Reform der Erbschaftssteuer: Die SPD will Erben ärgern
Dem Staat fehlt Geld, etwa für eine Kindergrundsicherung. SPD-Politiker wollen Ausnahmen für Firmenerben streichen – die größte Steuersubvention.
Döpfner wandte wahrscheinlich einen Trick an. Kurz vor dem Milliardengeschenk kaufte er im Wert von 276 Millionen Euro Aktien am Springer-Konzern. Etwa die Summe, die er an den Fiskus hätte zahlen müssen. Denn es gilt: Bei großen Vermögen ab 26 Millionen Euro müssen die Begünstigten keine Steuern zahlen, wenn sie „bedürftig“ sind. Dazu müssen sie nur nachweisen, dass sie kein privates Vermögen haben, um ihre Steuerschuld zu begleichen. Aktienanteile in großem Umfang gelten als Betriebsvermögen und werden geschont. Wer, wie Döpfner, Privatvermögen also rechtzeitig in Betriebsvermögen umwandelt, muss nichts abgeben. Und zwar völlig legal.
Weil sie diese und andere Schlupflöcher nutzen, können gerade die Erben und Beschenkten großer Vermögen jedes Jahr Milliardensummen am Staat vorbeischleusen. Von den rund 400 Milliarden Euro, die hierzulande pro Jahr vererbt oder verschenkt werden, erhält die Allgemeinheit nur einen Bruchteil. „Die Ausnahmen für Firmenerben bei der Erbschaftsteuer sind die größte aller Steuersubventionen“, sagt Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung entgehen dem Staat dadurch mindestens 5 Milliarden Euro pro Jahr.
Im Haushalt fehlen Einnahmen
Geld, das aktuell fehlt, etwa für eine Grundsicherung, die Kinder vor Armut schützt. Familienministerin Lisa Paus (Grüne), die die Kindergrundsicherung umsetzen soll, hat diese Woche Alarm geschlagen. „Die Zeit rennt“, sagte sie dem Deutschlandfunk. Wenn die Kindergrundsicherung 2025 eingeführt werden soll, müsse man jetzt drüber reden. Der Grund für Paus’ Panik: Finanzminister Christian Lindner blockt ab. Die FDP hält die Pläne von Paus für zu teuer. Denn schon der Haushalt fürs kommende Jahr ist überbucht – noch ganz ohne Kindergrundsicherung.
Paus hatte sich bei ihrem Parteikollegen, dem grünen Vizekanzler Robert Habeck, beschwert. Der schrieb dem „Kollegen Lindner“ am Valentinstag einen Brief und erinnerte ihn an wichtige Projekte aus dem Koalitionsvertrag. Er schlug Lindner auch vor, darüber zu beraten, wie man die Einnahmen des Staates verbessern könne. Lindner antwortete, diese Anregung wolle er nicht aufgreifen.
Bei den Koalitionsverhandlungen hatten sich die Liberalen mit der Forderung durchgesetzt, dass die Ampel keine Steuern erhöht. Doch nicht nur Habeck, auch die SPD würden gern nochmal über Staatseinnahmen, sprich Steuern für Reiche und Krisengewinner, reden. Sie halten den Koalitionsvertrag durch den Krieg in der Ukraine und dessen Folgen in diesem Punkt für überarbeitungsbedürftig.
SPD will umverteilen
Der Parteivorstand setzte zu Jahresbeginn eine Kommission „Steuern und Finanzen“ ein. Ein Dutzend Genoss:innen aus Bund und Ländern bis ins Kanzleramt soll bis zum Parteitag im Dezember ein Konzept für ein „solide und vor allem gerechte Finanzierung von Krisenkosten und Zukunftsinvestitionen“ erarbeiten.
Mit dabei im Arbeitskreis ist auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Michael Schrodi. „Wenn man über den Abbau von Subventionen spricht, dann kommt man an der größten Steuersubvention in Deutschland, der Privilegierung größter Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer, sicher nicht vorbei“, meint Schrodi. Auf weitere Instrumente wolle er sich derzeit nicht festlegen, aber der Kasten sei ja überschaubar.
Die Parlamentarische Linke der SPD hat schon mal vorgearbeitet. Ende vergangenen Jahres verschickte sie intern ein Konzept für eine solidarische Finanz- und Steuerpolitik in der Zeitenwende. Darin findet sich neben einer Vermögensteuer oder einer Vermögensabgabe auch die Idee, die Erbschaftsteuer zu reformieren. Schon im Wahlprogramm hatte die SPD versprochen, die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abzuschaffen, das aber in den Koalitionsverhandlungen ad acta gelegt.
