Finanzielle Hilfe für Letzte Generation: Ökoworld macht Rückzieher
Der ethische Fonds-Anbieter Ökoworld wollte Geldstrafen von Klima-Aktivist:innen übernehmen. Nach Empörung hat er die Zusage nun zurückgezogen.
Am vorigen Wochenende hatte Platow unter der Überschrift „Kleben fürs Klima ohne Strafe!“ eine große Annonce in der taz geschaltet: „Nach Zahlung der Strafe durch die ‚Täterinnen und Täter‘ übernimmt die Ökoworld die Gebühren zu 100 % und überweist das Geld auf das jeweilige Privatkonto“, hieß es dort.
Nach einer missverständlichen Pressemitteilung des Unternehmens am Dienstag war zunächst unklar, ob die Ökoworld AG wirklich gerichtlich verhängte Geldstrafen übernehmen will oder nur Gebühren für Polizeieinsätze. Die Letzte Generation, mit der die Kostenübernahme vorab abgesprochen war, ging aber davon aus, dass Ökoworld für beides aufkommt. Ökoworld wolle „Strafen und Gebührenbescheide zu 100 % übernehmen“, hieß es in einer Pressemitteilung der Klima-Aktivist:innen vom Mittwoch. Ökoworld selbst antwortete zunächst nicht auf Anfragen.
Am späten Donnerstagnachmittag kam dann die überraschende Wende. Platow zog seine Zusage zurück, um Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern abzuwenden. „Mit Kritik hatte ich gerechnet, allerdings nicht in diesem emotionalen Ausmaß“, erläuterte er. Dabei sei es nicht mehr um Klimaschutz gegangen, sondern fast nur noch „um das Thema der Strafen und Gebühren sowie um mögliche Anstiftung zu Straftaten“.
Aktivist:innen nun mit Privatvermögen unterstützt
Nachträglich erklärte Platow seine Ankündigung nun für „nicht angemessen“. Außerdem betonte er: „Es war oder ist in keiner Weise meine Intention, zu Straftaten anzustiften, einen Freibrief für Straftaten auszustellen oder das Gesetz zu relativieren.“
Stattdessen will Platow nun aus seinem eigenen Privatvermögen mit Unterstützung von anderen Privatpersonen 20.000 Euro an den Umwelt-Treuhandsfonds überweisen. Dieser Fonds unterstützt Aktivist:innen vor allem mit Rechtsrat, kann in Einzelfällen aber auch Geldstrafen und Bußgelder übernehmen. Diese Spende werde von der Ökoworld AG weder mit Firmengeldern noch mit Geldern der Fondsvermögen unterstützt, versicherte Platow.
Gegen Aktivist:innen der Letzten Generation wurden in den vergangenen Monaten schon hunderte Geldstrafen verhängt. Nur in einer Handvoll Fälle kam es zu Freisprüchen. Nach der ursprünglichen Ankündigung hätte die Ökoworld AG allein für die bisherigen Aktionen wohl eine Summe von einigen Zehntausend Euro an Geldstrafen übernehmen müssen.
Rechtliche Probleme hätte das nicht verursacht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 1990 nach langer Diskussion entschieden, dass es nicht als „Strafvereitelung“ strafbar ist, fremde Geldstrafen zu begleichen oder zu erstatten. Zwar sei eine Geldstrafe durchaus persönlich gemeint und die Bezahlung durch andere gefährde massiv den Strafzweck. Strafbar wäre aber allenfalls die Bezahlung einer noch offenen Geldstrafe.
Bezahlen fremder Geldstrafen ist legal
Bei der nachträglichen Erstattung einer Geldstrafe sei dagegen die Vollstreckung der Strafe nicht mehr gefährdet, weil der Täter ja bereits gezahlt hat, sagt der BGH. Es könnte also nur derjenige wegen Strafvereitelung verurteilt werden, der zu „ungeschickt“ ist, um die Bezahlung einer fremden Geldstrafe richtig zu etikettieren. Deshalb hat der BGH das Bezahlen fremder Geldstrafen generell für legal erklärt.
Die Staatsanwaltschaft Berlin sah in der Ankündigung von Ökoworld auch keine strafbare „Anstiftung“ zu künftigen Straftaten. Die Bereitschaft, Kosten zu übernehmen, sei eher abstrakt und beziehe sich nicht auf ganz konkrete Straßenblockaden, hieß es auf Anfrage.
Damit hatten die Ökoworld AG und ihr Chef Platow zunächst also strafrechtlich nichts zu befürchten. Es war vor allem der massive öffentliche Druck, der bei Platow zum Umdenken führte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei