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Schröder-Dokumentation im ErstenPutins Kumpel teilt aus

Eine Doku zu Gerhard Schröder arbeitet sich am Zynismus des Altkanzlers ab. Sogar der Filmemacher ist genervt, doch es gibt erhellende Momente.

Gerhard Schröder mit seiner Frau So-yeon Schröder-Kim Foto: ARD

Kommenden Sonntag wird Gerhard Schröder 80 Jahre alt. In einem ARD-Geburtstagsporträt haut der Charmebolzen einen Kracher nach dem anderen raus. Bei der SPD-Bundestagsfraktion handle es sich um „armselige Leute“, bei der grünen Außenministerin Baerbock sei „Professionalität unterentwickelt“, SPD-Generalsekretär Kühnert sei schlicht „ein armer Wicht“, und last, not least: „Freundschaft gibt es schon mit Wladimir Putin.“

Auch beim Verhältnis zu China wird Schröder deutlich: „Wir machen Realpolitik statt Moralpolitik“, „wir sind auf Augenhöhe im Gespräch“, man wolle weiter im Dialog bleiben. Pardon – da ist was durcheinander geraten: Die Chinapassagen sind gar nicht von Schröder, sondern vom bayerischen Ministerpräsidenten Söder nach dessen jüngsten Peking-Businesstrip.

Das könnte die Frage aufwerfen, was Altkanzler Schröders amoralisches eigentlich vom realpolitischen Politverständnis des Kanzleraspiranten Söder unterscheidet: Müssen wir Schröders Statement, er fühle sich „überhaupt nicht isoliert“, vielleicht ernst nehmen? Und hätte es nicht Gegenstand eines immerhin einstündigen Films über ihn sein können, herauszuarbeiten, welchen Traditionslinien deutscher Ostpolitik er folgt, was seine politische Agenda, ja vielleicht sogar die weltanschauliche Unterfütterung seines Wirkens ist?

Fragen ohne Saft

Lucas Stratmanns Film „Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story“ versucht erst gar nicht, auf diese Ebene zu kommen. Stratmann knetet mit seinen menschelnden Fragen an Schröder herum wie an einem Knäckebrot, aus dem kein Saft kommt. In einer der Interviewszenen ist erhellend zu sehen, wie er von seinem Protagonisten und sich selbst so genervt ist, dass er die immer gleichen zynisch-schmunzelnden Antworten gar nicht mehr abwarten will und sein Blick unkonzentriert ins Weite abdriftet. Das ist einfach handwerklich schlecht gemacht. Interviews sind nicht dazu da, die Antworten zu bekommen, die man sich erhofft.

Dementsprechend hat der Film einen Grundfehler, einige Durchhänger und wenige Momente. Zum Beispiel den mit „Malerfürst“ und Schröderfreund Markus Lüpertz bei der Einweihung des von ihm gemachten und von Schröder geförderten „Reformationsfensters“ in der hannoverschen Marktkirche im Oktober vergangenen Jahres: Lüpertz meint zunächst noch recht forsch zu dem neben ihm in der Kirche sitzenden Schröder: „Wieso wollen eigentlich alle was von dir wissen, ich hab doch das Fenster gemacht!?“ Um dann gleich zweimal glauben nachreichen zu müssen: „Gerhard, das war ein Scherz jetzt!“

Da hat jedenfalls jemand nicht nur den Politpensionär, sondern auch noch den Machtmenschen Schröder kennengelernt, der über alle lachen kann – nur nicht über sich selbst.

Aufschlussreicher Horst-Mahler-Text

Was der Film zeigt, ist Schröders wohl nur tiefenpsychologisch zu entschlüsselndes Bedürfnis, immer wieder zu betonen, es sei sein Leben, das er lebe – als ob ihm das irgendwer abspenstig machen könne; und als ob das ein Argument wäre, das seine Handlungen ethisch legitimierte. Politik als Performance eben, als egozentrisches Projekt des etwas aus sich Machens.

Drei Tage nach der Bundestagswahl 1998 erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel eines seit den späten 1970er Jahren guten Bekannten des kommenden Kanzlers, der diesen Aspekt, aber auch eben grundsätzliche Leitlinien schröderschen Agierens herauszuarbeiten suchte: Schröders „Entschluß, Kanzler zu werden“, sei aus der Erfahrung gefolgt, „daß er in den Medien ‚gut rüberkommt‘“. Im Wahlkampf habe er deutlich gemacht, „dass er Deutschland will“. Dieser „Friedensmacht“ Deutschland „könne schicksalhaft die Aufgabe zufallen, Rußland geopolitisch in den christlichen Kulturkreis einzubinden“.

Autor dieses überaus merkwürdigen Textes mit dem Titel „Geheimagent des Weltgeistes“ war kein anderer als der ehemalige 68er-Anwalt und spätere Neonazi Horst Mahler. Wer Schröder ernst zu nehmen bereit ist, wer die verdrucksten Volten der Partei, der er sich immer noch zugehörig fühlt, der SPD also, in der aktuellen Lage entschlüsseln will, erfährt hier mehr als in einem Film, der niemanden überfordern will und sich gerade dadurch verzichtbar macht.

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19 Kommentare

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  • Mit letztem Atem



    Gibt alter Flaschenkanzler



    Einen zum Besten.

  • Btw Hinweis

    Das unsagbare Teil steht bereits in der



    ARD Mediathek.



    Gruselig - aber so isser! Woll

    www.ndr.de/nachric...,audio1606888.html



    Trailer

  • Der peinlichste Auftritt seit der Elefantenrunde

  • Schröder hält extrem viel von sich selbst, dabei hat er zwei Kernreformen gemacht: Die Renten- bzw. Riesterreform und die Harz-Reformen.



    Die Folge ist, dass Rentner immer weniger Rente erhalten und dass Arbeitslose bei einer Art Sozialhilfe landen.



    Die SPD schafft nur noch mit Mühe 20 Prozent.... Dass so ein Mensch mit Zynismus um sich wirft, wundert mich nicht. Anders kann er mit seiner Leistungsbilanz nicht umgehen. Dann die Frauen und der Wein, Schröder benötigt eben einen Nebel von Zustimmung. Viele Sozialdemokraten hassen ihn. Da hilft dann nur noch Zynismus...

    • @Andreas_2020:

      Man muss schon viel von sich halten, um zu glauben, von Putin ernstgenommen zu werden.



      Aber auch er wurde nur ver"moars"t.

  • Ich interpretiere Ambros Waibels Fazit:



    Note mangelhaft bis ungenügend.



    Auch für den Film.



    /



    Einst noch betont im Ersten:



    "Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe"🤔

  • Ja. So kennen wir ihn.



    Nich tonn uthollen un rein tonn katolsch warrn!



    Ein unverbesserlicher wandelnder indolenter Kotzbrocken.

    unterm——-btw (klar Angie wollte gar mitmarschieren - lassen;((



    Habe mir erlaubt gegenüber dem NDR auf folgendes hinzuweisen:



    “Hi Folks Guter Beitrag. But. Die Darstellung Irak-Krieg zu Schröder und Fischer ist schlicht falsch. Deutschland war entgegen ihrer Darstellung - Kriegspartei



    In seiner Irak-Entscheidung hat das BVerwG dies unmissverständlich klargestellt. Schröders und Fischers dreistes Öffentlichkeitsverhaltung - der sie hier unverständlicherweise immer noch auf den Leim gehen - sollte die Wiederwahl absichern www.bverwg.de/210605U2WD12.04.0



    Mit freundlichen Grüßen …“

    • @Lowandorder:

      Hierzu die Taz taz.de/Zehn-Jahre-Kosovokrieg/!5165840/ (allerdings vor 15 Jahren):

      》Völkerrecht gebrochen

      Mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien ohne UN-Mandat haben die Nato-Staaten das Völkerrecht gebrochen und dabei die Öffentlichkeit manipuliert

      Die "Androhung und Anwendung" zwischenstaatlicher Gewalt ist nach Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta verboten. Die rot-grüne Bundesregierung verstieß mit der Bereitstellung deutscher Truppen für diesen Krieg nicht nur dagegen, sondern ebenso gegen das Grundgesetz sowie gegen den 4+2-Vertrag zur Herbeiführung der deutschen Einheit. Bis heute versuchen die Nato-Staaten, ihren Völkerrechtsbruch mit der Behauptung zu rechtfertigen, der Krieg sei "unvermeidbar" gewesen als "humanitäre Intervention" zur Unterbindung der - ohne Frage schwerwiegenden - serbischen Menschenrechtsverletzungen gegen die Albaner im Kosovo.

      "Unvermeidbar", nachdem ein "gemeinsames Vorgehen der UNO" an der Veto-Drohung Russlands im Sicherheitsrat gescheitert sei. Selbst wenn es diese Veto-Drohung tatsächlich gegeben hätte, wäre daraus kein Recht der Nato zur Kriegsführung ohne Mandat des Sicherheitsrates erwachsen. Doch es gab diese Veto-Drohung nicht. Stattdessen wurde Russland von der Nato vor vollendete Tatsachen gestellt《

      Rot-Grün unter Kanzler Schröder (und Vizekanzler Fischer).

      • @ke1ner:

        Moinmoin - lassen’s das mal nicht le petite cheflereporter Peter Unfried lesen! Gell.



        Der saugt da - leicht verschwurbelt as usual - & über den roten Dany - ganz anderen - schwer verdaulichen - öh bellizistischen Honig 🍯 draus! Woll

        unterm——-



        Bin da einst richterlich mit befaßt - ganz auf Ihrer Linie und als ich Küppersbusch aufm taz-meeting fragte - wieso denn die Regierung die Öffentlichkeit - ich sage nur Scharping “Auf geht’s“ & der Hufeisenplan - einschließlich der Gerichte - habe täuschen können?!



        Sagte er nur trocken “Da haben wir durch die Bank gepennt!“

    • @Lowandorder:

      Sie wissen doch genau, was mit Nicht-Kriegspartei gemeint ist. Und es entspricht genau dem allgemeinen Sprachgebrauch, den sie offensichtlich nicht kennen. Und die Worte des Kriegstreibers Rummsi klingen doch fast allen, die damals schon bewusst dem Treiben folgten, noch lange nach-.

      • @fvaderno:

        Herr - dunkel war der Rede Sinn …



        (Friedrich Schiller Gang zum Eisenhammer,)

        Daß Angie mitmarschieren lassen wollte



        Enthebt halt nicht der Einschätzung mit dem Bundesverwaltungsgericht -



        Schland war Kriegspartei •

        unterm—- angeschrägter Bonmot am Rande =>



        ps der BE zum Urteil war mein viel zu früh verstorbener Weggefährte Freund und Kollege Dieter Deiseroth im Wehrdienstsenat.



        Die offene und klandestine Reaktion der Politik blieb nicht aus.



        pps Er durfte dieserhalb zweimal bei Angie “vorturnen“.!;)



        Da - wären wir gerne Mäuschen gewesen - 🙀🥳 - Woll



        always at your servíce

        • @Lowandorder:

          Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - mahnt an -

          “Darauf muss immer wieder hingewiesen werden.







          Dass wir nicht zur Allianz der Billigen gehörten, war mir trotzdem angenehm. Merkel bei George W Bush werde ich nie vergessen.



          Sie war schon vor ihrer Zeit als Kanzlerin ... unsäglich.“

          kurz - Wer wollte bei klarem Verstand -



          Widersprechen!

  • ...man kann ihn drehen & wenden wie man will - Herr Schröder war schon immer nur PEINLICH und er bleibt auch PEINLICH.



    Unsozial, nur auf seinen eigenen Vorreil bedacht, 0 - Charisma aus kleinsten Verhältnissen kommend, alle Klischees hervorragend bedient. Ein ganz toller Hecht iwie sozusagen...



    Soll er sich ein Selbstbildnis ins Zimmer hängen aber bitte nicht mehr unser Volk verarschen - es reicht wirklich.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Alex_der_Wunderer:

      Die „kleinsten Verhältnisse" sind froh, dass sie ihn los sind. Der Ehrentitel „Einer von uns" wird ihm nicht gewährt.

    • @Alex_der_Wunderer:

      “Emporschläger“ um mal wieder in memoriam Wiglaf Droste das Wort zu erteilen! Woll

    • @Alex_der_Wunderer:

      Seine Jünger klebten aber lange an seinen Lippen. Er war doch für viele in der SPD der Messias.



      In Hannover wird er heute noch von seinen Weggefährten gefeiert

      • @Ahnungsloser:

        > von seinen Weggefährten

        Maschmeyer, von Fromberg, Rürup?

        Hol' mir mal 'ne Flasche Bier, sonst streik' ich hier!

        • @Grenzgänger:

          Liggers. Das hab ich als “alter Grenzgänger“* schon immer vertreten:



          “Maschmeyer in den Maschsee!“**

          unterm——



          * tituliert vom ollen KLeu - Jack’en mein letzter Klassenlehrer



          ** Harry Rowohlt hat mal völlig zu recht angemerkt:“Wir werden uns einst noch für jeden ausgelassenen Kalauer verantworten müssen!“

        • @Grenzgänger:

          ...ach ja, Maschmeyer und sein Allgemeiner Wirtschaftsdienst mit seinen damaligen Drückerkolonenen - genau die richtige Gesellschaft...