Erbschaften: Hauptrolle bei ungleicher Vermögensverteilung
Nun hat auch ein Trio aus der Fraktion erneut Anlauf genommen: Tim Klüssendorf, Berichterstatter für Erbschafts- und Vermögensteuer, Armand Zorn und Parsa Marvi, beide Mitglieder des Finanzausschusses. Nur Klüssendorf gehört zur Parlamentarischen Linken, Zorn ist Mitglied der Netzwerker und Marvi im Seeheimer Kreis, den Konservativen im SPD-Spektrum. Alle drei verbindet, dass sie neu im Bundestag sind und eine Reform der Erbschaftsteuer für dringend geboten halten.
Kurz vor dem Jahreswechsel machten sie ihr Papier „Fair erben“ öffentlich. Dass die ganz großen Vermögen praktisch steuerfrei weitergegeben werden könnten, sei ungerecht, argumentieren sie. Es leiste der gravierenden Ungleichverteilung von Vermögen Vorschub, gefährde den sozialen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Resilienz.
Tatsächlich ist Vermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt. Auf einer Skala von 1 – einer Person gehört alles – bis 0 – allen gehört alles – liegt Deutschland bei 0,8. Dieser sogenannte Gini-Koeffizient, der die Vermögensverteilung misst, liegt im Kreis der westlichen Industrieländer nur in Schweden und den USA noch höher.
„Erbschaften spielen die Hauptrolle, wenn es um extreme und wachsende Vermögensungleichheit geht“, sagte die Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung im November. Mehr als die Hälfte der Privatvermögen werde nicht mehr selbst erarbeitet, sondern vererbt oder verschenkt. „Deutschland ist eine Erben- und keine Leistungsgesellschaft.“
Von der Lobby an die Wand gedrückt
Um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, schlagen die drei SPD-Bundestagsabgeordneten vor, die Vergünstigungen für große Unternehmenserbschaften weitestgehend aufzuheben. Dazu zählt Döpfners Trick. Aber auch die Möglichkeit, das Betriebsvermögen in eine Stiftung umzuwandeln. Egal wie reich die Begünstigten sind – eine Stiftung gilt im Sinne des Steuerrechts als bedürftig. „Der Trend geht gerade in Richtung Stiftung“, berichtet Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, die sich Vermeidungsstrategien der letzten zehn Jahre angeschaut hat.
Die Schlupflöcher sind also bekannt, sie zu schließen wäre kein Hexenwerk. Zumal das Bundesverfassungsgericht schon 2014 geurteilt hatte, dass die Ausnahmen für Firmenerben zu weitreichend seien und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstießen.
Auch deshalb entschloss sich die damalige Große Koalition zu einer Reform der Erbschaftsteuer – die das Problem allerdings verschlimmbesserte. „Wir wurden damals von der Lobby an die Wand gedrückt“, berichtete der ehemalige SPD-Vorsitzende und NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans auf dem Podium der Ebert-Stiftung im November.
Es fehlte der politische Wille fürs Kräftemessen mit den Firmenerben. Und heute, bei der Ampel? Die Grünen müssen nicht überzeugt werden. Deren finanzpolitische Sprecherin im Bundestag Katarina Beck ist dafür, Fragen nach der Einnahmseite „aus der Tabu- in eine Gestaltungsecke zu bringen. „Wichtige Zukunftsprojekte für den sozialen Zusammenhalt, die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft und auch die immensen Folgekosten des russischen Angriffskriegs müssen finanziert werden“, so Beck zu taz.
Wie überzeugt man die FDP?
Doch aus der FDP kommen Vorbehalte. FDP-Haushälter Otto Fricke sagt auf Anfrage, er hätte auch viele Ideen, wie man Geld einsparen könnte. „Eine Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer gehören aber definitiv nicht dazu.“
Das SPD-Trio aus der Fraktion setzt vor allem auf Argumente. Bei der Erbschaftsteuer gehe es ja nicht darum, Steuern zu erhöhen, sondern darum, den Kreis der Zahler:innen auszuweiten und Schlupflöcher zu schließen. Für ihre Vermögen hätten die Erben nichts getan, es handele sich also um leistungsloses Einkommen. Und Arbeitsplätze seien durch eine Reform nicht gefährdet.
„Wir müssen wegkommen von falschen Erzählungen“, sagt SPD-Mann Armand Zorn. „Niemand will Familienunternehmen und den Mittelstand kaputt machen.“ Er und seine beiden Fraktionskollegen können sich sogar vorstellen, Freibeträge für Betriebsvermögen zu erhöhen und den Firmenerben die Möglichkeiten zu geben, ihre Steuerschuld über einen langen Zeitraum abzuzahlen.
Man wüsste gern, was die Firmenerben von der aktuellen Diskussion halten. Doch auf taz-Anfrage teilte der Verband der Familienunternehmer mit, es sei nicht gelungen, einen geeigneten Ansprechpartner zu finden
Man hält sich bedeckt. Noch. Aber das kann sich ändern, wenn die Debatte Fahrt aufnimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei