRlciBzdHJhbmQ%3D

    “Die größte Kraft



    ist deine Phantasie.



    Wirf die Ketten weg



    und schmeiß sie gegen die,



    die mit ihrer Macht deine Kräfte brechen wollen.



    Ref.:



    Oui, au dessous de pavèe est la plage ... Oui, au dessous de pavèe est la plage ...

    Ende des Vorstehenden

    • @Lowandorder:

      🙀🥳 das Z - liefer ich nach - Zauseln;))

      Z - womit en passant Gelegenheit ist:



      An diesen eindrucksvollen Film - Z - von Costa Gavras zu erinnern!



      “Als die Opposition in einem diktatorisch regierten Land einen Friedensmarsch abhält, wird ihr führender Kopf überfahren und erliegt seinen Verletzungen. Der Vorfall scheint eine geplante Abrechnung des Regimes mit seinen Gegnern zu sein. Um die Tötung zu vertuschen und als Unfall darzustellen, wird ein junger Untersuchungsrichter beauftragt, die von offizieller Seite herausgegebene Version der Geschehnisse zu bestätigen. Doch die Opposition gibt sich nicht zufrieden.“



      www.google.de/sear...e-de&client=safari



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Z_(Film)



      “Z (von neugriechisch Ζεί Zi ‚er lebt‘, Alternativtitel Z – Anatomie eines politischen Mordes) ist ein französisch-algerischer Spielfilm aus dem Jahr 1969 nach der gleichnamigen Romanvorlage von Vassilis Vassilikos. Der unter der Regie von Constantin Costa-Gavras und vor dem Hintergrund der griechischen Militärdiktatur entstandene Streifen gilt als genrebildender Klassiker des politisch engagierten Kinos (siehe Politthriller). Der Film wurde am 26. Februar 1969 in Frankreich erstmals aufgeführt.“



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Alekos_Panagoulis



      & Ein Mann



      de.wikipedia.org/wiki/Oriana_Fallaci

      • @Lowandorder:

        Schöner Hinweis - kenne nur das Buch ("Z") von V. Vasilikos. Sehr zu empfehlen!

        P.S. Z als Film nicht zu verwechseln mit "L - der Lautlose" bzw /M - Eine Stadt sucht einen Mörde";-)

  • Was ein Pamphlet!

    Nach “der Antisemitismus der Progressieven” vor ein paar Tagen, ist das eine weitere „tour’ de force“ durch Deutschland nach 1945.

    Und wieder diese Unschaerfen! Praktisch jeder Satz, jede Aussage verdient Nachfrage und Kritik.

    Its not a bug but a feature!

    Die millionenfach geteielten Videos aus Gaza, die junge Menschen gerade fast live zusehen bekommen stehen in so einem fundamentalem Gegensatz zu den hier proklamierten westlichen Werten, und machen Identifikation, mit diesen fast unmöglich.

    Wie diesen Wiederspruch aushalten?

    • @Marco Dorn:

      Und was ist mit den Videos, die die Hamas-Mörder von der Folterung ihrer Opfer gedreht haben? Oder die Bilder der Ermordeten Festival-Besucher, oder der vergewaltigten Frauen, die man wie Trophäen durch Gaza gefahren hat?

      War das kein "fundamentaler Gegensatz zu den Werten des Westens"?

      Da haben leider viel zu viele "junge Menschen" aus der muslimischen Community hierzulande gejubelt, oder zumindest befriedigt genickt, und viel zu viele "Linke" kamen wieder mit "Ja aber ...".

      Für die Taten des 7. Oktober gibt es keinerlei "Rechtfertigung", egal, welche kapitalen Fehler die Israelis bei ihrer Besatzungspolitik gemacht haben, oder was fanatische "Siedler" so treiben.

      Oder würden Sie den Pogrom vom 9. November 1938 auch mit irgendwelchem "Ja, aber" kommentieren.

      Das haben die Täter von damals schon erledigt, und wenn man diese "Begründungen" liest, kann man nur genauso K..zen, wie bei manchem Statement der "Linken".

  • Kategorische Imperative

    Zitat: „Die Linke steht in der parlamentarischen Sitzordnung seit dem frühen 19. Jahrhundert für Freiheit, Gleichheit und Solidarität und gegen alle Verhältnisse, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx).

    Hier das ganze Zitat: „Die Wurzel für den Menschenist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenenpositivenAufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß derMensch das höchste Wesen für den Menschensei, also mit demkategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ (Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844)

    In diesem Kontext auf dieses berühmte Marx-Zitat zu rekurrieren, ist mit seinem religionskritischen Wesenskern ebenso löblich wie widerspenstig, denn beide Konfliktparteien können das Credo für sich beanspruchen, nicht weniger also auch diejenigen, die die Zustände in dem Palästinenser-Reservaten eben als Verhältnisse charakterisieren, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Es gibt kein plausibles, historisch begründetes Argument für die Annahme, der Marx'sche „Kategorische Imperativ“ würde in diesem Konflikt nur für die eine der beiden Konfliktparteien polit-moralische Geltung besitzen. Er umfaßt logischerweise beide Religionen in diesem Konflikt, soweit sie in ihrer jeweiligen fundamentalistischen Ausprägung ihm primär-ursächlich zu Grunde liegen. Nur ein solches Herangehen könnte sich mit Recht auf den frühen Marx berufen, folglich als "links" strictu sensu gelten.

  • Slavoj Zizek hat die palästinensischen Opfer thematisiert und Empathie für diese eingefordert. Was ist daran falsch?

    • @Jörg Levin:

      Daran ist nichts falsch. Falsch ist, was er zur Begründung gesagt hat und wo er die Schwerpunkte setzt und was er zu Deutschland gesagt hat, aber dazu gab es ja schon einen eigenen Artikel.

  • Ich kann mit dieser Theoriedebatte wenig anfangen. Im Film "Human" hat es ein Israeli, dessen Tochter bei einem Anschlag getötet wurde, sehr klar auf den Punkt gebracht:



    Die Grenze verläuft nicht zwischen Palästinensern und Israelis, sondern denen, die Frieden wollen und denen, die keinen wollen:



    “My definition of „sides“ has changed dramatically. Today on my side are all those who want peace and are willing to pay the price for peace. On the other side are those who do not want peace and are not willing to pay the price for peace.”



    Danke an die Redaktion, für die differenzierte Berichterstattung!

    • @henrik sander:

      Schließe ich mich voll an!

  • danke für diesen artikel.

  • Ganz herzlichen Dank, daß sich nun auch Danny zu Wort meldet!

    Vielleicht auch eine Gelegenheit, sich zu fragen, warum in der "postkolonialen" Theorie von Demokratie und Menschenrechten nicht die Rede ist.

  • Ich weiß nicht warum solchen Wirrköpfen wie Zizek immer so eine große Bühne gebotwn wird. Ich habe mir ein paar recht aktuelle Interviews angesehen. Man steht am Ende da, wie nach einem Scientology Lehrgang. Ein Schwurbler par exzellence.

  • Ich stimme mit vielen Punkten der Analyse zur stalinistischen und orthodoxen Linken überein, die weder die Kriege in Bosnien, Kosovo, Syrien oder der Ukraine je verstanden haben und lieber über Hunderttausende von Leichen in diesen Ländern gegangen sind, als ihre kaltekrieger- antiwestliche Haltung zu hinterfragen.



    Mir ist jedoch nicht bekannt, dass in Deutschland irgendein Linker "Sympathien" mit der klerikal- faschistischen Hamas gezeigt hätte, auch Judith Butler und Slavoj Zizek nicht. Dass die Massaker der Hamas jedoch nicht in einem " luftleeren Raum" (Guterrez) stattgefunden haben, ist eine Realität, was aber in keinster Weise eine Rechtfertigung des Terrors der Hamas darstellt. Dies zu unterstellen ist unlauter, da die Angesprochenen versuchen, den Blick nach vorne zu richten und einen Ausweg aus dem Teufelskreis von Hass und Rache zu finden. Die Hamas, wie auch ISIS, sind Produkte von historischen Prozessen, die es gilt zu verstehen, um sie zu verhindern und den Israel- Palästina Konflikt zu lösen. Hierzu muss vor allem das Internationale Recht respektiert werden, was von einer Demokratie, wie Israel, erwartet werden muss. Wie es der "Globale Süden" derzeit massiv fordert, müssen die gleichen Standarts des Humanitären Vökerrechts vom Westen eingefordert werden u.z. für den Krieg gegen die Ukraine', wie für den Krieg gegen die Hamas in Gaza. Der Kommentar lässt zudem völlig außer Acht, dass bei 10.000 toten Zivilisten in Gaza, der Vertreibung von 2 Millionen Bevölkerung und dem völlig zerstörten Ghetto Gaza, die israelische Regierung weiter auf einen blinden Rchefeldzug setzt, koste es auch das Leben der Geiseln, der eigenen Soldaten oder der Zivilbevölkering Gazas zum Trotz. Dem Gemetzel entgegen zu treten, ist ein Akt der Menschlichkeit und politischen Reife. Dies nicht zu tun und das Vorgehen der rechtsextrenen Regierung Netanjahu zu rechtfertigen, ist ein Akt der Barbarei und definitv keine linke Haltung.

    • @Rinaldo:

      Wenn es Ihnen nicht bekannt ist, lässt sich das ändern.

      einfach noch mal nachlesen, was beide von sich geben.

      Gerade Butler.

  • Nelson Mandela hielt Israel für einen Apartheidstaat.



    Aber ja, treibt gern den Zentrismus weiter voran.

    • @Orwell1984:

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation



       

  • "Freiheit, Gleichheit, Solidarität".



    Die französische Revolution wird in der Hamas-Charta auch erwähnt. Sollte man sich vielleicht mal angeguckt haben, bevor man sich als "Linker" damit solidarisiert....



    Spoiler: Die Hamas findet Revolution nicht gut. Fortschrittliche Werte auch nicht. Uralte antisemitische Verschwörungstheorien kommen auch vor.

  • Im Artikel steht viel Wahres über die Fehlentwicklungen der Linken. Es ist aber im Grunde viel einfacher: Solange Linke dazu bereit sind, hinter die Mindeststandards einer bürgerlichen Demokratie zurückzufallen, ebnen sie der Barbarei den Weg. Niemand, der Wert auf Menschen- und Bürgerrechte legt, wie z. B. Meinungsfreiheit, Wahlrecht, Gleichberechtigung der Geschlechter, sexuelle Selbstbestimmung oder einfach nur das Recht, jederzeit essen und trinken zu können, was man will, würde freiwillig in einem anderen Staat im Nahen Osten leben wollen als in Israel, selbst unter einer weit rechts stehenden Regierung. In allen anderen Ländern in dieser Region und auch in Russland würde so ziemlich jeder deutsche Linke, der dort für dieselben innenpolitischen Ziele aktiv wird, für die er jetzt in Deutschland aktiv ist, umgehend im Knast landen - bestenfalls. Und von "Befreiungsnationalismus" bleibt, wenn er sich durchsetzt, in aller Regel nur ein Nationalismus, der sich vom Blut- und Boden-Nationalismus rechter Völkischer allein durch das Etikett unterscheidet; die Befreiung fällt aus.

  • Dieser Text resoniert mit vielen Linken, die sich zur Zeit kaum in der medialen Hufeisen-Wirklichkeit wiederfinden. Auch ich kann in der Positionierung einiger Gruppen als Fanclubs der Hamas, die prinzipiell antisemitisch, frauen- und LBGTQ-feindlich, sowie anti-demokratisch ausgerichtet sind, keinerlei Elemente einer linken politischen Verortung erblicken. Mir ist rätselhaft, wie eine Solidiarisierung mit einer solchen Organisation, zwecks Aufrechterhaltung statischer Feindbilder, in diesen Köpfen verarbeitet wird. Vielleicht kann Die Linke nach der Abspaltung von Wagenknecht und Anhängerschaft (die allerdings durch einen Hinauswurf hätte geschehen müssen) eine Platform für diejenigen Linken sein, die sich derzeit nicht oder nur schwach im öffentlichen Diskurs repräsentiert empfinden.

  • "exterministische Ziele" trifft genau das Denken dieser Hamas- und Putin-Freunde: Es geht um die Vernichtung Andersdenkender.



    Es stellt sich wieder einmal die Frage: "Was ist Links?" Sicherlich nicht die Ermordung von Menschen im Namen einer Religion oder einer Nation, selbst wenn sie von Kolonialismus geprägt ist. (s. Afrika)



    Wer nicht "für Freiheit, Gleichheit und Solidarität und gegen alle Verhältnisse, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx)" eintritt kann sich nicht "links" nennen.

  • „…aber dass (identitär gesprochen) nur noch Betroffene für sich sprechen sollen...“

    Das ist ein sehr interessanter Punkt. Nur wie man darauf kommt, dass dieser Punkt auch wirklich praktisch gelebt würde, ist doch sehr fraglich.

    Die Wahrheit ist doch, die „Betroffenen“ dürfen nur so lange für sich selbst sprechen, wie die westlichen Linken ihre Beiträge als nützlich erachten. Betrachtet man Beiträge als nicht hilfreich, dann versucht man sie zu verschweigen oder beginnt sofort mit der Realtivierung und Umdeutung.

    Das Rederecht der Betroffenen ist doch arg eingeschränkt, es steht unter dem Genehmigungsvorbehalt käseweißer Westlinker, die den Betroffenen sofort andere Worte in den Mund legen, wenn die Worte nicht ins gewünschte Schema passen…

    Das Konzept mit dem exklusiven Rederecht der Betroffenen zu kritisieren ist einerseits richtig, andererseits wäre es aber wohl recht heilsam, das exklusive Rederecht einmal einige Zeit lang wirklich einzufordern, was beinhalten würde, dass westliche Linke da eben nichts zu verschweigen, deuten und relativeren haben.

    Wo stünde „die Linke“ heute, wenn es uneingeschränktes Rederecht zB der Hamas gäbe? Wo stünde man ohne diese ganzen diskursiven Notfallinterventionen zur Relativierung unschöner Äußerungen?

    Ich behaupte, bis auf einige ganz wenige -offensichtlich durchgeknallte- Linke, stünde wohl kaum irgendwer auf der Seite derer die nur Fanatismus und Vernichtung im Programm haben…

    Und überhaupt?

    Was ist denn das für ein Rederecht, bei dem jeder dahergelaufene Weißlinke dazu befugt zu sein scheint, den Rednern Worte in den Mund zu legen, die diese weder gesagt haben noch sagen wollten?

    Wie kommt man dazu, Milliarden Menschen im Süden implizit zu Unwissenden zu erklären, die wohl einen westlichen Vormund brauchen? Wie kommt man auf die Idee, man selbst sei eben dieser Vormund?

    Irgendwer?

    • 6G
      697919 (Profil gelöscht)
      @Nafets Rehcsif:

      Der Text ist einfach ein Paradebeispiel für den im Artikel formulierten Vorwurf:

      -- soziale Ungleichheitsverhältnisse „intersektional“ aufzuspalten, womit Identitätsfragen – bekanntlich die Domäne des Ethno-Nationalismus der Neuen Rechten! – ins Zentrum rückten. --

      Die Brille, durch die sie die Welt sehen, ist die gleiche wie die der Rechtsidentitären, sie schauen nur von einer etwas anderen Stelle darauf. Was anderes als ein repressives System kann aus so einer Ideologie gar nicht entstehen.

    • @Nafets Rehcsif:

      Nur weil ich betroffen bin habe ich nicht das Recht, dass alles von mir sofort gehört und für gut befunden wird. Stuß wrid nicht besser, weil ihn ein selbst ernannter Betroffener ihn verzapft.



      "Das Rederecht der Betroffenen ist doch arg eingeschränkt, es steht unter dem Genehmigungsvorbehalt käseweißer Westlinker," Also eine Zensur durch die "käseweißen Linken". Interessante rhetorische Figur, die Kritik an Parolen und Äußerungen von Mördern, Antisemiten oder Mullahs aller Art als "Genehmigungsvorbehalt" zu stilisieren.

  • Zwei Dinge sind hierzu wichtig:

    1. Demokratie! Und eine gut entwickelte Demokratie entwickelt eben auch Prinzipien des Rechtsschutzes für Minderheiten. Damit die Herrschaft der Mehrheit nicht zur Diktatur über die Minderheit wird. Und eben diese Rechtsstaatlichkeit will Netanjahus ultrakonservative Koalition ja einfach so kippen, ohne über die Folgen nachzudenken!

    Der Dorn im Auge Netanjahus ist ja die Macht des obersten Gerichtshofes. Soweit ich weiß, müssen Palestinenser, die vor Gericht ihre alten Rechte an Grundstücken, welche von Siedlern einfach so genommen wurden, erstreiten, dies meist bis in die letzte Instanz durchfechten. In einem bekannten Fall dauerte der Marsch durch die Instanzen sechs Jahre! Wird die Macht des Gerichtshofes aber erfolgreich von Netanjahu torpediert, sind die palestinensischen Bewohner der Westbank bald so rechtlos wie die im Gazastreifen. Das erklärt den Zeitpunkt des Terrorangriffes der Hamas: Die Solidarität auch von den Westbank-PalestrinenserInneN war ihnen sicher wegen der aktuellen Verunsicherung durch Netanjahus Politik!

    2. Die Klasse des "Proletariates" ersatzlos zu streichen ist sowas von sinnentstellt - Sozialwissenschaftler wie Guy Standing haben längst die "Gefährliche Klasse" des "Prekariates" identifiziert und auch dessen Selbstorganisation als sinnvolle Sache beobachtet. Prekarier, aller Länder, vereinigt euch? Es reicht vollkommen, sich auf regionaler Ebene zu organisieren, um gemeinsam besser voran zu kommen. Wagenknecht will ja zurück zur sozialen Frage, aber um Guy Standing macht sie bestimmt einen großen Bogen. Warum? Weil er Befürworter eine "bedingungslosen Grundeinkiommens" ist. Erforscht hat er es sogar selber in kleineren Großversuchen. Letztlich mit einem Aufgeld zum Einkommen für jeden. Allein mit dem kleinen Aufgeld wurde das erklärte wichtigste grundsätzliche Ziel eines bedingungslosen Grundeinkommens, nämlich die Sicherung der kulturellen Teilhabe, vollkommen erreicht! Z.B. Schulbesuch der Kinder!

  • Voll ins Schwarze getroffen! Auf Claus Leggewie ist eigentlich immer Verlass. Auch für einen Teil der taz-Leserschaft (oder sind das alles Trolle?) gibt es nichts Schlimmeres als den "Wertewesten" und seine "Doppelmoral". Schon einfachste Widersprüchligkeit oder Komplexität treibt sie zur Solidarisierung mit seinen Gegners. Völlig egal, welche Abgründe sich da auftun. Zum Glück aber gibt es hier viele Linke, die links (im oben beschriebene Sinne, wie denn sonst) bleiben wollen, und das heißt auch: sich den Realitäten stellen. Dummerweise haben sie zZ quasi keine gesellschaftliche Relevanz.

    • @dites-mois:

      Ist richtig. Mit redlicher, geschärfter Perspektive gibt es nichts Schlimmeres als den "Wertewesten"

      Dafür muss man aber erst einmal da angekommen, dass es nicht darum geht für die Simulation von Identität, moralisch-politischer Integrität und seine Vorstellung von Pragmatismus, bloss innerhalb des Angebots im Welt(innen)Politik-Machtpraxis-Supermarkt Auswahl unter den Schrecklichkeiten zu haben.

      Man muss sich aus der Logik von Konkurrenz und "Wettbewerb" lösen um darauf zu kommen: Islamo-Faschisten, Klerikalfaschisten, Terrororganisationen wie Hamas sind Folge und Bedingung einer herrschenden Weltordnung, von Machtprozessen- konzentration innerhalb der Realität, zu der auch die Praxis des "Wertewestens" gehört: Die, die am Ende des Tages Realität ist. Nicht die, die gestern noch in der Sonntagsmesse gelesen wurde.

