Gerhard Schröder bei russischem Empfang: Familientreffen in Putins Botschaft

Propaganda-Gehilfen unter sich: Die AfD-Politiker Chrupalla und Gauland feierten mit Altkanzler Schröder den „Tag des Sieges“ in der russischen Botschaft.

Portrait Gerhard Schröder

Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler und Putin-Freund Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Das Who-is-who der deutschen Putin-Versteher hat sich am 9. Mai bei einem Empfang der Russischen Botschaft in Berlin getroffen. Darunter: Alt-Kanzler Gerhard Schröder, dessen Frau So-yeon Schröder-Kim, Ex-DDR-Generalsekretär Egon Krenz, der Verleger der Berliner Zeitung Holger Friedrich, der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst sowie AfD-Chef Tino Chrupalla und AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland. Sie waren am „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland einer Einladung von Botschafter Sergej Netschajew gefolgt.

Die Veranstaltung sollte auch gegenwärtiger Propaganda dienlich sein. Der Botschafter kritisierte das Verbot russischer Flaggen und nationaler Symbole am Gedenktag, das Berlin aufgrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erlassen hat. Netschajew sagte, der „Nazismus“ dürfe keine einzige Chance aufs Wiederaufleben bekommen, auch nicht „in Form von Russophobie“. Russland rechtfertigt den Überfall auf die Ukraine mit der Lüge eines angeblichen Nazi-Regimes in Kiew. Westliche Botschafter und andere Po­li­ti­ke­r*in­nen nahmen aus Protest gegen Russlands Krieg nicht am Empfang teil.

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass sich Politiker der Linken und der AfD für russische Propaganda einspannen lassen. Chrupalla bestätigte der taz seine Teilnahme. Er schenkte dem Botschafter nach eigenem Bekunden „eine Tasse mit preußischem Adler. Für Frieden und Aussöhnung!“. Ihm sei wichtig gewesen, die „deutsche Sicht auf Geschichte und Gegenwart selbstbewusst darzulegen“, so Chrupalla zur taz. Möglicherweise ja die von Gauland, der bekanntlich den Faschismus nur für einen „Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ hält.

Für seinen guten Draht nach Moskau wurde AfD-Chef Chrupalla auch innerparteilich immer wieder scharf angegriffen, der Russlandkurs der Partei ist Gegenstand vieler Auseinandersetzungen.

Auch Höcke steht für einen freundlichen Russlandkurs

Zuletzt gab es deutliche Kritik, als er gemeinsam mit dem russischen Botschafter an der Gedenkstätte Seelower Höhen am Jahrestag von Stalingrad gedacht hatte und die russische Botschaft auch das propagandistisch ausgeschlachtet hatte. Chrupalla distanzierte sich danach von einer Pressemitteilung der Botschaft. Gauland besuchte schon 2014 „für strategische Beratung“ die Russische Botschaft. Beide AfD-Politiker reisten in der Vergangenheit nach Russland.

Das ZDF berichtet mittlerweile aus internen Chatverläufen der Bundestagsfraktion, dass viele AfD-Abgeordnete Rechenschaft von Chrupalla und Gauland fordern. Sogar Rufe nach einer Sonderfraktionssitzung seien laut geworden. Vize-Fraktionsvorsitzender Norbert Kleinwächter schrieb demnach im internen Chat: „Jeder, Freund wie Feind, würde Tinos Rücktritt von allen Ämtern begrüßen. Ich fordere ihn nicht, hielte ihn aber für einen Segen für unsere Partei und Fraktion.“ Die Nachricht kursierte bereits auf Facebook und Twitter.

Während sich die Abgeordneten über Chrupalla und Gauland offenkundig die Köpfe heißreden, fielen laut ZDF darüber hinaus auch offen geschichtsrevisionistische und rassistische Aussagen. So bezeichneten Abgeordnete im Chat den 8. Mai als „Tag der Schande“ und nannten die Rote Armee „barbarische Mongolenstürme“. So hatte auch NS-Propagandaminister Joseph Goebbels die Rote Armee genannt.

Für einen freundlichen Russlandkurs hingegen steht auch Björn Höcke, Chef-Revisionist des völkisch-nationalistischen AfD-Flügels, der eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad fordert. Auch der hatte anlässlich des Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai in Weimar gesprochen. Der Historiker und Leiter der in der Nähe befindlichen KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, wertete das als „geschichtspolitische Provokation“. Höcke sei ein „notorischer Antisemit, Rassist und Geschichtsrevisionist“.

Der Thüringer AfD-Chef nannte dann bei seiner Rede vor rund 500 An­hän­ge­r*in­nen Antifaschisten die neuen Faschisten und sprach davon, Widerstand gegen „eine digitale Diktatur im Namen von Antifaschismus, Buntismus und Weltklimarettung“ leisten zu wollen. Begleitet wurde Höcke vom Lärm der über 1.000 Gegendemonstrant*innen.

Update, 11. 5. 2023: Text wurde ergänzt.

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