      Für jemand, für den es ausser Frage steht, dass Hamas u.ä. in jeder Hinsicht eine Verbrecherorgansation ist, ist es die Katastrophe, dass mit dem "Wertwesten" nichts im Angebot ist, dass so etwas wie Hamas tatsächlich, nachhaltig und mit einer positiven Wette auf die Zukunft entmachten, schliesslich besiegen könnte.

      Wer andere Realität erfinden will tut das. Muss dann aber mehr als 40 Jahre Wertewesten-Praxis in der internationalen Geo- Wirtschafts-Militärstrategie ignorieren. Sie hat ab Khomeini im Iran, in Afghanistan, im Irak, in Syrien, Libyen...keinerlei Erfolge gegen Islamofaschismus zu verzeichnen. Es kann einem reichen zu sagen: Daran sind Feinde schuld. Stimmt ja auch in der schlichtesten Perspektive. Die Identität und Begriff auf 256 Zeichen-Verkündigungen beschränkt.

      "Das Schlimmere" am Wertewesten ist: Selbstverständlich ist er nicht "wie Hamas" Sieger des 1. Weltkriegs waren ja auch nicht "wie Hitler /NSDAP"

      Waren Teil einer Praxis und Machtpolitik, die es erlaubte Faschisten Massen zuzutreiben und faktische Zustimmung zu verschaffen.

      Seit 40 Jahren rechte Moderne Regierung.



      Aber Linke sind schuld?

      • @Elise Hampel:

        Dass islamistische Bewegungen den Westen ablehnen, hat in erster Linie damit zu tun, dass ihnen die Vorstellung einer liberalen, pluralen und säkularen Gesellschaft ein Graus ist. Wer glaubt, ihre brutale und archaische Ideologie sei nur die unmittelbare Folge westlicher Politik, bedient sich in Wahrheit nur deren Legitimationsrhetorik.

        Im übrigen ahnen Sie vielleicht schon selbst, dass Sie genau die Haltung vertreten, die Leggewie und Cohn-Bendit deutlich kritisieren. Jene Linke, deren Verachtung für die abschätzig als "westlich" deklarierten Werte sie übernah an die äußerste Rechte rücken lässt. Den Ausdruck "Wertewesten" kenne ich sonst nur aus dem Lager der Putinfans.

    • @dites-mois:

      Was nützen westliche Werte, wenn sie nicht eingehalten werden?

      Linke - und zwar solche, die ich meine! - fordern die Einhaltung westlicher Werte. Linke nach Gusto der beiden Autoren nicht.

      Das ist der Kernunterschied.

    • @dites-mois:

      Ich kann die westliche Doppelmoral kritisieren und dennoch anerkennen, dass es (weitaus) Schlimmeres gibt.

      Die Doppelmoral ist v.a. insofern problematisch, als sie in vielen Teilen der Welt die Unterstützung für Demokratien extrem sinken hat lassen.

      Siehe das Feiern von Russland im Niger, siehe breite Unterstützung für problematische Anti-Israel-Resolutionen in den UN, siehe die weitverbreitete Gleichgültigkeit gegenüber dem russischen Morden in der Ukraine.

      Und das ist letztlich auch ein Problem für Israel, weil westliche Doppelmoral politische Unterstützung für diese noch mehr verringert als ohnehin schon.

      Bitte nicht selbst völlig verzerrt auf andere Positionen schauen.

      • @hoax:

        "Ich kann die westliche Doppelmoral kritisieren und dennoch anerkennen, dass es (weitaus) Schlimmeres gibt."



        Exakt das meine ich ja. "Der Westen" hat jede Menge üble Seiten und verursacht vielerlei Probleme, ist doch unbestritten. Wir haben aber Rechte und die Möglichkeit uns zu wehren und die hochgehaltenen Werte immer wieder neu einzufordern. Das Problem der Doppelmoral ist nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal westlicher Gesellschaften, Widersprüche zwischen Reden und Handeln ebensowenig. Aber schon das scheint einige gewaltig zu überfordern, sodass sie "den Westen" offensichtlich mehr hassen als Iran, Russland, Hamas etc. Deren Handeln für sie immer als Folge westlichen Agierens zurechtgebürstet wird.